Tagungsband NGRESS NACHHALTIG BAUEN UND BEWERTEN. vom Energie zum Nachhaltigkeitsausweis. 19. 20. Februar 2009. IBO Verlag



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Transkript:

Tagungsband K NGRESS NACHHALTIG BAUEN UND BEWERTEN vom Energie zum Nachhaltigkeitsausweis 19. 20. Februar 2009 IBO Verlag

Eine Veranstaltung von: IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie A-1090 Wien, Alserbachstraße 5/8 fon: +43 (1)319 20 05-0, email: ibo@ibo.at, web: www.ibo.at in Kooperation mit: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft; Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik; Österreichische Energieagentur; Österreichisches Ökologie-Institut; Donau Universität Krems; bau.energie.umwelt Cluster NÖ; IG Passivhaus Ost; Klima- und Energiefond; Reed Messe Wien; BAU!MASSIV!, Ernstbrunner Kalktechnik GmbH; natur & lehm, RÖFIX AG;

Tagungsband Nachhaltig Bauen und Bewerten vom Energie- zum Nachhaltigkeitsausweis KONGRESS MessezentrumWien 19. 20. Februar 2009 IBO Verlag

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Inhalte der Referate stellen ausnahmslos die persönliche Meinung der ReferentInnen dar. Eine Instituts-Meinung oder -Empfehlung kann nicht zwingend abgeleitet werden. Für die Inhalte und die Bildrechte zeichnen die jeweiligen Verfassenden verantwortlich. 2009 IBO-Verlag, Wien Printed in Austria Redaktion: Barbara Bauer, Ulla Unzeitig; IBO GmbH Layout und Gestaltung: Gerhard Enzenberger, IBO Druck: gugler cross media, Melk Gedruckt mit Pflanzenfarben auf Desistar ISBN 978-3-900403-38-6

Vorwort So gut wie alle ökologischen Initiativen bedienen sich des Nachhaltigkeitskonzeptes, das besagt Natur und Umwelt für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Die Handlungsebenen dabei sind global bis lokal. Erlauben Sie mir folgenden Vergleich mit zwei Spieletypen 1 als Analogie für die Art, wie wir unser Leben betrachten können: In endlichen Spielen handeln wir nach festgelegten Regeln, um zu gewinnen. In unendlichen Spielen handeln wir mit ständig wechselnden Regeln um weiterzuspielen. Diese Idee eines unendlichen Spiels passt sehr gut zum Nachhaltigkeitsgedanken: Initiativ und generierend weiterspielen, über den Horizont der eigenen Lebenszeit hinausblicken. Für den Baubereich hat diese Anschauung besondere Bedeutung: Kaum ein anderer Wirtschaftszweig ist ähnlich ressourcenintensiv und in seinen Folgewirkungen annähernd so langfristig. Weiterzuspielen bedeutet der nächsten Generation etwas zu übergeben, woran sie anknüpfen und womit sie weiterspielen kann. In diesem Sinne soll nicht unser Wissen, sondern unsere Visionen für diese Welt unser geistiger Horizont sein. Für den heurigen Kongress Nachhaltig bauen und bewerten: Vom Energie- zum Nachhaltigkeitsausweis haben wir visionäre Vorträge mit praktischen Workshops kombiniert. Sozusagen etwas zum Denken und etwas zum Tun. Gleich zu Beginn demonstriert Wolfgang Feist anhand eines einfachen Sanierungsbeispiels die sich ständig ändernden Anforderungen in der Baubranche. Zu Beginn der 80er Jahre war eine gute Wärmedämmung ungefähr 8 cm stark. Was folgte, war eine Reihe an technischen und energetischen Neuentwicklungen: Solararchitektur bis Passivhaus und zuletzt das Plusenergiehaus. Manfred Fuchs erläutert in seinem Vortrag unter Anderem, dass Wirtschaftlichkeit bzw. Wettbewerbsfähigkeit und Umweltinteressen mittlerweile kein Widerspruch mehr sind. Allerdings weist der mittlerweile sehr hohe energetische und technische Standard einige Lücken zu einem richtigen nachhaltigen Konzept auf, die es noch zu schließen gilt. Die Entsorgungseigenschaften eines Gebäudes zum Beispiel werden noch kaum erfasst. Hildegund Mötzl wird hier von ihren Forschungsergebnissen berichten. Der zweite Tag wird sich vermehrt der nachhaltigen Bewertung widmen. In den Bewertungsverfahren geht es analog zu den rasanten Entwicklungen des energetischen Standards sehr dynamisch zu. Aktuelle Forschungsergebnisse in diesem Bereich werden vorgestellt und es sind alle aufgerufen, sich an einer regen Diskussion zu beteiligen. Informieren Sie sich auch nach dem Kongress bei uns. Z.B. auf der Web-Plattform baubook, die die Umsetzung von nachhaltigen Gebäuden unterstützt. Die weiß wirklich viel. Und zum Schluss noch eine Bitte: Spielen Sie mit! DI Ulla Unzeitig IBO GmbH 1 James P. Carse: Endliche und unendliche Spiele: Die Chancen des Lebens [Stuttgart: Klett-Cotta, 1987] www.ibo.at III

Vorwort Klimaschutz ist eine große Chance für die Baubranche Wer beim Hausbau auf umweltfreundliche Materialien, optimale Wärmedämmung und klimafreundliche Heizungstechnik setzt, legt den Grundstein für mehr Lebensqualität und spart langfristig Energie und Geld. Die Klimaschutzinitiative des Lebensministeriums klima:aktiv bietet der Baubranche mit dem klima:aktiv Gebäudestandard eine optimale Orientierungshilfe für klimafreundliches und energieeffizientes Bauen. Von der Planung bis zur Ausführung ist alles auf Klimaschutz ausgerichtet. Viele Details, die auf den ersten Blick die Baukosten erhöhen, helfen langfristig Energiekosten sparen, sorgen für geringeren Wasserverbrauch, schaffen ein optimales Raumklima und bieten Wohnqualität auf höchstem Niveau. Immer mehr Häuslbauer fragen nach Häusern, die diese Qualitätskriterien erfüllen. Darum werden Unternehmen, die schon heute Häuser im klima:aktiv Standard anbieten, in Zukunft einen Wettbewerbsvorteil haben. Ich bin überzeugt, dass Sie beim IBO KONGRESS viele wertvolle Informationen bekommen. Nutzen Sie die Chancen, die klimafreundliches Bauen Ihrem Unternehmen und vor allem Ihren Kunden bietet, für eine klimafreundliche Zukunft. Ihr Niki Berlakovich Umweltminister www.ibo.at V

