GIBT ES WIRKLICH "DREI ABRAHAMITISCHE RELIGIONEN"? Klaus Richter

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Transkript:

GIBT ES WIRKLICH "DREI ABRAHAMITISCHE RELIGIONEN"? Klaus Richter 1. Was ist mit der Rede von den "drei abrahamitischen Religionen" gemeint? Wenn heute manche evangelische, aber auch katholische Theologen von den "drei abrahamitischen Religionen" sprechen, dann wollen sie die tiefe Verbundenheit von Judentum, Christentum und Islam betonen, die angeblich alle in Abraham ihre gemeinsame Wurzel haben. Damit ist dann auch oft die Überzeugung verbunden, daß in allen drei Religionen derselbe Gott angebetet wird. 2. Man kann von zwei "abrahamitischen Religionen" sprechen Zunächst ist für jeden einsichtig, daß sich Judentum und christliche Kirche auf den Abraham beziehen, der im Alten Testament bezeugt wird. Man könnte also von "zwei abrahamitischen Religionen" sprechen, wenn damit auch nicht allzuviel ausgesagt ist. Denn im Gegensatz zu den Juden verstehen die Christen Abraham als den "Vater des Glaubens" (Römer 4,16f) und sehen den Segen Abrahams in Jesus Christus erfüllt (Gal. 3,14). 3. Wie steht es aber mit der sogenannten dritten "abrahamitischen Religion", dem Islam? Mohammed hat um 600 nach Christus den Koran zusammengestellt, der nach seiner Auffassung die einzig wahre, entscheidende und letzte Offenbarung Gottes an die Menschheit ist. Darin finden sich überraschend viele Anklänge an den Abraham des Alten Testaments. 4. Mohammeds Interesse an der Gestalt Abrahams Mohammed hatte deshalb ein besonderes Interesse an der alttestamentlichen Gestalt Abrahams, weil Abraham dem Ruf des einen Gottes gefolgt war. Das entsprach Mohammeds neuer Religion, die

2 sich radikal gegen jede Vielgötterei, wie er sie bei seinen arabischen Landsleuten, aber auch, wie er meinte, bei den Christen fand. Sich diesem einen Gott bedingungslos unterwerfen, das war Mohammeds Glaube, das war (und ist) "Islam". 5. Mohammed hatte nur bruchstückhafte Bibelkenntnisse Mohammed hatte in Mekka und Medina Juden und auch Christen kennengelernt. Vom Hörensagen kannte er daher auch manche Erzählungen aus dem Alten Testament, aus dem Neuen Testament allerdings nur ganz wenige. Einige seiner bruchstückhaften Kenntnisse der Bibel stammen auch aus trüben apokryphen Schriften. 6. Mohammed wollte nie Jude oder Christ werden Wenn sich Mohammed eine Zeit lang für den Glauben der Juden und Christen interessierte, dann ging es ihm nicht etwa um die Frage, ob er Jude oder Christ werden sollte, sondern allein darum, was er von jüdischem oder christlichem Gedankengut für seine eigene Offenbarung verwenden konnte. Ohne Rücksicht auf den ursprünglichen Sinn der biblischen Texte schmolz er sie in sein System um. 7. Für Mohammed ist Abraham der erste Moslem und ein Vorbild für alle Moslems Ein Musterbeispiel für die Umschmelzung biblischer Texte ist die Gestalt des Abraham, der überraschend oft im Koran erwähnt wird. Aber trotz vieler Anklänge an die biblischen Texte hat der Abraham im Koran nur noch äußerlich mit dem biblischen Abraham zu tun. Entscheidend ist, daß er nach Mohammeds Auffassung der erste und vorbildliche Moslem ist. Von ihm heißt es: "Und ich [Abraham] bin der erste von denen, die sich (Gott) ergeben haben" (Sure 6,163). 8. Der moslemische Abraham macht zusammen mit seinem Sohn Ismael die Kaaba in Mekka zum Heiligtum für Allah

3 Der erste Moslem Abraham tut seine größten Taten in Mekka (nicht etwa im verheißenen Land)! Dorthin geht er mit seinem Sohn Ismael(!), der für Mohammed als Stammvater der Araber wichtig ist, reinigt die Kaaba vom Götzendienst und führt die Gebetsriten Allahs ein: Und wir [Allah] verpflichteten Abraham und Ismael (mit den Worten): Reinigt mein Haus für diejenigen, die die Umgangsprozession machen und sich dem Kult hingeben, und die sich verneigen und niederwerfen! (Sure 2,125). 9. Abrahams Nachkommen sind die Moslems Weiter bittet Abraham Allah darum, daß er eine moslemische Gemeinde aus Abrahams Nachkommenschaft entstehen läßt (also nicht das Volk Israel!): Und (damals) als Abraham dabei war, die Grundmauern - die des Hauses (der Ka`ba) - aufzuführen, (er) und Ismael (und zu Gott betete): Herr! Nimm (es) von uns an! Du bist der, der (alles) hört und weiß. Und mach, Herr, daß wir (beide) dir ergeben sind und (mach) Leute aus unserer Nachkommenschaft zu einer dir ergebenen Gemeinde! Und zeig uns unsere Riten! (Sure 2,127f). 10. Schon Abraham bittet um das Kommen des Propheten Mohammed In Mekka bittet Abraham Allah auch darum, daß er einen Gesandten (Propheten) schicken möchte (also nicht den Messias der Bibel!). In der Person Mohammeds ist er gekommen! Die Stelle lautet im Koran: Und laß, Herr, unter ihnen (d.h. unseren Nachkommen) einen Gesandten aus ihren eigenen Reihen auftreten, der ihnen deine Verse (w. Zeichen) verliest, sie die Schrift und Weisheit lehrt und sie (von der Unreinheit des Heidentums) läutert! (Sure 2,129). 11. Die moslemische Religion Abrahams geht dem Alten und Neuen Testament voraus

