12 Titelthema KV-Blatt 01.2011 KV-Wahl 2010: Große Listen verlieren, aber: Fachärzte erringen Die Fachärzte haben bei der Wahl zur nächsten KV-Vertreterversammlung die absolute Mehrheit errungen. Sie kamen auf 21 der insgesamt 40 Sitze. Dabei hat ihnen offenbar das geschlossene Auftreten sehr geholfen. Hingegen traten die Hausärzte in drei konkurrierenden Listen an und nahmen sich damit gegenseitig Stimmen weg. Das ist besonders für die traditionell größte Gruppe, den BDA, schwierig. Er hat einen Sitz verloren und konnte offenbar auch nicht von den Stimmen der Hausarztinternisten profitieren, die selbst nicht zur Wahl antreten durften, aber zur Wahl des BDA- Kandidaten Wolfgang Kreischer aufriefen. Die Wahl beteiligung lag mit insgesamt 61,4 % um über zwölf Prozentpunkte unter der von 2004.
KV-Blatt 01.2011 Titelthema 13 die absolute Mehrheit Foto: Schlitt (Szene nachgestellt) Liste Die Fachärzte Qualifizierte Medizin in der Praxis : Mit 21 von 40 Sitzen sind die Fachärzte als stärks te Gruppe aus den KV-Wahlen hervorgegangen und können sich auf eine absolute Mehrheit freuen. Augenscheinlich lag dies daran, dass sie im Vergleich zu 2004 diesmal wieder geschlossen aufgetreten sind. Damals bekam die traditionelle Facharztliste 18 und die zweite Facharztliste unter Führung des Kreuzberger Kardiologen Anton Rouwen vier Sitze. Das bedeutet allerdings auch, dass die Fachärzte bei der Wahl 2004 zusammen 22 Sitze errungen und diesmal einen Sitz verloren haben. Stolz sind die Fachärzte auf das Abschneiden der Ärztin für Psychosomatik und Psychotherapie, Margret Stennes. Sie errang mit 502 persönlichen Stimmen das beste persönliche Ergebnis innerhalb des Wahlkörpers Ärzte. Auf Platz neun der Ergebnisliste landete der bisherige Vorsitzende der KV-Vertreterversammlung, Herbert Menzel, die fachärztlich beheimateten Vorstandsmitglieder Uwe Kraffel und Burkhard Bratzke landeten auf Platz zwei bzw. Platz fünf der 31 Kandidaten umfassenden Facharztliste. Auffällig ist, dass bei den Fachärzten ein größeres Revirement stattgefunden hat. So ist der bisherige Vizepräsident der Ärztekammer, Elmar Wille, nicht wieder angetreten. Vermutlich aus Altersgründen ist auch der frühere MEDI-Chef Wolfgang Mitlehner nicht mehr mit von der Partie. Er hatte allerdings im vergangenen Jahr bereits den MEDI-Vorsitz aufgegeben und damit den schritt weisen Rückzug aus der berufsständischen ärztlichen Vertretung und aus der Selbstverwaltung eingeläutet. Auch der in seinem Fach sehr anerkannte Diabetologe Thomas Scholz wird der neuen Vertreterversammlung nicht mehr angehören. Ebenfalls nicht mehr dabei ist auch der Nervenarzt Hans-Jürgen Boldt, der als sehr engagierter Interessenvertreter in seiner Facharztgruppe galt. Auf einem der ersten Nachrückerplätze ist der Schöneberger Orthopäde Detlef Dewitz gelandet. Ähnlich wie in der zurückliegenden Wahlperiode, wo er ebenfalls erst als Nachrücker ins Parlament kam, könnte er auch in der neuen Legislaturperiode durchaus noch einmal eine Rolle auf der Bühne der Selbstverwaltung übernehmen. Hausarztliste / BDA: Die traditionelle Hausarztliste des BDA ist diesmal auf acht Sitze gekommen und hat gegenüber 2004 einen Sitz verloren. Offenbar war das Hausarztpotenzial aber diesmal sogar größer als 2004, denn mindestens zwei Sitze hat der BDA an Oppositionsgruppen im Hausärztelager verloren.