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Seite Die Zukunft des energieeffizienten Bauens 2 Wolfgang Feist, Universität Innsbruck Europäische Ansätze zur Nachhaltigkeit 9 Manfred Fuchs, Europäische Kommission, Generaldirektion Unternehmen und Industrie IBO Passivhaus-Sanierungsbauteilkatalog 11 Thomas Zelger, IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie GmbH Entsorgungeigenschaften von Gebäuden 13 Hildegund Mötzl, IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie GmbH Systemnachweis MINERGIE-ECO Planungsbegleitende Software zur Einschätzung der Raumluftqualität in Gebäuden 17 Thomas Rühle, Intep Integrale Planung GmbH Gemeindezentrum St. Gerold 21 Bruno Summer, Gemeinde St. Gerold klima:aktiv Beratungsangebot für Neubau und Sanierung 23 Susanne Geissler, Österreichische Energieagentur, klima:aktiv Bauen und Sanieren Christiana Hageneder, ÖGUT Programmleitung klima:aktiv haus Immo-ZEUS von der Energieausweisverwaltung zur Lebenszykluskosten-Analyse (Workshop) 25 Susanne Geissler, Maike Groß, Österreichische Energieagentur, Bernhard Waglechner; gizmocraft Energy Compact das Tool für die Verbesserung der Energieeffizienz im Gebäudebestand (Workshop) 25 Franz Jetzinger, Christina Spitzbart, Österreichische Energieagentur; Eva Bauer, gbv Nachhaltige Gebäude beschreiben, beurteilen, bewerten: die Situation in Deutschland 27 Thomas Lützkendorf, KIT / Universität Karlsruhe (TH), Ökonomie und Ökologie des Wohnungsbaus Gebäudebewertungen mit Nachhaltigkeitsanspruch 37 Susanne Geissler, Österreichische Energieagentur, Gebäude und Raumwärme Soziale Nachhaltigkeit von Gebäuden und Bauprozessen 49 Wibke Tritthart, IFZ Interuniversitäres Forschungszentrum für Technik, Arbeit und Kultur Innenraumluft und Gebäudebewertung 55 Peter Tappler; IBO Innenraumanalytik OG Komfortforschung und Nutzerakzeptanz Thermohygrischer, visueller und akustischer Komfort sowie Einflussnahme des Nutzers als Kriterien zur Nachhaltigkeitsbewertung von Bürogebäuden 59 Runa Tabea Hellwig, Fraunhofer Institut für Bauphysik Bauökologische Beschaffung in Österreich 71 Thomas Belazzi, bauxund GmbH Ökologischer Innenausbau im Programm ÖkoKauf Wien 73 Michael Grimburg, MA22 Nachhaltig:Bauen in der Gemeinde 75 Dietmar Lenz, Umweltverband Vorarlberg Baubook Werkzeug für die ökologische Produktauswahl 79 Hildegund Mötzl, Bernhard Lipp, IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie GmbH Nicole Sperzel, Energieinsstitut Vorarlberg Mobilität & Bauen klima:aktiv mobil und klima:aktiv haus (Workshop) 85 Christiana Hageneder, Michael Kolpek, ÖGUT Österreichische Gesellschaft für Umwelt und Technik Die Passivhauszertifizierung als notwendige Qualitätssicherungsmaßnahme (Workshop) 87 Bernhard Lipp, IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie GmbH Komfortlüftung ein definierter Qualitätsstandard (Workshop) 93 Wolfgang Leitzinger, arsenal research; Martin Huber, B.E.U.C. Bauen Enerige Umwelt Cluster NÖ ReferentInnen 95 www.ibo.at VII

Nachhaltige Entwicklungsszenarien Die Zukunft des energieeffizienten Bauens Wolfgang Feist, Universität Innsbruck 1 Energieverbrauchskennwerte im Vergleich In Abbildung 1 ist der Primärenergieverbrauch unterschiedlicher Gebäudestandards dargestellt. In Deutschland wurde durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) eine durchaus nennenswerte Heizenergieeinsparung allgemeinverbindlich eingeführt. Bezieht man alle Primärenergieverbrauchswerte ein, so zeigt sich jedoch, dass der gesamte Verbrauch durch Verordnung noch nicht einmal auf die Hälfte begrenzt wird. Ganz am rechten Ende der Grafik ist der gemessene Primärenergieverbrauch von Passivhäusern dargestellt. Gegenüber herkömmlichem Neubau wird mit dem Passivhaus eine Primärenergieeinsparung von ungefähr einem Faktor 4 erreicht. Das ist ausreichend, um eine nachhaltige Energieversorgung sicher zu stellen wie es Mark Zimmermann auf der 9. Passivhaustagung in Ludwigshafen 2005 dargelegt hat. [Zimmermann 2005] 2 Wie wird ein Haus zum Passivhaus? Durch Wärmedämmung, Wärmebrückenvermeidung, Passivhausfenster und eine luftdichte Hülle wird die Wärme im Haus gehalten (Abbildung 2). Nach dem Energiesatz gilt: Überhaupt nur die Wärme muss ein Heizsystem nachliefern, die verloren geht. Gewinnt man nun auch noch den größten Teil der Wärme, die beim Lüften normalerweise entweicht, durch einen Wärmeübertrager zurück, so stehen wir vor einem Haus, das nur noch sehr wenig Wärme verliert. So wenig, dass die Solareinstrahlung durch die Fenster und die Wärme von Personen und Geräten nahezu ausreichen, die Räume komfortabel zu halten. Der Heizwärmebedarf wird dann so gering, dass die Heiztechnik stark vereinfacht wird, und die Heizenergie dauerhaft kostengünstig zur Verfügung stehen wird. Das Ziel ist also nicht ein (teures) Nullheizenergiehaus. Es reicht, wenn der Verbrauch sehr gering wird. Das Interessante am Passivhaus ist gerade, dass es keine exotischen Bauteile und teuren Komponenten benötigt: Allein durch eine Verbesserung der Bauteile, die jedes Gebäude ohnehin benötigt, lässt sich die hohe Energieeinsparung erreichen. Damit wird ein sehr energieeffizienter Standard für jedermann verfügbar und für jedermann erschwinglich. [PHPP 2007] Inzwischen sind allein in Deutschland etwa 12.000 Passivhäuser gebaut und bezogen worden. Abbildung 3 zeigt zwei Beispiele für Einfamilien-Passivhäuser. Dass es sich um ein Passivhaus handelt, kann man rein äußerlich nicht erkennen. Abb. 1: Vergleich des Primärenergieverbrauchs von Wohngebäuden verschiedener Standards in Deutschland Abb. 2: Essentielle Bestandteile für den Bau von Passivhäusern: Es sind genau die Komponenten, die sich seit Jahrzehnten beim energiesparenden Bauen bewährt haben, die hier zielführend kombiniert werden. www.ibo.at 1

Nachhaltig Bauen und Bewerten Abb. 3: Beispiele für Passivhaus-Einfamilienhäuser: Links nach Th. Claußen, rechts Architekt Trykowski Auch Geschoßwohnungsbauten werden zunehmend als Passivhäuser gebaut. Hier gibt es noch größere architektonische Freiheiten, weil große Gebäude ein günstigeres Oberflächen/Volumen- Verhältnis aufweisen und daher leichter als Passivhaus gebaut werden können. Viele Passivhäuser haben inzwischen Architekturpreise erhalten Wohnungsbauunternehmen haben sich selbst verpflichtet, nur noch nach diesem Standard zu bauen und einige Gebietskörperschaften geben für ihren Einflussbereich das Passivhaus als Mindeststandard vor. Abb. 4: Beispiele für Mehrfamilien- Passivhäuser (links, Architekt Reinig, Hamburg ) und ein Passivhaus-Bürogebäude (rechts, Architekt Oehler, Bretten) 3 Zur Ökonomie des energieeffizienten Bauens In Abbildung 5 ist ein kleines Einfamilienhaus gezeigt, dass der Ingenieur Manfred Such 1987 als eines der ersten Niedrigenergiehäuser gebaut hat. Wie man dieses Haus heute nach Passivhausstandard planen würde zeigt der rechte Grundriss. Abb. 5: Zweimal das gleiche Einfamilienhaus: Links, wie es vor 19 Jahren im hessischen Schrecksbach gebaut wurde. Es war das erste massiv gebaute Niedrigenergiehaus in Deutschland, damals ein sehr fortschrittlicher Standard (Büro Such/ Alsfeld). Heute würde man das Haus von Anfang an als Passivhaus planen (Grundriss rechts) und dabei Flächen, Kosten und beträchtlich Energie sparen. 2 www.ibo.at

