2. Nationale Anpassungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz



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Transkript:

Arbeitsschutz alles neu macht die EU?! Neue Verordnungen harmonisieren den Arbeits- und verbessern den Gesundheitsschutz Eine Auswertung von Literatur und anderen Veröffentlichungen von Burkhard Fischer, Mitbestimmung und, Arbeitnehmerkammer Bremen 1. Aktivitäten der EU zum Arbeitsschutz Gesetze und Regeln zum Arbeitsschutz gibt es schon seit der Amtszeit des Reichskanzlers Bismarck. Die entsprechenden Gesetze und Verordnungen sind bis heute von jeder Regierung ergänzt und weiterentwickelt oder in einigen Fällen auch gebremst worden. Allerdings war vor 1996 das deutsche Arbeitsschutzrecht auch sehr zersplittert und baute auf der 150 Jahre alten Gewerbeordnung auf. Vorreiter des heutigen in Deutschland praktizierten Arbeitsschutzes ist die Europäische Gemeinschaft. Sie leitet ihre Aktivitäten aus den Artikeln (94) 95 und 137 des EG-Vertrages von 1987 ab. Die nach Art. 95 mit qualifizierter Mehrheit erlassenen Binnenmarktrichtlinien beinhalten (unter Berücksichtigung des Art. 94) grundlegende einheitliche Sicherheitsanforderungen für Produkte, die Hersteller, Importeure und Händler verpflichten alle Sicherheitsnormen der europäischen Normorganisation einzuhalten. Darüber hinaus können auf Grund dieses Artikels auch Richtlinien über gefährliche Stoffe ergehen. Der Artikel 95 und die darauf aufbauenden Richtlinien dienen dem Ziel der Harmonisierung der nationalen Rechte zur Beseitigung technischer Handelshemmnisse in der EU. Damit wird auch festgelegt, dass keine nationalen Vorschriften weitere Anforderungen an die Produktsicherheit stellen dürfen. Die Sozialrichtlinien nach Art. 137 des EG-Vertrages enthalten die Mindestanforderungen, die die Verbesserung der Arbeitsumwelt fördern sollen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten verstärkt zu schützen. Der Artikel definiert aus EU-Sicht den betrieblichen Arbeitsschutz und legt die Grundpflichten von Arbeitgebern und Arbeitnehmern fest. Anders als die Richtlinien nach Artikel 95 sind in den Richtlinien nach Art. 137 nur Mindestvorschriften enthalten, so dass höhere nationale Schutzvorschriften beibehalten werden können. Mit der Richtlinie 89/391/EWG über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit vom 12.Juni 1989 hat die Kommission versucht, auf die hohe Zahl von Arbeitsunfällen und berufsbedingten Erkrankungen innerhalb der EU zu reagieren. Die Mitgliedsländer der EU haben die Richtlinie inzwischen durch eine Vielzahl von Verordnungen, technischen Regeln und Normen zum Arbeitsschutz umgesetzt. Zu dieser Richtlinie sind nach Artikel 16 zwei weitere Einzelrichtlinien verabschiedet worden. Die erste Einzelrichtlinie (89 / 654 / EWG) beschreibt die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz in Arbeitstätten. Die zweite Richtlinie (89 / 655 / EWG) stellt die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit vor. Insgesamt stellen die vorliegenden Richtlinien aus Sicht der EU einen konkreten Beitrag zur Ausgestaltung der sozialen Dimension des europäischen Binnenmarktes dar. In der amtlichen Begründung zum Erlass der Richtlinie 89/391/EWG heißt es: Die Verbesserung von Sicherheit, Arbeitshygiene und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz stellen Zielsetzungen dar, die keinen rein wirtschaftlichen Überlegungen untergeordnet werden dürfen. Die ersten europäischen Richtlinien zum Arbeitsschutz orientierten sich an skandinavischen und niederländischen Arbeitsschutzregeln und an dem ILO-Abkommen Nr.: 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumfeld. In diesen Regelungen ist der Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verarbeitet worden: 1 / 22

Gesundheit im Zusammenhang mit Arbeit ist nicht nur das Freisein von Krankheit oder Gebrechen, sondern umfaßt auch die physischen und geistig-seelischen Faktoren, die sich auf die Gesundheit auswirken und die in unmittelbaren Zusammenhang mit der Sicherheit und der Gesundheit bei der Arbeit stehen. Die EU hat damit einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Es steht nicht mehr allein die Verhütung von physikalischen Gefahren (Arbeitsunfälle) und der Schutz der körperlichen Unversehrtheit (Berufskrankheiten) im Vordergrund, obwohl dieser eingeschränkte Ansatz in der Vergangenheit Erfolge in der Unfallverhütung zeigte. Das neue Leitbild umfasst einen vollständigen und ganzheitlichen Arbeitsschutz unter Berücksichtigung der veränderten Belastungsprofile in der heutigen Arbeitswelt.. In der Gemeinschaftsstrategie zum Arbeits- und Gesundheitsschutz 2002 bis 2006 ist folgende Zielsetzung genannt: Ziel der Gemeinschaftspolitik für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz muss die Förderung eines echten körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefinden bei der Arbeit sein, das sich nicht nur dadurch manifestiert, dass keine Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten auftreten. Wesentliches Teilziel dieser Strategie war die Prävention sozialer Risiken wie Stress, Mobbing am Arbeitsplatz, Depression, Angstzustände und Abhängigkeiten. Darüber hinaus gehörte die Berücksichtigung der demographischen Entwicklung bei Risiken, Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie die Berücksichtigung des Wandels bei Beschäftigungsformen und Arbeitsorganisation zu den Zielen der Strategie. Die genannten und weitere Richtlinien zum europäischen Arbeitsrecht gelten immer unmittelbar, wenn der Gegenstand der Richtlinie abschließend, vollständig und rechtlich vollkommen ist und kein weiterer Handlungsbedarf bei den Mitgliedsstaaten besteht. In allen anderen Fällen müssen die nationalen Gesetze, Verordnungen und Regeln angepasst werden. Der europäische Gerichtshof überwacht die Anpassungen und sorgt für die gleiche Auslegung alle europäischen Verordnungen und Richtlinien in den Mitgliedsstaaten. 