Makroökonomik BIP und Wirtschaftskreislauf 1 19.3.2007 1
Plan der Vorlesung BIP und Wirtschaftskreislauf 1. Einordnung in die VWL 2. Kurzüberblick über die Daten 3. Charakterisierung volkswirtschaftlicher Daten I 4. Definition des BIP 5. Messkonzept 6. Messung 7. Charakterisierung volkswirtschaftlicher Daten II 8. Diskussion 9. Zusammenfassung 2
Einordnung in die VWL Volkswirtschaftliche Daten dienen der Beobachtung und Analyse wirtschaftlicher Phänomene und Zusammenhänge Die wichtigste Grösse ist das volkswirtschaftliche Einkommen Messung der Effizienz möglich Messung des Wohlstandes Andere wichtige Grössen Arbeitslosigkeit (Ausschöpfung des Produktionspotentials) Preise, Löhne: Faktoreinkommen, Knappheit Die Messung kann nicht unabhängig von den unterstellten Modellen erfolgen (d.h. Irrtümer sind eingeschlossen) 3
Reales Bruttoinlandprodukt 1948-2005 (zu Preisen von 2000) Mrd. Fr. 400 Währungskrise Weltwirtschaftskrise 1. Erdölkrise Boom 80er 300 Stagnation 90er 200 2. Erdölkrise 100 die goldenen 60er 0 1948 1952 1956 1960 1964 1968 1972 1976 1980 1984 1988 1992 1996 2000 2004 Quelle: BfS, Verknüpfung verschiedener Reihen 4
Reales BIP und BIP pro Kopf (1980-2007) Quelle: BfS 5
Vorjahresveränderung in % 5 4 3 2 1 0-1 -2 Reales Bruttoinlandprodukt (1991-2005) Milliarden Fr pro Quartal 110 105 100 95-3 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 90 Quelle: seco 6
Offizielle Arbeitslosenquote (1980-2006) % 5 4 3 2 1 0 80 82 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: seco 7
Charakterisierung volkswirtschaftlicher Daten I Zwei wichtige Eigenschaften 1. Bestandes- und Flussgrössen Bestandesgrösse: Beobachtung einer Grösse zu einem bestimmten Zeitpunkt (Staatsschuld, private Vermögen) Flussgrösse: Beobachtung einer Grösse innerhalb eines Zeitintervalls (Staatsdefizit, privates Sparen einer Periode) Fluss = Bestand Zeit 8
Übung: Stock oder Flussgrösse? Einkommen Reichtum Investitionen Transaktionen Produktionsanlagen Produktion Ausgaben Beschäftigung Zinsen Geld 9
Charakterisierung volkswirtschaftlicher Daten I 2. Volumen und Wert Wert ist Volumen ausgedrückt in einer einheitlichen Masseinheit, dem Numeraire (z.b. Franken). + 100 t Weizen + 500 Stunden Babysitten =??? + 8 000 Fr. Weizen + 10 000 Fr. Babysitten = 18 000 Fr. 10
Beispiel Zahlen zum schweizerischen BIP (Mrd. Fr.) nominal 2004 447 309 2005 455 594 2006 470 512 Quelle: Konjunktur 10/2007, 2006: Herbstprognose der KOF 11
BIP und Wirtschaftskreislauf Die wichtigste systematische Datensammlung ist die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR). Basiert auf dem Konzept des wirtschaftlichen Kreislaufs. 12
BIP und Wirtschaftskreislauf Die wichtigste systematische Datensammlung ist die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR). Wird vom Bundesamt für Statistik (BfS) erstellt. Bruttoinlandprodukt (BIP) ist das wichtigste Mass für die gesamtwirtschaftliche Aktivität. Basiert auf Konzept des wirtschaftlichen Kreislaufs. 13
BIP und Wirtschaftskreislauf Das BIP dient als «einfacher» Wohlstandsindikator einer VW Messung der Einkommen bedeutet Messung der Wohlfahrt Alternative Messkonzepte des Wohlstands: Befragungen Versorgung mit Konsumgütern Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen Freizeit Umweltzustand Verteilung auf Köpfe / nach sozialen Kriterien etc. Durch einheitliche Statistiken (ESVG 95) kann das BIP zwischen Ländern verglichen werden. 14
Kreislauf Nr.1: Der Güterkreislauf Produktion von Waren und Dienstleistungen Gütermärkte Einkauf Waren und Dienstleistungen Unternehmen Produktionsinputs BIP = Produktion = Verwendung = Einkommen Märkte der Produktionsfaktoren Haushalte Arbeit, Kapital 15
Kreislauf Nr. 2: Der Einkommen- / Ausgabenkreislauf Ertrag Gütermärkte Konsumausgaben Unternehmen BIP = Produktion = Verwendung = Einkommen Haushalte Löhne, Zinsen Gewinne Märkte der Produktionsfaktoren Einkommen 16