Nachhaltige Entwicklungsszenarien Entscheidend ist die noch bessere Wärmedämmung. Die Außenwanddämmung muss in diesem Fall auf 300 mm erhöht werden; dabei wird das Mauerwerk auf 115 mm Kalksandstein reduziert; damit wird die Außenwand insgesamt nur geringfügig (um 25 mm) dicker als sie es vorher war. Im Dach wird die Untersparren-Dämmung und die oberste Geschoßdecke von 100 auf 225 mm erhöht; Zwischen den Sparren bleiben nach wie vor 140 mm, Wärmeleitfähigkeit 0,035 W/(mK). Die Bodenplatte erhält statt insgesamt 150 mm nun 250 mm PS-Platten auf der Betonplatte mit Wärmeleitfähigkeit 0,035 W/(mK). Eine weitgehend wärmebrückenfreie Konstruktion lag auch dem bestehenden Haus bereits zu Grunde. Bis auf die Erhöhung der Dämmstärken und einen Fenstereinbau außen vor das Mauerwerk sind keine Veränderungen erforderlich (Abbildung 6). Anstelle der im Originalbau verwendeten Holzbalkendecke zum OG wird für die Passivhaus-Variante von einer Betondecke ausgegangen. Diese hat eine wesentlich geringere Aufbauhöhe; damit wird es möglich, bei gleicher äußerer Höhe des Hauses trotz des etwas dicker gedämmten Daches Raumhöhe im Obergeschoß zu gewinnen. Allerdings sehen wir von der Übernahme der geringfügig vergrößerten Wohnfläche in die Berechnung ab, um den Vergleich nicht durch eine Änderung der Bezugsflächen zu verkomplizieren. Abb. 6: Wichtig für energieeffizientes Bauen ist die Wärmedämmung. Damit Wärmedämmung wirkt, wie erwartet, ist die Vermeidung von Wärmebrücken Pflicht. Die Grafik zeigt ein wärmebrückenfreies Fußpunktdetail wie es übrigens schon für das NEH nach Abbildung 5 verwendet wurde. Nur die Dämmung war weniger dick. Alle Außenwände werden auf der Innenseite durchgängig verputzt, die Dachaufbauten erhalten Luftdichtheitsfolien, die im Bereich des Kniestockes eingeputzt werden. Nach vorliegenden Erfahrungen ist mit diesem Ansatz eine Luftdichtheit entsprechend n 50 = 0,4 h -1 erreichbar. Für die Fenster werden anstelle der ursprünglichen 2-Scheiben-Verglasungen 3-Scheiben-Wärmeschutzverglasungen in einem Passivhaus-geeigneten Rahmen verwendet. Dadurch reduziert sich der Fenster-U-Wert auf im Mittel 0,75 W/(m 2 K) inkl. der Einbauwärmebrücke. Der mittlere g-wert der Verglasungen beträgt 0,54. Es wird eine moderne Passivhaus-geeignete Lüftungsanlage mit effektivem Wärmebereitstellungsgrad von 92 % eingesetzt. Mit den gerade beschriebenen Detailverbesserungen wird der Passivhausstandard erreicht. Man könnte z.b. die bestehende Heizung beibehalten, wie wir es unten vorsehen. Allerdings ginge es auch kostengünstiger: Die Lüftung kann mit einem Kompaktsystem kombiniert werden. Die Wärmeverteilleitungen können in jedem Fall entfallen und die Heizkörper der Wärmeerzeuger liefert die Wärme direkt in die Zuluft. Nur im Bad im OG gibt es noch einen Heizkörper, um dort schnell Badezimmertemperaturen erreichen zu können. www.ibo.at 3

Nachhaltig Bauen und Bewerten Was kostet das? Die bessere Wärmedämmung erfordert mehr Dämmstoff und seine Anbringung, die besseren Fenster eine beschichtete Scheibe mehr und einen gedämmten Fensterrahmen, die Wärmerückgewinnung ein Luftkanalnetz: Mehrinvestition Wärmedämmung Wand, Dach, Bodenplatte 4.800 Euro Mehrinvestition Passivhausfenster 5.400 Euro Mehrinvestition Lüftung mit Wärmerückgewinnung 5.200 Euro Minderinvestition kleinerer Öltank, Kessel; Heizkörper und Verteilleitungen entfallen, stattdessen Nachheizregister (den zusätzlichen nutzbaren Raum rechnen wir nicht) 1.400 Euro Summe aller zusätzlichen Investitionskosten 14.000 Euro Um auf der sicheren Seite zu bleiben, werden für die weitere Rechnung 15.000 Euro zusätzliche Investitionen angenommen. Dafür ist der Passivhaus-Standard bei einem Einfamilienhaus auf jeden Fall zu schaffen. Das sind etwa 8 % der durchschnittlichen gesamten Baukosten für ein solches Haus in Deutschland. Nehmen wir an, das Eigenkapital ist erschöpft und die Mehrinvestition muss durch einen höheren Hypothekenkredit finanziert werden. Bei 4,7 % Zins und 1,6 % Tilgung bedeutet dies eine Kapitaldienst-Mehrbelastung von jährlich 945 Euro. Wenn ein Passivhaus gebaut wird, kann der Bauherr allerdings den zinsvergünstigten Kredit der KfW-Förderbank für das ESH 40/Passivhaus mit 100 % Auszahlung und nur geringeren Zinsen wahrnehmen. Es gibt max. 50.000 Euro je Wohnung in diesem Fall für ein Einfamilienhaus. Die Minderbelastung durch die geringeren Zinsen beträgt in den ersten Jahren jährlich rund 880 Euro! Damit wird die jährliche Kostenbelastung durch die Mehrinvestitionen im hier behandelten Beispiel bereits fast vollständig ausgeglichen. Für die Förderbedingungen in den meisten österreichischen Bundesländern ist die Situation vergleichbar. Es kommt noch besser: Statt ungefähr 13.300 kwh Heizöl oder Erdgas werden im Passivhaus nur noch ca. 2290 kwh Brennstoff für Heizung und 350 kwh Strom für die Lüftung gebraucht. Das spart noch einmal Jahr für Jahr 715 Euro ein bei den heutigen Brennstoffkosten, während der Strom der Lüftungsanlage ca. 65 Euro/a kostet. Damit kann man die Rechnung gemäß der folgenden Tabelle aufmachen: Investition und Einsparung für ein Passivhaus (149 m 2 ) Euro/Jahr zusätzlicher Kapitaldienst im ersten Jahr (Bank) + 945 Entlastung durch Zinsförderung im 1. Jahr (KfW ESH40/Passivhaus) - 880 Bei einer Heizenergieeinsparung von 11.000 kwh/a: Heizenergiekosteneinsparung bei 65 Ct/Liter Heizöl - 715 zusätzliche Stromkosten Lüftung bei 18 Ct/kWh + 65 Verringerung der Belastung in den ersten Jahren 585 Tab. 1: Vergleich der Investition und Einsparung für ein Passivhaus mit 149 m 2 für die ersten Jahre. Die Zusatzinvestition beträgt ca. 15.000 Euro (Erfahrungsgemäß kann die Investition auch geringer sein). Lohnt sich das? Mit dem Bau eines Passivhauses reduzieren sich die Kostenbelastungen gegenüber einem Normalhaus nennenswert. Sogar dann, wenn sich die Energiekosten nicht noch weiter erhöhen. Der Passivhaus-Standard ist somit wirtschaftlich attraktiv auch wenn die Renditen nicht so gewaltig hoch sind, wie manchmal versprochen wird. Aber der Bauherr eines Passivhauses gewinnt noch ein paar Dinge mehr. 4 www.ibo.at

