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Epidemiologisches Bulletin 2\efV]]V5ReV_f_U:_W`c^ReZ`_V_ kf:_wv\ez`_d\cr_\yvzev_ "% *) DfcgVZ]]R_TVUVc=j^V3`ccV]Z`dV R^3VZdaZV]UVd3f_UVd]R_UVd3cR_UV_SfcX Epidemiologen und Mikrobiologen am ehemaligen Medizinaluntersuchungsamt Frankfurt (Oder) wurden Anfang der 90er Jahre auf die Lyme-Borreliose aufmerksam. Steigenden Erkrankungszahlen, die mit den jetzt verfügbaren Labormethoden diagnostisch gesichert werden konnten, stand ein Defizit an Wissen innerhalb der Ärzteschaft und vor allem auch an epidemiologischen Daten gegenüber. Das führte 1994 zur Gründung einer Brandenburger Projektgruppe Geographische Epidemiologie der Lyme-Borreliose. Diese Projektgruppe begann, mit freiwilligen Fallmeldungen und einer Seroprävalenzstudie eine Surveillance zu etablieren: Ein Fallberichtssystem auf der Grundlage freiwilliger Meldungen orientierte sich an internationalen Erfahrungen mit entsprechenden regionalen Surveillance-Programmen zur Erfassung klinisch gesicherter Lyme-Borreliose-Erkrankungen. Der Fragebogen zur Datenerfassung entstand in Anlehnung an einen Fallberichtsbogen der CDC/Atlanta, so wurde von Anfang an auch an eine möglichst hohe internationale Vergleichbarkeit der Daten gedacht. Die durch dieses Brandenburger Projekt auf der Grundlage der freiwilligen Mitwirkung behandelnder Ärzte erfaßten Lyme-Borreliosen ergaben in den ersten 12 Monaten (November 1994 bis Oktober 1995) in den Kreisen des Landes unterschiedliche Inzidenzraten zwischen 2 und 40 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Damit wurde ein im internationalen Vergleich mittleres Niveau angezeigt, etwa vergleichbar mit Frankreich, Rußland und den nichtendemischen Gebieten der USA (zum Vergleich: in den endemischen Gebieten der USA beträgt die Inzidenz 1.000 Erkr. pro 100.000 Einw.; in Österreich sind Inzidenzraten um 300 Erkr. pro 100.000 Einw. dokumentiert). Ergänzend führten die Ärzte einer Laborpraxis in Frankfurt (Oder) 1995/96 im Rahmen der Projektgruppe eine Seroprävalenzstudie für die Region Ostbrandenburg durch. Insgesamt 20.000 Seren, die von nicht selektierten Patienten der Region stammten, wurden mit einem EIA auf Antikörper gegen Borrelien (IgG) getestet, reaktive Seren wurden im Western Blot nachuntersucht. In dieser Untersuchung wurde eine Prävalenz von Antikörpern gegen Borrelia burgdorferi in Ostbrandenburg von rund 8 % ermittelt. Im angrenzenden Mecklenburg-Vorpommern wurde (mit dem indirekten Hämagglutinationstest) in der Normalbevölkerung ebenfalls eine Seroprävalenz von rund 8 % gefunden. 1 Vergleichswerte aus früheren Jahren fehlen, es gibt aber Vermutungen, daß die Borrelieninfektionen durch ein verändertes Freizeitverhalten seit etwa 10 Jahren zugenommen haben. Für die Lyme-Borreliose als Zoonose ist es für die Abschätzung des Infektionsund Erkrankungsrisikos unerläßlich, die Infektionsraten der Zecken mit Borrelien, insbesondere in den Gebieten, in denen sich Bevölkerung in der Freizeit häufig aufhält, zu kennen. Untersuchungen von Gupta et al. 2 in der weiteren 5ZVdVH`TYV+ =j^v3`ccv]z`dv+ DfcgVZ]]R_TV Z^=R_U3cR_UV_SfcX 5ReV_f_U7R\eV_ 7R]]SVcZTYeV+ =j^v2ceyczezd =j^v>v_z_x` V_kVaYR]ZeZd?Vfc`S`ccV]Z`dV BfV]]V_kfc :_W`c^ReZ`_f_U 2fW\]zcf_X *2acZ]"**) 9. April 1998 Seite 93

