Physiotherapie am Kiefergelenk

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Transkript:

Physiotherapie am Kiefergelenk Untersuchung, Therapie, Fallbeispiele Bearbeitet von Kay Bartrow 1 Auflage 2011 Buch 320 S Hardcover ISBN 978 3 13 153791 1 Format (B x L): 17 x 24 cm Weitere Fachgebiete > Medizin > Physiotherapie, Physikalische Therapie Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shopde ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, ebooks, etc) aller Verlage Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte

114 Behandlung in kombinierten Positionen 211 TMG HWS neurale Spannung CMD Beschwerden Schultergürtelposition BWS/ Schultergürtel Körperhaltung Muskelverspannung Kopfhaltung Abb 1150 Mechanische Beziehung der oberen Körperregionen zur CMD, zb Flexion der BWS und Protraktion des Schultergürtels führt zur Extension der HWS und Retrusion im Kiefergelenk (modifiziert nach Brügger) Va Variationen der HWS-Position sind mit einer Vielzahl von mechanischen Therapiemöglichkeiten für die kranialen Nervenstrukturen verbunden, insbesondere für den N mandibularis (aus dem N trigeminus) Die gezielten Voreinstellungen der benachbarten Gelenkkomplexe (HWS, BWS und Schultergürtel) bringen auch weitreichende mechanische Konsequenzen für die Gelenkkapsel und die ligamentären Strukturen der Kiefergelenke mit sich, die für eine effektivere Therapie von großem Nutzen sein können (Abb 1151) Durch diese Abb 1151 Begleitfaktoren zur Behandlung in kombinierten Positionen Vorgehensweise können Steigerungen in die angewendeten therapeutischen Interventionen eingebaut werden, ohne direkt die Intensität der benutzten Technik zu verstärken Die veränderte Ausgangsstellung der zu behandelnden Strukturen genügt, um die Effekte der Behandlungstechnik auf einen anderen Aspekt des Zielgewebes zu verlagern und somit einen neuen Therapiereiz mit resultierender erweiterter Adaption der behandelten Strukturen auszulösen (Tab 118) Die Therapie einer Funktionsstörung in kombinierten Ausgangsstel- Tab 118 Mit der Haltung korrespondierende Faktoren einer CMD Begleitfaktoren Beobachtungskriterien Funktionelle Bedeutung Kopfhaltung Schultergürtelposition Körperhaltung Muskelverspannung Neurale Spannung Lateralflexion Rotation Translation (ventral oder dorsal) Protraktion Retraktion Sternosymphysale Belastungshaltung Flexion oder Extension der oberen BWS Schultergürtelmuskeln Nackenmuskeln Brustmuskeln N trigeminus N facialis N accessorius N glossopharyngeus N hypoglossus Jede dieser mechanischen Komponenten verändert die Beweglichkeit der Mandibula und den habituellen Mundschluss Über muskuläre Vorspannung (M omohyoideus als direkte Verbindung aus der Schulterregion in das Kiefergelenk) Veränderte Mechanik Funktionelle Haltungskorrelation über Bewegungs- und Muskelketten bis in das Kiefergelenk Beeinflussung über Muskelketten und Irradiation Neurale Spannung durch Adhäsionen im neuralen Gewebe (in den Hüllstrukturen) oder an den mechanischen Kontaktflächen