4 Die (moslemische) Religion Abrahams, also der Islam, steht am Anfang der Heilsgeschichte, wie Mohammed sie versteht. Sie ist damit dem Alten und dem Neuen Testament vorgeordnet: Ihr Leute der Schrift! Warum streitet ihr über Abraham, wo doch die Thora und das Evangelium erst nach ihm herabgesandt worden sind!... Warum streitet ihr nun aber über etwas, worüber ihr kein Wissen habt? Gott weiß Bescheid, ihr aber nicht. Abraham war weder Jude noch Christ. Er war vielmehr ein (Gott) ergebener Hanif und kein Heide (w. keiner von denen, die [dem einen Gott andere Götter] beigesellen). Die Menschen, die Abraham am nächsten stehen, sind diejenigen, die ihm (und seiner Verkündigung seinerzeit) gefolgt sind, und dieser Prophet (d.h. Mohammed) und die, die (mit ihm) gläubig sind (Sure 3,65-68). Damit stellt Mohammend die zeitliche Abfolge auf den Kopf: Er, der über 2000 Jahre nach dem biblischen Abraham gelebt hat, tauscht diesen gegen einen vorbildlichen Moslem aus, den er frei erfunden hat. 12. Mohammed macht sich zum Richter über das Alte und das Neue Testament Da sein Abraham früher gelebt hat als das Volk Israel im Alten Testament und die Christen im Neuen Testament, kann er Abrahams (moslemische) Religion zur Norm für die Bibel erklären. Mohammed beurteilt anhand dessen, was der Moslem Abraham geglaubt hat, ob Altes und Neues Testament mit der Wahrheit Allahs übereinstimmen. Was dem Islam nicht entspricht, ist nach Mohammed verfälscht und Lüge: Und einige von ihnen verdrehen den Wortlaut der Schrift (?), damit ihr meint, es (d.h. das, was sie sagen) stamme aus der Schrift, während es (in Wirklichkeit) nicht daraus stammt, und sagen, es stamme von Gott, während es (in Wirklichkeit) nicht von ihm stammt. Damit sagen sie gegen Gott wissentlich eine Lüge aus (Sure 3,78).

5 13. Mohammed glaubt an seine Eingebungen als Offenbarungen Da Mohammed überzeugt ist, daß er der letzte und entscheidende Prophet Gottes ist, nimmt er sich das Recht, über die Wahrheit oder Unwahrheit des jüdischen wie des christlichen Glaubens zu urteilen. Es ist bedrückend, daß Mohammed seine Gedanken für Eingebungen und Offenbarungen Gottes gehalten hat. Was uns bei seiner Konzeption des Abraham als unerlaubter Trick erscheint, ist für ihn unumstößliche Offenbarungsgewißheit. Deshalb gilt für ihn der Abraham des Koran als authentisch und historisch, nicht der biblische. Darüber ist ein Dialog mit den Moslems nicht möglich. 14. Es gibt keine "drei abrahamitischen Religionen"! Der Islam-Forscher Johan Bouman sagt über den Abraham des Koran: "Die nicht mehr umkehrbare geschichtliche Folge ist, daß Abraham Juden und Christen genommen und völlig in den Islam integriert wird". Dieser Abraham verbindet den Islam keineswegs mit Juden und Christen, sondern trennt sie voneinander! Deshalb ist die Rede von den "drei abrahamitischen Religionen" nur ein haltloses Gerede. Man fragt sich, was Theologen dazu bringt, in diesen Chor einzustimmen. Nehmen sie die Bibel so wenig ernst oder haben sie den Koran nicht gelesen oder ist ihnen die Ideologie von der Einheit der Religionen wichtiger als alles andere? Hinweise: -- Die Zitate sind der Koran-Übersetzung von Rudi Paret (7. A. 1996) entnommen. -- zum Thema: Johan Bouman, Christen und Moslems - Glauben sie an einen Gott? - Gemeinsamkeiten und Unterschiede, Gießen 1993. 2009/2013