Nachhaltige Entwicklungsszenarien 4 Der volkswirtschaftliche Aspekt Nahezu durchgängig besteht Einigkeit darüber, dass Wirtschaftswachstum positive Auswirkungen auf das Wohlergehen der Menschen hat zumindest, wenn das Wachstum tatsächlich dem Wohlstand der Menschen dient und nicht etwa der Rüstungsproduktion oder der Reparatur von Schäden. Andererseits ist vielen heute klar, dass ein rücksichtsloser Ressourcenverbrauch und eine ausgeprägte Umweltzerstörung sich letztendlich wieder negativ auch auf das wirtschaftliche Wachstum auswirken werden. Lange galten die Zielsetzungen Wirtschaftswachstum und nachhaltige Entwicklung als einander widerstrebend. Diese zunächst naheliegende Einschätzung ist aber nicht zutreffend. Gerade am Beispiel der Entwicklung zum Passivhaus lässt sich dies sehr gut illustrieren. Schritt 1: Das Passivhaus ist ein nachhaltiges Konzept Dass das Passivhauskonzept und die Sanierung mit Passivhaus-Komponenten in hohem Maß zur Ressourcenschonung und zur Umweltentlastung beitragen, braucht hier nicht bewiesen zu werden. Auf der 9. Passivhaustagung hat Mark Zimmermann belegt, dass das Passivhaus mit der Anforderung Primärenergiebedarf für alle Haushaltsanwendungen kleiner als 100 kwh/(m 2 a) ein insgesamt nachhaltiges Konzept darstellt d.h. es erlaubt eine dauerhafte Versorgung mit Energiedienstleistungen ohne irreversible Schäden. [Zimmermann 2005] Schritt 2: Das Passivhaus ist einzelwirtschaftlich darstellbar Schon bei den heutigen ökonomischen Randbedingungen rechnet sich der Bau eines Passivhauses im Vergleich mit einem gewöhnlichen Neubau, wie wir oben gezeigt haben. Durch den Bau eines Passivhauses anstelle eines gewöhnlichen Neubaus entsteht daher kein Kaufkraftverlust. Schritt 3: Der Bau von Passivhäusern löst binnenwirtschaftlich eine zusätzliche Wertschöpfung aus Die Mehrinvestitionen fließen den beteiligten Handwerksbetrieben, den Planern und übrigen am Bau Beteiligten in Form von zusätzlichen Einkommen zu. Diese Zusatzeinkommen entstehen durch die Schaffung zusätzlicher Werte im Gegensatz zu den konsumtiven Ausgaben für Energieträger, die sonst entstehen würden und die nur sehr wenig Einkommen im Inland erzeugen. Schon von Schritt 1 auf Schritt 3 wird klar, dass das Passivhaus und Passivhaus-Modernisierungen beide Ziele, nämlich Förderung einer nachhaltigen Entwicklung und Induzierung von Wirtschaftswachstum vereinen. Die beiden Ziele sind daher nicht widersprüchlich, sie können vielmehr, wie das Beispiel zeigt, zusammen erreicht werden (übrigens nicht nur durch Passivhäuser, sondern im Grundsatz durch jede Maßnahme, die zugleich umweltentlastend wirkt und einzelwirtschaftlich rentabel ist). Es kommt aber noch besser: Schritt 4: Der Bau von noch mehr Passivhäusern kann den Gordischen Knoten lösen Der Neubau von Gebäuden ist in Deutschland derzeit stark gehemmt; das liegt auch an der Blokkade durch Umweltverbände, die Neubau als schädlich für die nachhaltige Entwicklung ansehen. Wenn aber, wie in Schritt 1 gezeigt, Passivhäuser in Verbindung mit bestimmten weiteren Randbedingungen sogar förderlich für eine nachhaltige Entwicklung sind, kann künftig auch eine erhöhte Bautätigkeit wieder als ökologisch vertretbar gelten. Dadurch könnte sich die Blockade aufheben und es könnten Potentiale freigesetzt werden, wie wir es in anderen Ländern mit ungebrochener (freilich nicht nachhaltiger) Bauaktivität derzeit beobachten. Das Passivhauskonzept eignet sich aber nicht nur für den Neubau. Vielmehr lassen sich die für das Passivhaus entwickelten Komponenten auch nutzbringend zur Sanierung von Altbauten einsetzen [Ebel 2000][AkkP 24] [AkkP 32][AkkP 39]. Die Abbildung 7 und 8 zeigen eindrucksvoll, welche Gestaltungsmöglichkeiten ein Architekt dadurch gewinnt. Am Bozener Hauptbahnhof hat im Jahr 2006 der Südtiroler Landesrat für Energie sein neues Domizil bezogen. Der Architekt Michael Tribus hat dort einen ausdruckslosen Altbau in ein Passivhaus verwandelt. [Tribus 2005] www.ibo.at 5

Nachhaltig Bauen und Bewerten Abb. 7 + 8: Eines der eindrucksvollsten Passivhaus-Projekte in Italien: Das Landeshaus (zu deutsch Ministerium) des Landesrates für Energie in Bozen, direkt am Hauptbahnhof. Der Architekt Michael Tribus hat die Alte Post (rechtes Bild vor der Sanierung) in ein hochmodernes Energiesparhaus umgewandelt. 30 kw Heizleistung reichen aus, um dieses Bürogebäude zu beheizen früher brauchte man das für ein Einfamilienhaus. Vergleichbares geschieht aber auch schon in den neuen Ländern der EU. Abbildung 9 zeigt eine Plattenbausanierung in Ungarn, die mit Passivhaus-Komponenten durchgeführt wurde und den Energieverbrauch um fast einen Faktor 10 reduziert. [Schulze Darup 2005] Inzwischen gibt es überall in Europa Initiativen, die den Bau von Passivhäusern voran bringen. Sie haben jeweils eine ganz unterschiedliche Herkunft: z.b. in Norwegen ist es die staatliche Investitionsbank, in Schweden das Umweltinstitut, in Belgien die PasivHus Platform, in Österreich und Italien Interessenverbände für das Passivhaus, in England das BRE (Building Research Establishment). Abb. 9: Plattenbausanierung mit Passivhauskomponenten in Ungarn (Projekt Solanova; Leitung WZ III der Universität Kassel) 5 Lebensfreude! Mit dem Passivhaus ist der Energieverbrauch so gering, dass sich eine Familie nie mehr Sorgen um Energiepreissteigerungen machen muss. Ohnehin ist das Haus von importierten Energieträgern praktisch unabhängig und sogar vollständig mit erneuerbarer Energie versorgbar, wenn ein Wärmepumpenkompaktgerät und ein Öko-Strom-Anbieter gewählt werden (oder ein Anteil an einer Windkraftanlage erworben wird oder eine Pelletheizung gewählt wird). 6 www.ibo.at

