Hormonfreie und hormonreduzierte



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DIAGNOSTIK + THERAPIE Reproduktionsmedizin Hormonfreie und hormonreduzierte IVF-Techniken Was ist was und wie aufwändig, schonend und effektiv ist es wirklich? M. von Wolff 1, M. Nitzschke 2, A. Santi 2, E. Ocon 2, B. Weiss 2 Die erste erfolgreiche IVF-Schwangerschaft weltweit entstand nach einer Natural-Cycle-IVF, d. h. einer IVF ganz ohne Hormongaben. Kurze Zeit später wurden bereits Gonadotropine eingesetzt, um durch eine polyfollikuläre Stimulation und die damit verbundene Übertragung von mehreren Embryonen eine Steigerung der Schwangerschaftsrate zu ermöglichen. Seit der zunehmend kritischen Auseinandersetzung mit der damit verbundenen Entwicklung von Mehrlingsschwangerschaften, der Optimierung der IVF-Labortechniken und dem Wunsch vieler Frauen, möglichst wenig Hormone einzunehmen, wird eine Invitro-Fertilisation ohne oder mit wenig Gonadotropinen von einzelnen Arbeitsgruppen als Gegenentwurf zur klassischen IVF mit einer hochdosierten Gonadotropinstimulation propagiert. Da die verschiedenen Techniken verwirrend, deren Erfolgsraten schwer zu interpretieren und der Aufwand und die Kosten sowie die Belastung der Patientinnen nur bedingt nachvollziehbar sind, sollen im Folgenden die einzelnen Techniken dargestellt und kritisch diskutiert werden. Definitionen Es kursieren verschiedene englischsprachige Definitionen sowie deutsche Übersetzungen. Dargestellt werden an dieser Stelle zunächst einige der oft verwendeten Definitionen und anschließend eine für die Praxis und für die Patienten besser verständliche und sinnvollere Unterteilung. 1 Universitäts-Frauenklinik Bern, Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Bern, Schweiz 2 Milagro, Kinderwunschzentrum Bodensee AG, Kreuzlingen, Schweiz Einige der häufig verwendeten Definitionen: Klassische IVF: IVF unter Verwendung von GnRH-Analoga oder GnRH-Antagonisten zur Hemmung der endogenen LH-Sekretion, von Gonadotropinen zur Induktion der Follikulogenese und von HCG zur Induktion der Ovulation. Milde IVF (Mild IVF): Klassische IVF mit einer geringeren Gonadotropindosis. Inzwischen wird ein Großteil der klassischen IVF-Behandlungen als Milde IVF durchgeführt. Natural-Cycle-IVF (NC-IVF): IVF ganz ohne Gonadotropin-/ Hormongaben. Kontrollierte Natural-Cycle-IVF: NC-IVF, bei der zusätzlich gering dosierte Hormone zur Ovulationsinduktion gegeben werden. Minimal-Stimulation-IVF: IVF, bei der die gleichen Hormone wie bei der klassischen IVF im Antagonistenprotokoll verwendet werden, jedoch unter Gabe von geringen Gonadotropindosen. In manchen Zentren wird statt Gonadotropinen auch Clomifencitrat verabreicht. Eine Unterteilung, die der täglichen Praxis besser gerecht wird: Klassische IVF: Jede IVF mit einer moderaten oder hohen Gonadotropinstimulation zur Induktion eines polyfollikulären Wachstums. Zu dieser Gruppe gehört auch die milde IVF. Minimal-Stimulation-IVF: Jede IVF mit einer niedrigen Gonadotropindosis oder mit Clomifen zur Induktion eines mono- oder oligofollikulären Wachstums. Gonadotropinfreie IVF ( IVF- Naturelle ): Dieser neu von den Autoren geschaffene Begriff subsummiert alle anderen IVF-Techniken ohne Gonadotropine und ohne eine anderweitige hormonelle Induktion der Follikulogenese, jedoch gegebenenfalls unter Verwendung medikamentöser Maßnahmen zur Kontrolle der Ovulation. Zu dieser Gruppe gehören auch die NC-IVF und die kontrollierte