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Inhaltsverzeichnis Teil I Ehegattenunterhalt Einleitung 1 Keine Unterscheidung zwischen Bedarf und Leistungsfähigkeit 2 Keine Berücksichtigung mietfreien Wohnens bereits für den Trennungsunterhalt, wenn die Scheidung rechtshängig ist 3 Keine Berücksichtigung zusätzlicher privater Altersvorsorge 4 Keine Berücksichtigung fiktiver Einkommen 4 Übersehen des Steuerklassenwechsels bei der Ermittlung des bereinigten Einkommens und des Realsplittingvorteils 5 Kein Ergreifen sofortiger Maßnahmen bei Überzahlungen von Unterhalt 6 Keine rechtzeitige Geltendmachung rückständigen Unterhalts 7 Begrenzung und Befristung nach neuem Unterhaltsrecht im Antrag nicht vergessen 9 Die Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt nicht bedenken 10 Bei einem Abänderungsantrag nach 238 FamFG den Antrag auf Vorabzustellung nach 14 GKG vergessen 11 Teil II Kindesunterhalt Einleitung 12 Klageerhebung ohne vorherige Aufforderung zur Titulierung 12 Keine Titulierung des gesamten geschuldeten Unterhalts 12 Falsche Partei bei der Klage wegen Kindesunterhalt 13 Keine gemeinsame Vertretung eines Elternteils und eines volljährigen Kindes 14 Fehlende Aufnahme/ Protokollierung der Vergleichsgrundlagen 14 Änderung der Kindergeldanrechnung beachten 15 Laufenden Mehrbedarf und Sonderbedarf nicht vergessen 15 Keine schlüssige Klage beim Volljährigenunterhalt 16 Mangelnde Beachtung des unterschiedlichen Selbstbehalts 17 Missachtung der Rangstufen gem. 1609 BGB 18

20 tückische Fehler im Unterhaltsrecht Teil I Ehegattenunterhalt Einleitung Durch die zum 01.01.2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsreform haben sich im Unterhaltsrecht gravierende Änderungen ergeben. Die Neuregelungen betreffen nicht allein den Betreuungsunterhalt, sondern aufgrund der Billigkeitsklausel des 1578bBGB ist nun bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine Begrenzung oder Beschränkung sämtlicher Unterhaltstatbestände möglich. Von großer Bedeutung für die Prüfung, wie hoch der Unterhaltsanspruch ist und wie lange er gewährt wird, sind die sogenannten ehebedingten Nachteile. Wird die unterhaltsberechtigte Partei i.d.r. die Frau vertreten, ist sehr detailliert vorzutragen, worin die Nachteile bestehen, die aufgrund gemeinsamer Lebensplanung entstanden sind. Solche ehebedingten Nachteile ergeben sich i.d.r. aus der Gestaltung von Haushaltsführung, Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit während der Ehe. Durch die Billigkeitsklausel wird zwar eine individuellere Beurteilung des Einzelfalls ermöglicht; es entsteht jedoch auch eine größere Rechtsunsicherheit, weil sich schwer vorhersagen lässt, wie das zuständige Gericht den Sachverhalt wertet. Nach den mittlerweile vorliegenden Entscheidungen beurteilen die Gerichte z.b. die Erwerbsobliegenheit des Elternteils, der ein Kind über drei Jahren betreut, ganz unterschiedlich. So wird teilweise entsprechend dem alten Altersphasenmodell auf das Alter des Kindes abgestellt und eine vollschichtige Erwerbsobliegenheit bei der Betreuung von Kindern im Kindergartenalter trotz Ganztagesplatz für unzumutbar gehalten. Manche Gerichte lehnen jedoch einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt ganz ab, wenn die Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind oder ein substantiierter Vortrag zu fehlenden Betreuungsmöglichkeiten nicht erfolgt ist. In einer Entscheidung zum 1570 BGB hat der BGH klargestellt, dass das Altersphasenmodell keine Gültigkeit mehr hat. Es sei für jeden Einzelfall zu prüfen, inwieweit die Betreuung hinreichend gesichert sei und sonstige Gründe einer Erwerbstätigkeit entgegenstünden. Es müsse jedoch bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit beachtet werden, dass es nicht zu einer übermäßigen Belastung des betreuenden Elternteils komme 1

