DIAGNOSTISCHE BEURTEILUNG DER ERZIEHUNGSFÄHIGKEIT BEI PSYCHISCH KRANKEN ELTERN

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Transkript:

DIAGNOSTISCHE BEURTEILUNG DER ERZIEHUNGSFÄHIGKEIT BEI PSYCHISCH KRANKEN ELTERN Starke Kinder im Schatten/Netzwerktreffen 10.05.2017 Dr. med. Andrea Stippel www.somnia-kliniken.de Seite 1 2016

Inhalt diagnostische Einschätzung der Belastungen und Gefährdungen Bedeutende Merkmale in Bezug auf die Einschätzung der Kindeswohlgefährdung Zahlen zum Thema, Risikofaktoren und Schutzfaktoren Seite 2 2016

Fragenkatalog zur diagnostischen Einschätzung der Belastungen und Gefährdungen Art der elterlichen Erkrankung und deren Verlauf Materielle Ressourcen Krankheitsbewältigung/-bewältigungsstil Familiäre Grenzen und Beziehungsmuster Familiäre Kommunikation Buch Lenz A., 2005,2014 Seite 3 2016

Fragenkatalog zur diagnostischen Einschätzung der Belastungen und Gefährdungen Emotionaler Ausdruck und Bindungsverhalten Umgang mit Belastungen und Konflikten Familienstrukturen Erziehungsverhalten Soziales Netzwerk der Familie Soziales Netzwerk der Kinder Buch Lenz A., 2005,2014 Seite 4 2016

Fragenkatalog zur diagnostischen Einschätzung der Belastungen und Gefährdungen: Handlungsleitende Informationen zur Frage: WAS SOLL VERÄNDERT WERDEN Buch Lenz A., 2005,2014 Seite 5 2016

Ressourcenorientierte Diagnostik: Klärung der Frage: WIE KANN DIE SITUATION AM BESTEN VERÄNDERT WERDEN Petermann F. & Schmidt M., 2006 Seite 6 2016

Ressourcenorientierte Diagnostik Ressourcen: Protektive Faktoren d.h. aktuell verfügbare Potentiale in Person und Umwelt eines Kindes, die die Wirkung von Risikofaktoren moderieren und können die Herausbildung von Störungen senken Petermann F. & Schmidt M., 2006 Seite 7 2016

Ressourcenorientierte Diagnostik Resilienz: Fähigkeit, vorhandene Mechanismen zur Bewältigung alterstypischer Entwicklungsaufgaben trotz bedeutender Belastungen zu aktivieren und Bewältigungskompetenzen zu entwickeln (= psychische Robustheit), bereichsspezifisch (emotional, sozial) Petermann F. & Schmidt M., 2006 Seite 8 2016

Kinder psychisch kranker Eltern: Individuelles Coping Einzelner Belastungsfaktor hat nur eine begrenzte Aussagekraft Haupteffektmodell, das lange in Risikoforschung vorherrschte wurde zu einem additiven, gewichteten Modell ausgeweitet Kindliche Entwicklungsprozesse werden von der kumulativen Wirkung von Belastungsfaktoren beeinflusst Lenz A. & Kuhn J., 2011 Seite 9 2016

Kinder psychisch kranker Eltern: Individuelles Coping Multizentrisches DFG-Forschungsprojekt Schizophrenie und Elternschaft 2011 Stressverarbeitungsfragebogen (SVF-KJ) erfasst Aspekte der dispositionellen Stressverarbeitung bei 8-13jährigen, Abweichungen gegenüber Normierungsstichprobe Hampel et al. 2001 neun Subtests, 72 Items, zu Sekundärskalen emotionsregulierende Bewältigung, problemlösende Bewältigung, negative Stressverarbeitung verdichtet Buch Lenz A.., 2005,2014 Seite 10 2016

Kinder psychisch kranker Eltern: Individuelles Coping Kinder psychisch kranker Eltern weisen auf den 3 Subskalen: Ablenkung/Erholung, soziales Unterstützungsbedürfnis, Aggression signifikante Unterschiede zur Normierungsstichprobe auf 3 Coping-Typen: A: aggressives Coping B: kontrollierendes Coping C: moderates Coping Buch Lenz A.., 2005,2014 Seite 11 2016