Nachhaltige Entwicklungsszenarien Damit nicht genug: In einem Passivhaus gibt es keine verschimmelten Wände, keine Zugluft, keine kalten Füße. Dafür immer und überall frische Raumluft und weniger Innenraumluftbelastung. Robert Hastings hat es auf der 8. Passivhaustagung so formuliert: Passivhäuser sollen auf Minimierung der Umweltbelastung optimiert und auf Lebensfreude maximiert werden. Und auch an der Verringerung der Umweltbelastung wird die Baufamilie Freude haben: Denn die Folgen des Klimawandels treffen jeden. Die klimawirksamen Emissionen sind im Passivhaus gegenüber normalen Neubauten um mehr als einen Faktor 4 reduziert. Diese Beiträge zum Umweltschutz sind umso wirksamer, je mehr Baufamilien sich für den Bau von energieeffizienten Neubauten oder die Modernisierung bestehender Häuser entscheiden. Abb. 10: Passivhaus-Initiativen existieren bereits europaweit. Realisierte Projekte gibt es in Norwegen, Schweden, Dänemark, Irland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Frankreich, der Schweiz, Österreich, Tschechien, Slowenien, Ungarn, Polen, Italien und auch in den USA. Literatur [AkkP 24] Einsatz von Passivhaustechnologien bei der Altbau-Modernisierung, Protokollband Nr. 24 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2003. [AkkP 32] Passivhauskomponenten und Innendämmung, Protokollband Nr. 32 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase III; Passivhaus Institut; Darmstadt 2005. [AkkP 39] Schrittweise Modernisierung mit Passivhauskomponenten, Protokollband Nr. 39 des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser Phase IV+; Passivhaus Institut; erscheint Darmstadt 2009. [Ebel 2000] Ebel, W.; Eicke-Hennig, W.; Feist, W.; Groscurth, Helmuth-Michael: Energieeinsparung bei Alt- und Neubauten, 1. Auflage, Heidelberg, 2000. [PHPP 2007] Feist, W.; Pfluger, R.; Kaufmann, B.; Schnieders, J.; Kah, O.: Passivhaus Projektierungs Paket 2007, Anforderungen an qualitätsgeprüfte Passivhäuser, Passivhaus Institut Darmstadt, 2007. [Schulze Darup 2005] [Tribus 2005][Zimmermann 2005] Beiträge im Tagungsband der 9. Passivhaustagung, Ludwigshafen 2005 www.ibo.at 7

Nachhaltige Entwicklungsszenarien Europäische Ansätze zur Nachhaltigkeit Manfred Fuchs, Europäische Kommission, Generaldirektion Unternehmen und Industrie Vor wenigen Jahren noch habe ich pessimistisch darauf hingewiesen, dass in öffentlichen Diskussionen zwischen Vertretern unterschiedlicher Interessen (Herstellern, Anwendern, Konsumentenschützern und Umweltschützern wobei keine dieser Unterteilungen die andere explizit ausschließt) die Aspekte des Umwelt- und Verbraucherschutzes und der Wettbewerbsfähigkeit sich oft ausschließen oder zumindest behindern. In der Zwischenzeit kann zwar keine Entwarnung gegeben werden, aber das gegenseitige Verständnis oder zumindest das Wissen um die jeweiligen anderen Standpunkte hat sich verbessert und Diskussionen werden weniger verkrampft oder polemisch, sondern zunehmend sachlicher geführt. Nichtsdestotrotz sind die verschiedenen politischen, rechtlichen, ökonomischen und technischen Ansätze für all jene, die der Diskussion nicht intensiv und kontinuierlich folgen, oft noch unüberschaubar und verwirrend. Welcher dieser Ansätze wird weiter geführt und bleibt nicht als vage Vision zurück? Welcher wird praktisch umsetzbar sein? Welcher wird nur als theoretisches Konzept diskutiert, aber in nächster Zeit kaum praktische Auswirkungen zeigen? Auch die Europäische Kommission hat verschiedene Ansätze entwickelt, die oft erst auf den zweiten (oder dritten) Blick zueinander komplementär erscheinen und zu Beginn mehr Verwirrung im Sinne der oben aufgezeigten Fragen aufwerfen, als interessierten Gruppen klare Leitlinien vorgeben. Bevor ich auf einige (ausgewählte) Ansätze eingehe, möchte ich hier auf die Grenzen hinweisen, bei der Entwicklung und Umsetzung von Europäischen Ansätzen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene: Regulative Vorgaben in Österreich via den Bauordnungen der Bundesländer liegen im Kompetenzbereich eben dieser Länder und dürfen von der Europäischen Kommission nicht verändert werden (ausgenommen sie widersprechen Europäischen Verträgen). Daher sind Europäische Ansätze zum Nachhaltigen Bauen auch stärker auf indirekte Instrumente aufgebaut, statt auf direkte Einflussnahme auf nationale Gesetzgebung und Verwaltungen. Herausragende Ausnahme von dem eben Gesagten sind die Aktivitäten der Kommission im Bereich der Energieeffizienz von Produkten und Gebäuden, im Besonderen die Europäische Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (2002/91/EC). Dieser Bereich kann vor Allem auf nationaler Ebene auf einen langen und intensiven Entwicklungsprozess zurückblicken. Energieeffizienz im Vergleich zu vielen anderen Aspekten des Nachhaltigen Bauens ist auch in der (nicht professionellen) Öffentlichkeit ein Begriff und gehört mehr und mehr zu den fixen Bestandteilen der Bewertung von Gebäuden (bzw. gehörte bereits zu den fixen Bestandteilen in zahlreichen Mitgliedstaaten der EU). Aspekte, die mit weniger praktischer Erfahrung ausgestattet waren, und daher seltener (auf Mitgliedstaatenebene und auf Ebene der EU) eingefordert wurden, haben häufig auch weniger Anklang gefunden, oder befinden sich erst in früheren Entwicklungsstadien politischer und praktischer Konzepte. Einige dieser Aspekte möchte ich nun vorstellen: Ein Beispiel einer Initiative der Europäischen Kommission, war der Versuch in der Mitteilung der Kommission zur Thematic Strategy on the Urban Environment (COM(2005) 718) technische und politische Entscheidungsträger in der Regionalplanung zu erreichen. Hier wurden zusätzliche Aspekte der Nachhaltigkeit im urbanen Raum aufgezeigt, wie beispielsweise Verkehrsplanung, Klimawandel oder die Biodiversität, und somit weitere Interessensgruppen außerhalb des traditionellen Bausektors angesprochen. Doch die Komplexität dieses Ansatzes und die mangelnde Kompatibilität mit existierenden Systemen ließ die Kommission auf starke Skepsis der Mitgliedstaaten stoßen, wodurch dieser Ansatz momentan auf einen verstärkten Informationsaustausch und benchmarking zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten beschränkt bleibt. www.ibo.at 9