1. Keine Unterscheidung zwischen Bedarf und Leistungsfähigkeit Für alle Unterhaltsansprüche ist vor der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zunächst der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu ermitteln. Besondere Bedeutung erhält diese Differenzierung, wenn sich nach dem Zeitpunkt des Getrenntlebens Einkommensveränderungen ergeben haben. Diese Veränderungen werden nur berücksichtigt, wenn sie eheprägend waren. Erzielt der Verpflichtete beispielsweise nach der Trennung Einkommen aus einer Erbschaft, oder macht er einen unerwarteten Karrieresprung, ist dieses Einkommen nicht zu berücksichtigen. Ebenso verhält es sich, wenn während der Ehe ein bestimmter Teil des Einkommens zur Kapitalanlage verwendet wurde, da diese Mittel die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt haben, sie standen für den Bedarf nämlich nicht zur Verfügung. Bei sehr hohen Einkünften spielt die Ermittlung des sogenannten bereinigten Einkommens keine Rolle, da sich dann der Unterhalt nach dem konkreten Bedarf des Berechtigten anhand der benötigten Lebenshaltungskosten, die zur Aufrechterhaltung des erreichten Lebensstandards notwendig sind, richtet. Eine konkrete Bedarfsermittlung ist i.d.r. ab einem Bedarf über 4.000 5.000 gegeben. Bei einigen Oberlandesgerichten wird jedoch (ab 2.200 ) eine konkrete Bedarfsermittlung schon bei deutlich niedrigeren Beträgen verlangt. Kann der Berechtigte jedoch einen deutlich höheren Bedarf im Einzelnen darlegen, wird der Anspruch nicht begrenzt, soweit dem Verpflichteten die Hälfte des bereinigten Nettoeinkommens verbleibt. Bei sehr hohen Unterhaltsansprüchen ist immer an eine Begrenzung und Befristung nach 1578b BGB zu denken. Eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards wird nach der Unterhaltsreform nicht mehr gewährleistet. Vielmehr sollen durch den Unterhaltsanspruch nur noch die ehebedingten Nachteile ausgeglichen werden. Es besteht dann nach einiger Zeit nur noch ein Anspruch auf den angemessenen Bedarf. Dieser bemisst sich nach der Lebensstellung, die der Berechtigte voraussichtlich ohne die Ehe haben würde. Es ist schlüssig, genau darzulegen, welchen beruflichen 2

Weg der Berechtigte voraussichtlich ohne die Ehe genommen hätte. Hierbei ist ein normaler Verlauf vorauszusetzen. Es ist also weder anzunehmen, dass der Pflichtige eine große Karriere gemacht hätte, noch ist von Erfolglosigkeit trotz qualifizierter Ausbildung auszugehen. Bei Hinzukommen weiterer unterhaltspflichtiger Kinder oder eines neuen Ehegatten wurden diese neuen Unterhaltsverpflichtungen nach der sogenannten Drittelmethode des BGH bereits beim Bedarf berücksichtigt, auch wenn sie die ehelichen Lebensverhältnisse nicht geprägt hatten. Der BGH ermittelte den Bedarf im Falle einer neuen Ehe durch eine Dreiteilung des zur Verfügung stehenden Einkommens. Diese Berechnung des Unterhalts ist jedoch nach dem Urteil des BVerfG vom 25.01.2011 nicht mehr zulässig. Die Berücksichtigung weiterer Unterhaltsberechtigter erfolgt im Mangelfall nach der in 1609 BGBnormierten Rangfolge. Später hinzugekommene Kinder sind immer zu berücksichtigen und prägen damit im Ergebnis den Bedarf. Sind die alte und die neue Ehefrau gleichrangig, kann nun allenfalls im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit eine Begrenzung des Unterhalts nach billigem Ermessen gem. 1581 BGB erfolgen. Wie das Familiengericht entscheidet, hängt damit von der Billigkeitsabwägung des Richters ab und lässt sich nicht vorhersagen. Die Höchstgrenze für den geschuldeten Unterhalt ist in jedem Fall der Betrag, den der Verpflichtete ohne die nachehelichen Veränderungen hätte, da der Unterhaltsberechtigte keine Vorteile aus der Eheschließung des Berechtigten erhalten soll. 2. Keine Berücksichtigung mietfreien Wohnens bereits für den Trennungsunterhalt, wenn die Scheidung rechtshängig ist Das Wohnen im eigenen Heim ist als Nutzung des eigenen Vermögens unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Der Wohnvorteil ist dabei der Betrag, um den ein Eigentümer günstiger wohnt als ein Mieter und deswegen entsprechende Ausgaben spart. Früher wurde bei der Berücksichtigung des Wohnwerts zwischen der Zeit der Trennung und 3

