Die zahnmedizinische Versorgung von Pflegebedürftigen ein Konzept der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ) und der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zur Ausbildung und Schulung von Pflegekräften als Basis für einen präventiven Ansatz (Entwurf: AK DGAZ Schulung in der Pflege)
PRÄAMBEL In Deutschland leben heute mehr Menschen, die 60 Jahre und älter sind, als solche, die jünger als 20 Jahre sind, die Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland also altert. Hinzu kommt, dass das hohe Alter heute nicht selten einhergeht mit multiplen, organischen Erkrankungen und/oder einer demenziellen Erkrankung und in der Folge dem Eintritt in die Pflegebedürftigkeit. Im Jahr 2009 lebten in Deutschland 2,25 Millionen Pflegebedürftige, davon waren 720.000 (32%) institutionalisiert, also in einer Einrichtung versorgt, 1,53 Millionen (68%) waren in häuslichem Umfeld betreut. Grundsätzlich ist die Zahn- und Mundgesundheit von betagten, multimorbiden und pflegebedürftigen Menschen deutlich schlechter als die anderer Bevölkerungsgruppen. Die aktuelle Zahnmedizin, eine hoch spezialisierte medizinische Disziplin, ist in Diagnostik und Therapie auf eine aufwändige Ausstattung angewiesen, die in der Regel praxisgebunden ist. Pflegebedürftige immobile betagte Menschen jedoch können zahnärztliche Praxen oftmals gar nicht oder nicht selbstständig aufsuchen sondern benötigen dafür meist aufwendige Begleitung und teure Transportwege. Ziel einer auf die Bedürfnisse dieser Patientengruppe ausgelegten zahnärztlichen Versorgung muss es daher sein, durch individuelle, wiederkehrende Prävention, unmittelbar am Wohnort der Bedürftigen, die Behandlungsnotwendigkeit weitestgehend zu vermeiden. Der Patient ist selten in der Lage die notwendigen Pflegemaßnahmen autonom durchzuführen, den Pflegekräften kommt daher eine ganz besondere Verantwortung für die Zahnund Mundgesundheit zu. Die Inhalte der zahnmedizinischen Aspekte in der Ausbildungsordnung der Pflegeberufe sind bisher unzureichend repräsentiert. Pflegebedürftige Menschen haben immer mehr eigene Zähne bzw. tragen technisch aufwendigen Zahnersatz bis hin zu implantatgetragenen Konstruktionen. Die Ausbildung wird diesem gestiegenen Anspruch an die Pflege von Mund, Zähnen und Zahnersatz nicht gerecht. Die Deutsche Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ), hat gemeinsam mit der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ein Konzept zur Ausbildung und Schulung der Pflegekräfte erarbeitet mit dem Ziel, den oralen Gesundheitszustand pflegebedürftiger Menschen dauerhaft zu stabilisieren und nachhaltig zu verbessern. Mundgesundheit und orale Lebensqualität sind wichtige Faktoren für die Allgemeingesundheit. Die Ausbildung und Schulung soll die Pflegekräfte für das Thema Mundgesundheit sensibilisieren und dazu befähigen, wiederkehrende Maßnahmen zur Zahn- und Mundhygiene auch im engen Pflegealltag dauerhaft zu etablieren. Professor Dr. Ina Nitschke Erste Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin Professor Dr. Christoph Benz Zweiter Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer 2