NC-IVF. Vergleich der IVF-Techniken Die Follikelphase bis zur Klassische IVF Eingesetzt werden Gonadotropine in einer relativ hohen Dosierung (z. B. 150 300 IE/Tag), um ein polyfollikuläres Wachstum zu ermöglichen und die Anzahl gewonnener Oozyten und somit die Erfolgsrate zu erhöhen. Dazu werden GnRH-Analoga/GnRH-Antagonisten verabreicht, um einen vorzeitigen LH-Anstieg zu verhindern, der anderweitig in % der stimulierten Zyklen auftritt. Behandelt wird mit festen Stimulationsprotokollen, aufgrund derer eine IVF-Stimulation einfach durchzuführen ist. Der Nachteil dieser Therapien ist die relativ hohe Rate an Mehrlingen und an Überstimulationen. 1198 FRAUENARZT 52 (11) Nr. 12

Zur Reduzierung dieser Risiken werden zum einen inzwischen weniger Embryonen transferiert. Dennoch beträgt die Zwillingsrate in Deutschland pro IVF-Schwangerschaft immer noch etwa % und die Drillingsrate etwa 1 % (DIR). Zum anderen wird die Stimulationsdosis zunehmend reduziert, sodass die klassische IVF meist nur noch als milde IVF durchgeführt wird. Hier waren insbesondere neue Erkenntnisse über die negativen Effekte hoher Gonadotropindosen auf die endometriale Funktion und auf die embryonale Aneuploidierate (2) die treibende Kraft. Somit ist die klassische IVF inzwischen zwar risikoärmer geworden; das Mehrlingsrisiko, das Überstimulationsrisiko und die hohen Kosten durch teure Gonadotropine bestehen jedoch noch immer. Minimal-Stimulation-IVF Bei der Minimal-Stimulation-IVF werden nur sehr geringe Dosen von Gonadotropinen (z. B. 75 IE/Tag) für eine mono- oder oligofollikuläre Stimulation verabreicht und diese ab einer bestimmten Follikelgröße mit GnRH-Antagonisten kombiniert, um einen vorzeitigen LH-Anstieg zu verhindern. Aufgrund des hohen Preises der Gonadotropine wird von einzelnen Arbeitsgruppen Clomifencitrat, beginnend kurz nach der Menstruation bis zur Ovulationsinduktion, gegeben, um zum einen eine oligofollikuläre Follikulogenese zu induzieren und zum anderen die Hemmung des Clomifens auf die LH-Freisetzung zu nutzen und somit einen vorzeitigen LH-Anstieg zu verhindern. Allerdings kann Clomifen negative Effekte auf das Endometrium haben und zu Nebenwirkungen führen. Gonadotropin-freie IVF ( IVF-Naturelle ) Bei reiner Natural-Cycle-IVF (NC- IVF), als einer Variante der gonadotropinfreien IVFs, wird engmaschig die LH-Konzentration gemessen und etwa 36 Stunden nach dem LH-Anstieg eine Follikelpunktion durchgeführt. Eine frühere Follikelpunktion ist nicht sinnvoll, da die Oozyte dann durch die oft unzureichende Ablösung von der Follikelwand nicht aspiriert werden kann oder noch unreif ist. Die reine NC- IVF wird nur noch in Einzelfällen angewendet, da die LH-Konzentration engmaschig kontrolliert werden muss, um den richtigen szeitpunkt zu bestimmen. Die Autoren verwenden diese Technik nur dann, wenn bei einer Kontrolluntersuchung bereits der LH-Anstieg gemessen wird und somit der Ovulationszeitpunkt berechnet werden kann. Bei der kontrollierten Natural-Cycle- IVF (Kontrollierte NC-IVF) werden im Zyklusverlauf Follikulometrien durchgeführt, um bei einem Follikel von etwa 18 mm bei einer ausreichenden Östrogenkonzentration und einem noch niedrigen LH-Wert die Ovulation mit HCG oder einem GnRH- Analogon zu induzieren. In der Literatur werden die Begriffe NC-IVF und kontrollierte NC-IVF meist synonym verwendet. Um die Effektivität dieser Techniken zu erhöhen, können individualisiert u. a. nichtsteroidale Antiphlogistika (8, 