der Zeit ab Rechtskraft der Scheidung differenziert. Nach der neuesten Rechtsprechung kann der volle Wohnwert bereits beim Trennungsunterhalt geltend gemacht werden, wenn der Scheidungsantrag rechtshängig ist, da ab diesem Zeitpunkt mit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr gerechnet werden kann. Dem in der Wohnung verbleibenden Ehegatten ist dann die Verwertung zuzumuten. Die Höhe des Wohnvorteils ermäßigt sich durch die Hauslasten, insbesondere um die für die Finanzierung eingegangenen Kreditverpflichtungen. Ab Rechtshängigkeit der Scheidung ermäßigen Tilgungsraten den Wohnvorteil nicht mehr, da die Tilgung von Verbindlichkeiten zu einer einseitigen Vermögensbildung führt. Die Vermögensbildung kann jedoch bei der privaten Altersvorsorge Berücksichtigung finden. 3. Keine Berücksichtigung zusätzlicher privater Altersvorsorge Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung wird dem Unterhaltsverpflichteten beim Ehegatten- und Kindesunterhalt eine zusätzliche private Altersvorsorge i.h.v. 4 % des Gesamtbruttoeinkommens als angemessene zusätzliche Altersvorsorge zugebilligt. Die zusätzliche Altersvorsorge wird jedoch nicht pauschal abgezogen, sondern nur, wenn der Verpflichtete auch tatsächlich eine Altersvorsorge in dieser Höhe betreibt. Altersvorsorge wird unterhaltsrechtlich anerkannt, wenn durch die Entschuldung des Eigenheims Vermögen mit dem Ziel einer später belastungsfreien Wohnungsnutzung geschaffen wird. Soweit tatsächlich erbrachte Leistungen der privaten Altersvorsorge darüber hinausgehen, müssen sie als einseitige Vermögensbildung zu Lasten des Unterhaltsberechtigten unberücksichtigt bleiben. 4. Keine Berücksichtigung fiktiven Einkommens Zum Einkommen sind auch Einkünfte zu rechnen, die aufgrund einer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit erzielt werden müssen, aber tatsächlich nicht erzielt werden. Der Unterhaltsschuldner ist verpflichtet, sich leistungsfähig zu halten und der Unterhaltsberechtigte hat die Unterhaltslast des Pflichtigen in zumutbarer Weise zu verringern. Durch die Neufassung des 1574Abs. 1 BGB wurde beim 4

unterhaltsberechtigten Ehegatten die Erwerbsobliegenheit ausdrücklich normiert. Beide Parteien haben die Pflicht, ihre Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen, um eine zumutbar mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben. Bei Arbeitslosigkeit reicht es nicht aus, sich beim Arbeitsamt zu melden, es besteht unterhaltsrechtlich die Verpflichtung, sich intensiv um einen Arbeitsplatz zu bemühen. Verlangt werden bis zu 30 Bewerbungen monatlich! Kommt die Partei ihrer Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss sie sich so behandeln lassen, als ob sie das Einkommen, das sie bei gutem Willen durch eine zumutbare Erwerbstätigkeit erzielen könnte, tatsächlich hätte. Die Höhe des fiktiven Einkommens ist entsprechend 287 ZPO zu schätzen. Es ist darauf abzustellen, welches Nettoeinkommen unter Berücksichtigung des Arbeitsmarkts und der persönlichen Eigenschaften des Bewerbers, wie z.b. Alter, Ausbildung und Berufserfahrung, erzielt werden könnte. 5. Übersehen des Steuerklassenwechsels bei der Ermittlung des bereinigten Einkommens und des Realsplittingvorteils Bei der Ermittlung des bereinigten Einkommens sind Steuern in der tatsächlich angefallenen Höhe abzuziehen. Wird nach Ablauf des Trennungsjahres die Steuerklasse gewechselt, ist die neue Steuerschuld (Steuerklasse I) zu berücksichtigen, obwohl diese nicht die Lebensverhältnisse geprägt hat. Bei der Wiederheirat des Unterhaltsverpflichteten kommen die Steuervorteile nur dem neuen Ehegatten zugute. Dies gilt jedoch nur bei Vorrang des ersten Ehegatten. Bei Gleichrang der unterhaltsberechtigten Ehegatten ist der Splittingvorteil aus der neuen Ehe für alle Ehegatten maßgeblich. 5

6. Kein Ergreifen sofortiger Maßnahmen bei Überzahlungen von Unterhalt Die Rückforderung zu viel gezahlten Unterhalts ist in aller Regel unmöglich, weil sich der Berechtigte regelmäßig auf den Wegfall der Bereicherung gem. 818 Abs. 3 BGB berufen wird. Da der Unterhalt der laufenden Lebensbedarfsdeckung dient, ist 820 BGB unanwendbar. Selbst wenn der Berechtigte nur unter Vorbehalt gezahlt hat, ist eine Rückforderung nur möglich, wenn sich die Parteien nachweisbar einig waren, dass eine eventuelle Überzahlung zurückerstattet wird. Auch wenn der Verpflichtete aufgrund einstweiliger Anordnung zahlt, kann sich der Berechtigte auf den Wegfall der Bereicherung berufen. 820 BGB findet auch bei Zahlungen aufgrund einstweiliger Anordnung keine Anwendung. Ist die einstweilige Anordnung aufgrund unvollständiger oder nicht beweisbarer Auskünfte ergangen, kann sich ein Rückforderungsanspruch zwar aus 826 BGB ergeben; das Vorliegen der Voraussetzungen für eine sittenwidrige Schädigung muss jedoch vom Verpflichteten bewiesen werden. Zahlt der Verpflichtete aufgrund eines rechtskräftigen Titels zu viel, ist der Berechtigte aufzufordern, auf eine Vollstreckung bis zur Klärung der bestehenden Unterhaltsverpflichtung zu verzichten. Ist der Berechtigte hierzu nicht bereit, muss die Abänderungsklage erhoben werden. Mit Einführung des neu geschaffenen 241 FamFG ist eine eigene Rückforderungsklage seit dem 01.09.2009 nicht mehr erforderlich. Gemäß 241 BGB wird nun mit Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags die verschärfte Haftung des 818 Abs. 4 BGB ausgelöst. Die Wirkung des 241 FamFG reicht aber nicht weiter, als die Rückforderungsklage reichen würde. Ist der zu viel gezahlte Unterhalt vor Rechtshängigkeit der Abänderungsklage verbraucht, kann sich der Berechtigte nach wie vor auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Auf jeden Fall sollte im Abänderungsverfahren entsprechend 769 ZPO eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt werden. Eine Herabsetzung des Unterhalts für die Vergangenheit ist möglich für die Zeit ab Stellung eines Auskunfts- oder Verzichtverlangens; es gilt jedoch eine Jahresfrist ab Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags, 238 Abs. 3 FamFG. 6

