Interdisziplinäres Fernstudium Umweltwissenschaften - infernum. Mediation im öffentlichen Bereich (Teil 1)



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Transkript:

Interdisziplinäres Fernstudium Umweltwissenschaften - infernum Mediation im öffentlichen Bereich (Teil 1)

Interdisziplinäres Fernstudium Umweltwissenschaften - infernum Mediation im öffentlichen Bereich (Teil 1) von Stefan Kessen, Markus Troja, Horst Zilleßen (überarbeitet von Sabine Runkel-Hehn/Marcus Hehn)

Impressum Titel: Mediation im öffentlichen Bereich (Teil 1) Autoren: Stefan Kessen, Markus Troja, Horst Zilleßen Überarbeitung: Sabine Runkel-Hehn/Marcus Hehn) 2011 FernUniversität in Hagen, 58084 Hagen & Fraunhofer UMSICHT Alle Rechte vorbehalten. Studienangebot: Interdisziplinäres Fernstudium Umweltwissenschaften (infernum) Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung und des Nachdrucks, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der FernUniversität reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1 Inhaltsverzeichnis Vorbemerkung zur 1. Auflage... 3 Einführung... 4 A. Kontexte von Mediation im öffentlichen Bereich... 8 I. Der gesellschaftspolitische Kontext der Mediation im öffentlichen Bereich... 8 II. Der umweltpolitische Kontext: Nachhaltige Entwicklung... 16 III. Die Stellung der Mediation im öffentlichen Bereich im politischadministrativen Entscheidungsprozess... 22 IV. Rechtliche Rahmenbedingungen... 25 1. Trennung von Mediation und rechtlich geregelten Zulassungsverfahren... 26 2. Mediation zur Vorbereitung und Begleitung gesetzlich geregelter Öffentlichkeitsbeteiligung... 27 3. Mediation beim Scoping-Verfahren der Umweltverträglichkeitsprüfung... 29 4. Bundesbodenschutzgesetz: Sanierung von Altlasten unter Zuhilfenahme Dritter... 31 5. Sicherung von Verhandlungsergebnissen durch öffentlich-rechtliche Verträge... 31 B. Umweltkonflikte (Konflikte im umweltpolitischen Kontext)... 35 I. Theoretische Aspekte von Umweltkonflikten... 35 II. Komplexe wissenschaftlich-technische Fragen mit hoher Unsicherheit... 39 III. Konfliktaustragung im öffentlichen Bereich... 41 IV. Typen von Konflikten... 42 1. Unterscheidung nach Inhalten... 42 a) Beziehungskonflikte... 42 b) Faktenkonflikte/Sachkonflikte... 43 c) Interessenkonflikte... 44 d) Strukturkonflikte und Fragen der Macht... 45 e) Wertekonflikte... 46 2. Unterscheidung nach Personen und Gruppen... 48 a) Intrapersonelle Konflikte... 48 b) Interpersonelle Konflikte... 48 c) Intergruppenkonflikte... 49 d) Gesellschaftliche, internationale, globale Konflikte... 49 V. Anwendungsfelder in der Mediation im öffentlichen Bereich... 50 C. Prinzipien und Leitbilder der Mediation im öffentlichen Bereich... 53 I. Grundgedanken der Mediation im öffentlichen Bereich... 53 1. Verfahrensleitung durch allparteiliche externe Dritte (Mediatoren)... 53 2. Einbeziehung aller Konfliktparteien... 54 3. Eigenverantwortlichkeit der Teilnehmer und Ergebnisoffenheit des Verfahrens... 56

2 4. Fall- und problemspezifische Herangehensweise... 56 II. Theoretische Leitbilder der Mediation im öffentlichen Bereich... 57 1. Verhandlungsorientierter Ansatz... 57 2. Transformationsansatz... 61 III. Rolle der Leitbilder in der Mediation im öffentlichen Bereich... 64 IV. Aufgaben und Funktion des Mediators im öffentlichen Bereich... 69 1. Entwicklung der Verfahrensstruktur... 71 2. Verfahrensmanagement... 71 3. Hilfestellung bei der Klärung inhaltlicher Fragen und beim Ausgleich von Informationsdefiziten... 72 4. Vertrauensbildung... 72

