A-1. Selbstbestimmt wohnen und leben auch bei Pflege und Unterstützungsbedarf. 38. Landesparteitag. Leitbild: Sorgende Gemeinschaften

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Transkript:

Eingang: 05. September 2016 Antragsteller/-in: LFG Soziales, Arbeitsmarkt und Gesundheit, Jürgen Canehl (KV Magdeburg), Dorothea Frederking (KV Altmarkkreis Salzwedel), Conny Lüddemann (KV Dessau-Roßlau), Steffi Schikor (KV Naumburg), Susan Szibora-Seidlitz (KV Harz) Gegenstand: Selbstbestimmt wohnen und leben auch bei Pflege und Unterstützungsbedarf A-1 Selbstbestimmt wohnen und leben auch bei Pflege und Unterstützungsbedarf 5 Der Landesparteitag möge nachstehende Situationsbeschreibung zur Kenntnis nehmen und die inhaltlichen Positionierungen beschließen. Diese dienen dem Landesvorstand und der Landtagsfraktion als Grundlage zur Entwicklung von konkreten Handlungskonzepten. Leitbild: Sorgende Gemeinschaften 10 15 20 25 Wie wollen wir im Alter leben? Wie wollen wir den demographischen Wandel gestalten? Wie wollen wir - persönlich und politisch - Selbstbestimmung und Selbstverantwortung bis ins hohe Alter bei Pflege und Unterstützungsbedarf wahren? Diese Fragen stellen sich in Sachsen-Anhalt besonders dringlich. Denn in unserem Bundesland leben bekanntermaßen nicht nur immer weniger Menschen. Sie werden im Schnitt auch immer älter. 2011 waren 24,3% der Einwohner*innen über 65 Jahre alt. Im Jahr 2025 werden es ca. 31% sein. Mit 3,8% pflegebedürftigen Einwohner*innen liegt Sachsen-Anhalt klar über dem bundesweiten Durchschnitt von 2,6%. Auch ist ein Anstieg der Zahl der Pflegegeldempfangenden in den letzten 10 Jahren von etwa 38.000 auf heute etwa 47.000 zu verzeichnen. Das ist eine Zunahme von über 20%. Als Folge davon, ist eine Zunahme an stationären Plätzen in Pflegeheimen von 2008 bis 2012 von 26.789 auf 29.762 zu verzeichnen. Das ist bundesweit die höchste Zuwachsrate. Daneben werden knapp 70% aller pflegebedürften Menschen in Sachsen-Anhalt in der eigenen Häuslichkeit betreut und versorgt. Doch dabei stemmen vielfach einzig die Angehörigen die Pflege ihrer Nächsten. Dieser Anteil lag 2013 bei 44,5%. Tendenz leicht steigend. Der Ausbau von Pflegeheimen auf der einen Seite und das Abwälzen der Pflege einzig auf Angehörige auf der anderen Seite kann aber nicht die Antwort auf eine alternde Bevölkerung sein. Weder entspricht das dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung, noch kann es dem Anspruch von Politik genügen, diese essentielle Aufgabe der Daseinsvorsorge allein dem Markt für Pflegeeinrichtungen und den Familien zu überlassen. Hinzu kommt: durch sinkende befasst: überwiesen an: Abstimmung: ja nein LPT LaVo LFG ja:... nein:... Enthaltung.:...

