Fachanwaltsausbildung. Schwerpunkt: Familienrecht
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1 Fachanwaltsausbildung Schwerpunkt: Familienrecht Kurseinheiten 3, 4: Unterhaltsrecht Autor: Rechtsanwalt Dr. Christian Huber Stand: 12. Mai 2011
2 Inhaltsverzeichnis Teil 1 Vorbemerkung Lernziele A. Allgemeines I. Prüfungsschema II. Auskunft Inhalt Zeitraum Pflicht zur Vermögensauskunft Pflicht zur ungefragten Mitteilung III. Unterhalt für die Vergangenheit B. Unterhaltsrechtliches Einkommen und Vermögensverwertung I. Einkünfte Einkommensquellen a) Allgemeines b) Mietfreies Wohnen c) Versorgungsleistungen für Dritte Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit Keine Einkommensquellen II. Bereinigtes Nettoeinkommen Einkommen- und Kirchensteuer Vorsorgeaufwendungen Berufsbedingte Aufwendungen Berücksichtigungsfähige Schulden und Doppelverwertungsverbot III. Vermögensverwertung C. Kindesunterhalt I. Anspruchsgrundlage II. Unterhaltsbedürftigkeit Die Erwerbspflicht von Kindern Ausbildungsunterhalt a) Der Ausbildungsanspruch
3 b) Erwerbsobliegenheiten während der Ausbildung Einkommen und Vermögen des Kindes a) Minderjährige Kinder b) Volljährige Kinder III. Höhe des Unterhalts Art der Unterhaltsgewährung Haftung der Eltern für den Unterhalt der Kinder Umfang des Unterhaltsanspruchs a) Allgemeines b) Bestimmung des Barunterhaltsanspruchs Minderjähriger aa) Düsseldorfer Tabelle und Leitlinien bb) Möglichkeiten der Bedarfsgeltendmachung cc) Anrechnung des Kindergeldes dd) Vorschläge zur Fassung der Anträge c) Bestimmung des Barunterhaltsanspruchs Volljähriger aa) Lebensstellung bb) Berücksichtigung des Kindergeldes cc) Bestimmung der Haftungsanteile des 1606 Abs. 3 S. 1 BGB d) Anrechnung eigener Einkünfte des Kindes IV. Leistungsfähigkeit Die Systematik des 1603 BGB Maßstab der Leistungsfähigkeit a) Tatsächliches und fiktives Einkommen b) Schuldhafte Herbeiführung der Leistungsunfähigkeit c) Haushaltstätigkeit in neuer Verbindung ( Hausmann-Rechtsprechung ) D. Elternunterhalt I. Praktische Bedeutung II. Bedürftigkeit des Elternteils III. Bedarf der Eltern IV. Leistungsfähigkeit des Kindes
4 Teil 2 Lernziele A. Ehegattenunterhalt I. Allgemeines II. Familienunterhalt III. Trennungsunterhalt Einführung Anspruchsvoraussetzungen Bedürftigkeit Höhe des Unterhalts a) Gesamtunterhalt b) Elementarunterhalt aa) Eheliche Lebensverhältnisse bb) Der maßgebliche Zeitpunkt cc) Der Halbteilungsgrundsatz dd) Die Unterhaltsberechnung im Einzelnen c) Vorsorgeunterhalt d) Krankenversicherungsunterhalt e) Ausbildungsbedingter Mehrbedarf Leistungsfähigkeit IV. Nachehelicher Unterhalt Wertungsgesichtspunkte Unterhaltstatbestände a) Allgemeines b) Unterhalt wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes ( 1570 BGB) c) Altersunterhalt ( 1571 BGB) d) Unterhalt wegen Krankheit/Gebrechen ( 1572 BGB) e) Erwerbslosenunterhalt ( 1573 Abs. 1 BGB) f) Aufstockungsunterhalt ( 1573 Abs. 2 BGB) g) Unterhalt wegen Wegfall einer nicht nachhaltig gesicherten Tätigkeit ( 1573 Abs. 4 BGB) h) Ausbildungsunterhalt ( 1575 BGB) i) Billigkeitsunterhalt ( 1576 BGB) Bedürftigkeit