2. Nationale Anpassungen im Arbeits- und Gesundheitsschutz Mit dem Arbeitsschutzgesetz vom 7.8.1996 wurde nach 7-jähriger Diskussion die EU Richtlinie 89/391/EWG in Deutschland umgesetzt und alle anderen gültigen Regelungen wie die Gefahrstoffverordnung, das Arbeitssicherheitsgesetz, die Arbeitsstättenverordnung usw. angepasst. Insbesondere wurden die zergliederten Vorschriften der Gewerbeordnung aufgehoben. Das Gesetz sieht Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit vor. Die Einhaltung der Vorschriften wird regelmäßig durch staatliche Behörden überwacht und durch Strafandrohung sichergestellt. Das Arbeitsschutzgesetz regelt den betrieblichen Arbeitsschutz erstmalig und einheitlich für alle Tätigkeitsbereiche und Beschäftigtengruppen. Es übernimmt die materiellen Regelungen der EU-Rahmenrichtlinie. Damit ist die Leitidee der EU zum ganzheitlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz vollständig übernommen worden. Während das Arbeitsschutzgesetz und andere Gesetze zu diesem Bereich nur den Rahmen für den Gesundheitsschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz festlegen und grundlegende Schutzziele vorgeben, konkretisieren eine ganze Reihe von Verordnungen die gesetzlichen Pflichten und Maßnahmen. Noch weiter spezifiziert und auf Branchen zugeschnitten werden die Schutzziele durch die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften. Diese Vorschriften haben rechtsverbindlichen Charakter und werden von den Aufsichtsbehörden und Unfallversicherungsträgern kontrolliert. 2 / 22

Die Formulierung der Vorschriften und Regeln ist so gestaltet, dass die Zielsetzungen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz und die Wege sie zu erreichen als Empfehlungen zu sehen sind. Damit soll den Arbeitgebern ein Spielraum eingeräumt werden, die für die Unternehmung geeignesten Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen. Werden die Empfehlungen umgesetzt und dabei der Stand der Technik, der Arbeitswissenschaften und der Arbeitsmedizin berücksichtigt, ist für die Unternehmung Rechtssicherheit gegeben. Das Arbeitschutzgesetz von 1996 war der Ausgangspunkt für eine Deregulierung und die wachsende Eigenverantwortung von Arbeitgebern und Beschäftigten im Arbeitsschutz. Damit wurde auch der Paradigmenwechsel aus der EU-Richtlinie 89/391/EWG eingeleitet. Der Wechsel im Paradigma schlägt sich im Arbeitsschutz-, im Präventions-, Arbeitssicherheitsgesetz, der Arbeitsstättenverordnung und im Sozialgesetzbuch nieder. Der veraltete nachsorgende und überwiegend technische Arbeitsschutz wurde abgeschafft. Die Kontrolle der Maßnahmen zum Arbeitsschutz werden nicht mehr ausschließlich von Experten vorgenommen, die die Beschäftigten als zu schützendes Objekt aus technischer Sicht wahrnehmen. Neu ist die Forderung nach einem präventiven, ganzheitlichen Arbeitsschutzverständnis. Die Basis für das Arbeitsschutzhandeln ist die konkrete Gefährdungssituation am und um den Arbeitsplatz sowie in der Arbeitsorganisation (Gefährdungsbeurteilung). Dazu sind umfassende Rechte und Pflichten für den Arbeitgeber und auch für die Beschäftigten benannt worden. Sie bilden den Rahmen für flexible, konkrete betriebliche Lösungen im gesamten Arbeitsumfeld. Ohne Beteiligung der Beschäftigten ist ein präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht zu gewährleisten (Mitbestimmung, Mitwirkung). Außerdem kann der präventive Arbeits- und Gesundheitsschutz auch Ergebnisse liefern, die im kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) verwendet werden können. Die neue Strategie im Arbeitsschutz verlangt die Integration der Prävention in die Unternehmenspolitik. Es ist eine wesentliche Aufgabe des Managements, arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren und daraus resultierende dauerhafte Erkrankungen zu vermeiden. Gleichzeitig verlangt das umfassende Gesundheitsverständnis und die Berücksichtigung aller Arbeitsbelastungen entsprechendes Fach- und Gestaltungswissen bei den Beschäftigten und bei den betrieblichen Interessenvertretungen. Entsprechende Unterweisungen und Schulungen gehören mit zum Arbeits- und Gesundheitsschutz. 3. REACh und CLP/GHS im Überblick Die europäische Gemeinschaft hat in 2007/2008 zwei neue Regelwerke in Bezug auf die Inverkehrbringung und den Umgang mit Chemikalien konzipiert und verabschiedet. Beide Verordnungen haben als oberstes Ziel eine weitere Minimierung der Risiken im Umgang mit Chemikalien für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Zwischen der REACh-Verordnung und der GHS (CLP)-Verordnung gibt es eine Reihe von Berührungspunkten, jedoch besteht bei den erfassten Bereichen beider Regelungsbereiche keine Deckungsgleichheit. Die REACh-Verordnung gilt für Stoffe, und die von ihr aufgestellten Pflichten sind in weiten Teilen an Mengenschwellen gebunden. Dagegen unterliegen bei der GHS (CLP)-Verordnung alle Chemikalien, unabhängig davon ob es sich um einen Stoff oder ein Gemisch handelt, vor dem Inverkehrbringen der Einstufungs- und Kennzeichnungspflicht, es sei denn, sie sind ausdrücklich von diesen Pflichten ausgenommen. 