Zu achten ist auch darauf, dass der Verpflichtete bei der Begleichung von Unterhaltsrückständen eine eindeutige Bestimmung vornimmt. Ist vom Leistenden keine Tilgungsbestimmung getroffen worden und wird die Leistung als vermeintlich geschuldeter Ehegattenunterhalt verbraucht, kann der Rückforderungsanspruch nicht mit dem geschuldeten Unterhalt verrechnet werden. Denn Rückforderungsansprüche dürfen grundsätzlich nicht gegenüber Unterhaltsansprüchen aufgerechnet werden, da eine Aufrechnung gegen eine Unterhaltsforderung gem. 850b Abs. 2 Satz 2 ZPO, 394 BGB nicht zulässig ist. Bei Abschluss eines Vergleichs im Unterhaltsprozess darf eine Einigung über die Verrechnung von Rückständen mit Überzahlungen nicht vergessen werden, wenn man den Pflichtigen vertritt. 7. Keine rechtzeitige Geltendmachung rückständigen Unterhalts Unterhalt für die Vergangenheit kann nur unter den engen Voraussetzungen der 1585b, 1613 BGB verlangt werden. Daraus folgt, dass ein Anspruch auf rückständigen Unterhalt nur besteht, wenn der Unterhaltsverpflichtete nachweisbar zur Erteilung der Auskunft über sein Einkommen aufgefordert worden ist; wenn eine Unterhaltsklage rechtshängig ist. Hierfür reicht die Rechtshängigkeit einer Stufenklage. Der Zugang eines PKH- Gesuchs genügt nicht. Durch das PKH-Gesuch kann jedoch Verzug ausgelöst werden. Durch eine Klagerücknahme wird die Wirkung des 1613 Abs. I BGB wieder beseitigt, es werden also keine Rechtsfolgen für die Zukunft ausgelöst. Bereits eingetretene Verzugsfolgen bleiben aber bestehen. Verzug gem. 286 BGB setzt eine wirksame Mahnung voraus. Die Mahnung muss hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet, dass aus der Mahnung hervorgehen muss, ab wann der Unterhaltsgläubiger welchen Unterhaltsbetrag verlangt. Eine unbezifferte Mahnung ist ausreichend, wenn sie mit einem Auskunftsverlangen verbunden ist und einem zulässigen Antrag bei einer Stufenklage ( 254 ZPO) entspricht. Eine Mahnung, die sich auf Trennungsunterhalt bezieht, setzt den Schuldner nicht wegen eines künftigen Anspruchs auf nachehelichen Unterhalt in Verzug, da die 7

Ansprüche nicht identisch sind. Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt kann nicht vor seiner Entstehung angemahnt werden. Um den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zu sichern, ist zu empfehlen, ihn im Scheidungsverbund geltend zu machen. Alternativ muss der nacheheliche Unterhalt am besten noch unmittelbar nach dem Scheidungstermin beim Unterhaltsschuldner nachweisbar angemahnt werden. Für den nachehelichen Unterhalt ist gem. 1585b Abs. 3 BGB auch bei Rechtshängigkeit und Mahnung die Jahresgrenze zu beachten. Die Berufung auf 1585b Abs. 3 BGB ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Berechtigte den Unterhalt nicht rechtzeitig eingeklagt hat, weil er auf eine gütliche Einigung vertraut hat. Titulierte Unterhaltsansprüche für die Zukunft verjähren drei Jahre nach Eintritt der Fälligkeit, wobei der Verjährungsbeginn das Jahresende ist ( 195, 197, 199 BGB). Titulierte Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit verjähren in 30 Jahren ( 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Jedoch kann rückständiger Unterhalt bereits vor der Verjährungsfrist verwirkt sein, wenn der Berechtigte seinen Anspruch längere Zeit, d.h. mehr als ein Jahr, nicht geltend gemacht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser sein Recht in der Zukunft nicht geltend machen wird. Ist eine Stufenklage anhängig und weigert sich der Auskunftspflichtige hartnäckig, Auskunft zu erteilen, ist es erforderlich, den laufenden Unterhalt im Rahmen einer einstweiligen Anordnung nach 51 FamFG festsetzen zu lassen. 8