Umgebung Berlins ergaben Zeckeninfektionsraten mit kulturellem Nachweis von Borrelien von 22,8 %; Matuschka et al. 3 fanden zwischen 0,7 % (Larven) und 18,1 % (Nymphen) infizierte Zecken. Loser und Mitarbeiter 4 berichteten über eine Infektionsrate von 21 27 % bei 368 Brandenburger Zecken. In 29 von 75 untersuchten Brandenburger Erholungsgebieten wurden Borrelien-infizierte Zecken nachgewiesen. 2 Diese Zahlen belegen ein relativ hohes Infektionsrisiko und sollten mit entsprechenden Untersuchungsergebnissen aus anderen Regionen Deutschlands verglichen werden. In Mecklenburg-Vorpommern wurde 1992 94 eine mittlere Durchseuchungsrate der Zecken von 7 % ermittelt. 1 Im süddeutschen Raum (Heidelberg und Stuttgart) konnten P. Kimmig (Stuttgart) und M. Maiwald (Heidelberg) 5 je nach Sammelort und Entwicklungsstadium mit der PCR Borrelien-DNA in 8 36 % der untersuchten Zecken nachweisen. Kfc=j^V3`ccV]Z`dV Als Lyme-Borreliose werden die verschiedenen klinischen Manifestationen einer Borrelia-burgdorferi-Infektion bezeichnet, die im Verlauf lokalisiert, disseminiert oder persistierend an verschiedenen Organen (Haut, Nervensystem, Herz, Lymphsystem) auftreten können. Die Kleinstadt Lyme in Connecticut, USA, ist der Ort, an dem 1975 die ersten Fälle der Lyme disease beschrieben wurden. Da noch andere Infektionen durch Erreger der Gattung Borrelia existieren, sind die Bezeichnungen Lyme disease bzw. Lyme-Borreliose für klinische Manifestationen der B.-burgdorferi-Infektionen sinnvoll und werden auch in Europa verwendet. Der Terminus einheimische Zecken-Borreliose ist weniger geeignet, weil in Teilen Europas noch ein durch Borrelien-Spezies verursachtes Zecken-Rückfallfieber auftritt. Erreger: Als Borrelia burgdorferi sensu lato werden in Europa drei humanpathogene sogenannte Genospezies des Genus Borrelia (B.) zusammengefaßt: B. burgdorferi sensu strictu, B. garinii und B. afzelii. Zwischen ihnen bestehen Unterschiede in der Pathogenität und Pathophysiologie sowie in der Verbreitung, die noch näher aufzuklären sind. Reservoir: Der Erreger B. burgdorferi zirkuliert zwischen Schildzecken der Gattung Ixodes (I.), die als Vektoren fungieren, und bestimmten Wirbeltierarten, vor allem Kleinnagern (verschiedene Mäusearten) und Vertretern der Ordnung Insectivora (Igel und Spitzmäuse), die das Erregerreservoir bilden. Übertragung: In Mitteleuropa ist der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) vermutlich der einzige Überträger von B. burgdorferi auf den Menschen. Wirtssuchende Zekken finden sich in der Regel von März bis Oktober bevorzugt an bodennahen Pflanzen (z. B. Spitzen von Grashalmen, krautigen Pflanzen, Buschwerk) im Wald, an Waldrändern, Wegrändern, aber auch in Parks oder auf nicht zu trockenen Viehweiden. Sie kommen nicht auf Bäumen oder höheren Sträuchern sowie in Trockengebieten oder in Höhen von über 1.000 m vor. Das größte Infektionsrisiko geht für den Menschen vermutlich von infizierten Nymphen aus, deren Dichte oft relativ hoch ist und deren Stich leicht der Aufmerksamkeit des Betroffenen entgeht. Nach beobachteten Zeckenstichen wurde das Risiko einer Serokonversion im Bereich 1 6 %, das einer kli-nischen Manifestation mit 0,3 1,4 % ermittelt. Eine Studie zeigte, daß etwa 6 % der Personen mit einer Serokonversion klinische