13), einmalige Dosen von GnRH- Antagonisten und minimale Dosen von Clomifencitrat präovulatorisch angewendet werden. Da in diesen Fällen nicht mehr von einer Natural- Cycle-IVF gesprochen werden sollte, die Behandlung einer Natural-Cycle- IVF aber sehr ähnlich ist, sprechen die Autoren zusammenfassend von gonadotropinfreien IVF-Therapien und nennen diese IVF-Naturelle. Die Die Follikelpunktion erfolgt bei der klassischen IVF meistens unter Verwendung von Narkotika. Auch die bei der gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle) und der Minimal- Stimulation-IVF wird in vielen Zentren noch unter der Gabe von Analgetika und/oder Sedativa durchgeführt. Eine Optimierung der stechnik ermöglicht es aber, diese so schonend durchzuführen, dass gemäß einer Umfrage in Bern 85 % der Frauen die auch ohne Analgetika als gleich oder sogar weniger schmerzhaft empfinden als eine Blutabnahme (14) (s. Abb. 1 auf S. 10). Durch die Vermeidung jeglicher Medikation bei der Follikelpunktion und durch die zügige Durchführung wird des Weiteren gemäß dieser Umfrage eine solche von 90 % der Frauen als insgesamt weniger belastend empfunden als die im Rahmen einer klassischen IVF-Therapie (s. Abb. 2 auf S. 10). Die Lutealphase In der Lutealphase muss bei allen IVF-Therapien nach der Follikelpunktion eine Supplementation mit Gestagenen und gegebenenfalls auch Östrogenen erfolgen bei der klassischen und Minimal-Stimulation-IVF wegen des Risikos eines kurzen Progesteronabfalls durch die Nachwirkungen der GnRH-Analoga und bei der gonadotropinfreien IVF (IVF Naturelle) aufgrund des Verlustes von Granulosazellen, falls eine Follikelspülung durchgeführt wurde. Indikationen Grundsätzlich kann bei jeder Patientin eine Minimal-Stimulation-IVF oder eine gonadotropinfreie IVF (IVF- Naturelle) durchgeführt werden. Besonders geeignet sind diese Verfahren jedoch bei Frauen mit einem regelmäßigen Zyklus, bei Low Respondern, bei denen selbst eine hoch dosierte Gonadotropin-Stimulation zur Bildung von nur sehr wenigen Follikeln führt, bei High Respondern mit einem hohen Risiko für ein Überstimulationssyndrom bei der Durchführung einer klassischen IVF, bei prämenopausalen Patientinnen < Jahre, DIAGNOSTIK + THERAPIE FRAUENARZT 52 (11) Nr. 12 1199

DIAGNOSTIK + THERAPIE bei Frauen mit Risiken für eine klassische IVF (Thrombophilie usw.). Effektivität Bei einer Beurteilung der Effektivität muss nicht nur die Schwangerschaftsrate pro und pro Zyklus, sondern auch der zeitliche Aufwand für die Patientin berücksichtigt werden (s. Tab. 1). Schwangerschaftsrate pro Behandlungszyklus Die in der internationalen Literatur genannten Schwangerschaftsraten stammen von hochspezialisierten Zentren und können insbesondere bei der gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle) in der Regel von anderen Zentren erst nach einer lange Lernphase erreicht werden. Um eine solche Therapieform effektiv durchzuführen, ist eine systematische Anpassung der logistischen Strukturen an diese Behandlungsform erforderlich. Nur dann können zu viele Therapieabbrüche durch vorzeitige Ovulationen und die Gewinnung unreifer Eizellen durch zu frühe en weitgehend verhindert werden. In Tabelle 1 werden die Erfolgsraten bei der NC-IVF und bei der Kontrollierten NC-IVF, als zwei Varianten der gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle), sowie bei der Minimal-Stimulation-IVF unter Verwendung von Clomifencitrat dargestellt. Daten zur Effektivität der