Das unterhaltsrechtliche Einkommen sollte hierbei möglichst hoch angesetzt werden, da die Bereitschaft des Unterhaltspflichtigen höher ist, Auskunft zu erteilen, wenn sein Einkommen tatsächlich niedriger ist, als in der einstweiligen Anordnung zugrunde gelegt wurde. Der Anspruch muss im einstweiligen Anordnungsverfahren lediglich schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht werden. Eine Notsituation wird nicht vorausgesetzt. Mit dem neuen Familienverfahrensrecht wurde das einstweilige Anordnungsverfahren in den 49 ff. FamFG neu geregelt. Die einstweilige Anordnung ist nun ein selbständiges Verfahren und nicht mehr vom Bestehen der Hauptsache abhängig. Rückständiger Unterhalt kann jedoch nach wie vor nur im Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden, so dass es sich empfiehlt, den Unterhaltsanspruch auch in der Hauptsache anhängig zu machen. Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung im einstweiligen Anordnungsverfahren sieht auch das FamFG nicht vor. 8. Begrenzung und Befristung nach neuem Unterhaltsrecht im Antrag nicht vergessen Der Unterhaltsanspruch wegen der Betreuung eines Kindes ( 1570 BGB) besteht grundsätzlich nur für die Dauer von drei Jahren nach der Geburt des Kindes; eine Verlängerung kommt aber in Betracht, solange und soweit es der Billigkeit entspricht. Hat das Kind das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet, ist grundsätzlich an eine Befristung bis zum Abschluss der Basiszeit zu denken. Der Anspruch verlängert sich nur, wenn Verlängerungsgründe schon hinreichend erkennbar sind. Die Verlängerungsgründe sind vom betreuenden Elternteil konkret darzulegen und zu beweisen. Steht beispielsweise bereits fest, dass ein Ganztageskindergartenplatz nicht zur Verfügung stehen wird, oder dass eine ganztägige Betreuung für das Kind nicht in Frage kommt, ist der Anspruch zu verlängern. 9

Ist das Kind bereits älter als drei Jahre und wird der Betreuungsanspruch zuerkannt, kommt eine Befristung nicht in Betracht, wenn die Verhältnisse zu unklar sind, um eine Prognose treffen zu können. Zur Begrenzung und Befristung ist umfangreicher Vortrag des Unterhaltspflichtigen erforderlich, damit in einem späteren Abänderungsverfahren keine Präklusion droht: Eine Befristung oder Begrenzung soll zwar als Minus im Klageabweisungsantrag enthalten sein. Verlassen kann man sich darauf aber nicht. Auch seit der Unterhaltsrechtsreform ist bereits im Erstprozess auf Befristungs- oder Begrenzungstatbestände als Anwalt des Pflichtigen hinzuweisen und vorzutragen. Es genügt, wenn das Familiengericht den Befristungsantrag als derzeit unbegründet zurückweist. Künftig ist der Unterhaltspflichtige bei dieser Vorgehensweise mit der Berufung auf Befristungstatbestände jedenfalls nicht präkludiert. 9. Die Geltendmachung von Altersvorsorgeunterhalt nicht bedenken Vorsorgeunterhalt wird für den Fall des Alters sowie der Erwerbsunfähigkeit gewährt. Er ist in der Unterhaltsquote nicht enthalten. Ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens entfällt die Teilhabe an der Altersversorgung des Ehepartners über den Versorgungsausgleich. Ab diesem Zeitpunkt ist ein Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt gegeben, 1361 Abs. Satz 2 BGB. Der Vorsorgebedarf besteht entsprechend der Höhe des angemessenen Unterhalts. Er hängt nicht davon ab, ob der Unterhaltsbedürftige bereits selbst Rentenanwartschaften erworben hat oder Rentenversicherungsbeiträge aus eigener Berufstätigkeit leistet. Der Anspruch besteht bis zum allgemeinen Renteneintrittsalter, auch wenn bereits Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen wird. Die Berechnung des Vorsorgeunterhalts erfolgt, wenn keine zusätzlichen Mittel durch nicht prägende Einkünfte vorhanden sind, nach der Rechtsprechung des BGH in zwei Stufen unter Heranziehung der Bremer Tabelle. Zunächst ist aus dem bereinigten Nettoeinkommen der Elementarunterhalt zu ermitteln. Dieser Elementarunterhalt wird zu einem fiktiven Bruttoeinkommen nach der 10