Symptome entwickelten. Nach dem Stich einer Zecke mit Nachweis von Borrelien-DNA in der PCR bestimmten P. Kimmig und M. Maiwald kürzlich eine Transmissionsrate von 26,7 %. In einzelnen Fällen wurden auch Borrelieninfektionen nach dem Stich einer PCR-negativen Zecke beobachtet. Daher wird eine PCR-Untersuchung der Zecken zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer Borrelieninfektion nicht als Routineverfahren empfohlen. Zwischen dem Befall eines Wirtes und dem Stich der Zecke können einige Stunden vergehen, nach einem Stich kann der Erreger innerhalb weniger Stunden übertragen werden. Vorgehen nach einem Zeckenstich: Zecken, die sich bereits festgebissen haben, sollten ggf. unter Zuhilfenahme einer Lupe mittels einer spitzen Pinzette mit festen Branchen (es gibt auch spezielle Zeckenpinzetten) hautnah gefaßt und herausgezogen werden. Sind die Mundwerkzeuge (Hypostom) steckengeblieben, kann in der Regel auf weitere Maßnahmen verzichtet werden. Personen, die nach einem Zeckenstich ärztlichen Rat suchen, sollten auf mögliche Symptome einer Borreliose und ggf. einer FSME aufmerksam gemacht werden. Über eine Wiedervorstellung wäre individuell zu entscheiden, in der Regel ist sie nur beim Auftreten von Symptomen oder Beschwerden erforderlich. Eine serologische Verlaufsuntersuchung oder eine prophylaktische Antibiotikagabe sind beim Fehlen von Beschwerden nicht indiziert. Meldung / Surveillance: Die Lyme-Borreliose gehört nicht zu den in Deutschland gemäß BSeuchG meldepflichtigen Krankheiten. Meningoenzephalitiden im Verlauf einer Borrelieninfektion wären unter übrige Formen der bakteriellen Meningitis zu melden. In einzelnen Bundesländern wurde die Meldung aller Formen der Lyme-Borreliose durch behandelnde und diagnostizierende Ärzte gesetzlich geregelt. Aussagekräftige epidemiologische Daten zur Lyme-Borreliose sind bis auf die USA (CDC) bisher weltweit ungenügend verfügbar. In einigen europäischen Ländern gibt es regionale Erfassungssysteme. Die WHO hat 1995 zur Einrichtung nationaler Surveillance-Programme aufgefordert. Seite 94 9. April 1998

Die Ergebnisse der freiwilligen Fallmeldung, der Seroprävalenzstudie und auch der Untersuchungen zur Durchseuchung von Zecken mit B. burgdorferi führten zu Aktivitäten des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg, des Landesgesundheitsamtes und auch der Landesärztekammer. Die Projektgruppe Geographische Epidemiologie der Lyme-Borreliose wurde in eine interdisziplinäre Beratergruppe Lyme- Borreliose bei der Landesärztekammer Brandenburg umgewandelt. Ihr gehören ein Mikrobiologe/Epidemiologe, ein Neurologe, eine Tierärztin, ein Amtsarzt und künftig ein Infektiologe an, die Koordination wurde einem jüngeren Arzt übertragen. Diese Gruppe sammelt die Daten unter klinischem, epidemiologischem und veterinärmedizinischem Aspekt. Die Möglichkeit von Konsultationen wird von den Ärzten reichlich genutzt. Es konnten auch wichtige Beiträge zur Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden. Die bisherigen Erfahrungen besagen, daß es sehr sinnvoll war, diese Beratergruppe zu bilden. In eine Erweiterung der gesetzlichen Meldepflicht für Infektionskrankheiten in Brandenburg gegenüber dem BSeuchG wurde die Lyme-Borreliose einbezogen, so daß dort ab November 1996 eine