Kontrastive Phraseologie Deutsch-Tschechisch am Beispiel des Buches von Bernhard Schlink Der Vorleser Předčítač

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Transkript:

MASARYKOVA UNIVERZITA V BRNĚ FILOZOFICKÁ FAKULTA ÚSTAV GERMANISTIKY, NORDISKTIKY A NEDERLANDISTIKY Kontrastive Phraseologie Deutsch-Tschechisch am Beispiel des Buches von Bernhard Schlink Der Vorleser Předčítač DIPLOMOVÁ PRÁCE Autor: Bc. Kateřina Hemalová Vedoucí práce: Phdr. Jiřina Malá, CSc. Brno 2011

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei Frau PhDr. Jiřina Malá, CSc. für ihre wertvollen Ratschläge und kritischen Bemerkungen bei der Ausarbeitung meiner Diplomarbeit bedanken.

Ich erkläre hiermit, dass ich meine Diplomarbeit selbständig verfasst habe und dass ich nur die Literatur verwendet habe, die ich am Ende der Magisterarbeit eingetragen habe. Brünn, Mai 2011.................. Kateřina Hemalová

INHALT EINLEITUNG UND ZIELSETZUG... 2 1 EINFÜHRUNG IN DIE PHRASEOLOGIE UND GRUNDBEGRIFFE... 4 1.1 Phraseologie, Phraseologismus... 4 1.2 Polylexikalität... 5 1.3 Festigkeit / Stabilität... 6 1.3.1 Regelwidrigkeiten der Festigkeit von Phraseologismen... 7 1.4 Idiomatizität... 10 1.4.1 Vollidiomatisch... 10 1.4.2 Teilidiomatisch... 11 1.4.3 Nichtidiomatisch... 11 1.5 Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit... 12 2 KLASSIFIKATION UND TERMINOLOGIE DER PHRASEOLOGISMEN IN DER GEGENWARTSPRACHE... 13 2.1 Basisklassifikation und -terminologie... 13 2.1.1 Referentielle Phraseologismen... 13 2.1.2 Strukturelle Phraseologismen... 16 2.1.3 Kommunikative Phraseologismen... 16 2.2 Syntaktische Klassifikation... 17 2.3 Spezielle Klassen... 17 2.3.1 Modellbildungen... 18 2.3.2 Zwillingsformeln (Paarformeln)... 18 2.3.3 Komparative Phraseologismen (phraseologische Vergleiche)... 18 2.3.4 Kinegramme... 19 2.3.5 Geflügelte Worte (landläufiges Zitat)... 19 2.3.6 Autorphraseologismen... 19 2.3.7 Onymische Phraseologismen... 20 2.3.8 Phraseologische Termini... 20 2.3.9 Klischees... 21 3 KONTRASTIVE PHRASEOLOGIE... 22 3.1 Dimensionen... 22 3.1.1 Intralinguale Dimension... 22 3.1.2 Interlinguale Dimension... 22

3.2 Die kontrastive Methode... 23 3.3 Äquivalenztypen... 23 3.3.1 Vollständige Äquivalenz... 24 3.3.2 Partielle Äquivalenz / Teiläquivalenz... 24 3.3.3 Rein semantische Äquivalenz... 25 3.3.4 Nulläquivalenz... 25 3.3.5 Falsche Freunde... 25 3.4 Phraseologismen im Text und in Textsorten... 25 3.4.1 Presse und Publizistik... 27 3.4.2 Wissenschaft... 27 3.4.3 Künstlerischer Text... 28 3.5 Phraseologismen in der Übersetzung... 29 4 BERNARD SCHLINK UND DER VORLESER... 32 4.1 Bernard Schlink als Jurist... 32 4.2 Bernard Schlink als Schriftsteller... 32 4.3 Der Roman Der Vorleser... 33 4.3.1 Der Übersetzer von Roman Der Vorlese... 34 5 ANALYSE... 36 5.1 Nach Äquivalenzstufen... 37 5.1.1 Volläquivalenz... 37 5.1.2 Teiläquivalenz... 51 5.1.3 Rein semantische Äquivalenz... 56 5.1.4 Nulläquivalenz... 59 5.2 Tschechische Phraseologismen... 74 ZUSAMMENFASSUNG... 80 LITERATURVERZEICHNIS... 82 LISTE DER ABKÜRZUNGEN... 87 ANLAGEN... 88 ABBILDUNGS- UND TABBELENVERZEICHNIS.... Abbildung 1: Die Gliederung von referentiellen Phraseologismen... 14 Abbildung 2: Die erweiterte Gliederung von referentiellen Phraseologismen... 14 Abbildung 3: Die gesamte Gliederung von Phraseologismen nach Burger (2007)... 16

Abbildung 4: Der Prozentanteil von verwendeten und übersetzten Phraseologismen nach Äquivalenzstufen... 73 Abbildung 5: Der Prozentanteil von verbalen und nicht verbalen Phraseologismen im deutschen Original... 79 Tabelle 1: Die Anzahl der tschechischen Übersetzungen von Phraseologismen aus der Ausgangssprache (nach Äquivalenzstufen)... 73

EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG Der Wortschatz jeder Sprache wird durch die fest gebundenen Wortgruppen, die aus zwei oder mehr Lexemen gebildet sind, bereichert. Sie erlangen im Text Funktionen wie Expressivität, Modalität und Bildhaftigkeit 1. Diese Wortgruppen, die als Phraseologismen oder feste Wortverbindungen bezeichnet werden, stellen für den Übersetzer eine Herausforderung dar, denn sie sind nicht immer leicht zu übersetzen und der Übersetzer steht oft vor dem schwierigen Problem, auf Bilder zu treffen, die in seiner Sprache nur wenig Sinn ergeben. Die Bedeutung von Phraseologismen lässt sich oft aus den einzelnen Lexemen nicht erschließen. Tut mir leid, ich verstehe nur Bahnhof! könnte da ein gutes Beispiel sein. Der deutsche Phraseologismus nur Bahnhof verstehen ist in der wörtlichen Übersetzung ins Tschechische unsinnig: rozumět jenom nádraží, aber in der übertragenen Bedeutung bedeutet es etw. nicht verstehen/ begreifen [ něčemu nerozumět] und so könnte er ihn auch übersetzen. Ein Beispiel für die semantische Äquivalenz könnte der Phraseologismus být mimo mísu [ außerhalb der Schüssel sein] anzuführen werden. Ein guter Übersetzer muss diese phraseologische Bedeutung erkennen. Die Phraseologismen sind also eine große Herausforderung für den Übersetzer. Das Ziel dieser Arbeit ist es, zu untersuchen, wie ein professioneller Übersetzer, nämlich Tomáš Kafka, damit umgeht und wie er die festen Wortverbindungen in einem literarischen Werk übersetzt. Die deutschen Phraseologismen und ihre tschechischen Übersetzungen werde ich am Beispiel eines Werkes von Bernhard Schlink analysieren. Zur Analyse nahm ich sein bekanntestes Buch Der Vorleser. Diesen Autor und sein Buch habe ich zum einen aus eigenem Interesse gewählt und zum anderen weil mich der aktuelle Stand vom Phraseolgismen-Vorkommen in der deutschen bzw. tschechischen Sprache interessiert. Den theoretischen Teil meiner Arbeit habe ich in vier Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel werden die Grundbegriffe und die wesentlichen Eigenschaften der Phraseologismen dargestellt. Im Folgenden widme ich mich der Klassifikation und Terminologie der Phraseologismen nach Harald Burger. Auf die kontrastive Phraseologie und die Äquivalenzstufen wird im nächsten Kapitel eingegangen. Die Phraseologismen in 1 vgl. Burger, H.; Buhofer, A.; Sialm, A.: 1982: 345 2