Minimal-Stimulation- IVF unter Verwendung von Gonadotropinen wurden bisher nicht publiziert. Schmerzhaftigkeit der Follikelpunktion bei der IVF-Naturelle ohne Analgetika/Sedativa % 50 30 % 50 10 0 30 100 % 80 0 deutlich weniger Monitoring weniger gleich mehr deutlich mehr als bei einer Blutentnahme Interessanterweise liegt bei der Kontrollierten NC-IVF die Implantationsrate (= Schwangerschaftsrate beim von nur einem Embryo) in einigen Arbeitsgruppen bei etwa 25 30 % pro. Dies ist deutlich höher als bei einer konventionellen IVF mit einer Implantationsrate von 15 % (DIR). Über die Gründe für die weitaus höheren Schwanger Abb. 1: Schmerzhaftigkeit der Follikelpunktion bei der IVF-Naturelle ohne Analgetika/Sedativa im Vergleich zu einer Blutabnahme bei Patientinnen (14) Klassische IVF gleich IVF-Naturelle schaftsraten pro weniger belastend von einem unterstützt weniger die Untersuchung belastend von Embryo 100 % kann bisher nur spekuliert Baart et al. (2), gemäß derer die Aneuploidierate der Embryonen bei ei werden. Es ist zu vermuten, dass die Embryoqualität besser ist als bei der ner geringeren Stimulationsdosis klassischen 800 IVF. Diese Beobachtung geringer ist. Ein anderer Grund könndeutlich weniger gleich mehr deutlich weniger mehr als bei einer Blutentnahme 60 Belastung durch eine IVF-Naturelle 60 Klassische IVF weniger belastend gleich IVF-Naturelle weniger belastend 0 Monitoring Abb. 2: Belastung durch eine IVF-Naturelle im Vergleich zu einer klassischen IVF bei Patien tinnen, die beide Techniken durchgeführt hatten. Es wurde gefragt, welche der genannten Maßnahmen bei der IVF-Naturelle im Vergleich zur klassischen IVF als weniger, gleich oder als mehr belastend empfunden wurden (14). 10 FRAUENARZT 52 (11) Nr. 12

Erfolgsraten der Natural-Cycle-IVF (NC-IVF) und der Kontrollierten Natural-Cycle-IVF te sein, dass bei einer hochdosierten Gonadotropinstimulation die Funktion des Endometriums gestört ist, was verschiedene Untersuchungen nahelegen (6). Da die Endometriumproliferation bei der gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle) unter dem Einfluss physiologischer FSH- und Östrogenkonzentrationen erfolgt, könnte somit die Rezeptivität besser sein als bei der klassischen IVF. Unter Verwendung weiterer Techniken zur Kontrolle der Ovulation und durch die weitere Optimierung der stechnik sind nach den Erfahrungen der Autoren sraten von > 90% pro Zyklus, eine Gewinnung von Oozyten bei 90 % der en und Fertilisationsraten von 80 % pro gewonnener Oozyte möglich, wodurch raten von mindestens 50 % pro Zyklus/Monat erreichbar sind. Ein Vergleich der Schwangerschaftsraten bei der Gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle) mit denen der klassischen IVF ist nur mit Einschränkungen möglich. Bei der klassischen IVF wird eine durchgeführt, die zu etwa zwei Embryotransfers innerhalb von drei Monaten führt. Bei der gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle) wird monatlich punktiert und ein erfolgt jeden zweiten Monat. Gemäß Nargund et al. (9) liegt bei der Kontrollierten NC-IVF als einer Variante der gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle) die Schwangerschaftsrate nach vier Zyklen/Monaten bei 46 % und somit nach vier Monaten in etwa im Bereich einer klassischen IVF mit zwei s. Aufwand für die Patientin Um den idealen Zeitpunkt für eine Follikelpunktion zu finden, kann die Patientin engmaschig einbestellt werden. Dies ist aber weder für die Patientin