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Der Zauber alter JUWEL VON KIRCHWERDER (MARTENS SÄMLING) Herzliche Einladung zum Pflücken: Frisch vom Baum sind die dunkelrot marmorierten Äpfel der Sorte Juwel von Kirchwerder ein Hochgenuss, herrlich knackig, saftig und würzig WIE IM BILDERBUCH Leuchtend rot hängen die Äpfel dicht an dicht in den Bäumen des großen Gartens. Nur noch wenige Tage, dann beginnt die Ernte In dem verwunschenen Garten von Meinolf Hammerschmidt im Obstmuseum Pomarium Anglicum haben mehr als 700 fast vergessene einen Platz gefunden. In Bauerngärten der Region hat der Apfelkundler die Bäume gesammelt, um dieses Kulturgut vor dem Aussterben zu bewahren. FOTOS: ANDRÉ REUTER/PETER RAIDER. STYLING: MONIKA NODERER. PRODUKTION & TEXT: KATHARINA BOEDDEKER/ANJA SCHALLENMÜLLER 12 13

MAUNZEN APFEL Der kräftig rot gestreifte Maunzenapfel stammt ursprünglich aus Württemberg. Er ist ein beliebter Mostapfel und zudem eine gute Sorte für den Anbau auf Streuobstwiesen lecker ist er sowieso Alte HOTEL Gut besuchte Heimstätte für geflügelte Helfer: das selbst gebaute Insektenhotel. Im Obstgarten summen unzählige Bienen und Hummeln umher, die zur Bestäubung von größter Bedeutung sind Rotbackige Schönheiten SPALIEROBST Zehn verschiedene bilden den halbschattigen Laubengang. Die Sonnenstrahlen, die durch das lichte Blätterdach fallen, malen Muster auf die knorrigen Stämme HEREIN- SPAZIERT Es ist angerichtet: Vorbei an den vielen Obstbäumen führt der Weg zu einem großen Holzhaus, in dem an Besuchertagen das Buffet mit reichlich Obst aufgebaut wird. Dann stehen auf einem gedeckten Tisch Teller mit Äpfeln der Saison zum Probieren bereit. Einmal im Jahr findet im Pomarium der Angelner Apfeltag statt, in diesem Jahr am 24. September von 11 bis 17 Uhr 15

Ein Herz für fast vergessene Schätze HERR DER ÄPFEL Apfelkundler, Biologe, Lehrer und Gärtnermeister: Meinolf Hammerschmidt am Eingang eines langen Laubenganges aus Buchen und Mirabellen S chon ihre Namen lassen es erahnen: Geheimrat Breuhahn und Großherzog Friedrich von Baden sind recht betagt. Der Geheimrat ist Jahrgang 1895, der Großherzog ein Jahr jünger. Sie gehören zu den alten Sorten des Kulturapfels (Malus X domestica), die seit etwa zwei Jahrzehnten nahezu unbemerkt aus den Gärten verschwinden und dabei den aromatischen Geschmack mitnehmen, den viele noch aus Kindheitstagen kennen. Alte Obstsorten vor dem Vergessen zu bewahren und ihr Aussterben zu verhindern, hat sich der Pomologe Meinolf Hammerschmidt zum Ziel gesetzt. In seinem gut zwei Hektar großen Pomarium Anglicum, einem Obstmuseum inmitten der hügeligen Landschaft Angelns im Norden Schleswig-Holsteins, sammelt der Apfelkundler, Biologe, Lehrer und Gärtnermeister die Raritäten. Gut 700 verschiedene, außerdem 130 Birnensorten, Steinobst, Quitten, Feigen und Mispeln gedeihen in dem von Wallhecken gesäumten Sortengarten sowie im alten Apfelgarten des Hofes in langen Reihen, als malerische Spaliere, halbschattige Laubengänge oder für sich allein. Auch in den Themengärten wie Lustgarten der Ritter, Barockgarten oder Zisterzienser-Klostergarten spielen alte Obstsorten die Hauptrolle. Jetzt im Herbst leuchten sie überall: rote, gelbe und grüne, gestreifte und marmorierte Äpfel. Dieses Jahr haben wir unser