3.1 Die REACh Verordnung Mit dem Inkrafttreten der REACh-Verordnung im Dezember 2006 hat die Europäische Kommission zwei wichtige Zielsetzungen vorgegeben: Ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Ein effizientes Funktionieren des gemeinsamen Marktes und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen chemischen Industrie. Die Ziele sollen durch den Aufbau eines Informationssystem, das die Daten und beschreibenden Informationen über alle im Markt befindlichen Stoffe und Zubereitungen enthält, erreicht werden. 3 / 22

Wesentlich ist die Beweislastumkehr in REACh, die die gesamte Lieferkette im Bereich zwingt, für den sicheren Umgang mit ihren Produkten zu sorgen. In der REACh-VO ist in Artikel 2 festgelegt, dass bereits bestehende Arbeits- und Umweltschutzvorschriften der EU durch die Verordnung nicht eingeschränkt werden. Arbeitsschutzvorschriften der Gemeinschaft sind solche, die nach Art. 137 des EG-Vertrages erlassen wurden und als Mindestvorschriften durch nationales Recht ausgefüllt bzw. umgesetzt werden. In der REACh-VO werden ausdrücklich drei Richtlinien genannt : 1. die Rahmenrichtlinie zum Arbeitsschutz, 2. die Richtlinie zum Schutz vor chemischen Stoffen und 3. die Krebsrichtlinie Die wesentlichen Gesetze und Verordnungen, die in nationales Recht umgesetzt worden sind und die durch REACh nicht geändert werden, sind z.b.: das Arbeitsschutzgesetz, das Chemikaliengesetz (bereits an REACh angepasst), das Geräte- und Produktsicherheitsgesetz die Arbeitsstättenverordnung, die Gefahrstoffverordnung, die Biostoffverordnung, usw. Darüber hinaus sind in Folge von REACh alle wesentlichen technischen Regeln, die aus den Gesetzen und Verordnungen hervorgegangen sind, angepasst worden. Das bedeutet insgesamt, dass die vom Arbeitgeber zu treffenden Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz und der Umwelt nach REACh auch weiterhin auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung festzulegen und umzusetzen sind ( 87 Abs. 1 Nr.: 7). Die REACH-Verordnung mit ihrem rein stofflichen Ansatz enthält eine ganze Reihe von Regelungen, die sich aus diesem Ansatz auf den stofflichen Arbeitsschutz auswirken: - stoffbezogene Informationsgenerierung: Prüfdaten zu gefährlichen Eigenschaften, Stoffsicherheitsbeurteilung und -bericht Expositionsszenarien, - Qualitätssicherung der Informationen: Verpflichtung zur Anwendung der "Guten Laborpraxis" (GLP) bei der Prüfdatenerhebung Bewertung von Registrierdossiers durch die Europäische Chemikalienagentur (EChA) optional Qualitätssicherung der Registrierdossiers durch die Registranten, - Informationstransfer entlang der Wertschöpfungskette: Sicherheitsdatenblatt. Für den Arbeits- und Gesundheitsschutz werden die Informationen und Erkenntnisse aus REACh für den Arbeitnehmer und den Arbeitgeber von Nutzen sein, so dass unterm Strich beide auf lange Sicht entlastetet und geschützt sind. Insbesondere ist mit folgenden Auswirkungen zu rechnen: Die Stoffkenntnisse sowie Kenntnisse zu den Risiken und den erforderlichen Schutzmaßnahmen bei der Verwendung werden verbessert. Dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber werden damit auch verbesserte Informationen für seine Gefährdungsbeurteilung geliefert. Die Erkenntnisse werden über ein erweitertes Sicherheitsdatenblatt kommuniziert. Die Qualität dieser Informationsquelle nimmt zu. Ziel muss es sein, dass der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, allein anhand des erweiterten Sicherheitsdatenblattes seine Gefahrdungsbeurteilung durchzuführen. 4 / 22

In besonders gelagerten Fällen deckt das übermittelte Expositionsszenario genau die benutzte Verwendung ab. Durch Übernahme der empfohlenen Risikominderungsmaßnahmen erhält man quasi eine mitgelieferte Gefährdungsbeurteilung. Die Registrierer eines gefährlichen Stoffes müssen bei Mengen > 10 Tonnen pro Jahr einen Stoffsicherheitsbericht mit Expositionsbeurteilung und Risikobeschreibung erarbeiten. Hier ist auch ein sog. Derived No-Effect Level (DNEL-Wert) abzuleiten. Er gibt die Expositionshöhe an, unterhalb derer der Stoff zu keiner Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit führt. Man erhält somit eine fundierte Beurteilungsgrundlage für das Maß der Gefährdung am Arbeitsplatz sowie für die Wirksamkeit seiner ggf. getroffenen Maßnahmen. Gleichzeitig sind die DNEL-Werte eine gute Erkenntnisquelle bei der Festlegung von Arbeitsplatzgrenzwerten (AGW) durch den Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS). Langfristig können die Erkenntnisse aus REACH dazu führen, dass durch den Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) mehr verfahrens- und stoffspezifische Kriterien (VSK) erarbeitet und verabschiedet werden und der Arbeitgeber auf diese Weise weiter entlastet wird. Hierzu bedarf es noch intensiver Diskussion im AGS. Die Frage, ob und wie sich eine Zulassung zur Verwendung besorgniserregender Stoffe auf die Gefährdungsbeurteilung und das Schutzstufenkonzept der Gefahrstoffverordnung auswirkt, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. So ist beispielsweise zu klären, ob die Verwendung eines CMR-Stoffes entsprechend der Zulassung eine separate Gefährdungsbeurteilung und die Prüfung von Maßnahmen nach dem Schutzstufenkonzept der Gefahrstoffverordnung (z. B. Substitutionsprüfung) überflüssig macht. 