verschiedenen Textsorten und mögliche Übersetzungsprobleme ordne ich in das dritte Kapitel ein. Abschließend stelle ich den Autor, das Buch und den Übersetzer vor. Die Grundlage für meinen praktischen Teil bilden das Buch Der Vorleser von Bernhard Schlink im Original, herausgegeben im Jahr 1995, und die Übersetzung Předčítač von Tomáš Kafka, herausgegeben im Jahr 2000. Die vorkommenden Phraseologismen werden nach Äquivalenzstufen analysiert und nach dem Vorkommen im Originaltext angeordnet. Ihre Übersetzung ins Tschechische wird überprüft, in die entsprechenden Äquivalenzstufe sortiert und ein Kommentar zugefügt. Falls in der tschechischen Übersetzung einige Phraseologismen, die nicht im Original als Phraseologismen stehen, vorkommen, werden sie in Kapitel 5.2 aufgelistet. 3

1 EINFÜHRUNG IN DIE PHRASEOLOGIE UND GRUNDBEGRIFFE Die deutsche Sprache wird durch die Bildung neuer Wörter bereichert, aber auch dadurch, dass einzelne Wörter ihre Bedeutung verändern. Auch der Einfluss anderer Sprachen beeinflusst sie. In der Vergangenheit hatten vor allem Latein, Italienisch oder Französisch einen großen Einfluss, heute vor allem Englisch. Der Wortschatz der deutschen Sprache wird zudem stetig mit fest gebundenen Wortgruppen, die aus zwei oder mehr Lexemen gebildet sind, bereichert. 2 1.1 Phraseologie, Phraseologismus Den Begriff Phraseologie erklärt das Fremdwörterbuch Duden 3 (2000) sprachwissenschaftlich als: a) Gesamtheit typischer Wortbildungen, charakteristischer Redensarten, Redewendungen einer Sprache; b) Zusammenstellung, Sammlung solcher Redewendungen und das Lexikon der Sprachwissenschaft 4 (2002) wie folgt: Erfassung, Beschreibung und Klassifizierung der Gesamtheit der Phraseologismen einer Sprache. Je nach theoretischem Hintergrund wurden besonders von sowjetischen Linguisten unterschiedliche Typologien entworfen, die sich auf Kriterien wie grammatische Struktur, Beweglichkeit der Einzelelemente, Stabilität des Ausdrucks, Distribution, Motivierung und Bedeutung stützen. Phraseologie wird in der deutschen Linguistik als eine junge Teildisziplin betrachtet und sie beschäftigt sich entweder mit der Erforschung der Wortverbindungen oder bildet die Gesamtheit von Phraseologismen in jeder Sprache. 5 2 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 1 3 Dudenredaktion: 2000: 1034 4 Hadumod Bußmann: 2002: 290 5 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 3-4 4

Die festen Wortverbindungen (Phraseologismen) bestehen nach Burger 6 (2007) erstens aus mindestens zwei Wörtern, die für Muttersprachler und Deutschsprechende in genau dieser Kombination oder in leicht variierter Zusammensetzung bekannt sind und zweitens werden die Einzellexeme nicht nur für ein einziges Mal zusammengestellt. Die Variation kommt entweder bei der Konjugation des Verbs (1) oder bei der Verwendung von verschiedenen Kasus der nominalen Ausdrücke (2) vor. Das heißt z.b. (1) wie um sein Leben rennen / ich rannte wie um mein Leben, (2) hinter jmds. Rücken / hinter seinem Rücken. 7 Die zwei wesentlichen Merkmale bilden nach Burger (2007) die Polylexikalität (Mehrwortcharakter) und die Festigkeit (Phraseologismus in Betracht als eine ganze Einheit). Den Bereich der Phraseologie im weiteren Sinne bilden diejenigen Phraseologismen, die die Polylexikalität und die Festigkeit aufweisen. 8 Unter Phraseologie im weiteren Sinne werden Sprichwörter und Antisprichwörter ( Wer A sagt, muss auch B sagen. X Wer A sagt, muss auch die weiteren Raten zahlen. ), Sagwörter und Wellerismen, Lehnsprichwörter (aus Latein omnia vincit amor entlehnt ins Deutsche alles überwindet die Liebe ) oder auch geflügelte Worte mitgezählt. 9 Wird der Phraseologismus noch um die Eigenschaft Idiomatizität erweitert, spricht man von der Phraseologie im engeren Sinne. 10 Die Charakterisierung von den drei Eigenschaften wird im Folgenden bestimmt. 1.2 Polylexikalität Zu den charakteristischen Merkmalen der Phraseologie zählt die Polylexikalität. Diese Eigenschaft ist relativ unkompliziert zu definieren, da sich die Wissenschaft darüber einig ist, dass ein Phraseologismus aus mindestens zwei Wörtern zusammengesetzt sein soll. Was unter einem Wort zu verstehen ist, soll hier nicht weiter diskutiert werden, weil es nicht Gegenstand dieser Arbeit ist. Auf der syntaktischen Ebene ist die obere Grenze der Länge eines Phraseologismus als ein Satz festzulegen. Die Gedichte, Gebete usw. fallen in 6 vgl. Harald Burger: 2007: 11 7 vgl. Harald Burger: 2007: 11-12 8 vgl. Harald Burger: 2007: 14 9 vgl. Christine Palm: 1997: 3-6 10 vgl. Harald Burger: 2007: 14-15 5

eine andere Kategorie, die auch einen Status wie die Phraseologismen haben kann, aber sie ist durch den Sprachbesitz größerer Personengruppen (z.b. Religionsgruppen) bedingt. Die auswendig gelernten Gedichte usw. von Einzelpersonen erlangen den Status von Phraseologismen nicht. 11 Die Wissenschaftler sind sich aber nicht einig über die festen Komponenten eines Phraseologismus. Fleischer 12 (1997) setzt durch, dass eine feste Wortverbindung aus mindestens einem Autosemantikum gebildet sein soll. Man unterscheidet zwischen Autosemantika und Synsemantika. Als Basiselemente (Autosemantika) werden Substantive, Adjektive, Verben, Adverbien, Numeralia bezeichnet. Zur Synsemantika, die man zuweilen auch als Verknüpfungselemente bezeichnet, gehören Pronomen, Präposition, Artikel und Konjunktion. Burger 13 (2007) neigt zu der Ansicht, dass jede feste Kombination von zwei Wörtern zur Phraseologie gezählt werden soll. 1.3 Festigkeit / Stabilität Das Merkmal der Festigkeit oder auch der Stabilität ist schwieriger festzulegen als die Polylexikalität. Die einzelnen Lexeme in einer freien Wortverbindung sind gut zu ersetzen, demgegenüber weist eine phraseologische Wortverbindung engere Grenzen auf, die einzelnen Komponenten auszutauschen, es liegt eine lexikalisch-semantische Stabilität vor 14. 15 Die Stabilität von phraseologischen Ausdrücken ist auch durch ihre Gebräuchlichkeit zu bestimmen. Es gibt aber einen großen Unterschied und zwar zwischen Kennen und Gebrauchen von Phraseologismen. Als Deutschsprechender versteht man einen phraseologischen Ausdruck, aber man gebraucht ihn aus verschiedenen Gründen nicht. Die allgemeine Gebräuchlichkeit bestimmter phraseologischer Ausdrücke ist nicht einfach herauszufinden. Die Wörterbücher zeigen meistens kein besonders aktuelles Material auf, 11 vgl. Harald Burger: 2007: 15 12 vgl. Wolfgan Fleischer: 1997: 82 13 Harald Burger: 2007: 16 14 Wolfgan Fleischer: 1997: 36 15 vgl. Wolfgan Fleischer: 1997: 36; vgl. Harald Burger: 2007: 16 6