212 11 Physiotherapeutische Behandlungstechniken lungen stellt somit eine elegante Möglichkeit der Steigerung in der physiotherapeutischen Behandlung dar 1142 Veränderte Ausgangsstellung über HWS-Modulation Zunächst soll die Aufmerksamkeit den möglichen Modulationen in der Ausgangsstellung der HWS und den damit einhergehenden Veränderungen der Therapiereize gelten Die Modulation der HWS lässt Veränderungen in Flexion, Extension, Lateralflexion und Rotation, jeweils nach rechts oder links, zu In der gewählten Ausgangsposition für die HWS können verschiedene Therapiereize, auch mit unterschiedlich intensiver Wirkung, auf das Kiefergelenk übertragen werden Die veränderte Ausgangsstellung bringt modifizierte mechanische Bedingungen für die Kiefergelenke mit, die zur effektiven Therapie mittels manueller Mobilisation der Gelenke benutzt werden können Veränderungen in der Ausgangsstellung für die Behandlung sollten immer an einen entsprechenden Befund aus der körperlichen Untersuchung geknüpft werden D h es sollten Zusammenhänge zwischen Körperoder Kopfhaltung und den Symptomen der CMD existieren und im Vorfeld gefunden worden sein Somit ist eine Möglichkeit der Verbesserung dieser Symptome durch adaptierte Ausgangsstellungen gegeben in HWS-Lateralflexion Abb 1152 Mobilisation des Temporomandibulargelenks mit der Vorpositionierung in HWS-Lateralflexion nach rechts Die zervikale Flexion (respektive Extension) moduliert die translatorische Kondylusposition im Kiefergelenk eher durch eine Protrusions- bzw Retrusionskomponente Mechanisch bedeutet dies für die Flexion der HWS eine konkrete Modulation in eine retrusive Stellung des Kondylus in der Gelenkrelation Dies führt zu mechanischer Entlastung der vorderen Gelenkflächen und zu einer eher druckbelasteten Situation für die dorsalen intraartikulären Strukturen die bilaminäre Zone Damit kann eine moderate Deformation über sanfte Mobilisations- Die zervikale Vorpositionierung in Lateralflexion verändert die mechanische Kontaktbeziehung der Kiefergelenke Es finden translatorische Positionsänderungen, primär in Rechts-links-Ausrichtung, des Kondylus in der Gelenkrelation statt, die den Therapiereiz der manuellen Mobilisation an andere Teile des Zielgewebes bringen (Abb 1152) Außerdem verändert die Vorpositionierung die Spannung bzw den Tonus des Zielgewebes, sodass die Vor-Bedingungen für den Therapiereiz modifiziert sind Das Kiefergelenk kann so dicht unterhalb der Schmerzgrenze oder am aktuellen Bewegungslimit positioniert werden, um die Therapiereize effektiver zu positionieren in HWS-Flexion Abb 1153 Mobilisation des Temporomandibulargelenks mit der Vorpositionierung in HWS-Flexion

114 Behandlung in kombinierten Positionen 213 techniken mit dem Ziel der Stoffwechselsteigerung und der Elastizitätsverbesserung (durch sanfte Wachstumsreize) angestrebt werden (Abb 1153) & Mobilisation der Temporomandibulargelenk in HWS-Flexion und Rotation Die zervikale Rotation kann nun zur weiteren Steigerung der Therapie als translatorische Modulation in einer Rechts-links-Ausrichtung hinzugenommen werden Dadurch lassen sich die problematischen Areale im Kiefergelenk exakter einstellen und die Therapiereize können besser appliziert werden (Abb 1154) Die Abb 1155 und Abb 1156 zeigen abschließend die beschriebenen Bewegungsrichtungen und ihren Einfluss auf die Kiefergelenke 1143 Veränderte Ausgangsstellung über BWS-Modulation Die Variation der Ausgangsstellung zur Behandlung von Patienten mit CMD mittels Positionsveränderungen der BWS und des Schultergürtels, trägt zu einer Beeinflussung der Kiefergelenkregion über die funktionell verbundenen Strukturen bei Dabei wird auf funktionelle Bewegungsketten und den Mechanismus der weiterlaufenden Bewegung als Erklärungsmodell zurückgegriffen Wie in Kapitel 812 ausführlich dargestellt, haben Körper und Kopfhaltung deutliche Auswirkungen auf die Funktionalität der Kiefergelenke, der Kaumuskeln und der benachbarten Gebiete Vor allem muskuläre und neurale Strukturen haben eine funktionelle Verbindung zur temporomandibulären Gelenkregion und können eine bestehende Symptomatik verändern in BWS-Flexion Abb 1154 Mobilisation der Temporomandibulargelenk mit der Vorpositionierung in HWS-Flexion und Rotation nach links HWS-Extension HWS-Flexion Abb 1155 Modulation des Temporomandibulargelenks durch eine zervikale Flexion-Extensions-Bewegung Die thorakale Flexion setzt die suprahyoidale Muskulatur unter Zug und bewirkt verstärkte Translations-Rotations-Modulationen in der Gelenkbeziehung zwischen Kondylus und Fossa (Abb 1157) So wandert der Kondylus hier tendenziell dichter an das Tuberculum articulare nach ventral, was zu einer dorsalen intraartikulären Entlastung der Knorpelfläche führt Dorsal, an der bilaminären Zone entstehen Zugkräfte und die Tendenz zur Deformation für den Discus articularis kontralateral kontralateral Abb 1156 Modulation des Temporomandibulargelenks durch eine zervikale Lateralflexion-Rotations-Bewegung