3.1.1 Der Nachgeschaltete Anwender Eine der Grundideen von REACh ist, ein umfassendes Risikomanagement für den gesamten Lebenszyklus von Chemikalien zu etablieren. Daher wird die gesamte Absatzkette in den REACh- Prozess mit eingebunden. Die REACh-VO wirkt sich daher nicht nur auf die Inverkehrbringer (Hersteller und Importeure) von chemischen Stoffen aus, sondern auch auf die Unternehmen, die Chemikalien im weitesten Sinne einsetzen, die sog. nachgeschalteten Anwender. Ein nachgeschalteter Anwender ist also jede natürliche oder juristische Person mit Sitz in der Gemeinschaft, die im Rahmen ihrer industriellen oder gewerblichen Tätigkeit einen Stoff als solchen oder in einer Zubereitung (z.b. Lacke, Klebstoffe,..) verwendet, mit Ausnahme des Herstellers oder Importeurs. Nachgeschaltete Anwender sind daher in der Regel sowohl Produktionsbetriebe, die unter Verwendung von Chemikalien Produkte herstellen, als auch Handwerker, die mit Hilfe von Chemikalien Dienstleistungen erbringen. Oftmals handelt es sich bei nachgeschalteten Anwendern um KMU. Private Verbraucher (z.b. Heimwerker) sind keine nachgeschalteten Anwender. Die Bezeichnung Verwendung beinhaltet u.a. auch Lagern und Bereithalten (z.b. in einem Katalog anbieten) und Umfüllen von einem Behältnis in ein anderes. Jemand, der eine Zubereitung oder ein Erzeugnis herstellt, ist ebenfalls ein nachgeschalteter Anwender für die verarbeiteten Rohstoffe, wenn diese aus dem EU-Raum stammen. 3.1.2 Informationspflichten Der Lieferant eines Stoffes oder einer Zubereitung hat dem Abnehmer in der Lieferkette ein Sicherheitsdatenblatt (SDB) in folgenden Fällen unaufgefordert zur Verfügung zu stellen: Der Stoff oder die Zubereitung erfüllt die Kriterien für die Einstufung als gefährlich oder es handelt sich um einen PBT- oder vpvb-stoff oder der Stoff ist auf der Kandidatenliste für die Zulassung. 5 / 22

Der Lieferant hat dem nachgeschalteten Anwender auf Verlangen ein Sicherheitsdatenblatt zur Verfügung zu stellen, wenn eine Zubereitung die Kriterien für die Einstufung als gefährlich zwar nicht erfüllt aber: mindestens einen gesundheitsgefährdenden oder umweltgefährlichen Stoff enthält oder mindestens einen PBT- oder vpvb oder mindestens einen Stoff der Kandidatenliste für die Zulassung enthält oder einen Stoff enthält, für den es gemeinschaftliche Grenzwerte für die Exposition am Arbeitsplatz gibt. Das SDB muss nicht zur Verfügung gestellt werden, wenn gefährliche Stoffe oder Zubereitungen, die der breiten Öffentlichkeit angeboten oder verkauft werden, mit ausreichenden Informationen für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt versehen sind. Das SDB muss aber existieren und kann vom Anwender oder Endverbraucher verlangt werden. Sollte bei Stoffen als solchen und in Zubereitungen kein SDB erforderlich sein, besteht trotzdem eine gewisse Informationspflicht gegenüber den nachgeschalteten Akteuren der Lieferkette. Vom Lieferanten müssen dem Abnehmer folgende Informationen immer zur Verfügung gestellt werden: eine etwaige Zulassungspflicht und Einzelheiten zu den in der Lieferkette erteilten oder versagten Zulassungen; Einzelheiten zu Beschränkungen; sonstige verfügbare und sachdienliche Informationen über den Stoff, die notwendig sind, damit geeignete Risikomanagementmaßnahmen ermittelt und angewendet werden können; ist eine Registriernummer vorhanden, muss sie mit geliefert werden. 3.1.3 Informationspflicht gegenüber den vorgeschalteten Akteuren Jeder Akteur der Lieferkette eines Stoffes oder einer Zubereitung stellt entsprechend der REACh- VO dem unmittelbar vorgeschalteten Akteur oder Händler der Lieferkette folgende Informationen zur Verfügung: neue Informationen über gefährliche Eigenschaften, unabhängig von den betroffenen Verwendungen; weiter Informationen, die die Eignung der in einem ihm übermittelten SDB angegebenen Risikomanagementmaßnahmen in Frage stellen können (nur für identifizierte Verwendungen), Die jeweils vorgeschalteten Akteure oder Händler leiten diese Informationen immer direkt an die nächst höhere Ebene weiter. 3.2 GHS/CLP GHS steht für Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals, also global harmonisiertes System zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien. Die Verordnung, das Purple Book, wurde Anfang der 90-er Jahre von der UN beraten und beschlossen. Ziel ist es, die heute noch vorkommenden unterschiedlichen Einstufungskriterien und Kennzeichnungen für Stoffe und Gemische (Zubereitungen), die sowohl national zwischen Umschlagstätigkeiten und Transportvorgängen als auch international vorkommen, weltweit zu vereinheitlichen und damit Unklarheiten zu beseitigen. Beispielsweise gilt der Stoff Coffein mit der akuten oralen Toxizität LD 50 (oral, Ratte) = 257 mg/kg Körpergewicht in der EU sowie in Australien, Malaysia und Thailand als gesundheitsschädlich, in den USA, Kanada, Japan und Korea als giftig, in Indien als nicht giftig, in Neuseeland als gefährlich und in China als nicht gefährlich. Diese Unterschiede, verbunden mit den weltweit unterschiedlichen Regeln für die Erstellung von Sicherheitsdatenblättern behindern den Welthandel mit Stoffen und erschweren die Gefährdungsbeurteilung zum Zwecke des Arbeitschutzes erheblich. 6 / 22