Bremer Tabelle hochgerechnet. Aus diesem Ergebnis wird der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung entnommen. In einem weiteren Schritt ist der festgestellte Vorsorgeunterhalt wieder vom bereinigten Nettoeinkommen des Pflichtigen abzuziehen und dann nochmals der endgültige Elementarunterhalt zu errechnen. Zu beachten ist, dass Altersvorsorgeunterhalt zweckbestimmt verwandt werden muss; darauf ist der Unterhaltsberechtigte hinzuweisen. Dem Mandanten ist klarzumachen, dass dieser Anspruch ab Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens zusätzlich besteht, durch die oben geschilderte Berechnung sich der Elementarunterhaltsanspruch für den allgemeinen Lebensbedarf aber anteilig verkürzt. 10. Bei einem Abänderungsantrag nach 238 FamFG den Antrag auf Vorabzustellung nach 14 GKG vergessen Die Abänderung eines Titels über eine Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen ist erst nach Rechtshängigkeit des Abänderungsantrags möglich, 238 Abs. 3 FamFG. Die Einzahlung der Gerichtskosten kann ebenso geraume Zeit in Anspruch nehmen wie, was häufig der Fall ist, die Prüfung eines mit Einreichung des Abänderungsantrags gestellten Prozesskostenhilfeantrags. Um die Rechtshängigkeit eines Abänderungsantrags (und ggf. auch die Rechtshängigkeit der hilfsweise für den Fall des Obsiegens gestellten Rückforderungsklage) herbeizuführen, gibt 14 GKG die Möglichkeit, einen Antrag auf Vorabzustellung zu stellen. Im Rahmen der Begründung genügt es schon, darauf hinzuweisen, dass erst ab Rechtshängigkeit des Abänderungsprozesses ein Titel abgeändert werden kann und auch erst ab diesem Zeitpunkt die verschärfte Haftung nach 241 FamFG eintritt, durch die die Berufung auf 818 Abs. 3 BGB im Rahmen der Rückforderungsklage versagt wird. 11

Teil II Kindesunterhalt Einleitung Durch die Unterhaltsrechtsreform haben sich auch Änderungen betreffend den Kindesunterhalt ergeben. So wurde der Kindesunterhalt an das steuerliche Existenzminimum gekoppelt, der Mindestunterhalt wurde wieder eingeführt und das Kindergeld wird auf den Unterhalt angerechnet. Die Höhe des Barunterhalts richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle, die zwar keine Gesetzeskraft hat, aber von allen Gerichten angewandt wird. 1. Klageerhebung ohne vorherige Aufforderung zur Titulierung Zahlt der Unterhaltsverpflichtete regelmäßig Unterhalt, besteht dennoch ein Interesse an der Titulierung, da die Unterhaltszahlungen jederzeit eingestellt werden können. Wird der Unterhaltsanspruch eingeklagt, ohne dass der Gegner zur Titulierung aufgefordert wurde, und erkennt dieser dann im Prozess sofort an, so trägt der Unterhaltspflichtige die Kosten des Verfahrens nach 93 ZPO, weil es sich in diesem Fall um ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne der ZPO handelt. Denn das Rechtsschutzbedürfnis an der Titulierung ist von der Klageveranlassung nach 93 ZPO zu unterscheiden. Daher ist vor der Klageerhebung der unterhaltspflichtige Elternteil zur (kostenlosen) Titulierung ( 59, 60 SGB VIII (KJHG)) durch eine Jugendamtsurkunde aufzufordern. Erst, wenn dies abgelehnt wird, hat der Beklagte Anlass zur Klage gegeben und muss die Kosten des Verfahrens tragen. 2. Keine Titulierung des gesamten geschuldeten Unterhalts Zahlt der Unterhaltspflichtige regelmäßig und freiwillig Unterhalt und besteht nur Streit über die Höhe des geschuldeten Betrags, stellt sich die Frage, ob nur der streitige Spitzenbetrag im Klageweg geltend gemacht werden soll, da der Unterhaltspflichtige wegen des freiwillig gezahlten Betrages keinen Anlass zur Klage gibt. Stellt jedoch der Unterhaltspflichtige später die freiwillige Zahlung ein und ist nur der streitige Spitzenbetrag tituliert worden, besteht keine Möglichkeit, den 12

bisher freiwillig gezahlten Betrag zu vollstrecken. Es ist daher darauf zu achten, dass der gesamte geschuldete Unterhalt tituliert wird. Der Unterhaltspflichtige ist zur Titulierung des freiwillig gezahlten Betrags aufzufordern. Wenn ein Titel über diesen Betrag vorliegt, kann der streitige Spitzenbetrag eingeklagt werden. Lehnt der Unterhaltsschuldner die Titulierung ab, gibt er Anlass zur Klage über den gesamten Unterhalt. Wird der Unterhaltsschuldner jedoch vor Klageerhebung nicht zur Titulierung aufgefordert, und erkennt er im Prozess den unstreitigen Sockelbetrag sofort an, trägt der Kläger insoweit gem. 93 ZPO die Kosten der Klage. Wird der Unterhaltspflichtige vertreten, ist diesem zu raten, möglichst schnell eine vollstreckbare Urkunde über den freiwillig gezahlten Unterhalt erstellen zu lassen. Häufig unterbleibt dann eine Unterhaltsklage, wenn der titulierte Betrag nicht weit von dem geforderten Unterhalt entfernt ist. 3. Falsche Partei bei der Klage wegen Kindesunterhalt Der Elternteil, in dessen Obhut sich nach der Trennung die minderjährigen Kinder befinden, kann deren Unterhaltsansprüche gem. 1629 BGB nur im eigenen Namen geltend machen. Ist die Ehe geschieden, endet die Prozessstandschaft. Das Kind selbst ist dann Partei, vertreten entweder durch den sorgeberechtigten Elternteil ( 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB) oder bei gemeinsamer elterlicher Sorge vertreten durch den Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet ( 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB i.v.m. 50,51 ZPO). Für die Obhut ist entscheidend, bei welchem Elternteil der Schwerpunkt der Betreuung liegt. Mit dem Wechsel des Sorgerechts oder des Schwerpunkts der tatsächlichen Fürsorge endet die Prozessstandschaft. Dies gilt auch für aufgelaufene Unterhaltsrückstände. 13