Nachhaltig Bauen und Bewerten Weitaus mehr Interesse haben jene Aktivitäten gefunden, die mit dem Grünbuch für Green Public Procurement (GPP) begonnen haben, und die ausschreibenden Stellen im öffentlichen Sektor Hilfestellungen bieten, wie ökologische Anforderungen klar und eindeutig beschrieben werden und die Auswahlkriterien wie auch das Auswahlverfahren für alle Beteiligten transparent bleiben können. Allerdings befasst sich das Grünbuch sektorübergreifend und keineswegs bauspezifisch mit Ausschreibungen. Ein weiterer Schritt ist nun die Entwicklung spezifischerer technischer Vorgaben ( GPP Training Toolkit ), die auch einige Bauprodukte umfassen (werden). Hier werden vor allem ausschreibende öffentliche Stellen angesprochen, doch wird auf einen Multiplizierungseffekt gehofft, der einen gemeinsamen transparenten Vorgabenkatalog für öffentliche und private Akteure zum Ziel hat. Während die Rahmenbedingungen in Ausschreibungen vorgegeben werden können und sowohl Quantität als auch Qualität der Informationen beeinflussen, bleibt das Risiko, dass geforderte und/oder gelieferte Daten zu unterschiedlich sind, um ausreichend deren Informationsgehalt überprüfen zu können oder gar den Vergleich mit verschiedenen Anboten erlauben. Um vergleichbare technische Informationen liefern und verwerten zu können, wurde das Europäische Normungsinstitut CEN beauftragt, einen harmonisierten Ansatz für Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations EPD) zu entwickeln. Ziel dieser Arbeit ist es, aus der breiten Palette an nationalen Bewertungssystemen die wesentlichsten Indikatoren zu identifizieren und ein einheitliches Format zu entwickeln, das die Information über diese Indikatoren vergleichbar macht. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben allerdings die Frage aufgeworfen, ob ein reines Umweltmandat der Komplexität der Anforderungen an Bauwerke und Bauprodukte noch gerecht werden würde. Da weitreichendere Aspekte im Mandat M/350 an CEN bereits erwähnt (aber bewusst nicht gefordert) wurden, hatte die Kommission die Diskussionen in CEN TC 350 über den Umfang der Normungsarbeit verfolgt, die stärkere Ausrichtung an Nachhaltigkeitskriterien aber nicht blockiert. Die Zurückhaltung seitens der Kommission während der Arbeiten am Mandat beruhte auf dem Umstand, dass weder die Kommission noch der Großteil der mitarbeitenden Experten von der praktischen Umsetzbarkeit der anderen zwei Säulen der Nachhaltigkeit überzeugt waren. Fehlende Transparenz der existierenden Systeme, noch nicht abgeschlossene Forschungsvorhaben in diesem Bereich auf europäischer und nationaler Ebene und vor allem das häufige Fehlen verlässlicher Datenbanken wurden eher als Risiko gesehen, sodass CEN nicht harmonisiert, sondern selbst zur Konkurrenz im Wettlauf um brauchbare Kalkulationsmodelle mit nationalen Anbietern wird. Zurzeit ist der Normungsausschuss 350 in CEN noch damit beschäftigt die Potentiale und Limits eines weitreichenderen Ansatzes zu untersuchen. Daher gibt es auch noch keine Entscheidung, ob das Mandat von der Europäischen Kommission erweitert werden soll, und in welchem Ausmaß das eventuell geschehen soll. Es soll an dieser Stelle betont werden, dass mit der Normungsarbeit in CEN ein komplementäres und unterstützendes Instrument zu GPP auf EU und nationalstaatlicher Ebene und den existierenden Zertifikationssystemen geschaffen werden soll und nicht ein (wie oben bereits erwähnt) konkurrierendes. Es bleibt die Rolle von CEN (wie eigentlich auch allen anderen Normungsinstituten) technische Instrumente und nicht politische zu entwickeln. Doch nach diesem Fokus auf die Europäische Ebene darf eines nicht vergessen werden: Es ist das Interesse auf Mitgliedstaaten- und Länderebene an nachhaltigem Bauen und die praktische Umsetzung der Nachhaltigkeitskriterien, das schlussendlich den Ausschlag geben wird, ob Nachhaltigkeit ein bedeutender Faktor im Bau- und Planungssektor oder eine fast inhaltslose Worthülse sein wird. Und last not least: Die Komplexität des Konzeptes des nachhaltigen Bauens verurteilt jeden nationalen Alleingang zum Scheitern. Ich habe noch nie ein perfektes nationales System gesehen (nicht einmal allein im nationalen Kontext) aber immer gewaltiges Verbesserungspotential dieser Systeme durch effiziente (europäische und internationale) Zusammenarbeit. Nachhaltiges Bauen ist zwar von Interesse auf Mitgliedstaatenebene, aber nicht von einem nationalen System abhängig, und kann nur dann sinnvoll angewandt werden, wenn Systeme und Daten vergleichbar sind, und somit eine sinnvolle und transparente Ausschreibung, Planung und Ausführung in allen Mitgliedstaaten der EU ermöglicht wird. 10 www.ibo.at

Modul Nachhaltige Bauteil- und Baustoffbewertung IBO Passivhaus-Sanierungsbauteilkatalog Thomas Zelger, IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie GmbH Fachliteratur, über konstruktive Aufgaben in der Sanierung, wird in Bezug auf Regelquerschnitte, Anschlussdetails und die technischen Überlegungen, die zur Entwicklung und Anwendung der jeweiligen Lösungen geführt haben ausgewertet. Dieses wertvolle Material wird durch eigene Entwicklungen ergänzt und vervollständigt systematisch nach Bauaufgaben und historischen Bauepochen geordnet einheitlich durchgerechnet und in der Darstellungsweise des IBO Passivhaus-Bauteilkatalogs aufbereitet. Dieser Katalog zeigt Regelquerschnitte und Anschlussdetails mit bauphysikalischer Beschreibung und Berechnung sowie ökologischer Berechnung und Bewertung. Planern und Bauträgern stehen das umfangreiche Wissen in der Althaussanierung mit Passivhauskomponenten kompakt, leicht zugänglich und detailliert dargestellt zur Verfügung. Die vorhandenen Ressourcen, aus denen die Arbeit schöpfen kann, werden im Folgenden näher beschrieben. Damit das Projekt gelingen kann, ist das effiziente Zusammenspiel unterschiedlicher Fachdiszplinen, die einerseits in der Forschung und andererseits in der täglichen Praxis stehen, nötig. Das Wissen ist in theoretischen Modellen und Simulationsprogrammen ebenso repräsentiert wie in praktischem Umsetzungswissen. Nur die Zusammenführung dieser heterogenen Akteure und Wissensspeicher garantiert die Erreichung der Ziele dieses Projektes. Neben der umfassenden technischen und ökologischen Prüfung der vorhandenen Regelquerschnitte und der konsistenten Darstellungsweise muss der Fokus dieses Projektes auf einer ergänzenden Entwicklung, Darstellung und bautechnisch/bauphysikalischen Optimierung der Anschlüsse in Altbauten liegen, die den Passivhausstandard erfüllen oder ihm möglichst nahe kommen. Hierzu wird auch auf laufende Haus-der-Zukunft-Demoprojekte, durchgeführte Sanierungsprojekte mit Passivhauskomponenten und auf die vorhandene Fachliteratur zurückgegriffen. Vor allem Publikationen des Passivhaus-Instituts in Darmstadt und des Fraunhofer Instituts für Bauphysik sind hier zu beachten. Aus dem Althaussanierungsbereich werden die folgenden Bauaufgaben behandelt: Gründerzeithäuser, Errichtungszeitraum vor 1919 (Instandhaltung, Modernisierung) Mehrgeschoßige Wohnbauten 1919-50iger Jahre (Instandhaltung, Heizenergieeinsparung) Mehrgeschoßige Wohnbauten 60iger bis frühe 80iger Jahre (Beseitigung von Bauschäden, Heizenergieeinsparung) Einfamilienhäuser 1919 bis frühe 80iger Jahre (Heizenergieeinsparung) Sanierung erdberührter Räume (Beseitigung von Bauschäden) Dachgeschoßausbau (Schaffung von Wohnraum) Die vorgeschlagenen Detaillösungen sollen geeignet sein, das primäre Sanierungsziel (vgl. Motive) zu erreichen, dazu aber energetisch, bauökologisch und wohnhygienisch optimierten und bauphysikalisch soliden Wohnraum zu schaffen. Konkret werden folgende Ergebnisse angestrebt: Konstruktionen und Anschlüsse in Niedrigenergie- und Passivbauweise (Wärmeschutz, Luftdichtigkeit) bauphysikalisch optimierte Anschlüsse Bewertung der bauphysikalischen Risiken in Planung und Ausführung der Konstruktionen praktikable und einfache Lösungen dauerhafte Lösungen mit wenig und einfacher Instandhaltung Effiziente Nutzung der Abbruchmaterialien Bauökologisch optimierte Lösungen Anregungen zur Erhöhung der Wohnqualität: Lärmschutz, thermische Behaglichkeit, Feuchteregulierung durch die bauliche Umwelt www.ibo.at 11