Zahnmedizinische Lernfeldinhalte für die Altenpflegeausbildung Entwurf (03/2011) Modul 1 Lehrinhalte des 1. Ausbildungsjahres Lernziele: Inspektion der Mundhöhle und Basis-Mundhygienemaßnahmen 45 Die gesunde Mundhöhle Bestandteile und Orientierung - Mundhöhle Bestandteile - Aufbau des Zahnes und Speichel - Orientierung in der Mundhöhle Zahnschema 135 Die erkrankte Mundhöhle Teil 1 (Karies & Parodontitis & Allgemeinerkrankungen) - Beläge (Plaque, Zahnstein, Konkremente) - Halitosis - Karies Ursachen und Verlauf - Parodontitis Ursachen und Verlauf - Zusammenhang Zahnbetterkrankungen Allgemeinerkrankungen 90 Die Gesunderhaltung der Mundhöhle (Zahnbürste, Interdentalbürste, Zahnpasta, Mundspüllösung) - Mundgesunde Ernährung schlecht & gut, Xylitol - Plaquekontrolle Zahnbürste, Zahnseide, Interdentalbürste, Putztechniken - Fluoride Zahnpasta, Mundspüllösung - halbjährliche Kontrollen Bonusheft, Plaquefärbemittel & Indizes, Professionelle Zahnreinigung 90 Praktische Übungen - Inspektion der Mundhöhle - Gegenseitiges Zähneputzen
Modul 2 Lehrinhalte des 2. Ausbildungsjahres Lernziele: Inspektion der Mundhöhle, Mundhygienemaßnahmen inklusive Zahnersatz 90 Wiederholung der Lehrinhalte des 1. Ausbildungsjahres 90 Lückengebiss & Formen von Zahnersatz - Zahnersatz Aufgaben, Materialien, Anforderungen - Zahnersatz-Formen Festsitzend, Abnehmbar, Implantate 45 Die erkrankte Mundhöhle Teil 2 (Komplikationen mit Zahnersatz festsitzend/abnehmbar, Mundschleimhaut) - Mangelhafte Passung, gelöste Kronen, Sprung, Bruch, Verblendabplatzung, Abrasion - Druckstelle, Prothesenstomatitis, Pilz, 45 Pflegemaßnahmen bei Zahnersatz - Pflegemittel Superfloss, Interdentalbürste, Prothesenzahnbürste, Reinigungstabletten/-schaum, Prothesenreinigungsgeräte - Haftmittel Haftcreme, Haftpulver, Haftpolster - halbjährliche Kontrollen Bonusheft, Prothesen beschriften, Professionelle Zahnreinigung 90 Praktische Übungen - Inspektion der Mundhöhle - Gegenseitiges Zähneputzen (nach Anfärbung) - Ein- und Ausgliedern von Zahnersatz
Modul 3 Lehrinhalte des 3. Ausbildungsjahres Lernziele: Mundhygienemaßnahmen bei Schwerstpflegebedürftigen 90 Wiederholung der Lehrinhalte des 1. & 2. Ausbildungsjahres 90 45 45 90 Besonderheiten in der Mundhygiene bei Schwerstpflegebedürftigkeit (Mundtrockenheit, Immobilität) - Ziele Physiologische Mundflora erhalten, Schmerzfreiheit, Infektionsprophylaxe, Eigenaktivität fördern - Mundtrockenheit Ursachen, Folgen, Maßnahmen (Speichelersatzmittel) - Spezielle Pflegemittel Bürstengriffe, Absaugzahnbürsten, Dreikopfbürste, Zungenschaber, Chlorhexidin, Bepanthen - Mundöffnung Mundsperrer & verbotene Maßnahmen Die erkrankte Mundhöhle Teil 3 (Kommunikation mit dem Zahnarzt) - Alle Pathologien der Mundhöhle (Tumore, Borken) Pflegeprozess Mundhöhle Qualitätsmanagement - Pflegerituale Reihenfolge, Materialien, Arbeitsplatz vorbereiten, Systematik - Verhalten bei Aspiration & Abwehr - halbjährliche Kontrollen Bonusheft, Prothesen beschriften, Professionelle Zahnreinigung Erkennen und Beschreiben Dokumentation und Übermittlung - interaktive Befundbeschreibung - Grenzen in der zahnärztlichen Therapie und der Oralhygiene - ethische Aspekte Mundpflege Step by Step mit praktischen Übungen - Inspektion der Mundhöhle / - Gegenseitiges Zähneputzen / - Ein- und Ausgliedern von Zahnersatz