Die Prozessstandschaft endet auch mit Eintritt der Volljährigkeit. Es tritt ein gesetzlicher Parteiwechsel ein, der keiner Zustimmung bedarf. Dies gilt auch während des Berufungsverfahrens 4. Keine gemeinsame Vertretung eines Elternteils und eines volljährigen Kindes Beim Volljährigenunterhalt kann es zu Interessenkollisionen kommen, wenn man bereits den während der Minderjährigkeit betreuenden und jetzt unterhaltspflichtig werdenden Elternteil vertreten hat und das im Haushalt dieses Elternteils lebende Kind volljährig wird. Sobald sich das volljährige Kind und der betreuende Elternteil über die finanziellen Angelegenheiten nicht mehr einig sind, liegen konkurrierende Interessen vor. Der Anwalt muss daher ausdrücklich darauf hinweisen, dass er das Mandat niederlegen muss, sobald sich der Elternteil und das volljährige Kind in der Zielrichtung ihrer Interessen nicht mehr einig sind. Sicherheitshalber ist die Vertretung des volljährig gewordenen Kindes von vornherein abzulehnen, wenn man bereits den nun unterhaltspflichtig gewordenen Elternteil vertreten hat. 5. Fehlende Aufnahme/Protokollierung der Vergleichsgrundlagen Bei Abschluss eines Vergleichs ist darauf zu achten, dass das bereinigte Einkommen des Unterhaltspflichtigen als Vergleichsgrundlage aufgenommen wird. Das Alter des Kindes und Angaben zur Eingruppierung in die Düsseldorfer Tabelle bzw. Angaben zum Prozentsatz des Mindestunterhalts sollten auch enthalten sein, damit ein dynamischer Unterhalt festgeschrieben wird. Der Titel kann dann während der Minderjährigkeit des Kindes bei jeder Änderung der Düsseldorfer Tabelle und jedem Wechsel in die nächste Altersstufe automatisch angepasst werden ( 1612a BGB). Dadurch werden Abänderungsverfahren vermieden. 14

Der Titel gilt auch nach Eintritt der Volljährigkeit in Höhe des letzten Zahlbetrags bis zu seiner Abänderung fort, auch wenn die Dynamisierungsbestimmungen nur für den Unterhalt eines Minderjährigen gelten ( 244 FamFG). 6. Änderung der Kindergeldanrechnung beachten Staatliches Kindergeld ist in den Tabellenbeträgen der Düsseldorfer Tabelle nicht enthalten. Aufgrund der Neuregelung des 1612b BGB wird das Kindergeld vorweg in Abzug gebracht und wirkt sich während der Minderjährigkeit eines Kindes bedarfsmindernd auf dessen Barunterhaltsanspruch aus. Beim volljährigen Kind wird das Kindergeld als Einkommen behandelt und daher in voller Höhe bedarfsmindernd in Abzug gebracht. Seit dem 01.01.2010 beträgt das Kindergeld für die ersten beiden Kinder 184, für das dritte Kind 190 und für jedes weitere Kind 215. Wird das Kindergeld durch ein nichtgemeinschaftliches Kind erhöht, sogenannter Zählkindervorteil, wird dies nicht berücksichtigt ( 1612b BGB). 7. Laufenden Mehrbedarf und Sonderbedarf nicht vergessen Nach der Düsseldorfer Tabelle wird der Bedarf eines Kindes für verschiedene Altersstufen auf der Grundlage des bereinigten Nettoeinkommens des Unterhaltspflichtigen festgelegt. Da es sich lediglich um schematische Eingruppierungen handelt, kann der betreuende Elternteil Mehrbedarf bzw. Sonderbedarf verlangen, wenn er den zusätzlichen Unterhaltsbedarf nicht aus dem Tabellenbetrag der Düsseldorfer Tabelle abdecken kann. Jedoch wird Mehrbedarf und Sonderbedarf nur in Ausnahmefällen zugesprochen. Bei höherem 15

