Öffnung und Solidarität in Europa Verpflichtung aus

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Transkript:

1 Rede Frau Ministerin Dr. Angelica Schwall-Düren 58. Jahreskongress Vereinigung Deutsch- Französischer Gesellschaften für Europa e.v. (VDFG) und Frz. Partnervereinigung FAFA am 13. September 2013 Öffnung und Solidarität in Europa Verpflichtung aus 50 Jahren Elysée-Vertrag

2 Anrede, als erstes möchte ich Sie, auch im Namen von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, in der Bundesstadt Bonn und in unserem schönen Land Nordrhein-Westfalen willkommen heißen. Frau Ministerpräsidentin, die Schirmherrin dieses 58. Jahres-Kongresses der Vereinigung Deutsch Französischer Gesellschaften für Europa (VDFG) und der französischen Partnerorganisation FAFA, lässt sie alle herzlich grüßen. Wie Sie vielleicht wissen, liegt auch ihr die deutschfranzösische Freundschaft besonders am Herzen. Ich freue mich sehr über die große Teilnahme und das Interesse an diesem Jahreskongress, nicht nur als Mitglied des Kuratoriums der Vereinigung Deutsch Französischer Gesellschaften für Europa, sondern gerade auch als Europa- Ministerin des Landes Nordrhein-Westfalen. Meinen Dank für die Organisation möchte ich Herrn Gereon Fritz und allen engagierten Akteuren von VDFG und FAFA aussprechen. I.

3 Das eigentliche Jubiläum, der 50. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages, liegt nun schon einige Monate zurück. Am 17. Januar haben Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, auch in ihrer Funktion als Vorsitzende der deutsch-französischen Freundschaftsgruppe im Bundesrat, und ich an den beeindruckenden Feierlichkeiten in Berlin teilgenommen. Die bewegenden Reden z. B. von Ihnen, lieber Herr Botschafter, aber auch vom Präsidenten des Europäischen Parlaments Martin Schulz, vom deutschen Bundespräsidenten und vom französischen Staatspräsidenten Hollande haben bei mir besondere Erinnerungen hervorgerufen. Denn ich selbst gehörte im Sommer 1963 mit zu den ersten, die im Rahmen eines Austausches des neu gegründeten Deutsch-Französischen Jugendwerks für drei Wochen in einer französischen Familie in Lons le Saunier, der Hauptstadt des Département Jura, verbringen durfte. Diese Erfahrung der Begegnung hat mein weiteres privates, berufliches und politisches Leben für immer geprägt. Die deutsch-französischen Beziehungen und ein gemeinsames Europa sind mir immer eine Herzensangelegenheit geblieben.

4 Dieser Austausch war möglich geworden durch den Elysée-Vertrag, dessen Tragweite und Bedeutung für die folgende politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung in Europa gar nicht oft genug betont werden kann. Es ist das historische Verdienst von Konrad Adenauer und Charles de Gaulle, die Beziehungen unserer beiden Völker nicht nur in die Bahnen von Versöhnung und Freundschaft gelenkt zu haben, sondern auch in die der europäischen Integration. Wichtige Fortschritte wie die Einheitliche Europäische Akte, der Maastricht-Vertrag, die Wirtschafts- und Währungsunion mit dem Euro, der Schengen-Raum gingen in der Folgezeit auf deutsch-französische Initiativen zurück. Ohne die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland, zu der vor allem die Städtepartnerschaften, die bereits früh nach dem Kriegsende begannen, in besonderer Weise beigetragen haben, hätte Europa nicht gedeihen können.

5 Ihnen allen, die vor diesem Hintergrund auf der Ebene bürgergesellschaftlicher Begegnungen wunderbare Basisarbeit geleistet haben, möchte ich meinen herzlichen Dank aussprechen. II. Das deutsch-französische Einigungswerk und die westeuropäische Integration legten die Grundlage und waren ein unerlässlicher Zwischenschritt auf dem Weg zur heutigen Europäischen Union, die vor 50 Jahren völlig undenkbar - im Osten bis zur Russischen Föderation und der Ukraine reicht. So haben wir nach dem Zusammenbruch des Kommunismus und dem Fall des Eisernen Vorhangs mit Spannung und freudiger Erwartung verfolgt, wie sich die Staaten Mittel- und Osteuropas auf ein gemeinsames Europa hin orientierten. Für diese Staaten bedeutete die Europäische Union ein politischer und ökonomischer Stabilitätsanker. Deutschland unterstützte unser wichtiges östliches Nachbarland Polen nachdrücklich, Mitglied der westlichen Bündnisse NATO und EU zu werden dies auch im wohl verstandenen Eigeninteresse und gegen eine anfänglich skeptische Haltung in Frankreich.

6 Mit der Besiegelung der Freundschaft mit den west- und den osteuropäischen Nachbarn Deutschlands durch die Gründung des Weimarer Dreiecks Frankreich Deutschland - Polen wurde eine Brücke gebaut zwischen Ost und West, die für die Überwindung der alten Blöcke aus der Zeit des Kalten Krieges steht. Nordrhein-Westfalen begründete 2001 eine Partnerschaft mit Schlesien, mit dem es historisch schon lange verbunden ist, und ergänzte damit die Zusammenarbeit mit der französischen Partnerregion Nord Pas de Calais, ebenfalls eine ehemalige Kohle- und Stahlregion, zu einem Regionalen Weimarer Dreieck. III. Vor wenigen Wochen konnten wir einen weiteren Beitritt zur Europäischen Union, den der Republik Kroatien, feiern. Weitere europäische Staaten möchten ebenfalls Mitglied in der EU werden. Dies macht deutlich, dass die Europäische Union und die Werte, die diese Union ausmachen, nach wie vor attraktiv sind.