ärztliche Meldepflicht für Lyme-Borreliose besteht. Mit der Einführung der Meldepflicht für alle klinischen Manifestationsformen der Lyme-Borreliose durch den behandelnden Arzt und die Labormeldepflicht für positive Befunde im Land Brandenburg ist die Möglichkeit gegeben, flächendeckende Informationen über Lyme-Borreliosen zu erhalten. Der bereits im Rahmen der freiwilligen Fallmeldung verwendete Lyme-Borreliose-Erhebungsbogen wurde in einen offiziell empfohlenen Lyme-Borreliose-Meldebogen für das Land Brandenburg umgearbeitet. Über diesen Erhebungsbogen, in dem die Angaben zur Person anonymisiert sind und der zunächst im Gesundheitsamt bearbeitet und dann über das Landesgesundheitsamt der Beratergruppe zur weiteren Auswertung zugeleitet wird, ist eine Fortführung des 1994 begonnenen Epidemiologie-Projektes möglich. Die monatlichen Berichte des Landesgesundheitsamtes Brandenburg weisen aus, daß die Lyme-Borreliose zu den häufig gemeldeten Infektionskrankheit gehört. Nach Einführung der Meldepflicht für alle klinischen Fälle von Lyme-Borreliose im Land Brandenburg im November 1996 sind bis Ende des Jahres 1997 507 diagnostisch gesicherte Erkrankungsfälle gemeldet worden, davon 455 Erkrankungen im Jahr 1997 (s. Abb. 1). Die mittlere Inzidenzrate für 1997 18 Erkr. pro 100.000 Einw. kann leider gegenwärtig nicht in Beziehung zu anderen Bundesländern gesetzt werden, weil die Lyme-Borreliose dort wenn überhaupt nicht in der gleichen Qualität erfaßt wird (vorhandene Daten s.a. Epid. Bull. 5/98:27 und Bundesgesundheitsbl. 12/97: 486 491). Es kann nach heutigem Wissen davon ausgegangen werden, daß Infektionen durch B. burgdorferi im gesamten Bundesgebiet auftreten, allerdings kann das örtliche Infektionsriko unterschiedlich sein. Auch in Brandenburg sind die erfaßten Erkrankungen nicht gleichmäßig verteilt. In einigen Kreise im östlichen Teil des Landes sind die Inzidenzraten deutlich höher (z. B. LK Barnim 44 Erkr. pro 100.000 Einw., LK Oder-Spree 48, Frankfurt/Oder-Stadt 55), ohne daß dieses Phänomen ausschließlich durch unterschiedliche diagnostische und Melde-Gewohnheiten erklärt werden könnte. Anzahl 70 Saisonal ergaben sich erwartungsgemäß Morbiditätsgipfel vom Juni bis zum August. Die breiteste Streuung über alle Jahreszeiten war bei den Lyme-Arthritiden zu finden. Der Anteil der erkrankten weiblichen Patienten war deutlich höher (60 %). Die Erkrankungen verteilen sich über das Erwachsenenalter, 18 % der Erkrankten waren jünger als 20 Jahre. Die Verteilung der klinischen Manifestationen ergibt sich aus der Abbildung 2. Das Erythema migrans, das als typischer Indikator häufiger diagnostiziert werden dürfte, erreicht3e in den letzten drei Jahren einen Anteil von 60 %, die Lyme-Arthritis von 15 % und die Manifestationen am Nervensystem von 9 %. 