3 Vorbemerkung zur 1. Auflage Wir 1 arbeiten seit mehreren Jahren als Team der MEDIATOR GmbH, Oldenburg, in Mediationsverfahren und in den Bereichen Ausbildung und Training sowie Forschung zusammen. Die in diesem Studienbrief geschilderten Beispiele aus Mediationsverfahren beziehen sich ausschließlich auf Verfahren, die von uns organisiert und durchgeführt wurden. Insofern ist viel von unserem Wissen und unserer Erfahrung in den nachfolgenden Text eingeflossen. Wir hoffen, Ihnen mit diesem Studienbrief das Arbeitsfeld und die Arbeitsweise eines Mediators, einer Mediatorin oder noch besser eines Mediationsteams bei Konflikten im öffentlichen Bereich etwas näher bringen zu können. Für Kritik und Anregungen sind wir immer offen und dankbar. Bei der Fertigstellung des Textes haben uns die weiteren Mitarbeiter unseres Teams, v. a. Carsten Hoyer und Monika Teschler, unterstützt. S.K., M.T., H.Z. 1 Das betrifft die Autoren Troja (bis 2008), Kessen und Zilleßen.

4 Einführung Mediation als Verfahren zur Regelung umweltpolitischer Konflikte ist in Deutschland erstmals im Jahr 1986 angewendet worden. Die Umweltprobleme der Sonderabfalldeponie Münchehagen in der Nähe von Hannover wurden mithilfe eines neutralen Konfliktmanagers, eines Mediators aufgearbeitet. Vorausgegangen waren heftige Auseinandersetzungen, an denen Bürgerinitiativen und Verwaltungsbehörden aus drei Kommunen, drei Landkreisen und zwei Bezirksregierungen bzw. Bundesländern beteiligt waren. 2 Von der deutschen Politik ist Umweltmediation erstmals im Jahre 1993 offiziell zur Kenntnis genommen worden. Am 12. März 1993 hat der Deutsche Bundestag einen Entschließungsantrag der FDP-Fraktion zum Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz angenommen, in dem unter Bezugnahme auf die positiven Erfahrungen in den USA gefordert wurde, dass "auch in der Bundesrepublik Deutschland verstärkt das Mediatoren-Verfahren eingesetzt werden (sollte)" 3. Die Bundesregierung hat darauf im Jahre 1994 in einem Bericht über die Möglichkeiten einer weiteren Beschleunigung und Vereinfachung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren 4 reagiert, indem sie recht ausführlich auf Mediationsverfahren eingegangen ist. Ein Problemfeld, das dabei besonders angesprochen wurde, betraf schon damals die Verbindlichkeit der Verhandlungsergebnisse 5. Von erheblicher Bedeutung für die umweltpolitische Praxis waren die Bemühungen der Arbeitsgemeinschaft für Umweltfragen (AGU) e.v. Bonn, die seit Anfang 1994 vor allem in den neuen Bundesländern die Idee der Umweltmediation propagiert hat. Die AGU, ein Zusammenschluss aller umweltpolitisch relevanten Akteure in Deutschland, hat in den folgenden Jahren das Ziel der politischen Etablierung des Mediationsverfahrens beharrlich weiter verfolgt - in enger Kooperation mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU), Bonn. Im Mai 1997 wurde ein Projekt "Implementierung der Umweltmediation in Deutschland" begonnen, mit welchem die AGU insbesondere die "Einbindung der Mediation in die politischen und 2 3 4 5 Striegnitz, Das Mediationsverfahren Münchehagen Ausschuss, Hildesheim 1994. BT-Drs. 12/4317. BT-Drs. 12/6923. Vgl. dazu Kap. E III. 2.