214 11 Physiotherapeutische Behandlungstechniken Abb 1157 Mobilisation des Temporomandibulargelenks mit der Vorpositionierung in BWS-Flexion in BWS-Lateralflexion Thorakale Lateralflexionseinstellungen bewirken unilaterale muskuläre Modulationen von M omohyoideus und M sternohyoideus in Form von Tonusreduktion aufgrund einer Annäherung von Ansatz und Ursprung auf einer Seite und kontralateral eine Tonuserhöhung durch Entfernung von Ansatz und Ursprung Über die funktionelle Kette ergeben sich Tonusregulationen sowohl supra- als auch infrahyoidal Diese muskulären Modulationen lassen sich entsprechend der Zielsetzung für effektivere artikuläre Mobilisationstechniken im Kiefergelenk nutzen (Abb 1158) in BWS-Flexion und HWS-Extension mit Rotation Zusätzlich zur thorakalen Variation der Ausgangsstellung können zervikale Modulationen eingesetzt werden Hieraus lassen sich die funktionellen Ergebnisse der jeweiligen Veränderung der HWSund BWS-Bereiche addieren und die Effekte für die manualtherapeutischen Maßnahmen im Kiefergelenk nutzen (Abb 1159) Je mehr Modulationen in der Ausgangsstellung eingestellt werden, desto mehr benachbarte Strukturen mit funktioneller Verbindung zum Temporomandibulargelenk sind involviert Abb 1158 Mobilisation des Temporomandibulargelenks mit der Vorpositionierung in BWS-Lateralflexion

115 Knöcherne Schädeltechniken 215 Abb 1159 Mobilisation des Temporomandibulargelenks in der Vorpositionierung BWS-Flexion und HWS-Extension mit Rotation nach links 115 Knöcherne Schädeltechniken Durch die Erweiterung der Therapie von Patienten mit CMD durch Behandlungsmöglichkeiten an den knöchernen Strukturen des Schädels kann das Spektrum der manualtherapeutischen Behandlungstechniken erheblich vergrößert werden Die Synarthrosen der Schädelknochen (unechte Gelenke) können im Rahmen einer CMD relevante Irritationsmöglichkeiten sein Manualtherapeutische Techniken können synarthrotische Dysfunktionen positiv beeinflussen Sie verändern die Kontaktbeziehungen der Schädelknochen und beeinflussen somit die Symptome einer CMD (von Piekartz 2002, Liem 2010) Die manuelle mechanische Behandlung der kranialen Knochenstrukturen basiert auf dem klinischen Befund und ist an die reproduzierten Symptome im Bereich der knöchernen Strukturen bzw der Suturen (Verbindungsnähte) gekoppelt Viele Patienten mit CMD geben Symptome im kranialen knöchernen Bereich an, die durch einen mechanischen Stimulus verändert werden können Bestehen solche Irritationen aufgrund externer mechanischer Reize (zb bei einer a/p Bewegung auf das Os temporale) ist die Prognose für eine Therapiewirkung ebenfalls als gut einzustufen Die Mobilität des Kraniums wird in der Literatur nach wie vor kontrovers diskutiert Für die Praxis bedeutet dieser Umstand lediglich, sich auf die klinischen Fakten zu stützen, eine Behandlung der kraniellen knöchernen Strukturen auch auf der klinischen Ebene zu begründen und erreichte Behandlungserfolge ebenfalls auf dieser Ebene zu beurteilen Die Untersuchung der Mobilität der Schädelknochen kann mit sog Zusatzbewegungen in verschiedenen Richtungen erfolgen In der Manuellen Therapie dienen diese Bewegungen ebenso zur Behandlung Klinisch interessant dürfte der Aspekt der Umkehr von Punctum fixum und Punctum mobile sein Durch die Anwendung von mechanischen Mobilisationstechniken an den Schädelknochen ist es möglich, das Kiefergelenk über den proximalen Gelenkpartner (Os temporale) zu behandeln Solange Patienten nach der Durchführung einer solchen mechanischen Behandlungstechnik an den knö- Os zygomaticum Maxilla Os frontale Os sphenoidale, Ala major Os temporale Os parietale Os occipitale Os temporale, Proc mastoideus Abb 1160 Schädelknochen mit potenzieller Wirkung auf eine CMD