so dass Umfragen unter Versuchspersonen als die einzige Quelle für klare Schlussfolgerungen in Frage kommen. 16 Wie die Phraseologismen im Gedächtnis eingebunden werden, erfährt man leicht aus den psycholinguistischen Tests, bei denen so genannten Lückentests benutzt werden. Die Erfahrung zeigt, dass die Phraseologismen im Gedächtnis als ganze Einheiten gespeichert werden, auch dann, wenn es sich nicht nur um zwei Bestandteile, sondern einen ganzen phraseologischen Satz handelt. 17 1.3.1 Regelwidrigkeiten der Festigkeit von Phraseologismen Dem Terminus Phraseologismus oder phraseologische Wortverbindung steht der Terminus freie Wortverbindung gegenüber. Für die freie Wortverbindung besteht nur die Pflicht, die morphosyntaktischen und semantischen Regeln zu halten, es kommen keine anderen Einschränkungen vor. Die phraseologische Wortverbindung wird daher nach Burger (1997) mit Irregularitäten, Restriktionen, Variation, Modifikation und pragmatischer Festigkeit gekennzeichnet. (A) Irregularitäten Die Phraseologismen weisen Anomalien auf, die gegen morphosyntaktische Regeln verstoßen. Bei einigen phraseologischen Einheiten wird eine morphosyntaktische Irregularität beobachtet. Die große Anzahl davon geht aus der Sprachgeschichte hervor und ist in der historischen Form bis heute geblieben, wie z.b. auf gut Glück, wo gut als unflektiertes attributives Adjektiv vorkommt. Ein besonderes Problem betrifft die Valenz des Verbs. Als Beispiel führt man den Phraseologismus jmdn. an den Bettelstab bringen, es fehlt hier ein obligatorisches Subjekt jmd., da es sich um eine Formulierung des phraseologischen Infinitivs handelt. 18 16 vgl. Harald Burger: 2007: 16 17 vgl. Harald Burger: 2007: 17 18 vgl. Harald Burger: 2007: 20-22 7

(B) Restriktionen Als folgende Anomalien werden morphosyntaktische Restriktionen (1) und lexikalischsemantische Restriktionen (2, 3) betrachtet. (1) Der phraseologische Ausdruck Das ist kalter Kaffee X Das Adjektiv in prädikativer Position Der Kaffee ist kalt. (kein Phraseologismus mehr) Das Adjektiv in einem Relativsatz Das ist Kaffee, der kalt ist. (verlorene phraseologische Bedeutung) Pluralbildung Das sind kalte Kaffees. (kein Phraseologismus mehr) (2) Der phraseologische Ausdruck die Flinte ins Korn werfen X eine Komponente durch ein Synonym das Gewehr ins Korn werfen ersetzt die Flinte in den Hafer werfen (verlorene phraseologische Bedeutung) (3) Der phraseologische Ausdruck Maulaffen feilhalten gang und gäbe X unikale Komponente durch einen anderen Ausdruck ersetzt Affen feilhalten/ Maulaffen anbieten (keine phraseologische Einheit mehr) fehlerhaftes Auftreten der Komponenten gäbe und gang (kein Phraseologismus mehr) 19 (C) Variation Eine große Zahl von Phraseologismen weicht von der Stabilität ab. Die phraseologischen Wortverbindungen weisen nicht nur eine Grundform, sondern auch dieser sehr ähnliche Variationen auf. Man spricht über die Relativität der phraseologischen Stabilität. 20 19 vgl. Harald Burger: 2007: 22-23 20 vgl. Harald Burger: 2007: 25; vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 205 8

Fleischer 21 (1997) unterscheidet zwischen den grammatischen, lexikalischen und erweiterten/ gekürzten Variationen: (1) Grammatische Variation In einer Komponente oder mehren Komponenten der phraseologischen Wortverbindung kommt es zu morphologischen Veränderungen. In den Beispielen von: Numerus ( jmdn. im Arm/ in den Armen halten ) Rektion ( für jmdn./ jmdm. Platz machen ) Gebrauch des Artikels/ Pronomens ( wie um das/ sein Leben rennen ) (2) Lexikalische Variation Für die lexikalischen Komponenten des Phraseologismus besteht die Möglichkeit eine oder mehrere von denen auszutauschen. Das führt zur Entstehung eines synonymischen oder antonymischen Phraseologismus. Beispielsweise: Synonyme ( unter Druck stehen/ sein ) Antonyme ( mit dem/ gegen den Strom schwimmen ) (3) Erweiterte oder reduzierte Variation Der Phraseologismus wird um eine Komponente oder um mehrere Komponenten erweitert oder reduziert. Zum Beispiel: sich etw. im Kalender anstreichen/ sich etw. rot im Kalender anstreichen (D) Modifikation Die Modifikationen kommen seltener als die Variationen vor. Es handelt sich um gelegentlich auftauchende (okkasionelle) Abwandlungen eines Textes, der gerade zu einem bestimmten Zweck modifiziert wird. 22 Beispielsweise: Viele Köche verderben den Brei wird zu Viele Köche verderben die Köchin umgewandelt. 23 21 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 206-7 22 vgl. Harald Burger: 2007: 27, 37 23 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 256 9

(E) Pragmatische Festigkeit Die mündliche oder schriftliche Informationsübermittlung weist phraseologische Ausdrücke auf, die sich auf typische Situationen oder Aufgaben in der bestimmten Kommunikation beziehen, sie werden auch als Routineformeln bezeichnet. 24 (1) Gruß- und Abschiedsformeln eines Gespräches ( Guten Tag/ Auf Wiedersehen ) (2) Ausdrücke bei formellen Situationen z.b. einer Gerichtsverhandlung ( Ich eröffne die Verhandlung ) (3) Gesprächspezifische Phraseologismen ( nicht wahr?/ ich meine/ hör mal ) (4) Schreibspezifische Phraseologismen ( mit freundlichen Grüßen/ Automat nicht in Betrieb ) 25 1.4 Idiomatizität Die Bedeutungen der phraseologischen Wortverbindungen und der freien Wortverbindungen werden durch die graduelle Eigenschaft der Idiomatizität charakterisiert. 1.4.1 Vollidiomatisch (A) keine ursprüngliche Bedeutung Früher bin ich so oft aus der Haut gefahren und habe Dinge gesagt, die ich selbst gar nicht wollte. Früher habe ich mich so oft aufgeregt und habe Dinge gesagt, die ich selbst gar nicht wollte. Das Beispiel ich bin aus der Haut gefahren zeigt, dass der Ausdruck seine wörtliche ursprüngliche Bedeutung verloren hat. Der semantische Sinn zwischen den Lexemen von Haut und fahren ist nicht nachvollziehbar und daher wird der phraseologische Ausdruck als vollidiomatisch markiert. In dem zweiten Satz ist die ursprüngliche Bedeutung Wort für Wort erläutert. 24 vgl. Harald Burger: 29 25 1-4 vgl. Harald Burger: 2007: 29-30; vgl. H. Burger, A. Buhofer und A. Sialm: 1982: 123 10