Die gefährlichen Chemikalien sollen besser identifizierbar gemacht und die Anwender besser über die jeweiligen Gefahren mit Hilfe von standardisierten Symbolen und Sätzen auf Verpackungen und in Sicherheitsdatenblättern informieren werden. Die EU hat diesen UN-Vorschlag aufgegriffen und im Rahmen der neuen Chemikalienpolitik in neue Verordnungen eingearbeitet oder darauf verwiesen. Seit Dezember 2008 ist die dem UN-Vorschlag entsprechende Verordnung 1272/2008/EG CLP (Regulation on Classification, Labelling and Packaging of Substances and Mixtures) in Kraft und muss umgesetzt werden. Damit soll im europäischen Binnenmarkt die Kennzeichnung von gefährlichen Stoffen vereinheitlicht und bereinigt werden. Fast tägliche Umetikettierungen zwischen Arbeitsvorgängen wie Lagerung und Transport (und das auch noch unterschiedlich, ob auf der Straße oder in der Luft) entfallen damit ebenso wie unterschiedliche Kennzeichnungen, je nachdem aus welchem Land der als gefährlich klassifizierte Stoff geliefert wird. Die wesentlichsten Änderungen, die die neue Verordnung verursacht, sind: Neue Symbole lösen die alten Gefahrensymbole ab. Dabei ändern sich nicht nur die Piktogramme, auch die bisherigen orangefarbenen Quadrate verschwinden. Die Warnsymbole stehen zukünftig in auf den Kopf gestellten Quadraten mit rotem Rand auf weißem Hintergrund. 28 Gefahrenklassen treten an die Stelle der 15 bisherigen Gefahrenmerkmale. Die Gefahrenklassen beschreiben physikalische Gefahren (z.b. explosiv ), Gesundheits- (akut toxisch ) und Umweltgefahren ( gewässergefährdend ). Sie werden in Abhängigkeit vom jeweiligen Gefährdungspotenzial noch einmal in bis zu fünf Gefahrenkategorien unterteilt. Neu sind auch die beiden Signalworte Gefahr für eine größere und Warnung für eine geringere Gefährdung. Das Kennzeichnungssystem bringt weitere Änderungen mit sich: Die Gefahrenhinweise und Sicherheitsratschläge werden spezifischer. Außerdem ändern sich einzelne Einstufungesgrenzen, sodass es zu Umstufungen von Stoffen kommen wird, unter anderem von gesundheitsschädlich zu giftig. Die international vereinbarten neuen Einstufungskriterien werden dazu führen, dass in Europa die Anzahl der giftigen Stoffe sich vermutlich fast verdoppeln wird, weil weltweit schärfere Einstufungskriterien üblich sind als national. Dieses kann unter Umständen Einfluss auf bestehende Betriebsgenehmigungen haben oder diese gegebenenfalls künftig erforderlich machen. GHS ist in vielen Ländern außerhalb der EU schon in Kraft gesetzt worden. Die EU hat mit der CLP-VO, die seit dem 20.01.2009 unmittelbar in jedem EU-Mitgliedsland gilt, nachgezogen, aber nicht alle Bausteine des UN-Standards übernommen. Die GHS-Bausteine, die in der CLP-VO umgesetzt werden, sind so ausgewählt, dass möglichst wenige Umstellungen erforderlich werden. Dennoch müssen alle Unternehmen reagieren, was aber angesichts der vorgesehenen Übergangsfristen in aller Ruhe geschehen kann. Der Systemwechsel mit CLP / GHS hat national weitreichende Konsequenzen für die mit der Einstufung und Kennzeichnung verknüpfte Gesetzgebung. Grundsätzlich wird ein umstellungsbedingter Aufwand in den Betrieben nicht zu vermeiden sein. Die Implementierung der neuen Verordnung erfordert in den Unternehmen beispielsweise Änderungen im Gefahrstoffverzeichnis, bei den Sicherheitsdatenblättern, bei der Etikettierung, in den Gefährdungsbeurteilungen oder auch in Betriebsanweisungen. 3.3 Zusammenfassung zu den EU-Verordnungen REACh und CLP sind Verordnungen, für die keine nationalen Umsetzungen erforderlich sind. Sie sind vom europäischen Parlament beschlossen worden und gelten direkt und unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Die Anforderungen aus den beiden Verordnungen werden allerdings durch eine Reihe nationaler Gesetze, Verordnungen und technischer Regeln präzisiert und ergänzt, ohne die Grundforderungen der EU Verordnungen zu ersetzen oder zu ändern. 7 / 22

Während die REACh-Verordnung mit allen Anlagen knapp 300 Seiten umfaßt, ist bei der CLP-VO allein die Anlage 1, in der die Grenzwerte festgelegt sind, über 160 Seiten lang und die Liste der bereits festgelegten Grenzwerte erstreckt sich auf mehr als 900 Seiten. Das ist durch Selbststudium kaum noch zu bewältigen. Hier lohnt es sich immer, Überblicke oder Handlungshilfen von Experten bzw. von den Berufsgenossenschaften oder Verbänden zur Hand zu nehmen. Beide Verordnungen generieren einen hohen Schulungsbedarf für die betriebliche Arbeitsschutzorganisation, der erfasst und abgedeckt werden muss. Die gesamten Unterweisungsmaterialien, die im Arbeitsschutz gefordert werden, sind entsprechend zu überarbeiten. Mit der Umsetzung von REACh und CLP werden für das Kernelement des Arbeitsschutzrechtes die arbeitsplatzbezogene Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber eine Vielzahl von zusätzlichen Informationen über Stoffe und Zubereitungen verfügbar. Diese können unmittelbar genutzt werden. Die Sicherheitsstandards im Umgang mit Stoffen werden dadurch deutlich besser. 