Nachhaltig Bauen und Bewerten Darstellung von Lösungen zur Verbesserung der Raumluftqualität durch bauliche, heizungsund lüftungstechnische Maßnahmen Gut umsetzbare Lösungen für den Einbau von Lüftungsrohren und bauteilintegrierten Heizsystemen Grundlage der ökologischen Bewertung von Sanierungslösungen durch die Förderstellen. intelligentes Zusammenwirken von Konstruktions- und Anschlussdetails, die bauphysikalisch solide herstellbar sind und die geforderten nachhaltigen Dienstleistungen erbringen können Quantitative bauphysikalische und ökologische Kennwerte und eng am Gegenstand geführte bautechnische Beschreibungen und umfassende bauökologische Bewertungen. Arbeitspakete des IBO-Passivhaussanierungs-Bauteilkatalogs AP 1 Auswertung der HdZ-Demonstrations-Projekte (HdZ-Projekt in Arbeit seit 01/2008, Abschluss 12/2008) AP 2 Regelquerschnitte, Lösungsmöglichkeiten konventionell und bauphysikalisch, ökologisch optimiert (auf der Grundlage der funktionalen Einheiten IBO-Passivhausbauteilkatalogs) AP 3a Sanierung erdberührter Bauteile, Keller unbeheizt AP 3b Sanierung erdberührter Bauteile ohne Keller AP 3c Sanierung erdberührter Bauteile, Keller beheizt AP 4a Sanierung Gründerzeithäuser denkmalgeschützt / Innendämmung AP 4b Sanierung Gründerzeithäusern ohne Denkmalschutz AP 5 Sanierung von Gebäuden der 20er Jahre AP 6 Sanierung von Gebäuden der 50er Jahre AP 7 Sanierung von Gebäuden der 60er Jahre AP 8 Sanierung von Gebäuden der 70er Jahre AP 9 Sanierung von Gebäuden ab 80er Jahre, bzw. Passivhaussanierung von bereits einmal sanierten Gebäuden AP10 Loggien, Balkone, Auskragungen AP 11 EFH Fertigteil-Einfamilienhäuser ab 60er Jahre AP 12 Komfortlüftung Abb. 1: Sanierungsbeispiel einer Ziegelaußenwand ((links Bestand, rechts Sanierung); Quelle: Schneider, Brakhan, Zelger, et al.; ALTes Haus, Barrierefreies Wohnen im GründerzeitPassivHaus, HdZ Bericht 2005 Derzeit wird Teil 1 (Auswertung HdZ-Demonstrationsbauten) abgeschlossen. 12 www.ibo.at

Modul Nachhaltige Bauteil- und Baustoffbewertung Entsorgungeigenschaften von Gebäuden Hildegund Mötzl, IBO Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie GmbH 1 Synopsis Im Vortrag sollen erste Ergebnisse aus zwei Forschungsprojekten präsentiert werden. Im Rahmen des Haus-der-Zukunft-Projekts ABC-Disposal werden Ökobilanzen für die Entsorgungsprozesse von Bauteilen und Gebäuden erstellt. Diese sollen in Gebäudebewertungsprogrammen und den österreichischen Wohnbauförderungen zur Schließung der Lebenszyklusbetrachtung in der Ökobilanz von Gebäuden beitragen. Im Passivhaus-Bauteilkatalog [BTK 2007] wurde eine semiquantitative Methode zur Bewertung von Baustoffen und Bauteilen entwickelt, die derzeit im Rahmen des Projekts Kriterienkatalog zum klima:aktiv haus für Dienstleistungs- und Verkaufsgebäude auf Gebäude übertragen wird. 2 Einführung Baurestmassen und Baustellenabfälle stellen nicht nur in Österreich, sondern europaweit den größten Abfallanteil dar. Gleichzeitig ist das Bauwesen jener Wirtschaftsbereich, der die größten Lager bildet und der mit rund 40 Prozent mit dem größten Materialinput verbunden ist. Ein Großteil der Abfälle aus dem Bauwesen sind mineralischen Ursprungs und können gut verwertet oder unproblematisch deponiert werden. Dennoch gibt es auch im Bauwesen Abfälle, die nicht unproblematisch sind, einige Beispiele: Die Zunahme an verklebten Verbindungen erschwert die Trennung von Baustoffen und vermindert damit die Recycling-Chancen. Bei Verklebung von organischen und mineralischen Baustoffen kann auch die Beseitigung ein Problem werden (weder für die Abfallverbrennungsanlage noch für die Deponie geeignet). Verbundmaterialien mit Metallen wie Aluminium- Dampfsperren sind auf der Deponie und in der Abfallverbrennungsanlage problematisch und sollten vor der Beseitigung in ihre Bestandteile zerlegt werden. Viele Kunststoffe, auch in Form von Beschichtungen, enthalten Schwermetalle oder Halogene, die erhöhte Maßnahmen in Abfallverbrennungsanlagen wie Salzabscheider etc. erfordern. Dämmstoffe aus nachwachsenden oder synthetischen Rohstoffen können Flammschutzmittel oder andere Zusatzstoffe enthalten, die in die Asche eingebunden oder in Form von Gasen abgegeben werden. Dämmstoffe aus Mineralwolle können in Müllverbrennungsanlagen Faser freisetzen, die zum Kurzschluss der Filter führen. Der Gipsverbrauch im Bauwesen steigt zur Zeit stark an. Gips ist chemisch Calciumsulfat, das in verschiedenen Hydratstufen in Bindung mit oder auch ohne Kristallwasser vorliegen kann. Da Sulfate im Zuschlag die Betonqualität negativ beeinflussen, kann eine Erhöhung des Gipsanteils mit einer Einschränkung der Recyclingmöglichkeiten von Baurestmassen verbunden sein. Auf Deponien erfordern Gipsprodukte aufgrund der Sulfatauswaschungen besondere Maßnahmen. Abb. 1: Gemischte Baustellenabfälle in Wien (v.a. sperrige Bestandteile) [PLADERER 2004] www.ibo.at 13