30 35 40 45 50 55 Kinderzahlen und dem Wegzug vieler junger Menschen ist davon auszugehen, dass die traditionelle familiäre Pflege seltener möglich sein wird. Für einen zunehmenden Teil der Menschen wird daher die heute noch prägende häusliche Pflege durch Angehörige keine verlässliche Basis mehr darstellen können, da sie alleine leben. Neben der Absicherung von Pflege- und Unterstützungsbedarf in diesen Fällen muss es daher auch ein Anliegen der Politik sein Vereinsamungstendenzen im Alter entgegen zu wirken. Doch nicht nur Familienangehörige werden als Pflegekräfte zusehends ausfallen auch professionelle Pfleger*innen werden schwerer zu finden sein. Der Fachkräftemangel hat diese Branche schon längst erreicht. Als BÜNDNISGRÜNE setzen wir bei diesen Fragen und Herausforderungen auf die Potentiale lokaler Gemeinschaften. Denn nicht allein staatliches Handeln und nicht allein der Markt können den Anforderungen des gesellschaftlichen Wandels und der individuellen Wünsche und Bedarfe gerecht werden. Wir setzen gerade im Bereich der Senioren- und Pflegepolitik auf lokale Verantwortungsgemeinschaften. Also auf Wohnquartiere in denen Angehörige und Nachbarn, Ehrenamtliche und Fachkräfte gemeinsam die Verantwortung für pflegebedürftige und behinderte Menschen übernehmen. Potentiell Teil einer solchen sorgenden Gemeinschaft sind auch kommunale Politik, Wohnungsunternehmen, Freiwilligenagenturen, Verbände, Vereine und Selbsthilfegruppen, neben Nachbar*innen, Betroffenen und Angehörigen. Ausgangspunkt dabei ist die Feststellung: Um den senioren- und pflegepolitischen Bedarfen und Anforderungen vor Ort gerecht zu werden, braucht es vielfach keine neuen Angebote, sondern die Vernetzung, die Verzahnung, die Kooperation der bestehenden Angebote und Dienstleistungen. Wir wollen also sorgende Gemeinschaften fördern. Wir wollen dazu beitragen, dass sich aus dem oftmals bloß konkurrierenden Verhältnis der Leistungserbringer, der oftmals vereinzelten Pflege in den Familien, den oftmals ungenutzten Potentialen ehrenamtlichen Engagements und losen nachbarschaftlichen Kontakten verlässliche kooperative Netzwerke bilden. Netzwerke, die eine kleinteilige Struktur von Unterstützungs-, Hilfs- und Pflegeangeboten gestalten. Auf diesem Wege wollen wir individuelle Pflegemixe ermöglichen, die familiäre, ehrenamtliche und professionelle Formen umfasst. Damit sollen individuelle bedarfsgerechte Wohlfahrtsangebote eröffnen werden, um möglichst lange im vertrauten Wohnumfeld wohnen und leben zu können. Wir BÜNDNISGRÜNE wollen: 60 Selbstbestimmung und Eigenverantwortung bei Pflege und Unterstützungsbedarf stärken Ein möglichst langes Wohnen in der vertrauten Umgebung ermöglichen durch wohnortnahe kleinteilige Versorgungsstrukturen und altersgerechte Wohnangebote 65 Lokale Verantwortungsgemeinschaften fördern als Ausgangspunkte individueller Pflege-Mixe und damit sowohl pflegende Angehörige entlasten wie auch den weiteren Ausbau von stationären Großeinrichtungen bremsen.

Quartiersentwicklung, Quartierskonzept, Quartiersmanagement 70 75 80 85 90 95 100 105 110 Als rahmengebend für solche sorgenden Gemeinschaften gilt für uns das Quartier. Ein Wohnblock, ein Stadtteil, eine Gemeinde. Also der überschaubare Wohn- und Lebensbereich der Menschen. Ihr alltäglicher Handlungsraum. Das Quartier hat nicht nur einen Raumbezug, sondern auch einen sozialen Aspekt. Denn ein Quartier zeichnet sich durch die lokale Identifikation und soziale Interaktion der Bewohner*innen aus. Das Quartier als Sozialraum ist also nicht bloß als Verwaltungskörperschaft zu verstehen, sondern als Gesamtheit der Akteur*innen vor Ort, die sich im besten Falle als Verantwortungsgemeinschaft verstehen. Aufgabe der Politik ist, diese Gemeinschaften bei der Wahrnehmung ihrer Gestaltungsmöglichkeiten zu unterstützen. Also durch Gemeinwesenarbeit selbstbestimmtes Quartiersmanagement zu