5 4. Höhe des Unterhalts a) Bestandteile des Unterhaltsanspruchs b) Elementarunterhalt aa) Eheliche Lebensverhältnisse bb) Maßgebender Zeitpunkt cc) Herabsetzung und zeitliche Begrenzung des vollen Unterhalts Leistungsfähigkeit B. Unterhaltsansprüche der Mutter gegen den Vater des nichtehelichen Kindes I. Allgemeines II. Unterhaltsanspruch gemäß 1615l Abs. 2 BGB Anspruchsvoraussetzungen Anwendung der Regeln des Verwandtenunterhalts C. Zusatzfragen I. Verwirkung Verwirkung des Verwandtenunterhalts Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach 1615l BGB Verwirkung des Ehegattenunterhalts a) Allgemeines b) Verwirkungstatbestände des 1579 BGB aa) 1579 Nr. 1 BGB bb) 1579 Nr. 2 BGB cc) 1579 Nr. 5 BGB dd) 1579 Nr. 3 u. 4, Nr. 6 bis Nr II. Rangfragen und Mangelfall Rangverhältnisse a) Rangfolge der Unterhaltsschuldner b) Rangfolge der Unterhaltsgläubiger Mangelfälle III. Selbstständige Bestandteile des Unterhaltsanspruchs Sonderbedarf und Mehrbedarf a) Unterscheidung zwischen Sonderbedarf und Mehrbedarf b) Geltendmachung von Sonderbedarf
6 c) Geltendmachung von Mehrbedarf Verfahrenskostenvorschuss a) Ehegattenunterhalt b) Verwandtenunterhalt c) Verhältnis Verfahrenskostenvorschuss/ Verfahrenskostenhilfe IV. Unterhaltsvereinbarungen V. Unterhaltsverzicht Nachehelicher Unterhalt Verwandtenunterhalt Familien- und Trennungsunterhalt VI. Ende des Anspruchs D. Sozialrechtliche Bezüge I. Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe II. Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz Stand dieses Buches: Mai
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8 Teil 1
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10 Vorbemerkung Unterhaltsansprüche sind in den meisten familienrechtlichen Mandaten zu prüfen. Das Unterhaltsrecht bildet daher einen Schwerpunkt der Familienrechtspraxis. Die zum Unterhaltsrecht ergangene Rechtsprechung ist nahezu unüberschaubar. Die Rechtsprechung des BGH ist dabei geprägt von Einzelfalllösungen. Der versierte Familienrechtler wird jedoch auch ohne Kenntnis der Einzelfallrechtsprechung die meisten Unterhaltsfragen einer vertretbaren Lösung zuführen können, wenn er die Systematik des Unterhaltsrechts verinnerlicht hat. Mit der nachfolgenden Darstellung sollen die wesentlichen Grundsätze verdeutlicht werden. Rechtsprechung ist nur dort zitiert, wo dem Fachanwalt die entsprechende Entscheidung geläufig sein sollte. Die Beispielsfälle geben in der Praxis häufig auftretende Fallkonstellationen wieder. Soweit auf Leitlinien Bezug genommen wird, sind meist die Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (SüdL) zitiert. Aufgrund der bundeseinheitlichen Leitlinienstruktur sind die Ziffern in den übrigen Leitlinien dieselben. Wenn die Düsseldorfer Tabelle (DT) zitiert wird, ist diejenige auf dem Stand 01. Januar 2011 gemeint. Am 01. Januar 2008 ist die mehrfach verschobene Unterhaltsreform in Kraft getreten. Die Unterhaltsnovelle will im Wesentlichen drei Ziele verwirklichen: Förderung des Kindeswohls durch eine neue Rangfolge im Mangelfall und die Wiedereinführung des Mindestunterhalts Stärkung der Eigenverantwortung geschiedener Ehegatten Vereinfachung des Unterhaltsrechts Zwischenzeitlich hat der Bundesgerichtshof eine Reihe von Grundsatzentscheidungen zum neuen Unterhaltsrecht getroffen. Die bis zum 01. Mai 2009 veröffentlichte Rechtsprechung sowie das FamFG sind berücksichtigt. 13