4. Auswirkungen der EU-Verordnungen auf den Arbeitsschutz Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz, der nicht nur Gefahren abwehrt, sondern Arbeit gesundheitsgerecht und -förderlich gestaltet, muss ganzheitlich organisiert sein und Prozesse und Verfahren zur Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz gestalten. Im Rahmen eines solchen Ansatzes haben Gefährdungsbeurteilungen einen sehr hohen Stellenwert, denn damit werden letztlich die für den Arbeits- und Gesundheitsschutz zu treffenden Maßnahmen bestimmt. 4.1 Gefährdungsbeurteilung nach GHS/CLP Die GHS-Verordnung und deren europäische Umsetzung in der CLP-Verordnung erneuern und harmonisieren die Einstufung und Kennzeichnung von Substanzen und Gemischen. Die Verordnungen definieren fünf Einstufungs- und Kennzeichnungselemente: 1. Gefahrenklassen und -kategorien 2. Gefahrenpiktogramme 3. Signalworte 4. Gefahrenhinweise H 5. Sicherheitshinweise P Die Gefahrenklassen beschreiben wie bisher die Art der Gefahr. Es wird zwischen physikalischen Gefahren, Gesundheits- und Umweltgefahren unter Berücksichtigung des Expositionsweges oder der Art der Wirkung unterschieden. Die Gefahrenkategorien untergliedern die Gefahrenklassen bezüglich der Schwere der Gefahr in vier Kategorien. Dabei bedeutet die 1 die schwerste und die 4 die geringste Gefahr. Gefahrenklassen und -kategorien sind Instrumente der Einstufung und nicht der Kennzeichnung. Die Gefahrensymbole, die in der GHS/CLP-Verordnung beschrieben werden, sind neu und ersetzen die Piktogramme aus der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) vollständig. Allerdings haben sie in der Regel trotz ähnlichem Aussehen auch eine andere Bedeutung. Die Gefahrensymbole beschreiben drei Gruppen von Gefahren: 1. physikalische Gefahrenhinweise 2. Gesundheitsgefahren und 3. Umweltgefahren Die Gefahrensymbole sind auf einem auf die Spitze gestellten Viereck in weißer Farbe mit rotem Rand (ähnlich einem Verkehrsschild) und schwarzen Zeichen dargestellt. Zusätzlich gibt es zu jedem Piktogramm noch ein Signalwort, das Auskunft über den relativen Gefährdungsgrad gibt. Die Gefahr wird differenziert durch das Wort GEFAHR für schwerwiegende Gefahren und ACHTUNG für weniger schwerwiegende Gefahren. 8 / 22

Die Gefahrenhinweise H (Hazard Statements) nach GHS/CLP entsprechen den R-Sätzen und die Sicherheitshinweise P (Precautionary Statements) nach GHS/CLP entsprechen den S-Sätzen. Entsprechende Übersetzungslisten, aus denen z.b. die Sicherheitsratschläge (S-Sätze) in Sicherheitshinweise (P-Sätze) transferiert werden können, sind von der EU erstellt worden. Die Gefahrenhinweise und die Sicherheitsratschläge nach GHS/CLP haben einen identischen Aufbau. Die Kennzeichnung bestehen jeweils aus einem Buchstaben gefolgt von drei Ziffern. Die erste Ziffer zeigt bei den Hinweisen H die Gefahr und bei den Ratschlägen P die Sicherheitsart an. Für die Hinweise H stellen die Zahl 2 physikalische Gefahren, die Zahl 3 Gesundheitsgefahren und die Zahl 4 Umweltgefahren dar. Die restlichen beiden Ziffern sind laufende Nummern. Beispiel: H290 => Kann Metalle korrodieren (erste Ziffer 2 = physikalische Gefahr) H300 => Lebensgefahr bei Verschlucken (erste Ziffer 3 = Gesundheitsgefahr) H350 => Kann Krebs erzeugen H350i nach Einatmen H351 => Kann vermutlich Krebs erzeugen Die Sicherheitsratschläge bzw. -hinweise P haben eine fünffache Unterteilung. Ist die erste Zahl hinter dem P eine 1, so steht das für Allgemein. Die Zahl 2 steht für Prävention, die Zahl 3 für Reaktion, die zahl 4 für Lagerung und die Zahl 5 für Entsorgung. Die folgende zwei Ziffern sind wieder eine laufende Nummer. Beispiel: P233 => Behälter dicht verschlossen halten (erste Ziffer 2 = Prävention) P301 => Bei Verschlucken:... (erste Ziffer 3 = Reaktion) P405 => Unter Verschluss aufbewahren (erste Ziffer 4 = Lagerung) Die CLP-Verordnung der EU beschreibt auch neue Gefahren, die berücksichtigt werden müssen. Die neuen Gefahren zeigen das veränderte Konzept zur Darstellung von Gefahr und Gefährlichkeit, weg von starren Grenzwerten hin zur Betrachtung einer Exposition, also dem Vorhandensein von Einflüssen eines Stoffes oder Gemisches (Zubereitung) auf Mensch und Umwelt. Für die Gefährdungsbeurteilung ist die Exposition am Arbeitsplatz zum Zeitpunkt der Arbeit zu beschreiben. Die neuen Gefahren, die nach den veränderten Einstufungskriterien beurteilt werden müssen, sind: Selbstreagierend Emittieren im Wasserkontakt gefährliche Gase Organische Peroxide Metallkorrosiv Komprimierte Gase Gezielte Organtoxizität Diese neuen Gefahren zeigen auf, dass auch die Einstufungsmethoden teilweise verändert oder ganz neu entwickelt werden müssen, um den Anforderungen der CLP-Verordnung der EU zu entsprechen. Die CLP-Verordnung verlangt mehr als das Auswechseln der Gefahrenpiktogramme oder das Anpassen der Sicherheitshinweise. Hersteller, Importeure und Zubereiter sind die Hauptakteure bei der Umstellung der Beurteilung nach GefStoffV auf die CLP-Verordnung. Sie müssen dem nachgeschalteten Anwender alle Informationen über die Veränderungen in einem Sicherheitsdatenblatt (SDB) mitteilen. Hier ist die entscheidende Verbindung zu REACh. 4.2 Allgemeines zum Sicherheitsdatenblatt (Anforderungen nach REACh) Die bislang gültige Form des Sicherheitsdatenblattes nach der Richtlinie 91/155/EG wurde am 01.06.2007 durch die REACh-Verordnung ersetzt. Das SDB besteht aus 16 Kapiteln, zu denen entsprechende Angaben gemacht werden müssen (siehe Tabelle 1).Der Inhalt des SDB sind im Anhang II zur REACh-VO in Form eines Leitfaden festgelegt worden. Zum Zeitpunkt der Formulierung der REACh-VO war bereits die Diskussion über GHS vor der UN angefangen. Deshalb ist in einigen Punkten des SDB darauf Rücksicht genommen worden, so dass die Informationsforderungen aus REACh nicht erneut angepasst werden mussten. 9 / 22