5 administrativen Entscheidungsprozesse des Umweltrechts" 6 voranbringen wollte. Auf der Basis eines von der AGU vorgelegten Gutachtens (AGU 1996) beschloss die Deutsche Bundesstiftung Umwelt Osnabrück, dieses Projekt mit damals DM 2 Mio. zu fördern. Aus Kreisen der Wirtschaft und der Gewerkschaften wurden dem Projekt weitere rund DM 500.000 zur Verfügung gestellt. Zur Durchführung des Projektes wurde im Januar 1998 der Förderverein Umweltmediation e.v. Bonn gegründet. Er kooperierte dabei nicht nur mit den beiden genannten Gruppen, sondern auch mit der Interessengemeinschaft Umweltmediation e.v. (IGUM) Berlin, der 1996 gegründeten Vereinigung der professionellen Umweltmediatoren in Deutschland. Unter anderem hat der Förderverein während der Projektlaufzeit in Kooperation mit den Praktikern Standards für Verfahren und Ausbildung in der Umweltmediation entwickelt. 7 Nach Auslaufen der Projektförderung im Jahr 2001 wurde der Förderverein Umweltmediation der aktuellen Diskussion folgerichtig in den Förderverein Mediation im öffentlichen Bereich kurz FMöB e.v. umbenannt und vor allem vom Projektleiter Gerd Fuchs als Vorsitzendem viele Jahre fortgeführt. 8 Mit der Namensänderung wurde klargestellt, dass einmal das Thema Umwelt zwar immer im öffentlichen Interesse ist und in die Aufgabenstellung der öffentlichen Hand fällt, es aber in einem Spannungsfeld zu anderen Themen steht, und dass Mediation kein Instrument für die Akzeptanzbeschaffung einzelner Interessengruppen ist. Der FMöB vereinigt auch inzwischen den Großteil der praktizierenden Mediatoren im öffentlichen Bereich unter seinem Dach. Der Begriff der Umweltmediation wurde ebenfalls in der wissenschaftlichen und praktischen Diskussion nahezu aufgegeben. Als die Mediation Ende der 80er Jahre ihre Renaissance auf dem europäischen Kontinent erlebte, wurden viele Begriffe, die sich in rund eineinhalb Jahrzehnten vorher vor allem in den USA und Kanada herausgebildet hatten, einfach in die deutsche Sprache übernommen. Nicht anders ging es dabei dem Begriff der environmental mediation. Als Umweltmediation wörtlich übersetzt, gewann diese Spielart der Mediation fortan auch in Deutschland immer mehr an Bedeutung. In den Anfangsjahren des deutschen Einsatzes der Mediation im Zusammenhang mit umweltrelevanten Bau- und Planungsvorhaben leistete dieser Begriff gute Dienste bei der Beschreibung des Themenfeldes, in dem sich die Mediation abspielte. Die ersten Umweltmediationsverfahren in Deutschland befassten sich daher auch mit klassischen Umweltthemen bzw. Umweltkonflikten, z.b. der Sanierung von Altlasten in Bielefeld, der Entwicklung eines Abfallwirtschaftskonzepts in Neuss oder der Sanie- 6 7 8 AGU 1997, Projekt Implementierung der Umweltmediation in Deutschland (verf. Manuskript), Bonn, S. 17. Zu beziehen über den Förderverein Mediation im öffentlichen Bereich e.v., Postfach 252, 57502 Betzdorf/Sieg, oder unter http://umweltmediation.info/menue/standards/entstehung/. Aktuelle Informationen über den Förderverein Mediation im öffentlichen Bereich finden sich unter www.umweltmediation.info.