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12 Lernziele In diesem Buch werden die Grundlagen der Einkommensermittlung zum Zwecke der Unterhaltsberechnung, der Kindesunterhalt sowie der Elternunterhalt behandelt. Sie sollten nach Durcharbeitung des Skriptes zu folgenden Fragen Stellung nehmen können: Wann besteht ein Auskunftsanspruch? Welche Pflichten umfasst der Auskunftsanspruch? Unter welchen Voraussetzungen kann Unterhalt für die Vergangenheit geltend gemacht werden? Wonach bemisst sich das für die Unterhaltsberechnung maßgebliche Einkommen? Welche Abzüge können vom Nettoeinkommen geltend gemacht werden? Was versteht man unter dem sog. Doppelverwertungsverbot? Wonach bemisst sich die Unterhaltsbedürftigkeit beim Kindesunterhalt? Wann hat ein volljähriges Kind einen Unterhaltsanspruch? Was ist der sogenannte Selbstbehalt? Wonach richtet sich die Haftung der Eltern für den Kindesunterhalt? Worin liegt der Unterschied zwischen dem Unterhaltsanspruch des minderjährigen und dem des volljährigen Kindes? Wann besteht ein Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihre Kinder? 15
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14 A. Allgemeines I. Prüfungsschema Jeder Unterhaltsanspruch ist nach folgendem Schema zu prüfen: Anspruchsgrundlage Unterhaltsbedürftigkeit Unterhaltshöhe Leistungsfähigkeit Zusatzfragen 17
15 II. Auskunft Zur Berechnung des Unterhalts ist genaue Kenntnis der Einkommensverhältnisse der Parteien erforderlich. Unterhaltspflichtiger und Unterhaltsberechtigter sind sich daher wechselseitig zur Auskunft verpflichtet. Dieser Anspruch ergibt sich aus folgenden Anspruchsgrundlagen: Verwandte: 1605 BGB Geschiedene Ehegatten: 1580 i. V. m BGB Getrennte Ehegatten: 1361 Abs. 4 S. 4 i. V. m BGB Eltern eines nichtehelichen Kindes: 1615l Abs. 3 S. 1 i. V. m BGB Darüber hinaus kann gem. 242 BGB eine Auskunftsverpflichtung bestehen. Zudem hat das Gericht gem. 235 FamFG die Möglichkeit, die Beteiligten eines Unterhaltsverfahrens zur Auskunftserteilung zu verpflichten. Unter den Voraussetzungen des 236 FamFG sind auch Dritte (Arbeitgeber, Versicherungen etc.) dem Gericht gegenüber zur Auskunft verpflichtet. 1. Inhalt 1605 BGB beinhaltet zwei Anspruchsgrundlagen: den Anspruch auf Auskunftserteilung ( 1605 Abs. 1 S. 1 BGB) sowie den Anspruch auf Belegvorlage ( 1605 Abs. 1 S. 2 BGB). Beim Auskunftsverlangen sollte stets deutlich gemacht werden, dass beide Ansprüche geltend gemacht werden. Das häufig anzutreffende Verlangen Auskunft zu erteilen durch Vorlage von Belegen ist unvollständig; richtig muss verlangt werden Auskunft zu erteilen und Belege vorzulegen Die Auskunft ist zu erteilen durch ein übersichtliches Verzeichnis ( 260 Abs. 1 BGB), dessen Richtigkeit im Verdachtsfall des 260 Abs. 2 BGB eidesstattlich zu versichern ist. Die bislang strittige Frage, ob der Verpflichtete die Auskunft persönlich unterschreiben muss, hat der BGH 1 zwischenzeitlich verneint. Jedenfalls aber ist sie wegen der ggfs. notwendig werdenden eidesstattlichen Versicherung schriftlich und in einer Urkunde zu erteilen. 1 BGH, FamRZ 2008,