Das Kreislaufprinzip: Güter- und Numerairekreislauf im Gegenstrom Ertrag Produktion von Waren und Dienstleistungen Gütermärkte Konsumausgaben Einkauf Waren und Dienstleistungen Unternehmen der wirtschaftliche Kreislauf Haushalte Produktionsinputs Löhne, Zinsen Gewinne Märkte der Produktionsfaktoren Arbeit, Kapital Einkommen 17
Die drei Möglichkeiten, das BIP zu messen Ertrag Gütermärkte Konsumausgaben = Wert der Produktion = Verwendung der Einkommen Unternehmen BIP = Produktion = Verwendung = Einkommen Haushalte Einkommen = Löhne, Zinsen, Gewinne Löhne, Zinsen Gewinne Märkte der Produktionsfaktoren Einkommen 18
Definition BIP von der Produktionsseite BIP = Wert aller Endgüter, die während einer bestimmten Periode in einen Land produziert werden. Brutto Inland Produkt??? 19
Ertrag = Wert der Produktion Gütermärkte Konsumausgaben Unternehmen BIP = Produktion = Verwendung = Einkommen Haushalte Löhne, Zinsen Gewinne Märkte der Produktionsfaktoren Einkommen 20
BIP = Wert aller Endgüter... Wert = Marktwert der Güter, d.h. die Bewertung der Güter durch Kauf/Verkauf Messung durch Marktwert entspricht Prinzip der Outputmessung Falls kein Markt (und damit kein Marktwert) für die Güter existiert, wird einer unterstellt: Leistungen der öffentlichen Verwaltung Inputmessung für bestimmte öffentliche Dienstleistungen (innere, äussere Sicherheit) Eigenmietwert Ausnahmen: öffentliche Güter, freie Güter/Schlechts 21
BIP = Wert aller Endgüter... Vorteile der Bewertung zu Marktpreisen Einfachheit «Objektivität», Ehrlichkeit Knappheitssignal Nachteile Private DL (P2P) nicht bzw. unterbewertet, z.b.: Kinderaufzucht Allgemein: Externalitäten bleiben unberücksichtigt Trotz der Nachteile gilt: Es gibt nichts besseres. 22
BIP = Wert aller Endgüter... Alle produzierten Güter erfassen. Auch Güter, die nicht auf Märkten gehandelt werden Öffentliche Dienstleitungen,... (siehe oben) Schattenwirtschaft (teilweise) Nicht erfasst werden: Do-it-yourself Produktionen, Kochen, Putzen, Kinder aufziehen u.s.w. Handel mit illegalen Drogen 23
BIP = Wert aller Endgüter... Güter = Waren und Dienstleistungen. Sowohl die CDs einer Musikgruppe als auch die verkauften Konzerteintrittskarten. 24
BIP = Wert aller Endgüter... Die Zwischengüter (=Vorleistungen) werden nicht gezählt, um zu vermeiden, dass das gleiche Gut zwei mal gezählt wird. Gütermärkte Unternehmen Zwischengüter 25
BIP = Wert aller Endgüter... Beispiel: Erdbeeren in Erdbeerkonfitüre Inputs Maschinen Arbeit Output 4 t Erdbeerkonfitüre Marktwert 8 000 Fr. 2 t Erdbeeren Marktwert 2 000 Fr. Wert der Produktion 10 000 Fr. - Wert Zwischenprodukte 2 000 Fr. = Bruttowertschöpfung 8 000 Fr. 26
BIP = Wert aller Endgüter... Brutto Inland Produkt weil inklusive Investitionsgüter?? 27
BIP = Wert aller Endgüter, die während einer bestimmten Periode... BIP wird jährlich und quartalsweise (drei monatlich) gemessen. BIP ist eine Flussgrösse BIP = Wert Zeit 28
BIP = Wert aller Endgüter, die während einer bestimmten Periode in einen Land... Die Produktion einer Coca-Cola Abfüllanlage in der Schweiz gehört zum schweizerischen BIP. Der Auftritt einer englischen Musikgruppe in der Schweiz gehört zum schweizerischen BIP. Die Produktion von Nestlé im Ausland gehört nicht zum schweizerischen BIP. Brutto Inland Produkt weil inklusive Investitionsgüter weil im Inland 29
BIP = Wert aller Endgüter, die während einer bestimmten Periode in einen Land produziert werden. Transaktionen mit schon bestehenden Gütern gehören nicht zum BIP: (privater) Verkauf eines Gebrauchtwagens Kauf / Verkauf von Aktien (ausser den Kommissionen der Banken = Bezahlung der Dienstleistung Handel) Brutto Inland Produkt weil inklusive Investitionsgüter weil im Inland weil neue Produktion 30
BIP von der Produktionsseite (nominal 2000) in Mio. Fr. in % des BIP Land-, Forstwirtschaft 9 951 2.5 + Bau 42 663 10.5 + Industrie 228 128 56.3 + Dienstleistungen, Handel 459 514 113.3 = Gesamte Produktion 740 256 182.5 Vorleistungen 357 713 88.2 + div. Abgaben 22 988 5.7 = Bruttoinlandprodukt 405 503 100.0 Güter, die in weniger als einem Jahr in der Produktion verbraucht werden Quelle: BfS, provisorisch 31