6 rung einer Sonderabfalldeponie in Münchehagen. Im Laufe der Zeit bei fortschreitender wissenschaftlicher und praktischer Beschäftigung mit dem Thema stellte sich jedoch heraus, dass der Begriff Umweltmediation nicht selten zu Missverständnissen Anlass gab und selbst nur wenig präzise zu beschreiben vermochte, was in Forschung und Praxis eigentlich Gegenstand dieser Art von alternativem Konfliktmanagement ist. Vor allem die begriffliche Fokussierung auf Umwelt trug zu einer eher ablehnenden Haltung von Politik, Verwaltung und Wirtschaft bei, die ansonsten gegenüber neuen Formen der Konfliktlösung aufgeschlossen waren. Dies führte schließlich dazu, dass sich Wissenschaft und Praxis Gedanken über die Präzisierung des Begriffs als Beschreibung für das Einsatzfeld der Umweltmediation machte. Das Ergebnis findet sich letztlich in den Standards des unabhängigen und interdisziplinären Expertenkreises Mediation im öffentlichen Bereich wieder, der den Begriff Umweltmediation als "Mediation im öffentlichen Bereich: Umwelt Wirtschaft Politik Soziales" neu definierte und so zu einem präziseren Verständnis von Begriff und Verfahren beigetragen hat. 9 Über den ursprünglichen Gegenstand der klassischen Umweltkonflikte hinaus werden heute auch Konflikte innerhalb der Verwaltung bzw. zwischen verschiedenen Behörden unter der Mediation im öffentlichen Bereich eingeordnet. Daher spricht man heute von Mediation im öffentlichen Bereich und meint damit den Einsatz der Mediation im Spannungsfeld zwischen Politik, Umwelt, Wirtschaft und Sozialem. In diesem Studienbrief wird auch nur noch der Begriff Mediation im öffentlichen Bereich verwendet. Im Unterschied zu anderen Konfliktfeldern, in denen die Mediation eingesetzt wird, weisen umweltrelevante und damit öffentliche Konflikte eine beträchtliche Reihe von Besonderheiten auf, die in einem Mediationsverfahren im öffentlichen Bereich entsprechend zu beachten sind: Es handelt sich um Konflikte mit mehr als zwei Beteiligten (Vielparteienkonflikte) Arbeit mit großen Gruppen Interessenvertretung vielfach durch Repräsentanten mit unterschiedlichen Mandanten Entscheidungskompetenzen meist im politisch-administrativen Bereich 9 Vgl. dazu die Standards für Mediation im öffentlichen Bereich unter http://umweltmediation.info/menue/standards/entstehung/ sowie Zilleßen, Umweltmediation, in: Haft/Schlieffen (Hrsg.), 30, Rn 3 f.

7 Konfliktaustragung im öffentlichen Bereich Interpersonelle und interorganisatorische Konflikte Ideologisch und weltanschaulich geprägte Wertekonflikte Vielfältige und divergierende Interessenebenen Macht- und Ressourcenungleichgewichte Komplexe wissenschaftlich-technische Fragen mit hoher Unsicherheit. Auf die genannten Besonderheiten der Mediation im öffentlichen Bereich wird in den einzelnen Kapiteln im Detail eingegangen. Neben den allgemeinen Zielen von Mediation (Erreichung von Lösungen zum allseitigen Nutzen bzw. Erarbeitung von zukunftsorientierten Konfliktregelungen, die von allen Beteiligten gemeinsam getragen werden, sowie die Förderung der Eigenverantwortlichkeit der Konfliktparteien) kommt es in der Mediation im öffentlichen Bereich vor allem darauf an, soziales Lernen im Rahmen konstruktiver und fairer Kommunikationsprozesse zu ermöglichen und zum anderen die Qualität der Entscheidungsfindung durch eine breite Informations- und Argumentationsbasis zu verbessern. Die Mediation im öffentlichen Bereich hat inzwischen ein breites Spektrum an Anwendungsfeldern erschlossen, angefangen von Standortkonflikten bis hin zu Mediationsverfahren zur Vorbereitung politischer Entscheidungen. Die Anwendungsgebiete werden in Kapitel B., V näher erläutert.