16 2. Zeitraum Beim Nichtselbständigen wird regelmäßig der Nachweis des Erwerbseinkommens für ein Jahr als ausreichend angesehen. Bei schwankenden Einkünften aus abhängiger Tätigkeit (z. B. Gratifikationen, die nicht jedes Jahr oder in unterschiedlicher Höhe erfolgen) rechtfertigt sich aber ohne Weiteres ein längerer Zeitraum. Beim Selbstständigen wird in der Regel auf einen Zeitraum von drei Jahren abgestellt. Dieser Zeitraum soll die üblichen Einkommensschwankungen eines Selbstständigen ausgleichen. Oft sinken Einkünfte eines Selbstständigen in Zeiten, in denen sich eine Trennung vom Partner abzeichnet, ab oder es bestehen Anhaltspunkte dafür, dass er sein buchmäßiges Einkommen manipuliert hat. In diesem Fall kann für einen längeren Zeitraum Auskunft verlangt werden. Ein längerer Auskunftszeitraum kann sich auch dann ergeben, wenn die Einkommensteuerbescheide nicht regelmäßig ergangen sind und es so zu Nachzahlungsforderungen in einem Jahr für mehrere, weiter zurückliegende Jahre kommt. Die hierdurch entstandenen Schwankungen können nur durch das Abstellen auf einen weitergehenden Zeitraum angemessen erfasst werden. Die Auskunftspflicht hinsichtlich sonstiger Einkünfte erstreckt sich in der Regel auf den Zeitraum eines Jahres. 3. Pflicht zur Vermögensauskunft Gem BGB besteht eine Auskunftsverpflichtung über Einkünfte und Vermögen, soweit dies zur Feststellung einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist. In der Regel spielt der Vermögensstamm für die Unterhaltsverpflichtung keine Rolle, es sei denn, das Einkommen reicht zur Deckung des Unterhaltsbedarfs nicht aus und es besteht eine Pflicht zur Vermögensver- 19
17 wertung. Es gibt daher unterhaltsrechtlich in der Regel keine Verpflichtung zur Erteilung einer Vermögensauskunft Pflicht zur ungefragten Mitteilung Auskunft ist grundsätzlich nur auf Verlangen zu erteilen. Eine neue Auskunft kann erst nach Ablauf von zwei Jahren verlangt werden, es sei denn, es wird glaubhaft gemacht, dass der Pflichtige vor Ablauf der Frist eine wesentliche Einkommensveränderung erfahren oder weiteres Vermögen erworben hat, 1605 Abs. 2 BGB. Eine Verpflichtung zur ungefragten Offenbarung veränderter wirtschaftlicher Verhältnisse besteht grundsätzlich nicht. Eine gesetzlich normierte Ausnahme sieht nunmehr 235 Abs. 3 FamFG vor: Während eines Gerichtsverfahrens sind wesentliche Veränderungen unaufgefordert mitzuteilen. Zudem besteht außergerichtlich nach 242 BGB eine Verpflichtung zur ungefragten Information, 3 wenn ein Verschweigen evident unredlich wäre, weil der Unterhaltsberechtigte die Änderung weder erwarten noch erkennen konnte (z. B. Wechsel der Arbeitsstätte). Der Eintritt einer wesentlichen Veränderung im Sinne des 238 FamFG alleine genügt hierfür nicht. Konnte der Berechtigte diese Veränderung erkennen, kann von ihm erwartet werden, dass er von seinem Auskunftsanspruch Gebrauch macht. Das Vorstehende gilt sinngemäß auch dann, wenn nicht Veränderungen in der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten eintreten, sondern in der Bedürftigkeit des Berechtigten (z. B. Abbruch der Ausbildung). Aus diesem Grund kann der