Einschränkung der Privatautonomie im Vertragsarztrecht durch sozialversicherungsrechtliche Vorgaben

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Transkript:

Einschränkung der Privatautonomie im Vertragsarztrecht durch sozialversicherungsrechtliche Vorgaben 18. Münsterische Sozialrechtstagung am 30.11.2012 Dr. Peter Wigge Fachanwalt für Medizinrecht, Münster/Westf.

Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahrens bei der Übertragung einer Arztpraxis

Praxisnachfolge: Zivil- versus öffentliches Recht 1. Die Veräußerung einer Einzelpraxis oder von Gesellschaftsanteilen an einer Berufsausübungsgemeinschaft stellt zivilrechtlich einen Kaufvertrag dar, auf den die Vorschriften über den Kauf ( 433 ff. BGB) und die Sachmängelhaftung Anwendung finden (BGH NJW 1959, 1584). 2. Die Zulassung als Vertragsarzt stellt ein höchstpersönliches öffentliches Recht dar, welches nicht der Verfügungsberechtigung des Rechtsinhabers unterliegt und demgemäß nicht Gegenstand eines Kaufvertrages sein kann (BSG v. 10.05.2000 B 6 KA 67/98R = BSGE 86, 121). 3. Bei der Übergabe einer vertragsärztlichen Praxis kommt es notwendig zu einem Ineinandergreifen von nicht übertragbarer öffentlich rechtlicher Zulassung mit dem darauf gegründeten Vertragsarztsitz und privatrechtlich übertragbarer Arztpraxis als Vermögensgegenstand (BSG, Urt. v. 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R).

Das Nachbesetzungsverfahren 1. Aufgrund der zum 01.01.1993 durch das GSG eingeführten Bedarfszulassung ( 101 SGB V) ist eine wirtschaftlich sinnvolle Fortführung durch den Praxisübernehmer nur möglich, wenn er auch die vertragsärztliche Zulassung übernehmen kann. 2. Um den Inhabern von Praxen oder von Gesellschaftsanteilen eine wirtschaftliche Verwertung trotz angeordneter Zulassungsbeschränkungen zu ermöglichen, sieht 103 Abs. 4 SGB V ein öffentlich-rechtliches Ausschreibungs- und Nachbesetzungsverfahren vor, unter welchen Voraussetzungen eine Übertragung der Praxis oder eines Gesellschaftsanteils und des Vertragsarztsitzes zulässig ist.

103 Abs. 4 SGB V Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger fortgeführt werden soll, hat die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben diesen Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen [ ].

Neuregelung durch das GKV-VStG ab dem 01.01.2013: 103 Abs. 3a SGB V: (3a) Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach Absatz 4 für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll. [ ] Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist; [ ]. Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. 6

Eigentumsfähigkeit der Zulassung! In diesem Sinn ist auch die Rechtsstellung des Kassenarztes und Kassenzahnarztes eigentumsähnlich. Auf der Grundlage der Zulassung entwickelt der Kassenzahnarzt seine Kassenpraxis, deren Umfang und Art zum Teil von äußeren Gegebenheiten und den aufgewandten Sachmitteln (Praxiseinrichtung), in entscheidendem Maße aber von dem Können und der Initiative des Zahnarztes abhängt. Die Art, wie er die ihm verliehene Berechtigung als Kassenarzt gestaltet, wird zu einem wichtigen Faktor seiner Existenzsicherung. [ ] In der Regel wird durch die Entziehung der Zulassung das zwar auf der Verleihung eines subjektiven Rechts beruhende, aber erst durch Eigenleistung entwickelte, in der Kassenpraxis in Erscheinung tretende Berufswerk häufig das Lebenswerk des Kassenzahnarztes getroffen. Die durch Zulassung erworbene Rechtsstellung des Kassenzahnarztes ist somit als eigentumsähnliches Recht durch Art. 14 GG geschützt. BSG, Urt. v. 19.03.1957, Az.: 6 RKa 5/55

Nachbesetzungsverfahren dient Eigentumsschutz Der Gesetzgeber hat die Fortsetzung eines - an sich unerwünschten - Zustandes der Überversorgung nach der Beendigung der Zulassung eines Vertragsarztes nur deshalb hingenommen, weil andernfalls ein ausscheidender Vertragsarzt bzw. seine Erben keine Möglichkeit hätten, die oft einen erheblichen Wert repräsentierende Praxis zu verwerten. Regelmäßig würde sich ein Arzt für die Übernahme einer (auch) vertragsärztlichen Praxis nicht interessieren, sofern er für den jeweiligen Vertragsarztsitz keine Zulassung erhalten könnte. BSG, Urt. v. 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R