Nachhaltig Bauen und Bewerten 3 Ökobilanz für die Entsorgung von Bauteilen und Gebäuden (ABC-Disposal) Projekt: ABC-Disposal (Assessment of Building and Construction-Disposal) Maßzahlen für die Entsorgungseigenschaften von Gebäuden und Konstruktionen für die Lebenszyklusbewertung; IBO in Kooperation mit dem Österreichischen Ökologie-Institut, gefördert durch Haus-der-Zukunft, ein Programm des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) Die Ökobilanz ist eine Methode zur quantitativen Bewertung der mit einem Produkt verbundenen Umweltaspekte (ÖN EN ISO 14040). Es gibt verschiedene Methoden für die Erstellung einer Ökobilanz. Breite Anerkennung (z.b. auch im CEN TC 350) findet die Methode nach [CML 2001], die auch in der vorliegenden Studie angewandt wird. Als Ergebnis dieser Methode stehen Indikatoren auf Basis von Wirkkategorien wie z.b. Beitrag zum Treibhauseffekt (Treibhauspotential). Im klima:aktiv-haus, im Gebäudebewertungsprogramm Total Quality Building oder in fünf österreichischen Wohnbauförderungen wird der mit der Ökobilanzmethode ermittelte OI3-Indikator als Bewertungsindikator eingesetzt. Der OI3-Indikator setzt sich aus den drei Indikatoren Primärenergiebedarf nicht erneuerbar, Treibhauspotential und Versäuerungspotential zusammen. Die für die Berechnung eingesetzten Baustoffkennwerte stammen aus der IBO-Baustoffliste. Die Baustoffe sind für die ersten Lebensabschnitte von der Rohstoffgewinnung bis zur Herstellung des fertigen Produkts bilanziert. Die Umweltbelastungen durch die Entsorgung der Baustoffe sind bisher nicht berücksichtigt. Dies soll durch das vom Haus-der-Zukunft gefördertem Projekt ABC-Disposal nachgereicht werden. In Verbindung mit anderen derzeit laufenden Projekten zur Erweiterung des OI3-Indikators kann dieser dann den gesamten Lebenszyklus der Baustoffe und Bauteile abbilden. Methodisch stehen bei dieser Studie zwei Fragestellungen im Vordergrund: 1. Wenn Baustoffe am Ende ihres Lebenswegs einer Verwertung (stofflich oder thermisch) zugeführt werden, entstehen Umweltbelastungen (durch den Aufbereitungs- bzw. Verbrennungsprozess) bzw. -entlastungen (durch die Verwendung bzw. Energienutzung). Diese Umweltwirkungen müssen zwischen Baustoff und Verwertungsprozess aufgeteilt werden (Allokation). Wird zum Beispiel Altholz thermisch verwertet und dabei Energie gewonnen, muss eine Entscheidung getroffen werden, ob der Energieinhalt des Altholzes und die Emissionen aus dem Entsorgungsprozess zur Gänze dem Baustoff Holz oder dem Entsorgungsprozess zugeteilt oder mit Gewichtungsfaktoren zwischen den beiden aufgeteilt werden sollen. Ein die Allokationsmethode ergänzender bzw. konkurrierender Ansatz ist die Systemerweiterung. Dabei stellt sich die Frage, welcher Prozess bzw. welche Technologie z.b. durch Altholzverbrennung ersetzt bzw. nicht eingesetzt wird. Im Projekt ABC-Disposal spielen daher Allokationsmethode und Systemerweiterung entscheidende Rollen. 2. Da viele der Indikatoren nicht sensitiv auf die Deponierung von Baustoffen oder die Verwendung von Recyclingmaterialien reagieren, ist ein grundlegender Teil der vorliegenden Studie die Recherche nach geeigneten Indikatoren für die Bewertung der Entsorgung. Im Vortrag werden interessante Fragestellungen und erste Ergebnisse für die Bewertung von Baustoffen und Bauteilen präsentiert. 4 Qualitative Maßzahlen für die Entsorgung von Gebäuden Projekt Kriterienkatalog klima:aktiv haus für Dienstleistungs- und Verkaufsgebäude ; Energieinstitut Vlbg in Kooperation mit IBO, e7 und TU Graz, gefördert durch bmlfuw. Der Vorrat endlicher Ressourcen verringert sich im Laufe der Zeit, der Abbau von Rohstoffen greift nachhaltig in das Landschaftsbild ein und verändert dieses. Die Deponierung von Baurestmassen nimmt Flächen in Anspruch. In Ökobilanzen schlagen viele dieser Umweltbe- bzw. -entlastungen kaum zu Buche. Im Gegenteil, die Aufbereitung von Baurestmassen zu Sekundärrohstoffen (z.b. Ziegelsplitt) kann in manchen Fällen sogar mehr Energie als die Gewinnung von Primärrohstoffen (z.b. Flusskies) benötigen und in solchen Fällen ein Baustoff aus Sekundärrohstoffen in Ökobilanzen schlechter abschneiden als ein äquivalenter Baustoff aus Primärrohstoffen. Im Passivhaus-Bauteilkatalog [BTK 2008] wurde daher zusätzlich zu den ökologischen Kennzahlen für die Herstel- 14 www.ibo.at

Modul Nachhaltige Bauteil- und Baustoffbewertung lung eine semiquantitative Methode für die Bewertung des Entsorgungspotentials entwickelt, die sich aus einer Bewertung der Entsorgungseigenschaften des Bauteils und der enthaltenen Baustoffe zusammensetzt. Zur Beurteilung herangezogen werden die Entsorgungseigenschaften Recycling, Verbrennung und Ablagerung. Beurteilt wird der aktuelle Entsorgungsweg einer Bauteilkomponente, der zum jetzigen Zeitpunkt überwiegend (mind. 80 %) beschritten wird und das Verwertungspotenzial, das bei Verbesserung der Rahmenbedingungen bis zum angenommenen Zeitpunkt der Entsorgung des Bauprodukts aus wirtschaftlicher und technischer Sicht möglich wäre auf einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 das beste Ergebnis darstellt. Die Idee bei der anschließenden Zusammenführung dieser beiden Schulnoten ist, dass die zu beseitigende Abfallmenge reduziert wird, je besser das Verwertungspotential ist. Bei einem Verwertungspotential von 1 beträgt die verbleibende Abfallmenge 25 %, bei 2 50 %, usw. Die Abfallmenge von 125 % bei einer Einstufung in 5 ist so zu interpretieren, dass zusätzliches Material benötigt wird, um den Abfall zu entsorgen. Für die Berechnung der Entsorgungskennzahl auf Bauteilebene wird die so berechnete Abfallmenge mit der Einstufung für den aktuellen Entsorgungsweg gewichtet. Abbildung 2 zeigt als Beispiel die Bewertung der Entsorgungseigenschaften einer Stahlbetonwand mit Wärmedämmverbundsystem. Wie aus Abbildung 2 ersichtlich ist, wird die Entsorgungskennzahl stark durch den Dämmstoff definiert. Dies liegt erstens an den hohen Dämmstoffdicken des Passivhauses und zweitens an der im Vergleich zur Massivwand geringeren Nutzungsdauer (40 Jahre versus 100 Jahre). Tabelle 1 zeigt beispielhaft die Entsorgungskennzahlen von Passivhaus-Bauteilen [BTK 2008]. Abb. 2: Gewichtetes Abfallvolumen, Schichtanzahl, Abfallfraktionen und resultierende Entsorgungskennzahl einer Stahlbetonwand mit Wärmedämmverbundsystem auf Basis von EPS- bzw. Kork-Dämmplatten [BTK 2008] Nr. Beschreibung der Konstruktion Entsorgungskennzahl 1 Massivwand mit EPS-WDVS 2,9 2 Massivwand mit Kork-WDVS 3,2 3 Massivwand mit Mineralschaumplatten-WDVS 1,9 4 Zweischalige Ziegelwand mit Perlitedämmung 0,8 5 Holzrahmen mit Glaswolle- oder Hanfdämmung 1,7 6 Holzrahmen mit Kork-WDVS und HWL-Platte innen 2,4 7 OSB/MDF mit Strohdämmung zw. Holzsteher 0,6 8 Erdberührte Außenwand mit HFKW-geschäumten XPS 4,8 9 Erdberührte Außenwand mit CO 2 -geschäumten XPS 3,1 Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die für die energiesparende Bauweise relevanten Wärmedämmverbundsysteme unterschiedlich abschneiden (Nr. 1 3). Ein rein mineralisches Wärmedämmverbundsystem auf Massivwand schneidet aufgrund der gemeinsamen Entsorgungswege der Bauteilkomponenten besser ab als der Verbund von organischen und mineralischen Materialien. Die Entsorgung von HFKW-geschäumten XPS-Platten ist aufwändig, da das HFKW zurückgewonnen Tab. 1: Einige Beispiele für die Entsorgungskennzahl von Bauteilen gemäß [BTK 2008] WDVS...Wärmedämmverbundsystem EPS...Expandiertes Polystyrol XPS...extrudiertes Polystyrol HWL...Holzwolle-Leichtbau www.ibo.at 15