Die Volldiomatizität ist sehr offensichtlich bei Phraseologismen mit unikalen Komponenten zu betrachten. Ein Beispiel mag hier genügen: gang und gäbe. (B) eine ursprüngliche Bedeutung Gestern habe ich mir meinen Kopf gewaschen. Wegen seines ungebührlichen Verhaltens wurde ihm von seinem Vorgesetzten der Kopf gewaschen. Wegen seines ungebührlichen Verhaltens wurde ihm von seinem Vorgesetzten gründlich die Meinung gesagt. Die übertragene (phraseologische) und die wörtliche (freie) Bedeutung des Phraseologismus können in beiden Nuancen entsprechend verwendet werden. Die freie Wortverbindung im ersten Beispiel jmdm. den Kopf waschen ist verständlich durch die einzelnen Komponenten. Der zweite Satz zeigt die übertragene vollidiomatische Bedeutung eindeutig und die Erläuterung des Phraseologismus kommt im dritten Beispielsatz vor. 1.4.2 Teilidiomatisch Wir unternehmen eine Fahrt ins Blaue. Wir unternehmen eine Vergnügungsfahrt mit unbekanntem Ziel. Der Phraseologismus eine Fahrt ins Blaue wird aus einer idiomatischen Komponente ins Blaue und einer wendungsexternen Bedeutung eine Fahrt gebildet. Die Bedeutung der blauen Farbe bezieht sich auf die Farbe des in den früheren Zeiten ganz häufig angebauten blauen blühenden Flachs und infolgedessen wird seine Farbe als Farbe der Ferne verwendet. Die Fahrt ins Blaue in der Bedeutung einen Ausflug machen, in die blau blühende Landschaft fahren. 26 Der Grad der Idiomatizität einer solchen semantischen Zusammensetzung ist geringer und wird somit als teilidiomatisch bezeichnet. Der zweite Satz deutet die wörtliche Bedeutung. 1.4.3 Nichtidiomatisch Meine Schwester putzt sich die Zähne jeden Abend. 26 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/blau oder auch http://www.redensartenindex.de/suche.php?suchbegriff=ins+blaue+fahren&bool=relevanz&suchspalte%5b%5d=rart_ou [geöffnet am 24.3. 2011] 11

Die ursprüngliche und phraseologische Bedeutung wird durch keine oder nur geringe semantische Differenz gekennzeichnet. 27 Harald Burger (2003) nutzt für die nichtidiomatischen oder nur schwach idiomatischen Wortverbindungen auch den Terminus Kollokationen. ( in der Sonne liegen, unter der Sonne sitzen ). 1.5 Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit Nach Fleischer (1997) gehören zu den phraseologischen Merkmalen auch Lexikalisierung und Reproduzierbarkeit. Die Lexikalisierung bedeutet, dass die phraseologischen Wortverbindungen ins Lexikon aufgenommen und in ihm gespeichert werden und als fertige Einheiten zur Verfügung stehen. Die einzelnen Wörter werden im Wörterbuch eingetragen, aber für eine phraseologische Wortverbindung ist es eine zusätzliche Markierung. Der Sprachbenutzer soll die syntaktischen Konstruktionen nicht mehr Wort für Wort neu bilden, sondern nur einfach reproduzieren. Die Reproduzierbarkeit kommt als selbstverständlich und mehr oder weniger automatisch bei der Kommunikation vor. 28 27 Idiomatizität vgl. H. Burger: 2007: 31-32, 53-54; vgl. W. Fleischer: 1997: 30-33; vgl. H. Bergerová: 2005: 15-16 28 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 30, 62-65 12

2 KLASSIFIKATION UND TERMINOLOGIE DER PHRASEOLOGISMEN IN DER GEGENWARTSPRACHE Dieses Kapitel widme ich der Klassifikation der Phraseologismen in der deutschen Gegenwartssprache und ihrer Terminologie nach Harald Burger (2007). Er versucht, den Bereich der Phraseologie als Ganzes zu fassen, deshalb stelle ich seine Theorie vor. Es gibt zahlreiche andere Klassifikationen von Phraseologismen (z.b. von Wolfgang Fleischer oder Erhard Agricola 29 ), aber um alle beschreiben zu können, müsste eine ganze Arbeit geschrieben werden und es ist nicht das Thema dieser Arbeit. Die Klassifikation von Burger wird im Folgenden demonstriert. 2.1 Basisklassifikation und -terminologie Den festen Wortverbindungen wird in der Kommunikation das Kriterium der Zeichenfunktion zugrunde gelegt. Es werden drei Typen der Phraseologismen unterschieden, die referentiellen, strukturellen und kommunikativen Phraseologismen. Im Folgenden werden alle Typen beschrieben: 30 2.1.1 Referentielle Phraseologismen Innerhalb dieser Gruppe kommt es zu einer Zweiteilung nach dem semantischen Merkmal in die nominativen Phraseologismen, die die Objekte und Vorgänge charakterisieren (das Schwarze Brett) und in die proposionalen Phraseologismen, die über die Funktion von Objekten und Vorgängen berichten ( Morgenstund hat Gold im Mund ). Parallel zum semantischen Merkmal kommt es noch zu einer anderen Zweiteilung, und zwar nach dem syntaktischen Merkmal. Es wird zwischen satzgliedwertigen Phraseologismen, die einer syntaktischen Einheit unterhalb der Satzgrenze entsprechen und satzwertigen Phraseologismen, die einen Satz oder eine noch größere Einheit bilden, unterschieden. Zur Illustration wird eine Abbildung zugefügt, die aber die sprachlichen Zeichen oder Zeichenkombination jeder Art noch ohne phraseologiespezifische Kriterien präsentiert. 29 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 111 30 vgl. Harald Burger: 2007: 36 13

Abbildung 1: Die Gliederung von referentiellen Phraseologismen Phraseologismen referentiell strukturell kommunikativ semantisch: nominativ syntaktisch: satzgliedwertig semantisch: propositional syntaktisch: satzwertig Nach Burger 31 (2007) wird unterhalb der nominativen Phraseologismen eine semantische Dreigliederung nach dem Grad der Idiomatizität festgestellt. Die Idiomatizität als Kriterium wird nicht strikt, sondern durch die fließenden Übergänge gekennzeichnet. Die Typen sind: Idiome, Teil-Idiome und Kollokationen: (A) Idiome ( aus der Haut fahren ) (B) Teil-Idiome ( eine Fahrt ins Blaue ) (C) Kollokationen werden als nicht- oder schwachidiomatische Phraseologismen bezeichnet ( sich die Zähne putzen ) Abbildung 2: Die erweiterte Gliederung von referentiellen Phraseologismen Phraseologismen referentiell strukturell kommunikativ semantisch: nominativ syntaktisch: satzgliedwertig semantisch: propositional syntaktisch: satzwertig Idiome Teil-Idiome Kollokationen Die satzwertigen/ proposionalen Phraseologismen lassen sich auch durch die Idiomatizität teilen und zwar in zwei große Gruppen: 31 vgl. Harald Burger: 2007: 37-8 14