Beschränkung der Privatautonomie bei Einzelpraxen 1. Liegen mehrere Bewerbungen zur Übernahme der ausgeschriebenen Praxis vor, wählt der Zulassungsausschuss den Nachfolger aus, nicht der Praxisinhaber. 2. Bei der Auswahl der Bewerber hat der Ausschuss ausschließlich die gesetzlich vorgegebenen Kriterien zu berücksichtigen ( 103 Abs. 4 Satz 5). 3. Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswertes der Praxis nicht übersteigt ( 103 Abs. 4 Satz 8). 4. Der abgebende Arzt und der Bewerber sind verpflichtet, einen Praxiskaufvertrag abzuschließen, der dem Zulassungsausschuss vorgelegt werden muss; ggfls. auch mit mehreren Bewerbern.

Privilegierung von Berufsausübungsgemeinschaften 1. 103 Abs. 6 SGB V bestimmt, dass bei der Bewerberauswahl, die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte angemessen zu berücksichtigen sind. 2. Das BSG hat entschieden, dass die verbleibenden Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft das Recht zur Ausschreibung und zur Bestimmung des Praxisnachfolgers haben (BSG Urt. v. 25.11.1998, Az.: B 6 KA 70/97 R; BSG Urt. v. 29.09.1999, Az.: B 6 KA 1/99 R; BSG Urt. v. 05.11.2003, Az.: B 6 KA 11/03 R).

Privilegierung von Berufsausübungsgemeinschaften Wie im Gesetzgebungsverfahren ausgeführt worden ist, soll mit 103 Abs. 4 SGB V den Erfordernissen des Eigentumsschutzes Rechnung getragen werden, indem dem Inhaber einer Praxis deren wirtschaftliche Verwertung auch in einem für Neuzulassungen gesperrten Gebiet ermöglicht wird [ ]. Der wirtschaftliche Wert des Anteils am Gesellschaftsvermögen wächst bei einer Gemeinschaftspraxis, die nach dem Ausscheiden eines Partners und dem Ende von dessen Zulassung bestehen bleibt, in der Regel den in der Praxis verbleibenden Partnern zu [ ] Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den Regelungszweck, dem Inhaber der Rechtsposition deren wirtschaftliche Verwertung zu ermöglichen, ist es konsequent, dass ebenso, wie der wirtschaftliche Wert des Anteils in der Regel den verbleibenden Partnern zuwächst, diese auch die Initiative zu dessen wirtschaftlicher Verwertung ergreifen können, indem ihnen die Befugnis zuerkannt wird, die Ausschreibung der Praxis zu beantragen. BSG Urt. v. 25.11.1998, Az.: B 6 KA 70/97 R

Zulassungsentscheidung und Kaufvertrag 1. Durch den Zulassungsakt wird der vom Zulassungsausschuss als Nachfolger eines ausscheidenden Vertragsarztes ausgewählte Bewerber nicht automatisch Inhaber der ärztlichen Praxis des ausscheidenden Vertragsarztes. 2. Dies setzt einen privatrechtlichen Übernahmevertrag mit dem ausscheidenden Vertragsarzt bzw. seinen Erben voraus. 3. Es besteht keine Rechtsgrundlage für die Zulassungsgremien, in diesen privatrechtlichen Vertrag rechtsgestaltend einzugreifen. Der im Übernahmevertrag vereinbarte Kaufpreis bedarf nicht etwa einer Genehmigung. 4. Erst wenn keine Einigung zwischen dem Veräußerer und dem am besten geeigneten Bewerber über den Kaufpreis erzielt wird, stellt sich für die Zulassungsgremien die Frage des Verkehrswertes. BSG, Urt. v. 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R

Auseinanderfallen zwischen Zulassung und Kaufvertrag 1. Zwischen der Zulassungsentscheidung des Zulassungsausschusses und des Praxiskaufvertrages besteht grds. keine gegenseitige Abhängigkeit. 2. Die Unwirksamkeit oder der Nichtabschluss des Praxiskaufvertrages schlagen nicht auf die Wirksamkeit der Zulassungsentscheidung durch. 3. Umgekehrt schlägt eine etwaige spätere Aufhebung oder Änderung der Zulassungsentscheidung nicht unmittelbar auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages durch. Das Rechtsgeschäft bleibt grds. wirksam ( 313, Störung der Geschäftsgrundlage). 4. Zur Vermeidung eines Auseinanderfallens von Zulassung und Praxiskaufvertrag empfiehlt sich daher die Aufnahme einer Klausel in den Vertrag, wonach dessen Wirksamkeit durch die Bestandskraft der Zulassungsentscheidung aufschiebend bedingt wird.