Wertschöpfung Umsatz + selbsterstellte Anlagen und Eigenverbrauch - Mehrwertseuer und Rabatte +/-Lagerveränderung = Wert des Outputs des Unternehmens Wert des Outputs - Wert der Inputs = Wertschöpfung des Unternehmens Wertschöpfung = Einkommen der Produktionsfaktoren 32
Wertschöpfung einiger Branchen (Mio. Fr. nominal 2004) Bruttoproduktionswert Vorleistungen Bruttowertschöpfung % Anteil der Vorleitstungen an Bruttorpod.-wert Branchen Land- u. Forstwirtschaft, Jagd, Fischerei, Fischzucht 13'427 7'561 5'866 56.3 Industrie, verarbeitendes Gewerbe 233'946 150'721 83'225 64.4 Baugewerbe 49'848 25'516 24'332 51.2 Handel und Reparatur 90'370 31'939 58'431 35.3 Gesundheits- und Sozialwesen 37'447 11'337 26'109 30.3 Quelle: BfS, provisorisch 33
Wertschöpfung nach Branchen 2004 Quelle: BfS, provisorisch 34
Bruttowertschöpfung nominal nach Branchen 1990-2004 Quelle: BfS 35
Probleme bei der Bestimmung des Werts der Produktion öffentliche Verwaltung kein Marktwert wird mit Kosten gemessen (Inputmessung) Banken nur ein Teil der Bankdienstleistungen wird durch Kommissionen bezahlt unterstellter Produktionswert = Nettokapitalertrag Versicherungen Produktion = Prämien Versicherungsleistungen Externalitäten Aktivitäten, die Werte zerstören, können das BIP erhöhen 36
Frage Entwicklung eines neuen Computers mit Produktionskosten von einem Viertel der bisherigen Computer ( Marktpreis: ¼) gleicher Rechenleistung. Wenn gleich viele Computer produziert werden, fällt das BIP! Wie ist das möglich? 37
Fragen Wieso Brutto - Inland - Produkt? Weil die Abschreibungen nicht herausgerechnet werden! Idee: Investitionen = Abschreibungen Netto- und Bruttobetrachtung führen über die Zeit zum selben Ergebnis! 38
Hausaufgabe Wie gross ist der Anteil des Militärs / der Landesverteidigung am BIP der Schweiz? Wie messen??? Wie gross in CHF? Wie hat er sich in der Zeit entwickelt? Wie gross ist der Anteil in den USA? 39
Zusammenfassung BIP und Wirtschaftskreislauf I Volkswirtschaftliche Daten dienen der Beobachtung und Analyse liefern Entscheidungshinweise Es ist zwischen Wert und Volumen sowie Fluss- und Bestandsgrössen zu unterscheiden Das BIP ist die wichtigste vw Grösse Wohlstandsindikator Mass für Effizienz international vergleichbar Das BIP wird auf der Basis des Kreislaufprinzips gemessen Es existieren drei Messmöglichkeiten: Produktion, Einkommen, Verwendung Die Messung des BIP ist nicht perfekt, aber z.z. ohne Alternative 40
Makroökonomik BIP und Wirtschaftskreislauf 1 19.3.2007 41
Wieso zählen wir die Investitionen mit? kostet 200 und hält 5 Jahre Jahr Brot Maschine Nettoprodukt Abschreibungen Bruttoprodukt 1 200-200 40 160 2 200-200 40 160 3 200-200 40 160 4 200-200 40 160 5 200 200 400 40 360 total 1000 200 1200 200 1000 Investitionen sind wichtig für Konjunkturverlauf 42
BIP = Wert aller Endgüter... Wert = Preise * Mengen Wir brauchen Preis- und Mengeninformationen. Wir interessieren uns in erster Linie für die Mengen = konsumierbare Güter = realer Wohlstand. Menge Preis Wert 43
Drei wichtige Unterscheidungen 3. Reale und nominale Grössen Wertveränderungen können auf Mengen- und/oder Preisänderungen zurückzuführen sein. Um Preis- von Mengeneffekten zu trennen, werden nominale Grössen mit einem Preisindex preisbereinigt (deflationiert). Menge Preis Wert 44
Quartalswerte Mio. Fr. nominelles BIP und reales BIP (1990-2005) 110'000 100'000 BIP zu Preisen von 2000 = reales BIP 90'000 80'000 70'000 60'000 BIP zu laufenden Preisen = nominelles BIP Basisjahr reales BIP 50'000 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 Quelle: seco 45
BIP-Deflator BIP-Deflator = BIP zu laufenden Preisen BIP zu Preisen von 2000 100 Der BIP-Deflator ist ein Mass für Inflation 46