EIN APFEL FÜR JEDEN ANLASS Gut 700 regionale alte Apfel- und 130 alte Birnensorten wachsen im Angelner Obstmuseum. Von den heute etwa 1500 bekannten in Deutschland haben jedoch nur 60 eine wirtschaftliche Bedeutung, und im Supermarkt werden durchschnittlich nur noch fünf oder sechs Sorten angeboten. Vor rund 200 Jahren wurden in Norddeutschland noch mehr als 700 angebaut. Dieser Sortenreichtum früherer Zeiten ermöglichte es den Menschen, ihre Äpfel und Birnen viel differenzierter zu verwenden, als es heute der Fall ist, erklärt Meinolf Hammerschmidt. Den überkommenen Bräuchen gemäß wurden für jedes Gericht und für jeden Anlass ganz bestimmte Apfel- und Birnensorten gewählt. Groß, klein, süß, sauer, rot oder grün: Für jede Gelegenheit gab es früher den richtigen Apfel/die passende Birne WINTERKIPPE Birnensorte aus dem Sauerland mit harter, rauer Schale Ein beliebtes Tafelobst war neben dem Roten Herbstkalvill der Berlepsch, der auch als Lagerapfel sehr geschätzt wurde. Zum Kochen und Backen und für Apfelmus wurden Jakob Lebel und der Schöne von Boskoop verwendet. Für Kompott wurde dagegen der Angelner Borsdorfer bevorzugt, da er auch nach dem Einkochen noch fest blieb und seine weiße Farbe behielt. Gebratene Leber wurde, zumindest in Angeln, mit der Süderhex als Beilage serviert. Und die Füllung der Weihnachtsgans bestand klassischerweise aus Borsdorfer Renetten. Welche kleinen, runden Äpfel leuchtend rot und blank poliert den Weihnachtsbaum schmückten, war von Region zu Region unterschiedlich: In Norddeutschland war es der Purpurrote Cousinot, in Westfalen die Rote Sternrenette. 17

Den Geschmack bewahren 1 8 4 6 2 3 SORTEN & IHRE EIGENSCHAFTEN 1 Angelner Borsdorfer: gelbe Äpfel mit apartem, weinig-süßem Geschmack; lassen sich gut in der Küche verwenden, zum Beispiel für Kompott 2 Bargenstedter Prinzenapfel oder Mühlenapfel: grünlicher Apfel mit angenehm saftigem, mittelfestem Fruchtfleisch, süß-säuerlich; gut geeignet als Tafel- und Wirtschaftsapfel 3 Goldparmäne: süß-säuerlicher Apfel mit intensivem nussartigem Aroma; als Tafelobst, aber auch zum Kochen und Backen; kam im Hamburger Umland früher auf den Weihnachtsteller 4 Roter Hebstkalvill: das Fruchtfleisch dieser dunkelroten Sorte ist durchgehend gerötet, saftig und mild-harmonisch im Geschmack; ein ausgezeichneter Tafelapfel 5 Perle von Angeln: großer, rot gestreifter Herbstapfel, vollmundig und würzig; beliebtes Tafelobst 6 Maren Nissen: roter, glattschaliger Apfel mit länglicher Form und angenehm süß-säuerlichem Aroma; wird gern als Tafelobst für den Sommer verwendet 7 Passe Crassane oder Edel-Crassane: Frucht hat zwar ein unscheinbares Äußeres, ist aber eine hervorragende Winterbirne; saftig und würzig 8 Graue Herbstrenette: saftiger, säuerlich-würziger Apfel; eignet sich frisch gut als Tafelobst, ansonsten ein feiner Apfel für die Küche und zum Entsaften 9 Iversenapfel: süßer, roter Apfel; ideales Tafelobst für den Herbst, aber auch zum Entsaften 10 Schleswiger Erdbeerapfel oder Herbstparmäne: gelber, leicht lachsfarbener Apfel mit süß-säuerlichen Geschmack; beliebtes Tafelobst 9 5 7 10 30-jähriges Jubiläum, sagt Meinolf Hammerschmidt mit einem Lächeln. So weit habe ich bei meinen Anfängen im Jahr 1987 gar nicht zu denken vermocht. Aus Liebe zum Obst Als