Typ A: aggressives Coping Buch Lenz A.., 2005,2014 Geringe Ablenkungsfähigkeit Ungünstige Emotionsregulation (hohe Aggressionswerte, geringe Fähigkeit zur Erholung) geringe positive Stressverarbeitung wie Bagatellisierung, Situationskontrolle und positive Selbstinstruktion erhöhte negative Stressverarbeitung wie Resignation, passive Vermeidung, gedankliche Weiterbeschäftigung Seite 12 2016

Typ B: kontrollierendes Coping Buch Lenz A.., 2005,2014 auffälliges, sehr hohes Unterstützungsbedürfnis (Suche nach sozialer Unterstützung, Trost, Verständnis) hohe Situationskontrolle hohe Verantwortungsübernahme hohe positive Selbstinstruktion geringe Resignation bagatellisieren Seite 13 2016

Typ C: moderates Coping Buch Lenz A.., 2005,2014 unauffällige Stressverarbeitung d.h. unauffällige Werte des SVF-KJ verfügen über breites Repertoire an Copingstrategien haben ein geringes Risiko eine Störung zu entwickeln Seite 14 2016

Diagnostische Instrumente: allg. Belastungen und Gefährdungen ESF - Elternstressfragebogen (Domsch & Lohaus, 2010) EBI Elternbelastungsinventar, 48 Items, 10 min (Tröster, 2011) PSI- in den USA bewährtes, normiertes Verfahren zur Erfassung der elterlichen Belastung, als zentralem Risikofaktor für dysfunktionales Erziehungsverhalten Elternbereich, Kinderbereich, zur Erfassung der mütterlichen Belastung normiert Fragebogen zur Erfassung der Parentifizierung (Ohntrup et al., 2011) für Eltern von 6-18jährigen Kindern 15 Fragen, Summenscore über Frage 3-15 Seite 15 2016

Einschätzung der Kindeswohlgefährdung: Bedeutende elterliche Merkmale Persönlichkeitsmerkmale der Eltern (Misshandelnde Eltern zeigen überzufällig häufig eine ausgeprägte, negative Emotionalität, erhöhte Ängstlichkeit, Traurigkeit sowie herabgesetzte Frustrationstoleranz) Buch Lenz A., 2005,2014 Eigene Gewalterfahrung der Eltern (Cycle of Violence) Eltern-Kind Interaktion (unangemessene Erwartungen an die Selbstständigkeit der Kinder, können kaum eigene Bedürfnisse zurückstellen) Erziehungsverhalten (ausgeprägte Gefühle der Belastung) Seite 16 2016

Einschätzung der Kindeswohlgefährdung: Bedeutende kindliche Merkmale Buch Lenz A., 2005,2014 Alter und Geschlecht (umso jünger, Mädchen eher sexueller Missbrauch, Jungen eher körperliche Misshandlungen) Entwicklungsstand und Gesundheit z.b. Entwicklungsrückstände oder Behinderungen Regulations- und Verhaltensstörungen (Erhöhung der elterlichen Belastung und Misshandlungsraten) Seite 17 2016

Einschätzung der Kindeswohlgefährdung: Bedeutende familiäre Merkmale Buch Lenz A., 2005,2014 Familiäre Stressbelastung (Eheproblematiken, Wohnverhältnisse, ungünstige Bewältigungsstrategien, geringe finanzielle Ressourcen) Belastungen durch wiederholte Partnerschaftsgewalt (Risikofaktor für die Entstehung von Misshandlungen) Fehlende soziale Unterstützung und Isolation der Familie (wenig unterstützendes tragfähiges soziales Netzwerk, z.b. weniger Kontakt zu Verwandten als bei unauffälligen Vergleichspersonen) Seite 18 2016

Diagnostische Instrumente Kindswohlgefährdung Eltern-Belastungs-Screening zur Kindswohlgefährdung Beruht auf Child Abuse Potential Invetory (CAPI) von Milner 1990 Beruht in erster Form auf einer Literaturrecherche, in die über 700 Artikel und Bücher über Kindesmisshandlung und Vernachlässigung eingegangen sind Es wurden Merkmale erfasst, die aufgrund empirischer Befunde und theoretischer Annahmen als charakteristisch für Personen betrachtet wurden, die Kinder misshandeln Seite 19 2016

Diagnostische Instrumente Kindswohlgefährdung 160 Items unterteilt in 4 Bereiche Darunter drei Validitäts-Skalen: 1. Lügenskala 2. Zufallsantwortskala 3. Inkonsistenz-/Unstimmigkeitsskala Seite 20 2016

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! a.stippel@somnia-kliniken.de www.somnia-kliniken.de Seite 21 2016