Nachbesetzung, 103 Abs. 4 S. 5 SGB V Aktuelle Kriterien der Bewerberauswahl: 1. die berufliche Eignung, 2. das Approbationsalter, 3. die Dauer der ärztlichen Tätigkeit, 4. eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach 100 Absatz 1 SGB V das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat, 5. ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist, 6. ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde, 7. ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen. 14

Kriterium: Fortführung der Praxis 1. Die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens setzt eine fortoder weiterführungsfähige Praxis bzw. Praxisanteil voraus; d.h. die Praxis muss noch tatsächlich existieren oder betrieben werden Praxissubstrat ). 2. Das bedeutet, dass eine ruhende Zulassung nicht übertragen werden kann, sondern vorher erneut aktiviert werden muss. 3. Eine Praxis, deren Mietvertrag gekündigt worden ist, muss unverzüglich nachbesetzt werden, da sie andernfalls nicht mehr weiterführungsfähig ist. 4. Der Patientenstamm (Goodwill) der Praxis muss tatsächlich übernommen werden. 5. Die Praxis darf nicht mit dem Ziel der sofortigen Verlegung übernommen werden (erst nach ca. 3 bis 6 Monaten zulässig).

Verkehrswertermittlung 103 Abs. 4 Satz 8 SGB V Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswerts der Praxis nicht übersteigt. 1. Der Zulassungsausschuss soll aus einer Mehrheit von Bewerbern nicht denjenigen auswählen müssen, der den höchsten Kaufpreis zahlt. 2. Andererseits sind die wirtschaftlichen Interessen des Abgebenden insoweit geschützt, als nur die Bewerber in die Auswahl einbezogen werden müssen, die bereit sind, den Verkehrswert als Kaufpreis zu zahlen. BSG, Urt. v. 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R

Praxiswert = Verkehrswert? 1. Der Praxiskaufpreis im Nachbesetzungsverfahren wird aufgrund einer Verkehrswertermittlung des Zulassungsausschusses bestimmt ( 103 Abs. 4 Satz 7). 2. Der Verkehrswert ist die Unter- und zugleich die Obergrenze dessen, was der Bewerber zu zahlen hat. Ein Bewerber, der nicht bereit ist, den Verkehrswert zu zahlen, ist nicht zulassungsfähig. 3. Für die Festsetzung des Verkehrswerts einer Praxis durch die Zulassungsgremien ist kein Raum, wenn der ausscheidende Vertragsarzt sich mit allen Bewerbern über einen Kaufpreis geeinigt hat (BSG, Urt. v. 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R). 4. Bis zur Entscheidung des Zulassungsausschusses kann der Praxisverkäufer seinen Ausschreibungsantrag zurücknehmen und die Praxis erneut ausschreiben. Lehnt der Praxisabgeber allerdings mit der Entscheidung des Zulassungsausschusses eine Übernahme zum Verkehrswert ab, geht das Recht auf erneute Ausschreibung verloren (BSG Urt. v. 05.11.03 = BSGE 91, 253)

Verkehrswertermittlung in der Praxis 1. Der Praxiswert wird nicht nur auf der Grundlage der KV- Abrechnungen bestimmt, sondern ergibt sich aus der Bewertung der gesamten Praxis, also einschließlich der Privat- und BG- Abrechnungen. 2. Die Verkehrswertermittlung wird in der Praxis häufig durch die KV oder einen von ihr beauftragten Sachverständigen durchgeführt. Der ermittelte Wert beruht nicht auf einem Praxiswertgutachten, sondern einer nicht im Detail mitgeteilten Prüfung. Häufig wird kein fester Wert, sondern eine Bandbreite unter Zugrundelegung unterschiedlicher Bewertungsmethoden mitgeteilt (Problem: Überprüfbarkeit der Verkehrswertermittlung durch den Abgeber!). 3. Der abgebende Arzt hat dem Zulassungsausschuss zur Verkehrswertermittlung sämtliche erforderlichen Unterlagen vorzulegen (BWA s, Abrechnungen, Aufstellung Anlagevermögen); Problem: Offenlegung von Geschäftszahlen gegenüber Dritten; insbesondere Krankenkassen, KV, Konkurrenten.