(A) Feste Phrasen Mit diesem Terminus sollen satzwertige Formulierungen zusammengefasst werden, die entweder durch verfestigte Komponenten oder durch zu diesem Zweck formulierte Elemente an den Kontext angeschlossen sind. Es gibt vier Typen, für die aber noch keine Termini festgelegt sind: (1) In der Regel sind es Sätze, die durch das deiktische Element das den ganzen Satz umfassen. Sie beziehen sich auf die Situation oder einen vorhergehenden Gesprächsbeitrag. Beispielweise: das ist ja die Höhe! im Sinne das ist unglaublich. (2) Bei diesen festen Phrasen kommt es zur direkten meistens auch ironischen Ansprache einer Person in einem zwischen zwei oder mehreren Personen geführten Dialog. Ein Beispiel dafür: Ihr habt wohl Säcke an den Türen? im Sinne eines Appells, die Tür zu schließen. (3) Die Sätze werden an den Kontext unauffällig mit Partikeln oder Adverbialen angebunden, ohne Oberflächenelement, z. B.: das Eis ist gebrochen im Sinne von die Stimmung hat sich geändert, die ersten Hemmungen sind beseitigt. (4) Die phraseologischen Wortverbindungen werden durch Subjekt, finites Verb und eine Leerestelle (Attribut oder Dativobjekt) gekennzeichnet. Der Anschluss des Phraseologismus an den Kontext entsteht durch die Aktualisierung der Leerstelle. Beispielweise: jmdm. fällt ein Stein vom Herzen im Sinne jmd. ist plötzlich sehr erleichtert. (B) Topische Formeln Als topische Formeln werden die satzwertigen Formulierungen verstanden, die durch kein lexikalisches Element an den Kontext angeschlossen werden müssen 32. Um die topischen Formeln zu verstehen, ist eine Anpassung an eine spezielle Situation oder einen speziellen Kontext nicht notwendig. Es werden zwei Subklassen unterschieden: (1) Sprichwörter ein Beispiel: Lügen haben kurze Beine. (2) Gemeinplätze zum Beispiel: Was man hat, das hat man. Die Abgrenzung der Sprichwörter und Gemeinplätze erfolgt durch ein semantisches Kriterium. Die Gemeinplätze formulieren Tatsachen, die selbstverständlich sind und sich 32 Harald Burger: 2007: 41 15

auf ein allgemeines Weltwissen beziehen, mit denen man aber seine Handlungen bewerten oder rechtfertigen will. Die Sprichwörter werden dagegen erstens als Überzeugungen, Werte und Normen in einer bestimmter Kultur und Zeit formuliert, sie haben eine sogenannte soziale Funktion, zweitens bilden sie syntaktisch abgeschlossene Einheiten und treten als selbständige Mikrotexte auf. Sie geben Ratschläge für das Leben und dienen zur alltäglichen Kommunikation. 33 2.1.2 Strukturelle Phraseologismen Die Funktion der strukturellen Phraseologismen innerhalb der Sprache umfasst die Herstellung der (grammatischen) Relationen. Beispiele dafür: in Bezug auf sowohl als auch 2.1.3 Kommunikative Phraseologismen Mit kommunikativen Phraseologismen wird die Handlung hergestellt, definiert, vollzogen und beendet. Sie werden auch als Routineformeln bezeichnet. 34 Beispiele dafür: Guten Tag Auf Wiedersehen Abbildung 3: Die gesamte Gliederung von Phraseologismen nach Burger (2007) Phraseologismen semantisch: nominativ syntaktisch: satzgliedwertig referentiell strukturell kommunikativ semantisch: propositional syntaktisch: satzwertig Idiome Teil-Idiome Kollokationen feste Phrasen topische Formeln Sprichwörter Gemeinplätze 33 vgl. Harald Burger: 2007: 38-42 34 vgl. Harald Burger: 2007: 36 16

2.2 Syntaktische Klassifikation Burger (2007) hält eine syntaktische Klassifikation der Phraseologismen für weniger interessant und stellt nur eine Grundeinteilung in fünf Gruppen dar: (1) Präpositionale/ konjunktionale Phraseologismen. Zu den präpositionalen/ konjunktionalen Phraseologismen gehören die festen Wortverbindungen in der präpositionalen Konstruktion wie im Laufe oder an Hand und in der konjunktionalen Konstruktion wie insofern als oder entweder oder. (2) Adjektivische Phraseologismen Adjektivische Phraseologismen sind feste Wendungen, die entweder attributiv oder prädikativ ( gut gepolstert (sein) ) stehen können. (3) Adverbiale Phraseologismen Als adverbial gelten die Phraseologismen, die die Satzgliedfunktion des Adverbiales erfüllen (z. B. auf jeden Fall ). (4) Nominale Phraseologismen Nominale Phraseologismen können die Funktion des Subjekts, Objekts oder Attributs im Satz übernehmen (z. B. Hinz und Kunz ). (5) Verbale Phraseologismen Verbale Phraseologismen umfassen die größte Gruppe der Phraseologismen, enthalten immer ein Verb und haben eine spezifische Funktion, sie können im Satz in der Kombination von Verb und Objekt(en) stehen (z. B. Maulaffen feilhalten ). 35 2.3 Spezielle Klassen Die Klassenbildungen stehen unter einem speziellen Kriterium, das sie zu einzelnen Gruppen macht, aber man könnte sie auch in den oben beschriebenen Klassen finden. Im Folgenden werden die speziellen Klassen kurz charakterisiert und durch ein paar Beispiele demonstriert: Modellbildungen, Zwillingsformeln, komparative Phraseologismen, Kinegramme, geflügelte Worte, Autorphraseologismen, onymische Phraseologismen, phraseologische Termini und Klischees. 36 35 vgl. Harald Burger: 2007: 42-45 36 vgl. Harald Burger: 2007: 45 17

2.3.1 Modellbildungen Diese Phraseologismen bilden sich nach einem Strukturschema mit einer zugeordneten stabilen semantischen Darstellung. Die autosemantischen Komponenten kann man durch unterschiedliche Lexeme (mehr oder weniger) beliebig ersetzen. Muster: Beispiel: X um X Glas um Glas Muster: Beispiel: von X zu X von Tag zu Tag Zu den Modellbildungen gehören noch die Spezialfälle: Zwillingsformeln und komparative Phraseologismen. 37 2.3.2 Zwillingsformeln (Paarformeln) Die Musterbildung wird durch eine spezifische Struktur gekennzeichnet: die Zwillingsformel besteht aus zwei identischen oder unterschiedlichen Wörtern einer Wortart, die mit einer Konjunktion (meist und ) oder einer Präposition ( in ) in einer paarigen Verbindung stehen. Die ganz große Gruppe der Phraseologismen zeichnet sich durch unikale Komponenten ( klipp und klar ), Synonyme ( dick und fett ), Antonyme und Reimbindung aus, die in zwei Gruppen gegliedert wird: Stabreim ( fix und fertig ) und Endreim ( Lug und Trug ). 38 2.3.3 Komparative Phraseologismen (phraseologische Vergleiche) Die komparativen Phraseologismen bestehen aus einem festen Vergleich. Er verstärkt ein in freier Bedeutung verwendetes Verb ( frieren wie ein Schneider ) oder Adjektiv ( kalt wie ein Fisch ). Der feste Vergleich wird in drei Hauptteile gegliedert: Vergleichsobjekt - tertium comparationis - Vergleichsmaß. Dazu mag ein Beispiel eingeführt werden: jmd. ist stumm wie ein Fisch 37 vgl. Harald Burger: 2007: 45-6; vgl. Christine Palm: 1997: 46-7 38 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 106; vgl. Harald Burger: 2007: 46 18