junges Ehepaar hatten der gebürtige Nordrhein-Westfale und seine Frau Karin, eine Lehrerin für Deutsch und Werken, in Göttingen gelebt. In ihrer freien Zeit waren sie häufig für Entwicklungshilfeprojekte nach Afrika gereist, wo Meinolf Hammerschmidt seine Kenntnisse im Obstbau weitergab. Dann übernahmen die beiden den Milchwirtschaftshof ihrer Eltern in dem kleinen Ort Sörup, rund 20 Kilometer südöstlich von Flensburg. Als das Paar die unrentabel gewordene Milchwirtschaft aufgab, nahm Meinolf Hammerschmidt zunächst einen Lehrauftrag als Biologe an der Universität Flensburg an. Doch die alte Liebe zum Obstbau holte ihn rasch ein, als er von einem alten Apfelbaum der Sorte 'Angelner Herrenapfel' hörte, der auf einem Hof in Sörup stand. Ich bin hingefahren, und die Bäuerin wusste sogar, dass der Baum aus dem Jahr 1850 stammt. Ich habe Reiser geschnitten und bei mir zu Hause auf einer geeigneten Unterlage veredelt so fing eigentlich alles an, erinnert sich der heute 73-Jährige. In den Jahren darauf war Meinolf Hammerschmidt in ganz Schleswig-Holstein unterwegs und fuhr sogar bis nach Dänemark. Meist wurde er in Wallhecken, Bauerngärten und auf landwirtschaftlichen Höfen fündig. Die ursprüngliche Vielfältigkeit des Apfels sucht ihresgleichen, meint der Pomologe. Und diese Sortenvielfalt bringt nicht nur ein unglaublich großes Spektrum an Geschmack, Form und Farbe mit sich. Sie beinhaltet auch die Angepasstheit an unterschiedliche Standorte und die Resistenz gegenüber verschiedenen Krankheiten. All dies droht nun durch die modernen Sorten verloren zu gehen. Die Neuzüchtungen sind oft anfälliger, verlieren an Geschmacksvielfalt, Süße und Duft. Um dem entgegenzuwirken, haben wir hier im Obstmuseum einen lebendigen Gen- Pool angelegt, erzählt Meinolf Hammerschmidt. Aus dem Hobby entwickelte sich rasch eine Baumschule, in der die alten, ausschließlich ökologisch gezogenen Obstsorten verkauft wurden und LEIDER TABU Nicht jeder kann Äpfel essen alte Sorten werden jedoch oft besser vertragen ALTE SORTEN FÜR ALLERGIKER Apfelkuchen, Apfelmus, Apfelschnitz: Kein anderes Obst ist bei uns so beliebt wie der Apfel. 19 Kilo vertilgte jeder Deutsche im Schnitt in den Erntejahren 2015 und 2016. Doch die Früchte sind nicht für alle ein Genuss. Immer mehr Menschen leiden unter Apfelallergien, die sich durch Bläschen im Mund, Kribbeln auf der Zunge, Ausschläge und sogar Atemnot bemerkbar machen. Besonders Pollenallergiker, die auf Birken reagieren, sind gefährdet. Denn die Apfel- Allergie kann als Kreuzallergie auftreten. Was die Reaktionen auslöst und was sie hemmen kann, haben Lebensmitteltechniker und Mediziner der Universität Hamburg untersucht. Teil der Forschung waren sowohl alte als auch neu gezüchtete. das so erfolgreich, dass Hammerschmidt schließlich seine Lehrtätigkeit an der Universität aufgab. Mein Hobby hat mich immer wie auf Flügeln getragen, resümiert er lächelnd. Mittlerweile ist auch die Baumschule geschlossen, da der Apfelkundler und seine Frau das Rentenalter erreicht haben. Sein umfangreiches Wissen über alte Eine Schlüsselrolle sollen die sogenannten Polyphenole spielen, die in Pflanzen unter anderem als Farb- und Geschmacksstoffe vorkommen und das Apfelallergen blockieren können. Das Problem: Die Stoffe geben den Früchten