14 Titelthema KV-Blatt 01.2011 Fotos: Schlitt (4), privat (1) Sie gehören zu denen, die nicht mehr dabei sind: der ehemalige MEDI-Chef Wolfgang Mitlehner, der Orthopäde Detlef Dewitz und der ehemalige Vizechef von MEDI, Rüdiger Brandt (v.l.n.r.) Zudem hat erstmals eine neue Gruppierung ( Kooperation ist Zukunft ) an der Wahl teilgenommen und auf Anhieb drei Sitze errungen. Auch hier haben Hausärzte kandidiert. Wie auch immer: Die Hausärzte kamen zusammen auf zehn Sitze, dürften sich insgesamt aber wohl mehr Sitze erhofft haben. Im Vorfeld hatte die selbst nicht zur Wahl zugelassene Liste der Berliner Hausarzt internisten ihre insgesamt rund 600 wahlberechtigten Verbandsmitglieder dazu auf gerufen, den BDA und dessen Spitzen kandidaten Wolfgang Kreischer zu wählen. Der Stimmenverlust der BDA-Liste lässt also auch die Annahme zu, dass die Hausarztinternisten nur zum Teil dem Aufruf ihres Verbandes gefolgt sind. Denkbar ist aber auch, dass die Hausarztinternisten tatsächlich in großer Zahl ihre BDA-Kollegen gewählt haben. Das würde jedoch bedeuten, dass der BDA weit mehr Wähler aus dem eigenen Lager verloren hätte als derzeit erkennbar. Für den amtierenden Verbandschef Wolfgang Kreischer ist dies so oder so keine komfortable Situation. Er hatte den Hausarztinternisten versprochen, ihnen Sitze in wichtigen Ausschüssen der KV-Vertreterversammlung abzugeben sofern sie seine Liste und ihn in Person wählen würden. Ob er sich daran halten kann oder das hochspekulative Stimm ergebnis ihm eine Hintertür bietet, davon abzurücken, muss die Zukunft zeigen. Immerhin kann sich BDA-Chef Kreischer zugute halten, dass er 465 persönliche Stimmen erhalten hat, während KV-Chefin Angelika Prehn mit 312 Stimmen Platz zwei belegte. Aber auch hier gilt: Kreischer hätte wohl wesentlich mehr Stimmen auf sich ziehen müssen, wenn man bedenkt, dass die Hausarztinternisten auch dazu aufgerufen haben, ihn mit allen drei möglichen Stimmen zu wählen. Weitere ärztliche Listen: Kooperation ist Zukunft: Unter den Newcomern hat diese Liste mit Stefan Hochfeld, Burkhard Matthes und Thomas Blattner aus dem Stand heraus drei Ärzte (zwei Internisten und einen Allgemeinmediziner) aus Medizinischen Versorgungszentren in der neuen Vertreterversammlung platzieren können. Die meisten persönlichen Stimmen innerhalb der Liste erhielt der Internist Stefan Hochfeld aus dem MVZ Neukölln- Fuldastraße. Gruppe 73: Diese Gruppe trat mit dem Vereinsnamen der früheren BDA-internen Oppositionsgruppe an. Von den insgesamt vier Kandidaten schaffte Harald Stuckstedde den Sprung in die nächste Vertreterversammlung. Ob es sich bei der Gruppe 73 tatsächlich um eine oppositionell zum BDA stehende Gruppe handelt, wird innerhalb des Hausärzteverbandes unterschiedlich gesehen. Bei den 73ern, wie sie intern genannt werden, handelt es sich um jene Gruppe, aus der auch der jetzige BDA-Landesvorsitzende Wolfgang Kreischer stammt. Allerdings legt die Gruppe selbst Wert auf einen kritischen Umgang mit der BDA-Führung, wie deren Sprecher in einem Leserbrief an das KV-Blatt schrieb.
KV-Blatt 01.2011 Titelthema 15 So sehen Siegerinnen aus: Margret Stennes und Eva-Maria Schweitzer-Köhn haben die meisten persönlichen Stimmen ihrer Wahlkörper bekommen Hausärztevereinigung Berlin: Anders ist dies bei der Hausärztevereinigung Berlin. Sie wird von dem Moabiter Hausarzt Hans-Peter Reinardy angeführt, der in der KV-Wahlperiode 2000 bis 2004 bereits zusammen mit anderen Ärzten wegen systemkritischer Positionen zum KV-System von sich reden machte. Reinardy selbst ist sich bis in die Präsentation seiner nunmehr eigenen Hausarztliste hinein treu geblieben: Seine Systemkritik von damals findet sich auch in der jüngsten Selbstdarstellung wieder. Allerdings kritisiert er auch seinen ehemals eigenen Hausärzteverband BDA als Teil der etablierten Berufsverbände, unter deren Mandatierung die berufspolitische Misere erst möglich gewesen sei. Seine neue Rolle beschreibt er als innerparlamentarische Opposition. Kinder- und Jugendärzte Berlin: Die Pädiater werden wie in der vorangegangenen Vertreterversammlung auch diesmal mit zwei Sitzen im neuen Ärzteparlament vertreten sein. Auf fällig ist hier das Ergebnis für Ulrich Fegeler, praxisrecht.de der mit 160 persönlichen Stimmen das mit Abstand beste Ergebnis seiner Liste einfuhr. Auch bei der KV-Wahl 2004 erhielt Fegeler die meisten Stimmen, damals waren es allerdings nur 62. Sowohl nach der Wahl 2004 als auch nach der jüngsten Wahl lehnte er die Annahme des Mandats ab. Mit Burkhard Ruppert und Sigrid Peter werden die Kinderärzte nunmehr durch zwei Newcomer vertreten sein. Wahlkörper Psychotherapie: Von großer Geschlossenheit zeugen sowohl die Wahlpräsentationen als auch die Wahlergebnisse der Psychologischen Psy- Raffelsieper & Partner GbR Hamburg - Berlin - Heidelberg Spezialisten Arztberuf Beratung, und Fachanwalt für Medizinrecht Anzeige