77 % der Erkrankten gaben einen Freizeitaufenthalt im Wald an, 23 % hatten eine berufliche Exposition. An einen vorausgegangenen Zeckenstich erinnerten sich ca. drei Viertel der Erkrankten. Es zeigt sich, daß in Brandenburg mit Hilfe der Meldung insgesamt eine verbesserte Erfassung erreicht werden konnte, die aber natürlich auch nur einen Teil der tatsächlichen Morbidität widerspiegelt. Dazu wurden folgende Überlegungen angestellt: In zwei Bundesstaaten der USA mit einem seit Jahren etablierten Meldesystem (Maryland und Connecticut) wurden nur 10 15 % der Fälle, auf die die CDC-Falldefinitionen zutrafen, gemeldet. Nähme man optimistisch diesen Faktor auch für Brandenburg an und vernachlässigte dabei die nicht diagnostizierten Fälle und auch den Anteil der Patienten, die mit einem Erythema migrans nicht zum Arzt gehen, ergäben sich Anzahl 250 9. April 1998 Seite 95 60 50 40 30 20 10 200 150 100 50 0 Erythema migrans (EM), n = 433 freiwillige Fallberichte Meldungen an das 0 1995 1/ 4/ 7/ 10 1/ 19964/ 7/ 10 1/ 19974/ 7/ 10 1/ 1998 4 Jahr Abb. 1 Lyme-Borreliose im Bundesland Brandenburg, Jan. 1995 bis März 1998: Erfassung durch freiwillige Meldung und nach Einführung der Meldepflicht Lyme- Arthritis, n = 109 Neuroborreliose, n = 64 Akrodermatitis chronica atrophicans (ACA), n = 17 1995 1996 1997 Sonstige, n = 95 Abb. 2 Lyme-Borreliose im Bundesland Brandenburg 1995 1997: Klinische Manifestationen bei 718 gemeldeten Erkrankungsfällen

7R]]SVcZTYe+=j^V2ceYcZeZd daraus etwa 4.000 Erkrankungen an Lyme-Borreliose im Jahr (das entspräche dann immerhin einer Inzidenzrate von rund 150 Erkr. pro 100.000 Einw.). In einer Feldstudie in Tübingen 6 entwickelte jeder sechste Borrelien-Infizierte mit nachgewiesener Serokonversion eine klinische Symptomatik. Auf Brandenburg bezogen hochgerechnet, wären etwa 24.000 Borrelia-burgdorferi-Infektionen im Jahr anzunehmen. Es ist unwahrscheinlich, daß die seit 1995 in Brandenburg zunehmend beobachteten und gemeldeten Lyme-Borreliose-Erkrankungen auf eine sich in den letzten zwei Jahren dramatisch ausweitende Epidemie zurückzuführen sind. Eher ist anzunehmen, daß die Anzahl der Infektionen und Erkrankungen gegenwärtig relativ konstant ist und allenfalls langfristig zunimmt. Ein Surveillance-System ist auf die Dauer nur realisierbar und ökonomisch vertretbar, wenn es zu einem Nutzen wie der Senkung der Erkrankungshäufigkeit oder der Verbesserung der medizinischen Betreuung führt. Eine wichtige Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes ist es, Infektionsgefahren zu erkennen und zu ihrer Minimierung präventive Maßnahmen zu organisieren bzw. anzuregen. Die Lyme-Borreliose erfordert wie durch die im Land Brandenburg gewonnenen Erfahrungen bekräftigt wird eine aktive Beteiligung des öffentlichen Gesundheitsdienstes an der Prävention (Information der Bevölkerung und der Ärzte über die Besonderheiten dieser Krankheit, Hinweise auf die Art der Gefährdung, die Expositionsprophylaxe, ggf. konkrete Warnhinweise für spezielle Gebiete u. a.). Ein Impfstoff wird entwickelt, aber in Deutschland in absehbarer Zeit nicht verfügbar sein. Für die Angaben zur Lyme-Borreliose-Situation in Brandenburg danken wir Herrn Dr. Th. Talaska, Groß Lindow, tätig im Ärztlichen Labor Dres. Bertold / Schmidt / Schuster / Talaska in Frankfurt (Oder). Ansprechpartner zu den Brandenburger Aktivitäten sind auch Herr Dr. Lubig, Landesgesundheitsamt Potsdam, und Frau Dr. Schweißinger, Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen des Landes Brandenburg. 