fördern. Management auf der Ebene von Quartieren hilft sowohl Städten mit prosperierender Wirtschaft und Einwohnerzuwachs, als auch Gemeinden, die durch Wegzug, Leerstand und sozioökonomische Problemlagen belastet werden. Im Unterschied zu den bereits seit den 1960er Jahren gebräuchlichen Strategien der Stadterneuerung, besonders der klassischen Stadtsanierung, stehen bei der Quartiersentwicklung und dem Quartiersmanagement städtebauliche und bodenordnende Maßnahmen nicht im Vordergrund. Sozialpolitisch orientierte Instrumente der städtebaulichen Erneuerung, insbesondere das Programm Soziale Stadt, können demgegenüber als Vorläufer und als Prototypen der Quartiersentwicklung und des Quartiersmanagements angesehen werden. Sie nutzen die gesamte Bandbreite der kommunalen Handlungsmöglichkeiten, von sozialpolitischen Instrumenten, über wohnungswirtschaftliche Aktivitäten bis hin zur Schaffung kultureller Angebote. Es geht uns also um eine integrierte kommunale Sozial- und Stadtplanung, die auf einen bedarfsgerechten Ausbau quartierbezogener Wohn- und Pflegeangebote setzt. Ein wesentlicher Unterschied zu herkömmlichen Strategien der Stadterneuerung und der Stadtentwicklung besteht darin, dass Quartiersentwicklung und Quartiersmanagement bewusst als Bottom-Up -Prozesse und nicht Top-Down angelegt werden. Bei der Definition von Zielen, Projekten, der Aufstellung von Konzepten und auch beim Management sollen Bewohner*innen, Nutzer*innen, Gewerbetreibende bzw. ihre Vertreter*innen in Initiativen, Gruppen und Vereinen maßgeblich mitbeteiligt werden. Durch Dialog, Austausch und Partizipation können die Potenziale und Energien, die durch das Aufeinandertreffen und Ineinanderwirken der unterschiedlichen Lebenswelten entstehen, genutzt werden für eine positive Gebietsentwicklung. Für solch eine Begegnung braucht es verbindliche Formen der Zusammenarbeit. Etwa in Form von lokalen Pflegekonferenzen. Im Idealfall entwickeln Bewohner*innen und die Zivilgesellschaft das Leitbild der Quartiersentwicklung und organisieren den Managementprozess. Ohne diesen Anspruch das Quartiersmanagement und die Entwicklung sorgender Gemeinschaften in die Hände der Bürgergesellschaft vor Ort zu legen, läuft Politik Gefahr alleine aus Kostengründen einer De-Professionalisierung der Pflege Vorschub zu leisten. Nicht der Fachkräftemangel und die steigenden Kosten der Pflegeversicherung erzeugen aus einer Defizitperspektive das Motiv auf Pflegenetzwerke und niedrigschwellige ehrenamtliche Strukturen zu setzen, sondern das Motiv liegt in der damit verbundenen Stärkung der

Selbstbestimmung der Betroffenen, den Möglichkeiten neue soziale Bezüge zu stärken und pflegepräventiv zu wirken. 115 120 125 Dieses bürgerschaftlich getragene Quartiersmanagement braucht eine zentrale und möglichst professionelle Anbindung. Es braucht einen Kümmerer vor Ort, der die Fäden in einem Quartier zusammenführt. Akteure vernetzt, Projekte koordiniert und grundsätzlich als Ansprechpartner fungiert. Bestenfalls verortet in einem Quartierbüro. Träger kann sowohl die Kommune oder beispielsweise ein Wohlfahrtsverband sein. Die Alten- und Servicestellen in Magdeburg erfüllen bereits diese Aufgabe und sind Knotenpunkt in ihrem jeweiligen Quartier. Für das Gelingen solcher kommunalen und lokalen Prozesse braucht es von Seiten der Landespolitik einen verlässlichen Rahmen und eine langfristige Förderung. Das Land hat Kommunen zu begleiten und zu beraten, die sich auf den Weg der Quartiersentwicklung machen wollen. Neben Know-How braucht es auch finanzielle Förderprogramme, um Quartiersmanagement in Sachsen-Anhalt in die Fläche zu bringen. Deshalb setzen wir uns ein für: Stärkung der kommunalen Ebene im Bereich der Altenhilfe und der Pflegepolitik durch Kompetenzzuschreibung im Bereich Planung und Steuerung 130 Verankerung des Leitwertes Pflege im Quartier in der Landespflegekonzeption gemäß dem