Vergleichsobjekt tertium comparationis Vergleichsmaß jemand stumm Fisch Zum Hauptteil kommen noch die Vergleichspartikel wie und das Verb sein als Identifikationsteil. 39 2.3.4 Kinegramme Die Kinegramme werden als nonverbales Verhalten realisiert (eine Gebärde, die auch tatsächlich verwirklicht sein kann) und sprachlich kodiert, sie weisen eine Doppelschichtigkeit auf. Beispiel: die Achseln zucken. 40 2.3.5 Geflügelte Worte (landläufiges Zitat) Für das geflügelte Wort ist die Nachweisbarkeit der Quelle maßgebend. Der Terminus wurde durch Georg Buchmanns Sammlung ( Geflügelte Worte. Der Citatenschatz des Deutschen Volkes, erste Auflage 1864) berühmt. Heute ist die Beschränkung auf literarisch belegbare Ausdrücke nicht mehr gültig und zu den geflügelten Worten werden auch Ausdrücke aus Filmen, Werbungen und allen anderen Sprachbereichen gezählt. Einige Beispiele zur Verdeutlichung: Shakespeare, Hamlet: Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage. Buchtitel: Der Spion, der aus der Kälte kam Filmtitel: Scheidung auf italienisch Werbeslogan: Nur ein schwarzer Kaffee erzählt die ganze Wahrheit. (Idee Kaffee) 41 2.3.6 Autorphraseologismen Darunter werden feste Wortverbindungen innerhalb eines literarischen Werkes bzw. eines bestimmten Textes verstanden, die nur im Werk oder im Text einen konkreten Sinn haben. Hier ist ein Beispiel zur Illustration: 39 vgl. Harald Burger: 2007: 47-48 40 vgl. Harald Burger: 2007: 48, 64 41 vgl. Harald Burger: 2007: 49; vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 14; vgl. Christine Palm: 1997: 5; vgl. Burger, H.; Buhofer, A.; Sialm, A.: 1982: 43-48 19

Autor: Thomas Mann, Buch: Buddenbrooks (3. Teil, 8. Kapitel) Der selbstgeschaffene Phraseologismus lautet auf den Steinen sitzen und die von Thomas Mann ausgedachte Bedeutung dann vereinsamt sein und sich langweilen. 42 2.3.7 Onymische Phraseologismen Diese Wortverbindungen erfüllen die Funktion von Eigennamen. Der Unterschied von einem onymischen und einem nichtonymischen Phraseologismus ist im Deutschen in der Anknüpfung auf orthographische Ebene gesetzt. Die Großschreibung ist vor allem beim ersten Wort (auch wenn dies ein Adjektiv ist) angefordert. Während Böhmische Mittelberge der onymischen Wortgruppe zuzuordnen ist, so stellt der Ausdruck böhmische Dörfer eine unbegreifliche, unbekannte nichtonymische phraseologische Wortbildung dar. 43 2.3.8 Phraseologische Termini Die Ausdrücke, die als phraseologische Termini bezeichnet sind, verfügen über eine Funktion wie jeder Einwort-Terminus. Die Termini haben eine Norm, die strikt festgelegt ist, um als ein Element im hauptsächlich fachbezogenen System zu gelten. Die Beispiele werden angeführt: juristische Fachsprache: Wirtschaftssprache: Spielterminologie: mathematischer Begriff: einstweilige Verfügung in Konkurs gehen jmdn. matt setzen gleichschenkliges Dreieck Zwischen terminologischen und nichtterminologischen Wortgruppen ergibt sich kein orthographischer Unterschied wie bei onymischen Wortgruppen. Terminologische Phraseologismen ( spezifisches Gewicht oder erweiterte Reproduktion ) weisen die gleiche Struktur auf wie die nichtterminologischen Wortgruppen ( spezifischer Anteil oder spitzer Bleistift ). 44 42 vgl. Harald Burger: 2007: 49; vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 66-67 43 vgl. Harald Burger: 2007: 49-50; vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 69-70 44 vgl. Harald Burger: 2007: 50-51; vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 71-73 20

2.3.9 Klischees Klischees sind Wortverbindungen, die in einer Kombination fest geworden sind und so zur Verfügung stehen. Bei den Phraseologismen könnte die Rede von modernen oder veralteten Wortverbindungen sein. Man spricht über die Funktion der Schlagwörter gleichstehend wie über die Funktion des Klischees. 45 Folgendes Beispiel zeigt ein Klischee aus der Online-Zeitung: Anerkennung ist ein Schritt in die richtige Richtung ( ). Angesichts des Fachkräftemangels, der in einigen Berufen und Branchen schon heute sichtbar ist, stellt die bessere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse immerhin einen ersten Schritt in die richtige Richtung dar. ( ) 46 45 vgl. Harald Burger: 2007: 52-53 46 http://www.welt.de/debatte/kommentare/article12935703/anerkennung-ist-schritt-in-die-richtige- Richtung.html [geöffnet am 27.3.2011] 21

3 KONTRASTIVE PHRASEOLOGIE In der Fachliteratur wird die kontrastive Phraseologie in mehreren Dimensionen dargestellt. Es wird zwischen intralingualer und interlingualer Dimension unterschieden. 3.1 Dimensionen 3.1.1 Intralinguale Dimension Die intralinguale Dimension bedeutet das Verhältnis zweier Sprachformen. Die folgenden Gesichtspunkte werden zur Übersicht dargelegt: (1) Deutsch als Standartsprache und Dialekt Die Standartsprache wird mit dem Dialekt (Mundart) in Kontrast gestellt und es werden die Besonderheiten der Phraseologie in den beiden Sprachformen verglichen. (2) Standartsprachen in deutschsprachigen Ländern Es geht um den Vergleich binnendeutscher Phraseologismen in den deutschsprachigen Ländern. (3) Deutsch als Minderheitensprache und Deutsch in den deutschsprachigen Ländern Deutsch als Minderheitensprache (z.b. Ungarndeutsch) wird mit der deutschen Sprache in deutschsprechenden Ländern nach phraseologischen Gemeinsamkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschieden verglichen. 3.1.2 Interlinguale Dimension Die interlinguale Dimension betrachtet exemplarisch zwei oder mehrere Sprachen. Im Folgenden wird sie in drei Typen geteilt: (1) Allgemeine interlinguale Analyse von Phraseologismen Darunter wird die allgemeine Analyse von Phraseologismen zwischen zwei oder mehr Sprachen verstanden und es spielt dabei keine Rolle, welche Methode, Anzahl der untersuchten Sprachen und Gesichtspunkte zur der Analyse genommen werden. In dieser Deutung wird zwischen Kontrast und Vergleich nicht unterschieden und beide Begriffe stehen parallel als Synonym. Im gleichen Sinne wird auch der Terminus konfrontativ benutzt. 22