Unterhaltsverpflichtete zu Unrecht geleistete Unterhaltsbeträge gemäß 812 BGB zurückfordern und ggfs. Schadensersatz nach 826 BGB verlangen, wenn der Berechtigte seine Offenbarungspflichten verletzt. III. Unterhalt für die Vergangenheit Der Unterhalt dient der Bestreitung der laufenden Lebenshaltungskosten des Berechtigten, der Pflichtige muss sich zudem auf die Zahlungsverpflichtung einstellen können. Unterhalt für die Vergangenheit kann deshalb (ausgenommen beim Sonderbedarf, 1613 Abs. 2 BGB) nur dann verlangt wer- 2 3 Streitig, a. A. Wendl/StaudiglDose, 7. Aufl., 1 Rz 663. BGH, FamRZ 1986, 450; BGH, FamRZ 1988,
18 den, wenn der Unterhaltsverpflichtete in Verzug war, ab Rechtshängigkeit oder ab dem Auskunftsbegehren zum Zwecke der Unterhaltsgeltendmachung ( 1585b Abs. 2, 1613I BGB). Der Unterhalt wird dann ab dem ersten des Monats geschuldet, in dem das Auskunfts- oder Verzugsschreiben bzw. der Verfahrensantrag zuging, 1613 Abs. 1 S. 2 BGB. Liegen die Voraussetzungen des 1613 Abs. 1 BGB am Monatsletzten nicht vor, verfällt der Unterhaltsanspruch für diesen Monat. Um dies zu verhindern, sollte der Pflichtige daher umgehend, auch in unstreitigen Fällen, in Verzug gesetzt oder zur Auskunft aufgefordert werden. Überflüssig ist eine Mahnung, wenn der Schuldner die Unterhaltszahlung endgültig verweigert, in dem er z. B. freiwillige Unterhaltszahlungen endgültig einstellt. Hat der Unterhaltsgläubiger durch ein Auskunftsverlangen oder eine Mahnung die Voraussetzungen des 1613 Abs. 1 BGB geschaffen, ist er gehalten, seine Unterhaltsansprüche zeitnah geltend zu machen. Bleibt der Unterhaltsgläubiger längere Zeit untätig, kommt eine Verwirkung des rückständigen Unterhaltes in Betracht. Wann sich der Verpflichtete darauf einstellen kann, dass der rückständige Unterhalt nicht mehr geltend gemacht wird, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. In der Regel wird nach einem Jahr Untätigkeit Verwirkung eintreten. 4 4 BGH, FamRZ 2007, 453, vgl. auch 1585b III BGB zum nachehelichen Ehegattenunterhalt. 21
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20 B. Unterhaltsrechtliches Einkommen und Vermögensverwertung I. Einkünfte Die Einkommensermittlung ist beim unterhaltsrechtlichen Mandat von zentraler Bedeutung. Im Unterhaltsrecht gilt ein weiter Einkommensbegriff. Zur Bestimmung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens sind alle Einkünfte zu berücksichtigen, gleich welcher Art sie sind und aus welchem Anlass sie erzielt werden. Unerheblich ist, ob es sich um laufende oder unregelmäßige Zahlungen oder um die Gewährung geldwerter Vorteile handelt. Ausschlaggebend ist allein, dass die Einkünfte zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen. Auf die steuerrechtliche Einordnung kommt es nicht an. Bei der Auswertung steuerlicher Unterlagen ist daher stets zu prüfen, ob steuerlich zulässige Abzüge auch unterhaltsrechtlich anerkannt werden. So werden z. B. Ansparrücklagen, 5 mit denen keine Investitionen getätigt wurden, und Sonderabschreibungen, 6 denen kein entsprechender Wertverlust entgegensteht, bei Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit und die Gebäude-AfA 7 bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unterhaltsrechtlich nicht anerkannt. Grundsätzlich ist nur das tatsächliche Einkommen für den Unterhalt maßgeblich. Der Unterhaltsschuldner muss sich allerdings leistungsfähig halten, der Unterhaltsgläubiger hat die Unterhaltslast so weit wie möglich zu verringern. Beide müssen daher ihre Arbeitskraft soweit zumutbar einsetzen. Schöpft jedoch der Unterhaltspflichtige oder -bedürftige entgegen einer unterhaltsrechtlich bestehenden Obliegenheit mögliche Einnahmequellen nicht (voll) aus, werden ihm fiktive Einkünfte zugerechnet. Dies ist in erster Linie bei einem Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit der Fall. Häufig gibt der Pflichtige nach der Trennung seine bisherige Beschäftigung auf oder reduziert sie. Oder die Kinder betreuende Mutter kommt ihrer einsetzenden BGH, FamRZ 2004, BGH, FamRZ 2003, 741. BGH, FamRZ 2005,
21 (Teil-)Erwerbsobliegenheit nicht nach. In diesen Fällen muss ggfs. durch richterliche Schätzung ermittelt werden, in welcher Höhe Einkünfte erzielt werden könnten. Diese werden dann bei der Unterhaltsberechnung zugrunde gelegt. 1. Einkommensquellen a) Allgemeines Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen besteht zum einen aus den sieben Einkunftsarten des 2 EStG: Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Tätigkeit, nichtselbstständiger Tätigkeit, Kapital, Vermietung und Verpachtung und sonstigen Einkünften im Sinne des 22 EStG. Zum anderen können auch vermögenswerte Vorteile (z. B. mietfreies Wohnen), sozialstaatliche Zuwendungen (z. B. Arbeitslosenund Krankengeld) sowie Versorgungsleistungen Dritter (z. B. Haushaltsführung des Lebensgefährten) unterhaltsrechtliches Einkommen sein. b) Mietfreies Wohnen Der Wohnwert des mietfreien Wohnens im Eigenheim ist als Nutzung des Vermögens unterhaltsrechtliches Einkommen. Der Wohnwert entspricht der objektiven Marktmiete. Es ist also zunächst zu ermitteln, zu welchem Preis das Eigenheim vermietet werden könnte. Dies kann durch einen Vergleich der Mietangebote ähnlicher Objekte oder durch den Mietspiegel erfolgen. Im Streitfall wird der Richter den Wohnwert in der Regel aus eigener Sachkunde gem. 287 ZPO schätzen, sodass ein Sachverständigengutachten hierüber nur in Ausnahmefällen erforderlich ist. Beim Ansatz des Wohnwertes ist zwischen der Zeit der Trennung und der Zeit ab Rechtskraft der Scheidung zu differenzieren. Während beim nach- 24
22 ehelichen Unterhalt der volle Wohnwert anzusetzen ist, ist beim Trennungsunterhalt lediglich der so genannte angemessene Wohnwert anzusetzen. 8 Der angemessene Wohnwert entspricht einer dem ehelichen Lebensstandard genügenden kleineren Wohnung (Orientierungswert: ⅓ des Einkommens). Dabei wird berücksichtigt, dass der im Eigenheim verbleibende Partner hinsichtlich des vom Ausziehenden zurückgelassenen Wohnraums keinen wirtschaftlichen Vorteil hat und einer aufgedrängten Bereicherung 9 unterliegt. Zu kürzen ist der Wohnwert um berücksichtigungsfähige Schulden. Sind die Ehepartner gemeinsame Eigentümer, kürzen Zins- und Tilgungsleistungen den Wohnwert. Bei Alleineigentum kürzen nach BGH 10 in Abänderung seiner früheren Rechtsprechung ab Scheidung 11 nur noch die Zinsen den eheprägenden Wohnwert, nicht mehr die Tilgungsleistungen als einseitige Vermögensbildung. 