216 11 Physiotherapeutische Behandlungstechniken chernen Schädelstrukturen eine Verbesserung der Symptomatik angeben können, ist der Einsatz dieser Techniken klinisch begründbar: Wer hilft, hat recht Primäre Einsatzorte manueller Behandlungstechniken sind die Schädelknochen mit direkter oder unmittelbarer Verbindung zum Kiefergelenk (Abb 1160) & Transversale Mobilisation Os sphenoidale Durch akzessorische Mobilisation des Os sphenoidale kann die Beziehung zum Os temporale optimiert werden (Abb 1161) Der Mobilisationsimpuls wird über die Sutura sphenosquamosa vom Os sphenoidale an das Os temporale geleitet Weiterhin kann die Sutura sphenozygomatica durch mechanische Reize verändert bzw mobilisiert werden & Rotatorische Mobilisation Os frontale Mobilisationsimpulse über das Os frontale gelangen an folgende Suturen (Abb 1162, Abb 1163): & Sutura coronalis (zwischen Os frontale und Os parietale), & Sutura sphenofrontalis (Os frontale und Os sphenoidale), & Sutura frontozygomatica (Os frontale und Os zygomaticum), & Sutura frontonasalis (Os frontalis und Os nasale), & Sutura frontomaxillaris (Os frontale und Maxilla) Abb 1161 Transversale Mobilisation Os sphenoidale Abb 1162 Rotatorische Mobilisation des Os frontale oder extra-orale rotatorische Mobilisation der Maxilla

115 Knöcherne Schädeltechniken Abb 1163 Alternative Grifftechnik: intraorale rotatorische Mobilisation der Maxilla 217 & Mobilisation Os zygomaticum in anterior-posteriorer Richtung Der a/p Schub auf das Os zygomaticum ermöglicht eine dorsale Gleitmobilisation des Os temporale Der Mobilisationsimpuls überträgt sich vom Os zygomaticum auf den Proc zygomaticus des Os temporale Hierdurch wird das Tuberculum articulare des Os temporale nach dorsal verlagert, sodass eine translatorische Mobilisation des Kiefergelenkes über den proximalen Gelenkpartner erfolgt (Abb 1164) & Mobilisation Os zygomaticum und Proc zygomaticus in kranial-kaudaler Richtung Über diese Technik lassen sich Kompressions- und Distraktionskräfte vom proximalen Gelenkpartner (Os temporale Proc zygomaticus) auf das Kiefergelenk übertragen Mechanische Veränderungen auf die intra- und periartikulären Strukturen des Kiefergelenkes können hierdurch erreicht werden (Abb 1165) Ebenso ist eine rotatorische Mobilisation des Os temporale mit dieser Technik möglich: Der Therapeut dreht den anterioren Anteil des Os temporale nach kranial-dorsal der dorsale Anteil des Os temporale rotiert nach kaudal-ventral Abb 1164 Mobilisation Os zygomaticum in anterior-posteriorer Richtung

218 11 Physiotherapeutische Behandlungstechniken Abb 1165 Mobilisation Os zygomaticum und Proc zygomaticus in kranial-kaudaler Richtung & Mobilisation Os temporale in translatorischer Richtung Die translatorischen Mobilisationsimpulse auf das Os temporale sind im mechanischen Sinne mit der Laterotrusionsbewegung der Mandibula zu vergleichen Nur werden sie hier unilateral angewendet und von der Seite des proximalen Gelenkpartners durchgeführt (Abb 1166) Dh es kommt hier zu keiner reaktiven mechanisch bedingten Mediotrusion auf der kontralateralen Kiefergelenkseite & Mobilisation Os frontale durch Kompression Die Kompressionsbehandlung des Os frontale ist eine generalisierte Mobilisation der Schädelknochen, die eher mit dem Ziel, die Mobilität zu fühlen und evtl Symptomreproduktionen zu erreichen, verbunden ist Die mechanische Wirkung ist nicht lokal sondern eher global, da alle verbundenen Schädelknochen involviert sind (Abb 1167) Abb 1166 Mobilisation Os temporale in translatorischer Richtung