(2) Spezielle interlinguale Analyse von Phraseologismen Zu den speziellen Untersuchungen werden z.b. strukturtypologische oder historischvergleichende Analysen gezählt. Die Aufgabe der speziellen Untersuchung ist die Festlegung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der festen Wortverbindungen. (3) Interlinguale Analyse von Phraseologismen im engeren Sinne Die Analyse im engeren Sinn wird auf zwei Sprachen, ihre Festlegung und Beschreibung in der Semantik und Struktur der Phraseologismen beschränkt. 47 3.2 Die kontrastive Methode In der vorliegenden Arbeit wird der Kontrast zwischen Deutsch und Tschechisch untersucht und folglich die interlinguale Analyse in Hinsicht auf drei Aspekte der kontrastiven Methode angewendet: (1) Lexikalischer Aspekt (Komponentenbestand) Häufigkeit der Komponenten in der Phraseologie zweier oder mehrerer Sprachen (z.b. Körperteile, Tiere, Naturerscheinungen usw.) (2) Struktur-syntaktischer Aspekt vergleichbar mit den wichtigsten syntaktischen Schemata in der Grundwortbildung, beispielweise: ob ein Verb fester oder freier Bestandteil ist, ob alle Konjugationsformen möglich sind, welche Satzgliedrolle die Nomen spielen usw. (3) Struktur-semantischer Aspekt (semantische Organisation) zeigt einen Unterschied/ eine Gleichheit in der Bedeutung der ganzen Wortverbindung und der Bedeutung einzelner Bestandteile oder die völlige Umdeutung der Bestandteile. Einen solchen Aspekt stellen diejenigen Phraseologismen dar, die z.b. Gefühle, Affekte oder auch die Gesellschaft berühren. 48 3.3 Äquivalenztypen Unter den oben erwähnten Aspekten kann man vier (bzw. fünf) Äquivalenzstufen der Konfrontation zweier oder mehreren Sprachen bestimmen: 47 Dimensionen: vgl. P.R. Lutzeier: 2002: 442; vgl. G. Helbig: 2001: 227; vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 25; vgl. Burger, H.; Buhofer, A.; Sialm, A.: 1982: 274, 289; vgl. H. Bergerová: 2005: 42; 48 vgl. Burger, H.; Buhofer, A.; Sialm, A.: 1982: 290-292; vgl. W. Fleischer: 2997: 2 23

3.3.1 Vollständige Äquivalenz Die Phraseologismen mit der vollständigen Äquivalenz sind diejenigen, die im Tschechischen in allen drei Aspekten übereinstimmen. Es mag ein Beispiel angeführt werden: etw. übers Knie brechen lámat něco přes koleno. Zu vollständigen Äquivalenten werden noch die festen Wortverbindungen mit nachfolgenden Besonderheiten gezählt, beispielweise: (1) morphologische Abweichungen: Differenzen im Numerus: du nimmst mir das Wort aus dem Mund bereš mi slova z úst Differenzen im Kasus: die Hände ringen lomit rukama (2) Austausch einer Komponente durch ein Synonym: jmdm. reinen Wein einschenken, nalít někomu čisté víno (3) Veränderung der Wortfolge: vor allem in Paarformen: wie Hund und Katze jako kočka a pes (4) Unterschiedliche Varianz: jmdm. ein Dorn im Auge sein, být někomu trnem v očích / oku 3.3.2 Partielle Äquivalenz/ Teiläquivalenz Im Falle dieses Äquivalenzgrades sind schon deutliche Unterschiede in der Übereinstimmung der deutsch-tschechischen Phraseologismen zu erkennen. Zu den häufigsten Differenzen gehört der Komponententausch ( die Katze im Sack kaufen, kupovat zajíce v pytli ). Die Häufigkeit von Differenzen kommt auch durch die funktionellen Änderungen in der Valenzstruktur, in den Phrasemklassen u.a. zustande ( ein Langfinger sein, mít dlouhé prsty ). 24

3.3.3 Rein semantische Äquivalenz Rein semantische Äquivalenz wird als keinerlei Übereinstimmung des Komponentenbestandes sowie des Bildes aufgewiesen. 49 Was die Phraseologismen aber verbindet, ist die identische Bedeutung (z.b. jmd. das Wasser abgraben, vypálit někomu rybník ). 3.3.4 Nulläquivalenz Es gibt eine umfangreiche Gruppe von Phraseologismen einer Sprache, die kein adäquates Äquivalent in der Zielsprache haben, und man muss sie mit anderen Worten umschreiben. Sie werden als Phraseologismen mit Nulläquivalenz bezeichnet. Die Wiedergabe von Phraseologismen, deren Bestandteil/e nationale Besonderheiten aufweisen, ist besonders schwer. Zum Beispiel bei Eigennamen: facka jako Brno (Brno ist die zweitgrößte Stadt der Tschechischen Republik und die Bezeichnung soll die Ohrfeige betonen und ihre Große zeigen), eine kräftige Ohrfeige. 3.3.5 Falsche Freunde Man kann die falschen Freunde als äußerlich unterschiedlose oder fast unterschiedslose Einheiten zweier Sprachen bezeichnen, die aber etwas anderes bedeuten ( auf einen grünen Zweig kommen, být z něčeho na větvi/ mít úspěch ). Für die Übersetzer gehören sie zu den größten Schwierigkeiten. 50 3.4 Phraseologismen im Text und in Textsorten Die Phraseologismen stellen ein populäres sprachliches Mittel der Kommunikation und eine gute Ergänzung des Textes dar. Die Verwendung von Phraseologismen macht den Text lebendiger und kann zu humorvollen Sprachspielen (wie beispielweise in Witzen - Zweideutigkeit) führen. Die Phraseologismen werden auch oft modifiziert, ein auffälliger häufiger Gebrauch von diesen Phraseologismen kommt in der Werbung vor. 49 Helgunde Henschel in Hana Bergerová: 2005: 49 50 vgl. Helgunde Henschel in Hana Bergerová: 2005: 45-50 25

Für die Muttersprachler einer Sprache (hier Deutsch) ist die Wahl des passenden Phraseologismus leichter als für den Ausländer. Jede Art der Kommunikation wie z.b. Wissenschaft, Presse, künstlerischer Text oder persönliche/ offizielle Kommunikation braucht einen angemessenen phraseologischen Gebrauch. Eine große Anzahl von Phraseologismen gehört nicht in die neutrale Stilschicht (z.b. der umgangssprachliche Stil) und kann nicht in allen Textsorten vorkommen. Die korrekte Anwendung beeinflusst die Anschaulichkeit von Texten. 51 Die Untersuchung von Phraseologismen nach ihrer bestimmten Funktion stellt Koller (1977) 52 in einer ausführlichen Funktions-Liste dar. Die Liste umfasst Kategorien wie z.b. Anschaulichkeit, Argumentation- und Vereinfachensfunktion usw. Nach Burger 53 (2007) können Phraseologismen alle diese Funktionen ausüben, aber erstens ist es im konkreten Fall schwierig und nicht ohne interpretative Willkür möglich, einem Vorkommen eines Phraseologismus eine bestimmte Funktion zuzuordnen, und zweitens lassen sich die Funktionen nicht ohne Berücksichtigung der Textsorte bzw. der kommunikativen Situation beschreiben. In manchen Textsorten ist das Vorkommen von Phraseologismen reicher als in anderen. Zu diesen Textsorten werden politische Kommentare oder Werbungen gezählt. Im Gegensatz dazu steht die Verwendung von Phraseologismen in naturwissenschaftlichen Texten. Für eine aufschlussreiche Bestimmung reicht nicht nur das Vorkommen von festen Wortverbindungen, auch die bestimmten Klassen von Phraseologismen (nach Burger in Kap. 2 ausführlich beschrieben) müssen beachtet werden, um die Gründe für die Frequenz der Phraseologismen in einer bestimmter Textsorte zu finden. 54 Im Folgenden wird auf drei Textsorten eingegangen. Für den Untersuchungsteil meiner Arbeit wird die letzte Textsorte entscheidend sein: Presse und Publizistik, Wissenschaft und künstlerischer Text 51 vgl. Hana Bergerová: 2005: 35 52 vgl. Koller in Harald Burger: 2007: 156 53 Harald Burger: 2007: 156 54 vgl. Harald Burger: 2007: 170-1 26