noch für das Kinderwunschzentrum effektiv. Deshalb ist ein optimierter Ablauf erforderlich, der jedoch eine große Erfahrung der Ärzte Implantationsrate/ klinische SS-Rate/ Arbeitsgruppe Zyklen en en mit Eizellen rate/ Fahy et al. 1995 1 79 65 83,1 % 14,0 % 9,2 % Nargund et al. 01 2 174 81,6 % 67,6 % 24,0 % Ingerslev et al. 01 2 114 74 39,2 % 13,8 % 5,4 % 0 % Aanesen et al. 10 2 129 89 (68,9 %) 85,4 % 67,4 % 26,7 % 16,2 % 0 % Pflaumer et al. 10 2 252 156 (61,9%) 39,7 % 6,5 % 2,6 % 0 % von Wolff et al. 11a 3 115 95 (82,6 %) 75,8 % 55,6 % 30,0 % 12,6 % 0 % 1 reine NC-IVF, d.h. mit täglicher LH-Messung und ohne Ovulationsinduktion 2 kontrollierte NC-IVF sowie GnRH-Antagonisten zur Überbrückung der Wochenenden 3 nur Kontrollierte Natural-Cycle-IVF. Zyklen mit weiteren Techniken zur Kontrolle der Ovulation (= IVF-Naturelle) wurden nicht berücksichtigt (nur Patienten < Jahre) Erfolgsraten der Minimal-Stimulation-IVF mit Clomifen-Stimulation Mehrlinge/ Schwangerschaft Implantationsrate/ klinische SS-Rate/ Mehrlinge/ Schwangerschaft Arbeitsgruppe Zyklen en en mit Eizellen rate/ Ingerslev et al. 01 111 95 62,1 % 25,9 % 21,1 % 10,0 % Anesen et al. 10 250 217 97,7 % 69,6 % 22,5 % 18,9 % 4,0 % Teramoto & Kato 07 44.345 36.172 87,6 % 30,6 % 11,6 % Zhang et al. 10 341 17,4 % 4,5 % Tab. 1: Publizierte Erfolgsraten bei der NC-IVF und Kontrollierten NC-IVF, als zwei Varianten der gonadotropinfreien IVF (IVF-Naturelle), sowie bei der Minimal Stimulation IVF unter Verwendung von Clomifen zur Induktion der Follikulogenese und eine hohe Flexibilität des Zentrums und des Paares erfordert. So muss oft bereits am Folgetag nach der ersten Konsultation eine Follikelpunktion zu einer definierten Uhrzeit erfolgen. Über die Anzahl der Konsultationen der Patientinnen bis zur Follikelpunktion finden sich in der Literatur wenig Angaben. Nach Aanesen et al. (1) stellt sich die Patientin etwa zwei- bis dreimal bis zur Follikelpunktion vor. In unserem Zentrum sind bis zur Follikelpunktion durchschnittlich 1,4 15-minütige Konsultationen (65 % eine, 29 % zwei und 6 % drei Konsultationen) erforderlich, sodass der Aufwand gering und damit die Effektivität hoch ist. Um den Aufwand bei der gering zu halten, sollte die Technik soweit optimiert werden, dass keine Narkose und keine starken Analgetika erforderlich sind, damit die Patientin direkt nach der wieder ihrer Arbeit nachgehen kann. DIAGNOSTIK + THERAPIE FRAUENARZT 52 (11) Nr. 12 11

DIAGNOSTIK + THERAPIE In unserem Zentrum wird analgetikafrei punktiert, sodass die gesamte Konsultation maximal 30 Minuten dauert. Kosten Die Kosten richten sich nach dem Aufwand. Da nur eine Oozyte gewonnen werden kann, kann nur dann kostendeckend und für die Patientin kostengünstig gearbeitet werden, wenn die Zahl der Konsultationen und Laborbestimmungen sehr gering ist. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die gonadotropinfreie IVF (IVF- Naturelle) nur bei einer korrekten Indikation durchgeführt wird (s. Indikationen). Auch ist eine Optimierung der Abläufe und der stechnik anzustreben, damit nur sehr wenige Konsultationen erforderlich sind und einfach und schnell punktiert werden kann. Da auch die Kosten für Gonadotropine und GnRH-Analoga entfallen, liegen die Kosten pro erzielter Schwangerschaft bei Frauen < Jahre gemäß der Kalkulation in unserem Zentrum durchschnittlich etwa 25 % unter jenen der klassischen IVF. Bei jungen Frauen mit einer hohen Ovarreserve verringert sich die