Für folgende Stoffe und Zubereitungen müssen Sicherheitsdatenblätter erstellt werden: Gefährliche Stoffe oder Zubereitungen (Einstufung und Kennzeichnung gemäß Stoff-Richtlinie 67/548/EWG bzw. Zubereitungs-Richtlinie 1999/45/EG ist durch CLP ersetzt). PBT- oder vpvb-stoffe (Die Kriterien für diese Eigenschaften sind in Anhang XIII REACh- Verordnung aufgeführt.) In Anhang XIV gelistete Stoffe ("Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe") Der Anhang XIV enthält bisher keine Einträge. Die erste Empfehlung für die prioritär aufzunehmenden Stoffe wird bis zum 1.6.2009 von der Agentur abgegeben. Für bestimmte Stoffe und Zubereitungen, die in Anhängen zur CLP-Verordnung gelistet sind (z.b. Gasflaschen mit Propan, Butan oder Flüssiggas, Metall in kompakter Form, Legierungen und Zubereitungen, die Polymere bzw. Elastomere enthalten) müssen dem berufsmäßigen Benutzer Sicherheitsdatenblätter übermittelt werden, da auf dem Kennzeichnungsschild gesundheitsgefährdende bzw. umweltschädliche Eigenschaften nicht angegeben werden müssen. Der Lieferant eines Stoffes oder einer Zubereitung stellt dem Abnehmer zusätzlich auf Verlangen ein Sicherheitsdatenblatt für folgende Zubereitungen zur Verfügung: Nicht als gefährlich eingestufte, nichtgasförmige Zubereitungen mit mindestens einem gesundheits- oder umweltgefährdenden Stoff in einer Konzentration >= 1 Gewichts-%; Nicht als gefährlich eingestufte, gasförmige Zubereitungen mit mindestens einem gesundheits- oder umweltgefährdenden Stoff in einer Konzentration größer gleich 0,2 Volumen-%; Nicht als gefährlich eingestufte, nichtgasförmige Zubereitungen mit mindestens einem PBToder vpvb-stoff in einer Konzentration größer gleich 0,1 Gewichts-%; Nicht als gefährlich eingestufte, nichtgasförmige Zubereitungen mit mindestens einem Stoff des Anhang XIV ("Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe") in einer Konzentration größer gleich 0,1 Gewichts-%; Nicht als gefährlich eingestufte, nichtgasförmige Zubereitungen mit mindestens einem Stoff mit gemeinschaftlichem Grenzwert. Ein Sicherheitsdatenblatt muss nicht zur Verfügung gestellt werden, wenn gefährliche Stoffe und Zubereitungen (Gemische) der breiten Öffentlichkeit angeboten oder verkauft werden und mit ausreichenden Informationen versehen sind, außer es wird von einem nachgeschalteten Anwender oder Händler verlangt. Das Sicherheitsdatenblatt muss auf Papier oder elektronisch kostenlos zur Verfügung gestellt werden, und zwar spätestens an dem Tag, an dem der Stoff oder das Gemisch erstmals geliefert wird. Wie bisher muss das SDB in der Sprache des Mitgliedsstaates abgefasst werden, in dem es in den Verkehr gebracht wird. 4.3 Änderungen durch REACh Durch REACH ergeben sich die folgenden Änderungen für das Sicherheitsdatenblatt (REACH-VO Artikel 31 und Anhang II): Zusätzlich in Kapitel 1: Bei Stoffen ist nach der Registrierung die Registriernummer anzugeben. Die E-Mail-Adresse der sachkundigen Person, die für das Sicherheitsdatenblatt zuständig ist, ist anzugeben. Die Kapitel 2 und 3 werden gegeneinander vertauscht, was schon GHS-konform ist. Es heißt also jetzt: Kapitel 2 - Mögliche Gefahren Kapitel 3 - Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen Für jeden registrierungspflichtigen Stoff innerhalb einer Zubereitung ist die zugeteilte Registriernummer anzugeben. 10 / 22

Änderung von Kapitelüberschriften Das Kapitel 12 (bisher Angaben zur Ökologie) heißt jetzt Umweltbezogene Angaben. Das Kapitel 15 (bisher Vorschriften) heißt jetzt Rechtsvorschriften. Außerdem ist ein Sicherheitsdatenblatt zu erstellen, wenn ein Stoff persistent, bioakkumulierbar und toxisch (PBT) oder sehr persistent und sehr bioakkumulierbar (vpvb) ist, sowie für Zubereitungen, in denen diese Stoffe in Einzelkonzentration von 0,1 Gewichtsprozent oder mehr vorliegen. Die derzeitigen Pflichten bleiben grundsätzlich bestehen, werden aber erweitert (siehe hierzu Stoffsicherheitsbericht oder Stoffsicherheitsbeurteilung). Ist ein Stoffsicherheitsbericht vorgeschrieben, so muss das Sicherheitsdatenblatt Informationen über alle identifizierten Verwendungen enthalten. Ist ein Stoffsicherheitsbericht zu erstellen, werden die einschlägigen Expositionsszenarien für die jeweiligen Verwendungen und die dazugehörenden Risikomanagementmaßnahmen dem Sicherheitsdatenblatt als Anlage beigefügt. Eine kurze Zusammenfassung der Risikomanagementmaßnahmen ist im entsprechenden Kapitel des Sicherheitsdatenblatts anzugeben. Ist ein Stoffsicherheitsbericht erforderlich, so sind für den Stoff in Kapitel 8 des Sicherheitsdatenblattes die entsprechenden DNEL- und PNEC-Werte für die im Anhang des Sicherheitsdatenblatts aufgeführten Expositionsszenarien zu vermerken. Bei Zubereitungen sind Werte für diejenigen Bestandteile nützlich, die unter Kapitel 3 im Sicherheitsdatenblatt anzugeben sind. Ist ein Stoffsicherheitsbericht erforderlich, sind die Ergebnisse der Ermittlung der PBT- Eigenschaften entsprechend dem Stoffsicherheitsbericht im Kapitel 12 anzugeben. 