3.4.1 Presse und Publizistik In der Presse und Publizistik werden nach der Untersuchungen nicht nur Phraseologismen, sondern auch die Nominationsstereotype (nichtidiomatisch, fast identisch mit Kollokationen) gefunden, die Fleischer 55 (1997) als Wortverbindungen, deren Gesamtsemantik durch die wendungsexterne Semantik ihrer Komponenten gegeben ist, die sich aber doch noch auf nicht voraussagbare Weise und sei dies noch so geringfügig von der einfachen Summe dieser Komponentenverdeutungen unterscheiden, (sie weisen nur eine syntaktische Festigkeit auf z.b. im Mittelpunkt stehen, blaues Meer, Tag und Nacht ). 56 Durch die Phraseologismen in der Presse und Publizistik soll sich der Leser angesprochen fühlen und es soll ein emotional betontes Kontaktverhältnis [zwischen den Kommunikationspartnern] geschaffen werden 57 (z.b. besser mit diesem Satz Bitte beruhigen Sie sich! als mit Nun halt mal die Luft an! ). Die festen Wortverbindungen können die positive wie negative emotionale Einstellung des Journalisten auf den Leser übertragen, die Ironie kann auch eine eindeutige Rolle spielen. Die festen Wortverbindungen haben die Funktion die Verständlichkeit zu erleichtern und die Anschaulichkeit zu unterstützen. 58 3.4.2 Wissenschaft Die wissenschaftliche Kommunikation wird durch die verschiedenen Arten von Phraseologismen gekennzeichnet. Als wissenschaftliche Texte können eine Rezension, ein Vortrag und auch ein Lehrbuch gelten. Die angewendeten Phraseologismen teilt man in vier Gruppen: (1) stilistisch neutrale Phraseologismen (z.b. in den Vordergrund treten, sich bemerkbar machen ) (2) stark abgeschwächte expressive Phraseologismen ( Rechnung tragen, eine Rolle spielen ) 55 Wolfgang Fleischer: 1997: 58 56 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 58-9, 223-4, 252 57 Wolfgang Fleischer: 1997: 224 58 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 218-220, 224 27

(3) bildlich-expressive und konnotierte Phraseologismen, um die Wertung auszudrücken ( sich / etwas zur Schau stellen am Beispiel aus Wissenschaft und Wirtschaft - die Schlagzeile: Die Region stellt sich auf der CeBIT zur Schau 59 ) (4) stark bildliche und konnotierte Phraseologismen (z.b. für Ablenkung bei Vorträgen ins Hintertreffen geraten ) 60 3.4.3 Künstlerischer Text Der künstlerische Text entsteht unter anderen Voraussetzungen und mit einem unterschiedlichen Ziel als ein wissenschaftlicher Text. Nach Fleischer (1997) werden hier [im künstlerischen Text] alle Möglichkeiten der verschiedenen Gruppen von Phraseologismen für die künstlerische Wirkung genutzt und sind auch nur unter dem übergeordneten Gesichtspunkt der ästhetisch-künstlerischen Struktur des Werkes zu beurteilen. 61 Die Übersicht von möglichen phraseologischen Konstruktionen wird im Folgenden dargestellt: (1) Phraseologismen zur Personencharakterisierung ( Was ist einem Ökonomen lieber, als die Menschen an die Kandare zu nehmen, so dass sie den Schwanz einziehen und mit dem Wölfen heulen. Was beglückt einen Politiker mehr, als die Menschen am Wickel zu kriegen, so dass sie den Pantoffel küssen und den Mantel nach dem Wind hängen. 62 ) (2) Variationsmöglichkeiten der Phraseologismen ( Der Lateiner nickte befriedigt. Ausgezeichnet. Sie sind also ein unbeschriebenes Blatt. Es schreibt sich besser auf unbeschriebenen Blättern. 63 ) (3) Ein Phraseologismus und das variierende Spiel mit ihm als die künstlerische Form einer Textpassage ( Als die Uhr zu schlagen anhebt., schneidet Nelly ihre gräßlichste Fratze; hofft und fürchtet, Frau Elste möge recht behalten mit ihrer Drohung: daß einem das Gesicht stehenbleibt, wenn die Uhr schlägt. Der Heidenschreck, der alle kriegen würden, voran die Mutter. Auf einmal würde man sie um ihr richtiges Gesicht 59 Beispiel aus der Webseite http://www.it-region38.de/die-region-stellt-sich-auf-der-cebit-zur-schau/ geöffnet am 30.03.2011 60 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 224-225 61 Wolfgang Fleischer: 1997: 226 62 Beispiel von L. Harig in Wolfgang Fleischer: 1997: 226 63 Beispiel von H. Kant in Wolfgang Fleischer: 1997: 217 28

anflehn; dann, wenn alles nichts half, steckte man sie wohl ins Bett und telefonierte nach Doktor Neumann, der seine riesenlange Gestalt über ihr Bett beugte, um überrascht das stehengebliebene Gesicht zu betrachten, dem Kind das Fieber messen und Schwitzpackungen zu verordnen, die das Gesicht wieder auftauen sollten: Kopf hoch, Homunkulus, das kriegen wir. Jedoch sie kriegen es nicht, und man mußte sich daran gewöhnen, daß ihr weiches, liebes, gehorsames Gesicht gräßlich blieb Die Uhr hat zu Ende geschlagen, Nelly rennt zum Flurspiegel und glättet mühelos das Gesicht 64 ) (4) Spiel mit wörtlicher und phraseologischer Bedeutung (5) Integration eines umgangssprachlichen Phraseologismus ( Das unvergleichliche Gefühl, wenn alle Stricke reißen. 65 ) 66 3.5 Phraseologismen in der Übersetzung Phraseologismen stellen für den Übersetzer eine Herausforderung dar, denn sie sind nicht immer leicht zu übersetzen und sie können dem Übersetzer ganz verschiedene Schwierigkeiten bereiten. Zuerst gehört dem Übersetzer die Aufgabe den Phraseologismus in der fremden Sprache zu erkennen und das ist sehr oft eine schwierige Aufgabe. Ein guter Übersetzer soll den Sinn für Poly- oder Resemantisierung von Phraseologismen entwickelt haben. Das heißt, die wörtliche und phraseologische Bedeutungsebene eines Phraseologismus wird im Kontext gleichzeitig verwendet. Ein Beispiel von Christine Palm (1997, S. 62): Wir haben unseren Urlaub in vollen Zügen genossen. Der Übersetzer soll imstande sein, ein solches Sprachspiel eines Autors mit einem Phraseologismus zu erkennen. 67 Die kulturelle und historische Gebundenheit von Phraseologismen stellt auch eine bedeutende Ursache für die Entstehung von Problemen bei einer Übersetzung dar. Erla Hallsteinsdóttir 68 stellt fest, dass durch Unterschiede in der außersprachlichen Realität, durch unterschiedliche Lebensbedingungen, Gewohnheiten, Sitten und Mentalität ein unterschiedlicher Bedarf an phraseologischen Benennungen [entsteht], die durch 64 Beispiel von Chr. Wolf in Wolfgang Fleischer: 1997: 227 65 Beispiel von Chr. Wolf in Wolfgang Fleischer: 1997: 228 66 vgl. Wolfgang Fleischer: 1997: 226-228, 217 67 vgl. Albrecht: 2005: 119 68 Erla Hallsteinsdóttir in Eberhard Fleischmann: 1997: 561 29