Bewertungsmethode? 1. In welcher Weise der Verkehrswert einer Praxis zu ermitteln ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen (BSG, Urt. v. 14.12.2011, Az.: B 6 KA 39/10 R). 2. Zur Ermittlung des Verkehrswertes ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 188, 282) eine modifizierte Ertragswertmethode als grundsätzlich geeignet anzusehen. 3. Dabei wird neben dem Substanzwert einer Praxis, d.h. dem Zeitwert der bewertbaren Wirtschaftsgüter, der immaterielle Wert in Form eines Goodwill berücksichtigt. 4. Dass im Einzelfall unterschiedliche Ergebnisse entstehen können, stellt die grundsätzliche Eignung der Methode zur Bewertung ärztlicher und psychotherapeutischer Praxen nicht in Frage. 5. Folge: Sofern der Zulassungsausschuss einen Verkehrswert festsetzt, kann der ausscheidende Vertragsarzt bzw. seine Erben durch die Limitierung als schützenswert anzusehenden wirtschaftlichen Interesses materiell beschwert sein.

Zivilrechtliche Vereinbarungen im Nachbesetzungsverfahren 1. Vertragsarztrechtlich bestehen keine Vorgaben im Falle des Ausscheidens die vertragsärztliche Zulassung in einer Gemeinschaftspraxis zu belassen (BSG: Zulassung höchstpersönliches öffentliches Recht; anders: Anstellung gemäß 103 Abs. 4a und 4b SGB V). 2. Vertragliche Vereinbarungen über die Bindung der Zulassung an die Gemeinschaftspraxis bei Ausscheiden sind nicht generell unzulässig (BGH. Urt. v. 22.07.2002, Az.: II ZR 90/01; II 265/00): Voraussetzungen: - Zulassung nicht eingebracht, - Keine persönliche Prägung und Aufbau der Praxis (in der Regel nach einigen Jahren gegeben; d.h. zeitliche Grenze von max. 3 Jahren vereinbaren), - Ausscheidender Arzt erhält Abfindung, - Anders: verbleibender Arzt hat das Ausscheiden zu verantworten.

Fazit 1. Durch das Nachbesetzungsverfahren verliert der Praxisäußerer weitgehend die Verfügungsbefugnis über sein Eigentum. Die privatautonome Vertragsverhandlung wird ersetzt durch die hoheitliche Entscheidung der Zulassungsgremien, die nicht nur den Vertragspartner, sondern auch den Kaufpreis festlegen können. 2. Im SGB V, der Ärzte-ZV oder in den BPlRi. finden sich keinerlei rechtliche Vorgaben darüber, durch welche Institution, nach welchem Wertermittlungsverfahren und unter Berücksichtigung welcher Faktoren die Verkehrswertermittlung stattzufinden hat! = offenes Ergebnis, auch nach der BSG-Entscheidung von 2011! 3. Vertragliche Vereinbarungen über die Verpflichtung zur Belassung eines Vertragsarztsitzes in einer Praxis sind nur in zeitlich begrenztem Umfang zulässig.

Legale Umgehungsgeschäfte Möglichkeiten: 1. Eintritt in eine bereits bestehende Gemeinschaftspraxis oder MVZ. 2. Zusammenschluss mit einem anderen abgabewilligen Arzt mit dem Ziel der gemeinsamen Veräußerung. 3. Gründung einer überörtlichen Gemeinschaftspraxis. 4. Vorübergehende Anstellung und anschließende Rückumwandlung ( 103 Abs. 4 a und b, 95 Abs. 9b SGB V). Rechtsfolge: Die Partner der Gemeinschaftspraxis bestimmen den Praxisnachfolger. Eine freie Vereinbarung über die Höhe des Praxiskaufpreises ist möglich. Bedingung: Gemeinsame Berufsausübung i.d.r. von mindestens 3 bis 6 Monaten vor Ausschreibung.

Verfassungsrechtliche Legitimation der Bedarfsplanung in Zeiten zunehmenden Ärztemangels?

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und frohe Festtage!