7 Die Freude über das 28. neue EU-Mitglied kann allerdings die aktuellen Sorgen nicht verdrängen: Die seit nun mehr als drei Jahren andauernde Finanzkrise mit ihren katastrophalen Auswirkungen auf den sozialen Zusammenhalt vor allem in den südlichen Mitgliedstaaten hat dazu geführt, dass die Skepsis gegenüber Europa in allen Teilen unseres Kontinents gewachsen ist. Die Hoffnungen auf mehr Demokratie und mehr Zusammenhalt in der EU sind in dieser Krise schwach geworden. Stattdessen haben wir Europäer uns in eine Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd, zwischen den vermeintlich Fleißigen und den angeblichen Faulen, eine Auseinandersetzung um Konsolidierung der Staatshaushalte und Schuldenschnitte ziehen lassen. Das ist eine besorgniserregende Entwicklung! In dieser Situation müssen sich alle proeuropäischen Kräfte für ein Europa einsetzen, das sich auf seine Markenzeichen besinnt: Frieden, Freiheit und Solidarität zwischen den Mitgliedsländern, aber auch innerhalb der einzelnen Gesellschaften.

8 Denn die innergesellschaftliche und zwischengesellschaftliche Solidarität und unsere demokratische Verfasstheit sind zwei Merkmale, die Europa auszeichnen. Sie sind die Leitlinien und Ziele der europäischen Integration und sie müssen es bleiben. Das ist es auch, was Europa gegenüber dem Rest der Welt nach wie vor interessant macht. Anrede, Was hat der Elysée-Vertrag damit zu tun? Ich sehe eine große Verantwortung beiden Länder und auch Verpflichtung aus 50 Jahren Elysée-Vertrag! Frankreich und Deutschland müssen sich bei der notwendigen Kursbestimmung für Europa verständigen. Sie dürfen sich nicht in der Exklusivität der deutsch-französischen Zusammenarbeit einrichten, um den anderen Mitgliedstaaten Lösungen für die Weiterentwicklung der EU vorzuschlagen oder gar aufzudrängen. Sie müssen sich bemühen, eine Verständigung unter den EU-Mitgliedstaaten herbeizuführen. Sie müssen durch ihr Handeln auch deutlich machen, dass diese Krise eine gemeinsame Herausforderung für die Europäer ist, und es nur gemeinsam gelingen wird, die Krise

9 zu überwinden. Einseitige Lösungen kann es bei den komplexen Herausforderungen unter globalen Vorzeichen nicht geben. IV. Lassen Sie mich zum Abschluss noch auf eine Autorin und Journalistin eingehen, die wir in der Düsseldorfer Staatskanzlei vor fast genau einem Jahr zu Gast hatten. Die in Berlin lebende Französin Pascale Hugues hat ihr Buch Marthe und Mathilde mit dem Untertitel Eine Familie zwischen Frankreich und Deutschland vorgestellt und anhand der Biografien ihrer beiden Großmütter deutlich gemacht, welche Folgen Pflege von Ressentiments, Schüren von Hass, Nationalitäten-Chaos und Vertreibung im deutsch-französischen Grenzraum, im Elsass, mit sich gebracht haben. Pascale Hugues beleuchtet, wie die Große Politik in drastischer, bisweilen traumatischer Weise in das Schicksal völlig unpolitischer Menschen eingegriffen hat, die eigentlich nur in Ruhe und Frieden ihr Leben leben wollten.

10 Plastisch wird beschrieben, wie diese Bedingungen die Entfaltungsmöglichkeiten und die Freiheit der Menschen einschränkten. Mit dem Elysée-Vertrag von 1963 und den Errungenschaften der Europäischen Integration sind diese Entfaltungsmöglichkeiten und Freiheiten ganz selbstverständlicher Teil unseres heutigen Alltags geworden. Statt also über Europa und seine Unvollkommenheiten zu klagen, sollten wir uns vielleicht öfter die Frage stellen, was wir aus den Möglichkeiten machen, die uns heute zur Verfügung stehen? Denn wir alle können Einfluss darauf nehmen, in welchem Europa wir künftig leben und arbeiten und uns zuhause fühlen wollen. Die europäische Idee ist lebendig. Die Europäische Union ist eine Erfolgsgeschichte ohne Gleichen. Sie ist Garant für Frieden und Stabilität. Und das ist ein Wert, den wir in diesen Tagen nicht hoch genug schätzen können. Deswegen ist es erforderlich, dass wir gerade in schwierigen Zeiten gemeinsam und leidenschaftlich für die Europäische Union werben. Bei meinem Werben für Europa weiß ich Sie, die Sie in den deutsch-französischen Gesellschaften Freundschaftsgruppen und Partnerschaftskomitees engagiert sind, an meiner

11 Seite; dienen Ihre Aktivitäten laut Satzung doch den Bestrebungen zur Europäischen Einigung. Ich möchte Sie ermuntern, die Ateliers und Diskussionen mit hochrangigen Fachleuten zu nutzen, um in diesem Sinne neue Ideen für die Fortentwicklung der deutschfranzösischen Beziehungen auszutauschen und zu entwickeln. Was kann die Zivilgesellschaft für den Bestand und die Weiterentwicklung Europas tun? Welchen Beitrag leistet die deutsch-französische Freundschaft heute dazu? Ich wünsche Ihnen allen, dass Sie bereichert und mit vielen neuen Ideen für die Gestaltung der nächsten Jahrzehnte deutsch - französischer Freundschaftsbeziehungen und mit Visionen für ein gemeinsames Europa in Ihre Heimat zurückkehren. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.