16 Titelthema KV-Blatt 01.2011 Fortsetzung von Seite 15 chotherapeuten. Sie sind mit den Listen Psychodynamische Verfahren und Psychotherapie Berlin angetreten. Das beste persönliche Stimmenergebnis erhielt die Psychotherapeutin Eva-Maria Schweitzer-Köhn ( Psychotherapie Berlin ), die insgesamt 600 Stimmen holte. Ein ähnlich gutes Ergebnis erzielte ihre Abschied von der Vertreterversammlung: Klaus Dieter Elstermann von Elster und Roland Reininghaus (v.l.) Konkurrentin Angelika Springer ( Psychodynamische Verfahren ), die 536 persönliche Stimmen auf sich vereinigen konnte. Beide Listen erhielten jeweils zwei Sitze in der neuen Vertreterversammlung. Während Springer, Schweitzer-Köhn und Jochim Meincke ( Psychotherapie Berlin ) bereits der letzten Vertreterversammlung angehörten, zieht Werner Zante ( Psychodynamische Verfahren ) erstmalig in dieses Gremium ein. Die Wahlbeteiligung lag diesmal bei 61,4 %, während es 2004 noch 73,97 % waren. Damit rutschte die Wahlbeteiligung um rund 12,5 Prozentpunkte ab. Mit 71,4 % lag sie bei den Psychologischen Psychotherapeuten allerdings deutlich über der des ärztlichen Wahlkörpers, wo nur 59 % der Ärzte von ihrem Wahlrecht Gebrauch machten. Damit ist klar, dass in beiden Wahlkörpern die Wahlbeteiligung deutlich gesunken ist. Welche Auswirkungen das gesamte Wahlergebnis auf die Zusammensetzung des künftigen Vorstands haben wird, ist derzeit unklar. Während die Fachärzte sich über die Personalien nur untereinander einigen müssen, dürften es die Hausärzte schwerer haben: Wer als Vertreter der Hausärzte in den Vorstand einzieht, entscheiden letztlich auch die Fachärzte; zumindest kommt an ihrer absoluten Mehrheit niemand vorbei. Mindestens ebenso spannend dürfte die Besetzung der einzelnen Ausschüsse sein. Spätestens nach einer aufsichtsrechtlichen Auseinandersetzung von 2005 steht fest, dass die Ausschüsse nach dem Proporz- Prinzip besetzt werden müssen. Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die spiegelbildliche Abbildung der Mehrheitsverhältnisse, wie sie in der Vertreter versammlung selbst vorhanden sind. Je nach Größe der Ausschüsse könnte dies auch bedeuten, dass die BDA-Hausarztliste insgesamt nur einen Vertreter in einen solchen Ausschuss entsenden kann. Spätestens hier könnte das Versprechen des BDA ein Problem werden, auch den hausärztlichen Internisten in allen wichtigen Ausschüssen Sitz und Stimme zu verschaffen. So berufen sich die Berliner Hausarzt internisten auf eine Kooperationsvereinbarung, die beinhaltet, dass sich die Hausarztliste des BDA in der nächsten VV (Vertreterversammlung, d. A.) dafür einsetzen wird, dass Vertreter des VBHI in die wichtigsten Ausschüsse gewählt werden. Welches aber sind die wichtigsten Ausschüsse? Was passiert, wenn die Hausärzte, um Fotos: Schlitt
KV-Blatt 01.2011 Titelthema 17 Hausarztinternisten-Chef Detlef Bothe (links) und BDA-Chef Wolfgang Kreischer: Welche Sitze gestehen die Haus ärzte ihren Wahlhelfern zu? dem VBHI Platz machen zu können, selbst nur unzureichend in einem Ausschuss vertreten wären? Wird der BDA dann noch zu seinem Versprechen stehen? Bekanntlich hatten die Hausarztinternisten wegen eines formalen Fehlers keine eigene Liste zur Wahl der KV-Vertreterversammlung präsentieren können. Jetzt sind sie auf die Solidarität der Haus ärzte insgesamt angewiesen. Jedenfalls hat der VBHI sich eindeutig positioniert: Von den zur Wahl stehenden Hausarztlisten kommt als ernsthafte Interessenvertretung der Hausärzte nur die Liste 4 BDA / Haus ärzte in Betracht.. Reinhold Schlitt (Mitarbeit: Eugenie Wulfert) Das amtliche Endergebnis der KV- Wahl 2010 finden Sie im Teil Amtliche Bekanntmachungen der KV Berlin im hinteren Teil dieser Ausgabe. Anzeige Rechtsfragen? Wir sprechen Ihre Sprache! Wir beraten Sie im Medizinrecht, insbesondere bei Abwehr von Regressen Plausibilitätsprüfungen Berufs- und Disziplinarrecht Honorarstreitigkeiten KV/Patient Vertragsgestaltung für Arztpraxen Zulassung und Approbation Ehlers, Ehlers & Partner Rechtsanwaltssocietät Meinekestraße 13 10719 Berlin Telefon: 030 / 88 71 26-0 Telefax: 030 / 88 67 61-11 berlin@eep-law.de www.eep-law.de