Kindesunterhalt ist davon auszugehen, dass Mehraufwendungen darin enthalten sind. Die private Krankenversicherung ist in jedem Fall Mehrbedarf, da die Düsseldorfer Tabelle von der Mitversicherung des Kindes in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeht. Laufende und vorhersehbare Kosten sind Mehrbedarf; einmalige größere, unvorhersehbare Ausgaben, die nicht vom laufenden Unterhalt angespart werden können wie z.b. die Klassenfahrt oder die kieferorthopädische Behandlung sind Sonderbedarf. Die Kosten für die Kommunion/Konfirmation sind kein Sonderbedarf, da sie frühzeitig vorhergesehen werden können und vom laufenden Unterhalt angespart werden können. Sonderbedarf kann jederzeit geltend gemacht werden, jedoch nur binnen eines Jahres nach Entstehung ( 1613 Abs. 1 BGB), danach nur bei Verzug oder Rechtshängigkeit. Mehrbedarf kann hingegen nur im Wege der Abänderungsklage unter den engen Voraussetzungen des 238 FamFG geltend gemacht werden, wenn bereits ein Titel besteht. Lagen die Voraussetzungen für den Mehrbedarf bereits vor, als der Titel ergangen ist, ist man mit einer späteren Geltendmachung präkludiert. Die Eltern haften für Sonderbedarf und Mehrbedarf anteilig nach 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB im Verhältnis ihrer Einkünfte. Im Fall der Wiederheirat des betreuenden Elternteils spielt auch das Einkommen seines neuen Ehegatten ein Rolle, ein oft übersehender Umstand. 8. Keine schlüssige Klage beim Volljährigenunterhalt Für die Schlüssigkeit der Klage beim Volljährigenunterhalt ist darauf zu achten, dass beide Elternteile barunterhaltspflichtig sind. Soll der 16

Anspruch nur gegen ein Elternteil geltend gemacht werden, ist das Einkommen des anderen Elternteils darzulegen, um eine Quote ermitteln zu können. Der Unterhalt errechnet sich nach dem zusammengerechneten Einkommen beider Elternteile. Die jeweiligen Haftungsanteile ermitteln sich nach dem Verhältnis der Einkünfte abzüglich des jeweiligen Selbstbehalts. Ohne die Möglichkeit der Bestimmung der Haftungsquote ist die Unterhaltsklage des volljährigen Kindes unschlüssig und muss abgewiesen werden. Verfügt ein Elternteil nicht über ausreichendes Einkommen, muss dies ausdrücklich dargelegt werden. Der andere Elternteil ist dann allein zum Unterhalt verpflichtet. Der Anspruch wird in diesem Fall begrenzt auf die Höhe, die dieser Elternteil zahlen müsste, wenn er alleine unterhaltsverpflichtet wäre. Für die Schlüssigkeit der Klage ist es ausreichend, wenn das Einkommen des nicht in Anspruch genommenen Elternteils schlüssig dargelegt wird. Sollten die Angaben zum Einkommen bestritten werden, muss der in Anspruch genommene Elternteil den anderen Elternteil auf Auskunft verklagen. Dem volljährigen Kind wird nicht zugemutet, auch den anderen Elternteil auf Auskunft zu verklagen. 9. Mangelnde Beachtung des unterschiedlichen Selbstbehalts Gemäß 1603 BGB ist der Unterhaltsschuldner nur verpflichtet, Unterhalt zu zahlen, soweit sein eigener angemessener Unterhalt nicht gefährdet ist. Daher müssen Unterhaltsansprüche nur aus dem Einkommen gezahlt werden, das über dem sogenannten Selbstbehalt liegt. Reicht die Verteilungsmasse nicht aus, liegt ein Mangelfall vor. Die Höhe des Selbstbehalts wird nach der Düsseldorfer Tabelle bestimmt und richtet sich danach, ob es sich um den notwendigen Selbsthalt oder den angemessenen Selbstbehalt handelt. Der angemessene Selbstbehalt gegenüber dem volljährigen Kind beträgt derzeit 1.100. 17

Beim Anspruch eines minderjährigen Kindes oder noch im Haushalt eines Elternteils lebenden Schülers von maximal 21 Jahren, ist der notwendige Selbstbehalt maßgeblich. Dieser beträgt beim nicht erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen derzeit 770 und beim erwerbstätigen 900. 10. Missachtung der Rangstufen gem. 1609 BGB Bei der Ermittlung des bereinigten Einkommens ist zu beachten, dass volljährige Kinder, die sich nicht mehr in der allgemeinen Schulausbildung befinden, also nicht privilegiert i.s.d. 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB sind, im Rang gem. 1609 Nr. 4 BGB erst nach den minderjährigen sowie ihnen gleichgestellten volljährigen Kindern ( 1609 Nr. 1 BGB) und den unterhaltsberechtigten Ehegatten ( 1609 Nr. 2 und 3 BGB) kommen. Der Unterhalt für im Rang vorgehende Unterhaltsberechtigte wird also vorweg abgezogen. Sie erhalten ihren vollen Unterhalt auch dann, wenn für den nachrangigen Unterhaltsberechtigten unter Beachtung des Selbstbehalts nichts mehr übrigbleibt. Eine Quote wird lediglich unter gleichrangigen Unterhaltsberechtigten gebildet. Die Rangfolge spielt allerdings nur eine Rolle, wenn das Einkommen des Pflichtigen nicht ausreicht, den Unterhaltsbedarf aller Bedürftigen voll zu decken. Bei ausreichendem Einkommen hat der Pflichtige an alle Berechtigten Unterhalt zu leisten, unabhängig davon, ob sie voroder nachrangig sind. Bei der Vertretung eines volljährigen Kindes und Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage ist also genau zu ermitteln, ob und ggf. wie viele Unterhaltsberechtigte vorhanden sind. 18