1. Hülße C, Herrmann H, Oheim S, Schröder L-W, v. Stenglin M: Untersuchungen zur Verbreitung von Borrelia burgdorferi in Mecklenburg-Vorpommern. Hyg Med 1995; 20: 345 350 2. Gupta SK, Schönberg A, Hiepe Th: Prevalence of ticks in relation to their role as vector of Borrelia burgdorferi under autochthone conditions. Appl Parasitol 1995; 36: 97 106 3. Matuschka FR, Fischer P, Heiler M, Blümcke S, Spielman A: Stage associated risk of transmission of the Lyme disease spirochaete by European Ixodes ticks. Parasitol Res 1992; 78: 695 698 4. Loser C: Vorkommen von Borrelien im Berliner Raum. In: Durch Zecken übertragene Erkrankungen: FSME u. Lyme-Borreliose / Potsdamer Symposien (Ed.: J. Süss). Weller-Verlag 1994, 76 85 5. Kimmig P (Stuttgart) und Maiwald M (Heidelberg): Expertenmeeting Procedere nach Zeckenstich, Freiburg 19./20.3.98. Publikation der Studienergebnisse in Vorbereitung. 6. Paul H, Gerth HJ, Ackermann R: Infectiousness for humans of Ixodes ricinus containing Borrelia burgdorferi. Zbl Bakt Hyg 1986; A263: 474 476 Bei einem 9jährigen Kind aus dem Raum Frankfurt (O.) waren über einige Wochen rezidivierende Gelenkergüsse aufgetreten. Im Rahmen der ambulanten Behandlung wurde dreimal eine Gelenkpunktion vorgenommen. Im Punktat waren bakterielle Erreger nicht nachweisbar. Eine Prednisolontherapie blieb erfolglos. Nach etwa 8 Wochen wurde das Kind im Januar 1998 mit dem Verdacht auf eine Erkrankung des rheumatischen Formenkreises zur differentialdiagnostischen Abklärung in ein Krankenhaus aufgenommen. Bei der Aufnahme wurde ein deutlicher Kniegelenkserguß mit tanzender Patella und Bewegungseinschränkung festgestellt. Ergebnisse der Labordiagnostik: mäßige Leuzozytose mit Linksverschiebung, BSR 62/90, CRP 21,7 mg/ml, HLA-B27 positiv. Infektionen durch Chlamydien, Humanes Parvovirus B19, Salmonellen, Mykoplasmen, Campylobacter, Yersinien und Leptospiren wurden ausgeschlossen. Im Gelenkpunktat fanden sich 17.000 Leukozyten, bakterielle Erreger wurden nicht nachgewiesen. Serodiagnostisch wurde eine floride Borrelieninfektion nachgewiesen: IgG-EIA reaktiv, IgM-EIA nicht reaktiv, IgG- FAT > 1 : 16.384, KBR 1 : 160. Der Befund wurde im Western Blot bestätigt. Damit war das Krankheitsgeschehen als Lyme-Arthritis geklärt. Unter 14tägiger parenteraler Behandlung mit Ceftriaxon kam es zur vollständigen Rückbildung der Symptome. Kontrolle der Befunde nach 4 Monaten: IgG EIA reaktiv, IgM EIA nicht reaktiv, IgG-FAT 1: 8.192, KBR 1:10. In der Anamnese wurde ein Zeckenstich im August 1997 eruiert. Für die Übermittlung der Angaben zu diesem Erkrankungsfall danken wir Herrn Dr. Th. Talaska, Frankfurt (Oder). 7R]]SVcZTYe+>V_Z_X`V_kVaYR]ZeZdR]d>R_ZWVdeReZ`_UVc=j^V3`ccV]Z`dV Eine 36jährige Frau aus dem südlichen Randgebiet Berlins bar darauf erfolgte unter der Verdachtsdiagnose Meningoenzephalitis war Mitte September 1997 zunächst akut mit Kopf- und die Verlegung auf die Infektionsabteilung Leibschmerzen erkrankt, serologisch wurde eine Coxsackie-Virus-Infektion eines größeren Klinikums. diagnostiziert. Zwei Wochen nach der Genesung traten ab Mitte Oktober wieder Kopfschmerzen sowie zunehmend Rückenschmerzen, Schwin- die einen schwerkranken Eindruck machte, war bei ge- Ausgewählte Befunde bei der Aufnahme: Die Patientin, delgefühl, Zittern der Hände, Nackensteife und eine allgemeine Schwäche auf. Ab Mitte November war die Patien- Person nur teilweise orientiert, es bestanden deutliche trübtem Bewußtsein zeitlich, örtlich, situativ und zur tin arbeitsunfähig. Die Hausärztin überwies zunächst