Wohn- und Teilhabegesetz und in kommunalen Leitbildern und Handlungskonzepten. Verzahnung von Sozialpolitik, Wohnungsbau und Stadtentwicklung auf allen politischen Ebenen Beratungs- und Vernetzungsstelle des Landes für Kommunen zur Quartiersentwicklung 135 Förderprogramm des Landes für Quartiersmanager*innen und Quartierbüros Einführung verbindlicher kommunaler Pflegekonferenzen (Neue) Wohnformen im Alter 140 145 150 Unter dem Begriff Neue Wohnformen sind Einrichtungs- und Wohnformen für ältere und pflegebedürftige Menschen zu verstehen, bei denen die Sicherung der Selbstbestimmung und der eigenen Häuslichkeit im Vordergrund stehen ohne dabei auf eine gesicherte und umfassende Pflege verzichten zu müssen. Diese neuen Wohnformen können die im Wohnund Teilhabegesetz Sachsen-Anhalt gesetzlich kodifizierten nicht selbstorganisierten Wohnformen und die selbstorganisierten Wohngruppen sein. Aber durchaus auch stationäre Einrichtungen sind darunter zu fassen, wenn sie überschaubare Wohngruppen bieten und eine selbstbestimmte Lebensführung ermöglichen; entsprechend der 4. Generation von Alten- und Pflegeheimen gemäß der Typologie des Kuratoriums Deutsche Altenhilfe (KDA). In Sachsen-Anhalt stellt dieser Einrichtungstyp aber die Ausnahme dar. Hier im Land entspricht die Mehrheit der Einrichtungen eher der 3. Generation mit Stationsgrößen von über 20 Betten und zentralen Einrichtungen bei Küche und etwa Wäscherei. Diese sogenannten Wohnbereichskonzepte erinnern weiterhin an Krankenhausstrukturen und nicht an ein häusliches und gemeinschaftliches Wohnen. Entsprechend gibt es noch viel zu viele

155 160 Mehrbettzimmer in hiesigen Einrichtungen. So stehen über 40% der Betten in Doppelzimmern. Selbst Drei- und Vierbettzimmer sind in Sachsen-Anhalt noch anzutreffen. Im stationären Bereich besteht also dringender Handlungsbedarf. In Bezug auf die neue Wohnform der nicht selbstorganisierten Wohnformen ist zwar ein Anstieg in absoluten Zahlen auszumachen. Ihr Anteil mit 530 Plätzen 2014 ist aber weiterhin marginal im Vergleich zu den über 30.000 stationären Plätzen in Sachsen-Anhalt. Wir setzen daher auf eine konsequente und langfristige Weiterentwicklung quartiersbezogener Wohn- und Pflegeangebote. Deshalb setzen wir uns ein für: Verbindliche Einzelzimmerquote für stationäre Einrichtungen 165 Weiterentwicklung der Heimaufsicht hin zu einem Beratungsangebot für stationäre Einrichtungen, insbesondere für die Bereiche Gemeinschaftliches Wohnen und Öffnung in den Sozialraum Unterstützung von Ambulantisierungsansätzen von Einrichtungsträgern Förderung der Entwicklung von Hausgemeinschaftskonzepten im Rahmen stationärer Einrichtungen Entwicklung einer Benchmark für die Zunahme neuer Wohnformen 170 Ausbau der Förderung von Altenwohngemeinschaften und Pflegewohngruppen im Rahmen der Bauförderung Ausblick: Das inklusive Quartier 175 180 185 Jenseits des für Sachsen-Anhalt vordringlichen Fokus der Senioren- und Pflegepolitik ist mit dem Quartiersansatz letztlich das Ziel eines inklusiven Gemeinwesens verknüpft. Eines Gemeinwesens bei dem die Kommunen, Stadtteile und Quartiere so gestaltet werden, dass alle Menschen - mit und ohne Behinderungen, Jung und Alt, Familien und Alleinstehende, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund - gleichberechtigt im Quartier leben und am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Etwa mit der Ratifizierung der UN- Behindertenrechtskonvention ist der Aspekt der Selbstbestimmung durch die Verankerung des Rechts auf freie Wahl des Wohnortes und der Lebensform noch einmal deutlich gestärkt worden. Ein inklusives Gemeinwesen muss daher den Aspekt der Barrierefreiheit wie auch die Vielfalt der kulturellen Wurzeln, Lebensstile und Identitäten, die ein städtisches wie auch dörfliches Gemeinwesen prägen bei den Sozial- und Stadtplanungen sowie der Quartiersgestaltungen maßgeblich mit einbeziehen.