12 Zudem sind abzugsfähig Instandhaltungskosten und verbrauchsunabhängige Nebenkosten, die üblicherweise nicht auf einen Mieter umgelegt werden können, denn nur um diesen Betrag wohnt ein Eigenheimbesitzer billiger als ein Mieter. Übersteigen die Abzahlungen den Wohnwert, kann ein negativer Wohnwert gebildet werden. Beispiel: die Eheleute M (bereinigtes Nettoeinkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus: ) und F (bereinigtes Nettoeinkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus: 800 ) trennen sich. M zieht aus der gemein BGH, FamRZ 2008, 963. Nimmt der im Eigenheim verbleibende Ehepartner allerdings seinen neuen Lebensgefährten in die Wohnung auf, ist bereits in der Trennungszeit der volle Wohnwert anzusetzen (OLG Schleswig, FamRZ 2003, 603). In diesen Fällen liegt keine aufgedrängte Bereicherung hinsichtlich des vom Ausziehenden zurückgelassenen Wohnraums vor. BGH, FamRZ 2007, 879. Genaugenommen müsste auf die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages abgestellt werden, da ab diesem Zeitpunkt der Alleineigentümer-Ehegatte wegen 1384 einseitige Vermögensbildung betreibt. Der BGH (FamRZ 2007, 879) hat aus Vereinfachungsgründen jedoch auf die Rechtskraft der Scheidung abgestellt, vgl. hierzu ausführlich A.II.4. Ausnahme: es handelt sich um angemessene Altersvorsorge, vgl. unten A.II.2. 25
23 samen Eigentumswohnung aus. Die objektive Marktmiete beträgt 900. Für eine angemessene Wohnung würde F 600 bezahlen. a) Trennungsunterhaltsanspruch der F? b) Unterhaltsanspruch der F nach Scheidung? Lösung (nach der Additionsmethode) 13 : a) Trennungsunterhalt der F Anspruchsgrundlage: 1361 BGB aa) Objektiver Wohnwert: 900 Hier jedoch, da Trennungsunterhalt geschuldet, nur angemessener Wohnwert: 600 bb) Unterhaltsbedarf der F: ½-mal (Nettoeink. M angem. Wohnwert Nettoeink. F 800) = cc) Unterhaltshöhe: Unterhaltsbedarf Eigeneink. F (= Wohnwert Nettoeink. 800) = 800 Die F hat also einen Trennungsunterhaltsanspruch in Höhe von 800. b) Unterhaltsanspruch der F nach Scheidung Anspruchsgrundlage: 1573 Abs. 2 BGB aa) Objektiver Wohnwert: 900 bb) Unterhaltsbedarf der F: ½-mal (Nettoeink. M Wohnwert Nettoeink. F 800) = cc) Unterhaltshöhe: Unterhaltsbedarf minus Eigeneink. F (= Wohnwert Nettoeink. 800) = 650 Der nacheheliche Unterhalt verringert sich daher auf 650. c) Versorgungsleistungen für Dritte Das Zusammenleben mit einem neuen Partner kann beim Unterhaltsbedürftigen dazu führen, dass ihm ein Einkommen aus Haushaltstätigkeit zugerechnet wird. 14 Beim Pflichtigen kann unter dem Gesichtspunkt ersparter Aufwendungen der Selbstbehalt im Mangelfall gekürzt werden Näher zur Additionsmethode siehe Unterhaltsrecht II, A.III.4.b.). BGH, FamRZ 2004, 1173; vgl. auch SüdL Nr