zum Zeichen einer teils motorischen, teils sensorischen Sprachstörung und eine deutliche Photophobie; an beiden Beinen Orthopäden (Verdacht auf Halswirbelsäulen-Syndrom) und plante eine Überweisung zum Neurologen. Eine waren seitengleich überschießende Muskeleigenreflexe Praxisvertreterin diagnostizierte eine Depression und verordnete ein Antidepressivum. Am Morgen des 24.11. war Liquordiagnostik: Eiweiß im Liquor 1.225 mg/l; IgG im sowie Kloni auslösbar, keine pathologischen Reflexe. die Patientin plötzlich nicht mehr ansprechbar und wurde Liquor 263 mg/l; Albumin im Liquor 829 mg/l; Albuminals Notfall in das Kreiskrankenhaus eingewiesen, unmittel- Quotient 18,1; IgG-Quotient 25,8 (spricht für Schrankenstörung mit zusätzlicher autochthoner IgG- Seite 96 9. April 1998

Synthese). Immunstatus: bei relativ wenig Lymphozyten normale Verteilung der Subpopulationen. MRT: kein Anhalt für lokale, entzündliche oder raumfordernde Prozesse. EGG: unbeeinträchtigte zerebrale Allgemeinfunktion, keine Hinweise auf subkortikale oder Herdstörungen. Zunächst wurde eine Enzephalitis durch Herpesvirus vermutet. Dieser Verdacht bestätigte sich nicht: kein Nachweis von HSV1/2-IgM im Serum; HSV-IgG, intrathekaler Quotient 0,46 (spricht gegen Herpes-Enzephalitis). Bei der umfassenden Suche nach weiteren Infektionserregern erbrachte die Untersuchung auf Antikörper gegen B. burgdorferi entscheidende Befunde: IgG-EIA und IgM-EIA reaktiv, IgM im Western Blot positiv; Liquor: IgG und IgM im EIA und im Western Blot positiv. Die Therapie bestand zunächst in der intravenösen Gabe von Ceftriaxon und Aciclovir, nach serologischer Sicherung einer Meningoenzephalitis bei Borrelieninfektion erfolgte das Absetzen des Aciclovir und die Fortsetzung der Gabe von Ceftriaxon i.v. über einen Zeitraum von 21 Tagen. Dies führte zu einer deutlichen Besserung. Nach knapp drei Wochen erfolgte am 12.12.97 eine Kontrolluntersuchung des Liquors, deren Ergebnis im Zusammenhang mit der Klinik für eine behandelte Meningoenzephalitis bei Borrelia-burgdorferi-Infektion sprach. Kurz darauf konnte die Patientin in gutem Allgemeinzustand entlassen werden. Nach 6 Wochen war sie wieder arbeitsfähig, inzwischen ist sie voll belastbar. Eine Zeckenexposition wäre sowohl in der Umgebung der Wohnung als auch während des Urlaubs Ende August in einem Waldgebiet in Mecklenburg möglich gewesen. Aktuelle Zeckenstiche waren nicht erinnerlich, wohl aber länger zurückliegende. Für die Angaben zu diesem Erkrankungsfall danken wir Herrn Dr. W. Güthoff, Herrn PD Dr. T. Weinke und Herrn A. Hering, Bereich Gastroenterologie/Infektiologie des Klinikums Ernst v. Bergmann, Potsdam. 7R]]SVcZTYe+?Vfc`S`ccV]Z`dV>V_Z_XZeZd Ein 46jähriger Mann aus Berlin erkrankte Ende Juni 1997 mit Fieber (38,5 C), starken Kopfschmerzen und allgemeinem Krankheitsgefühl. Nach etwa 10 Tagen kam es zu allmählicher Besserung, anschließend bestanden jedoch über 3 Monate subfebrile Temperaturen und ein chronischer Kopfschmerz. Der inzwischen recht verunsicherte Patient bemerkte ab Oktober einen zunehmenden Extremitätentremor (er verschüttete z. B. Kaffee beim Trinken). Eine Herdsymptomatik oder Lähmungssymptome traten nicht auf. Verschiedene Laboruntersuchungen, ein EEG und ein craniales Computertomogramm führten bei ambulanter