einen säuerlichen Geschmack und lassen sie schneller braun werden. Deshalb wurden sie aus vielen der neuen herausgezüchtet. Alte Sorten wie Alkmene, Berlepsch, Goldparmäne und Boskoop, die mehr Polyphenole enthalten, werden von Allergikern deshalb meist besser vertragen. Angeboten werden diese Äpfel zum Beispiel auf Wochenmärkten und in Bioläden. Ob man tatsächlich allergisch auf Äpfel reagiert, lässt man am besten von einem Arzt untersuchen. FOTOS: GETTY IMAGES (1), ISTOCKPHOTO/IVAN96 (1) 19

Die Geschichte des Apfels ENGELS- GLEICH Die Steinputte im Barock-Themengarten wird von leuchtenden Früchten flankiert als man in den Zügen noch die Fenster öffnen konnte, warfen die Reisenden ihre Apfelgriebsche einfach hinaus. Und aus den Kernen wuchsen dann Bäume, die Früchte, aber keinen Namen trugen. Von Kasachstan zu uns Im Obstmuseum erfahren Besucher noch mehr Wissenswertes, zum Beispiel, dass sich der Garten Eden, das Ursprungsland des Apfels, am Fuße des Tienshan-Gebirges befindet, im Südosten Kasachstans. Die Früchte der dort wachsenden wilden Apfelbäume (Malus sieversii) sind, im Gegensatz zu wilden Äpfeln aus anderen Regionen, sehr wohlschmeckend. Das fanden auch die dort ansässigen Bären und Pferde, die jedoch nur die dicksten und süßesten Früchte fraßen und mit der Verbreitung der Kerne durch ihre Verdauung eine natürliche Auslese vornahmen. Später dann, vor mehr als 4000 Jahren, gelangten die wilden Äpfel Kasachstans auf uralten Handelswegen Mittelasiens nach Westen und schließlich nach Europa. Ich möchte den Menschen die alten Sorten wieder nahebringen, sagt Meinolf Hammerschmidt, und das geht am besten über Geschichten. Apfel- und andere Obstsorten möchte er jedoch weitergeben: an Schüler und Schülerinnen sowie Biologie-Studenten, die im Museum Praktika absolvieren, und an alle Interessierten, die zu den Führungen und dem alljährlichen Angelner Apfeltag kommen. Unsere Ferienwohnungen am alten Apfelgarten sind zu jeder Jahreszeit sehr beliebt, freut sich Meinolf Hammerschmidt. Oft sind es Menschen, die keinen eigenen Garten haben und hier ihre Sehnsucht nach der Natur stillen. Und immer wieder höre ich Ausrufe wie: Oh, der Apfel riecht und schmeckt wie früher im Garten meiner Großeltern. Etliche Gäste kommen auch, um Äpfel bestimmen zu lassen. Dafür hat das Obstmuseum eigene Termine eingerichtet. Lächelnd erinnert sich Meinolf Hammerschmidt an einen jungen Mann, der mit einer Kiste Äpfel auftauchte. Die habe er alle entlang des Bahndamms der stillgelegten Strecke Süderbrarup Schleswig gefunden, berichtete er. Es waren 60 verschiedene Sorten, erzählt der Pomologe. Die konnte ich nicht bestimmen. Aber ich konnte mir denken, wie sie an den Bahndamm gekommen sind. Früher, BEZUGSADRESSEN UND KONTAKT Wer alte Obstsorten für seinen Garten sucht, die möglichst noch gut an die jeweiligen lokalen Bedingungen angepasst sind, findet eine Liste mit Bezugsquellen unter: www.bund-lemgo.de In ihrem Verzeichnis hat die Ortsgruppe Lemgo des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.v. über 80 Obstbaumschulen, sortiert nach Ländern und Postleitzahlen, aufgelistet. Kontakt Obstmuseum Pomarium Anglicum Waldweg 2, 24966 Sörup Telefon: +49 (0) 46 35/27 45 E-Mail: info@pomarium-anglicum.de Internet: www.alte-obstsorten.de 20