Kostenersparnis, bei älteren Frauen erhöht sie sich. Bei der Kostenberechnung ist auch zu bedenken, dass die Vielzahl teurer additiver Techniken wie z. B. ein Assisted Hatching des Embryos aus Sicht der Autoren bei einer IVF-Naturelle nicht erforderlich ist, da die Embryoqualität besser ist. Allerdings muss auch beachtet werden, dass eine Kostenersparnis in Deutschland für das Paar nur dann gegeben ist, wenn eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse nicht oder nicht mehr gegeben ist. Perspektiven Obwohl gonadotropinfreie IVF-Therapien schon seit den Anfängen der IVF-Behandlungen durchgeführt werden, gibt es nur sehr begrenzte Erfahrungen in den IVF-Zentren, insbesondere deshalb, weil kein festes Behandlungsschema existiert. Von großen Arbeitsgruppen werden Medikamente wie z. B. nichtsteroidale Antiphlogistika usw. zur Kontrolle der Ovulation propagiert, ohne dass deren Wirksamkeit bewiesen wurde. Somit besteht ein erheblicher Forschungsbedarf hinsichtlich der Optimierung dieser IVF-Therapien. Es ist aber inzwischen offensichtlich, dass die Erfolgsrate der gonadotropin freien IVF-Therapien unter optimalen Bedingungen, wie von Autoren beschrieben, durchschnittlich bei einem etwa alle zwei Monate mit einer Schwangerschaftsrate von 25 30 % pro von einem Embryo liegt. Um eine hohe Behandlungsqualität zu gewährleisten, haben sich einige spezialisierte Zentren zusammengeschlossen, um ihre Behandlungen zu evaluieren und gemeinsam weiter zu optimieren (10). Die gonadotropinfreien IVF-Therapien eröffnen des Weiteren viele Möglichkeiten, die Follikulogenese unter physiologischen Bedingungen zu studieren und mit der klassischen IVF zu vergleichen. Die Autoren hoffen, durch mehrere aktuelle Forschungsprojekte eine Antwort darauf zu finden, ob durch die hochdosierte Gonadotropinstimulation bei der klassischen IVF eine Veränderung der zellulären, der Zytokin- und der endokrinen Zusammensetzung der Follikelflüssigkeit resultiert und ob die Qualität der Oozyten verändert wird. Schlussfolgerung Die verschiedenen IVF-Techniken ohne oder mit geringen Gonadotropinstimulationen weisen viele Vorteile im Vergleich zur klassischen IVF auf Vor- und Nachteile der verschiedenen IVF-Techniken Vorteile der IVF-Naturelle im Vergleich zur klassischen IVF keine Mehrlinge höhere Implantationsraten Follikelpunktion ohne Analgetika und Narkose möglich geringere gesundheitliche Risiken für die Patientin hohe Akzeptanz durch die Patientin durch keine oder minimale Hormondosen geringerer Preis pro Schwangerschaft bei optimaler Durchführung der Technik Nachteile der IVF-Naturelle im Vergleich zur klassischen IVF geringe Planbarkeit der Follikelpunktionen ggf. Abbrüche der Zyklen durch vorzeitige Ovulationen durchschnittlich mehr Zyklen bis zum Eintritt einer Schwangerschaft erforderlich viel Erfahrung und Flexibilität des Zentrums erforderlich Vorteile der Minimal-Stimulation-IVF im Vergleich zur klassischen IVF Follikelpunktion ohne Analgetika und Narkose möglich geringere gesundheitliche Risiken für die Patientin hohe Akzeptanz durch die Patientin durch geringe Hormondosen Nachteile der Minimal-Stimulation-IVF im Vergleich zur klassischen IVF durchschnittlich mehr Zyklen bis zum Eintritt einer Schwangerschaft erforderlich keine Kostenreduktion pro erzielter Schwangerschaft durch Verwendung von Gonadotropinen Tab. 2: Vor- und Nachteile der verschiedenen IVF-Techniken 12 FRAUENARZT 52 (11) Nr. 12