Diagnostik auch nach 3 Monaten zu keiner Klärung. Ein konsultierter Neurologe konstatierte eine Angstpsychose, empfahl eine psychiatrische Mitbehandlung und verordnete ein Johanniskrautpräparat. Nach Überweisung in die Ambulanz einer Berliner Infektionsklinik im November wurden dann rund vier Monate nach dem Beginn der Erkrankung serologische Befunde erhoben, die auf eine Borreliose hindeuteten (IgM- und IgG-Reaktivität), es wurde eine stationäre Behandlung eingeleitet. Die Liquorpunktion erbrachte den Nachweis von intrathekaler Antikörperproduktion gegen Borrrelia burgdorferi. Es bestand eine deutliche lymphozytäre Pleozytose (363 Mpt/l, Norm < 6) und Eiweißvermehrung (1.590 mg/l, Norm < 400). Unter der Behandlung mit Ceftriaxon (1 x 2 g für 21 Tage) kam es zu einer raschen Befundbesserung. Eine Kontrollpunktion im 5. Monat nach Therapie ergab eine Normalisierung der pathologischen Liquorbefunde und objektivierte damit den Behandlungserfolg. In der Anamnese gab es keine Erinnerung an einen Zeckenstich, wohl aber einige Wochen vor Erkrankungsbeginn einen Urlaub in der Lüneburger Heide. Für die Angaben zu diesem Erkrankungsfall danken wir Herrn PD Dr. F. Fengler, II. Innere Abteilung / Infektion des Krankenhauses Berlin-Prenzlauer Berg. Kommentar zu den Fallbeispielen: Die drei Krankengeschichten zeigen übereinstimmend, daß es für die behandelnden Ärzte zunächst nicht einfach war, die betreffenden Krankheitserscheinungen der Lyme- Krankheit zuzuordnen. Die Möglichkeit einer Borreliaburgdorferi-Infektion sollte in Verbindung mit Anhaltspunkten in der Anamnese gegebenenfalls in die Differentialdiagnostik unklarer Infektionen des Nervensystems, des Herzens, des Lymphsystems, der Gelenke sowie chronischer Entzündungen der Haut einbezogen werden. Je früher die Infektion erkannt wird, desto besser spricht die antimikrobielle Therapie an. Empfehlungen zur Serodiagnostik und zur Therapie der Lyme-Borreliose, die auf einem Expertenmeeting in Freiburg im Breisgau am 19./20. März (Koordinierung: PD Dr. R. Kaiser, Prof. Dr. D. Neumann-Haefelin) abgestimmt wurden, werden in einer der nächsten Ausgaben des Epidemiologischen Bulletins veröffentlicht. =j^v3`ccv]z`dv+ EZad kfc :_W`c^ReZ`_ f_u 2fW\]zcf_X Lyme-Borreliose Erkennung und Verhütung Merkblatt für Ärzte Herausgegeben vom RKI und vom BgVV Bezug: Deutscher Ärzte-Verlag GmbH, Dieselstr. 2, 50859 Köln Krankheitsüberträger Zecke: Lyme-Borreliose und FSME Broschüre des Deutschen Grünen Kreuzes (DGK) und des BgVV Bezug: Einzelexemplare kostenfrei, mit DM 3, frankierter DIN- A5-Umschlag an das DGK, Schuhmarkt 4, 35037 Marburg Für die Praxis: Lyme-Borreliose aus biologischer, epidemiologischer, veterinärmedizinischer und humanmedizinischer Sicht Herausgegeben von Th. Talaska, erarbeitet unter Mitwirkung von 16 Fachwissenschaftlern, erschienen im Eigenverlag, 1998 Bezug: Bestellung über Dr. Th. Talaska, Rudolf-Breitscheid-Str. 10, 15295 Groß Lindow (Abgabepreis 26,75 DM) Einheimische Zeckenborreliose (Lyme-Krankheit) bei Mensch und Tier Herausgegeben von H. Horst (Lüneburg), 2., überarbeitete Auflage, PERIMED-spitta, Medizinische Verlagsgesellschaft mbh, Nürnberg, 1993 Klinik der Lyme-Borreliose Norbert Satz, Verlag Hans Huber, Bern - Göttingen - Toronto - Seattle, 1993 9. April 1998 Seite 97