24 Beispiel: Die einkommenslose F trennt sich von ihrem Ehemann M (bereinigtes Nettoeinkommen nach Abzug des Erwerbstätigenbonus: ) und zieht zu ihrem neuen berufstätigen Lebenspartner, dem sie fortan den Haushalt führt. Unterhaltsanspruch der F? Lösung: Das für die Haushaltsführung anzusetzende Einkommen ist zu schätzen. Beim Ansatz von 400 (vgl. SüdL Nr. 6) ergibt sich folgende Berechnung: Unterhaltstatbestand: 1361 BGB Unterhaltsbedarf: ½ ( ) = Unterhaltshöhe: = Der Unterhaltsanspruch beträgt somit Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit Ein Ehepartner, der Kleinkinder betreut, muss unterhaltsrechtlich nicht bzw. nur eingeschränkt einer Erwerbstätigkeit nachgehen. 15 Arbeitet er doch, liegt eine überobligatorische Tätigkeit vor. Eine solche überobligatorische Tätigkeit kann auch für den Mehrverdienst angenommen werden, wenn der Bedürftige bei Kinderbetreuung z. B. statt halbtags zu zwei Dritteln arbeitet. 16 Ebenso liegt in der Regel eine überobligatorische Tätigkeit vor, wenn ein behindertes Kind betreut und daneben gearbeitet wird. 17 In Änderung seiner früheren Rechtsprechung ist nach Ansicht des BGH 18 auch Einkommen aus unzumutbarer Tätigkeit in die Unterhaltsberechnung mit einzubeziehen, das erzielte Einkommen ist aber vorab nach 1577 Abs. 2 BGB aus Billigkeitsgründen zu kürzen. Die Höhe der Kürzung ist immer eine Frage des Einzelfalls. Sie hängt insbesondere vom Umfang der Tätigkeit und dem Betreuungsaufwand sowie der Zahl der Kinder ab Abhängig vom Alter und den Betreuungsmöglichkeiten der Kinder, genauer hierzu: Unterhaltsrecht II, A.IV.2.b. BGH, FamRZ 2007, 882. BGH, FamRZ 2006, 846. BGH, FamRZ 2005, 967; FamRZ 2005, 1154; FamRZ 2007,
25 Beispiel: M und F trennen sich. M erzielt nach Abzug des Kindesunterhalts ein bereinigtes Nettoeinkommen von F, die die gemeinsamen Kinder (zwei und vier Jahre) betreut, erzielt ein bereinigtes Nettoeinkommen von Unterhaltsanspruch der F? (Berechnung nach Additionsmethode, Erwerbstätigenbonus 1 10) Lösung: Unterhaltstatbestand: 1361 BGB Unterhaltsbedarf: Einkommen M: = Einkommen F: Das Einkommen der F ist vorab gem Abs. 2 BGB (analog) zu kürzen. Die Höhe der Kürzung ist nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln, hier z. B Das verbleibende Einkommen von 500 ist in die Rechnung einzustellen: = 450 ½ (Einkommen M Einkommen F 450) = Unterhaltshöhe: = Der Unterhaltsanspruch beträgt somit Sieht man die Tätigkeit des Kinder betreuenden Elternteils nicht als überobligatorisch an, sind die konkreten Betreuungskosten bei der Bereinigung des Nettoeinkommens als Abzugsposten anzusetzen, wenn sie zur Ausübung der Berufstätigkeit erforderlich sind und sich im angemessenen Rahmen bewegen. Zudem kann ein Betreuungsbonus berücksichtigt werden, wenn der Mehraufwand der Berufstätigkeit trotz Kindesbetreuung nicht durch die konkreten Betreuungskosten aufgefangen wird. 19 Beispiel: Im vorherigen Beispiel sind die Kinder zehn und zwölf Jahre alt und werden nachmittags von den Großeltern betreut, um der F die Berufstätigkeit zu ermöglichen. Um die Kinder zu den Großeltern zu bringen, entstehen der F Fahrtkosten in Höhe von BT-Ds. 16/1830 S
II. Unterhaltsbedürftigkeit... 41 1. Die Erwerbspflicht von Kindern... 41 2. Ausbildungsunterhalt... 42 a) Der Ausbildungsanspruch...
Inhalt Teil 1... 11 Vorbemerkung... 12 Lernziele... 14 A. Allgemeines... 15 I. Prüfungsschema... 15 II. Auskunft... 16 1. Inhalt... 16 2. Zeitraum... 17 3. Pflicht zur Vermögensauskunft... 19 4. Pflicht
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