(s. Tab. 2). Sie sind risikoärmer, bei einer optimalen Durchführung weniger belastend und gegebenenfalls für die Patientin pro erzielter Schwangerschaft auch kostengünstiger. Letzteres aber nur, wenn die IVF ganz ohne teure Gonadotropine durchgeführt wird und sich das Zentrum auf diese Technik spezialisiert und die Abläufe optimiert hat. Allerdings werden diese alternativen Techniken die klassische IVF nicht ersetzen, da diese weiterhin einfacher und auch bei unregelmäßigen Zyklen gut durchzuführen ist. Auch ist der Zeitbedarf bei Frauen mit einer hohen Ovarreserve bis zum Eintritt einer Schwangerschaft bei der klassischen IVF durchschnittlich kürzer als bei einer gonadotropinfreien IVF. Literatur 1. Aanesen A, Nygren KG, Nylund L: Modified natural cycle IVF and mild IVF: a 10 year Swedish experience. Reprod Biomed Online (10) 156 162. 2. Baart EB, Martini E, Eijkemans MJ et al.: Milder ovarian stimulation for in-vitro fertilization reduces aneuploidy in the human preimplantation embryo: a randomized controlled trial. Hum Reprod 22 (07) 980 988. 3. DIR. Deutsches IVF-Register. www.deutsches-ivf-register.de 4. Edwards R, Patrizio P, Edgar D et al.: Defining IVF terminology. Reprod Biomed Online 14 (07) 553 554. 5. Fahy UM, Cahill DJ, Wardle PG et al.: Invitro fertilization in completely natural cycles. Hum Reprod 10 (1995) 572 575. 6. Horcajadas JA, Riesewijk A, Polman J et al.: Effect of controlled ovarian hyperstimulation in IVF on endometrial gene expression profiles. Mol Hum Reprod 11 (05) 195 5. 7. Ingerslev HJ, Højgaard A, Hindkjaer J, Kesmodel U: A randomized study comparing IVF in the unstimulated cycle with IVF following clomiphene citrate. Hum Reprod 16 (01) 696 702. 8. Kadoch IJ, Fanchin R, Frydman N et al.: Controlled natural cycle IVF: a novel approach for a dominant follicle during an in-vitro maturation cycle. Reprod Biomed Online 14 (07) 598 601. 9. Nargund G, Waterstone J, Bland J et al.: Cumulative conception and live birth rates in natural (unstimulated) IVF cycles. Hum Reprod 16 (01) 259 262. 10. IVF-Naturelle. Website des Kompetenznetz IVF-Naturelle, www.ivf-naturelle. de. Inhaltlich Verantwortlicher: Prof. Dr. Michael von Wolff. Installiert 11/11, Letzte Überarbeitung 11/11. 11. Pflaumer U, Toth B, Roesner S et al.: Natural-cycle IVF/ICSI: a treatment option for infertile patients? Arch Gynecol Obstet 282 (10) (Suppl1) S35. 12. Teramoto S, Kato O: Minimal ovarian stimulation with clomiphene citrate: a largescale retrospective study. Reprod Biomed Online 15 (07) 134 148. 13. von Wolff M, Ocon IE, Weiss B et al.: Natural Cycle-IVF Das Risiko für eine vorzeitige Ovulation ist unabhängig von der Dauer der Gabe nicht-steroidaler Antiphlogistika. 11a Jahreskongress 11 der Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. Abstrakt FM 23, www.sggg-kongress.ch. 14. von Wolff M, Kollmann Z, Ocon IE et al.: IVF-Naturelle in Bern einfach, schmerzarm und weniger belastend als ein klassisches IVF. 11 Jahreskongress 11b der Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe angenommen. Abstrakt P31, www.sggg-kongress.ch. 15. Zhang J, Chang L, Sone Y et al.: Minimal ovarian stimulation (mini-ivf) for IVF utilizing vitrification and cryopreserved embryo transfer. Reprod Biomed Online 21 (10) 485 495. Epub 10 Jun 30. Für die Autoren Prof. Dr. med. Michael von Wolff Universitäts-Frauenklinik Bern Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin Effingerstr. 102 3010 Bern Schweiz Michael.vonWolff@insel.ch