4.3 Erweitertes Sicherheitsdatenblatt Das erweiterte Sicherheitsdatenblatt besteht aus dem Sicherheitsdatenblatt und einem Anhang, der die Expositionsszenarien entweder für die einzelnen Inhaltsstoffe, für die ein Stoffsicherheitsbericht erstellt wurde, oder für die Zubereitung enthält. Ein Stoffsicherheitsbericht, der die Stoffsicherheitsbeurteilung dokumentiert, muss nur für Stoffe erstellt werden, die in Mengen > 10 t/jahr und Hersteller/Importeur hergestellt bzw. importiert werden und die als gefährlich gemäß Stoff-Richtlinie eingestuft sind und/oder PBT- und vpvb-stoffe sind. (Die Kriterien für diese Eigenschaften sind im Anhang XIII REACH-Verordnung aufgeführt.) Die Expositionsszenarien müssen bei der Registrierung vorgelegt werden, d.h. erst ab dem Datum der Registrierung werden sie an das Sicherheitsdatenblatt angehängt werden. Für Zubereitungen besteht die Möglichkeit auch einen Stoffsicherheitsbericht für die Zubereitung zu erstellen. Dann müssen nicht die Expositionsszenarien für die einzelnen Inhaltsstoffe - falls vorhanden - angehängt werden, sondern nur das Expositionsszenarium für die Zubereitung. Die Angaben im Sicherheitsdatenblatt müssen mit den Angaben in den Stoffsicherheitsbeurteilungen übereinstimmen. 4.4 Stoffsicherheitsbericht - Stoffsicherheitsbeurteilung Für alle registrierungspflichtigen Stoffe sind eine Stoffsicherheitsbeurteilung durchzuführen und ein Stoffsicherheitsbericht zu erstellen, wenn der Stoff hergestellt oder importiert wird in Mengen von 10 Tonnen oder mehr pro Jahr und Registrant. 11 / 22

Kapitel Kapitelüberschrift Änderungen / Angabe von 1 Bezeichnung des Stoffes bzw. der Zubereitung und Firmenbezeichnung Registriertungsnummer (Stoffe) 2 Mögliche Gefahren Kreuzsensibilisierungen, etc. zusätzlich angeben 3 Zusammensetzung / Angaben zu Bestandteilen zusätzlich PBT-, vpvb- Stoffe 4 Erste-Hilfe-Maßnahmen Arzt an erster Stelle 5 Maßnahmen zur Brandbekämpfung 6 Maßnahmen bei unbeabsich tigter Freisetzung 7 Handhabung und Lagerung Angaben aus Stoffsicherheitsbericht 8 Begrenzung und Überwachung der Exposition / Persönliche Schutzausrüstung 9 Physikalische und chemische Eigenschaften DNEL, PNEC Bezug zum Anhang V der Stoff-RL fehlt 10 Stabilität und Reaktivität Toxikokinetik, Stoffwechsel und Verteilung 11 Toxikologische Angaben 12 Umweltbezogene Angaben Krebstiere (statt Daphnien) 13 Hinweise zur Entsorgung Angaben gemäß Expositionsszenario 14 Angaben zum Transport 15 Rechtsvorschriften Stoffsicherheitsbericht vorhanden Angabe der identifizierten Verwendungen Registrierungsnummern der Inhaltsstoffe PSA: erst Atemschutz Angaben gemäß Registrierung Beschränkungen E-Mail-Adresse der sachkundigen Person, Bürozeiten PBT-Eigenschaften Zulassungen 16 Sonstige Angaben Anhang Expositionsszenarien Tabelle: Änderungen des Sicherheitsdatenblattes nach REACh Hauptelement des Stoffsicherheitsberichtes ist die Beschreibung von Expositionsszenarien, die für eine angegebene Verwendung empfohlen werden. Hierin sind Risikominderungsmaßnahmen enthalten, die der Hersteller oder Importeur beurteilt hat und die er den Anwendern empfiehlt. Wird der Stoff auf den Markt gebracht, werden diese Expositionsszenarien einschließlich der Risikomanagementmaßnahmen in einem Anhang zum Sicherheitsdatenblatt zusammengefasst. Die Stoffsicherheitsbeurteilung ist entweder für jeden Stoff als solchen oder für eine Stoffgruppe durchzuführen. Die Ausarbeitung eines Sicherheitsdatenblattes für eine Zubereitung aus zahlreichen registrierten Stoffen würde recht kompliziert sein. Statt bei der Erstellung eines Sicherheitsdatenblattes für eine Zubereitung die einzelnen Stoffsicherheitsbeurteilungen für alle registrierten Inhaltsstoffe der Zubereitung aufzuführen, besteht deshalb die Möglichkeit, eine Stoffsicherheitsbeurteilung für die Zubereitung als Ganzes durchzuführen. 12 / 22

Die Stoffsicherheitsbeurteilung eines Stoffes umfasst folgende Schritte: Ermittlung schädlicher Wirkungen auf die menschliche Gesundheit Beurteilung der Gefährlichkeit der physikalisch-chemischen Eigenschaften für die menschliche Gesundheit Ermittlung schädlicher Wirkungen auf die Umwelt Ermittlung der PBT- und vpvb-eigenschaften (persistente, bioakkumulierbare und toxische Stoffe und sehr persistente und sehr bioakkumulierbare Stoffe). Kommt der Hersteller oder Importeur im Ergebnis zu dem Schluss, dass der Stoff die Kriterien für die Einstufung als gefährlich erfüllt oder dass es sich um einen PBT- oder vpvb-stoff handelt, sind bei der Stoffsicherheitsbeurteilung außerdem die folgenden Schritte auszuführen: Expositionsbeurteilung Risikobeschreibung. Verwendet ein nachgeschalteter Anwender einen Stoff auf eine Weise, die nicht durch die Stoffsicherheitsbeurteilung eines Herstellers bzw. Importeurs abgedeckt ist (identifizierte Verwendung, einschließlich seiner Verwendung als Bestandteil eines Erzeugnisses), muss er für Verwendungsmengen von über 1 Tonne pro Jahr der Agentur eine entsprechende Mitteilung machen und ggf. einen eigenen Stoffsicherheitsbericht erstellen. Die Alternative wäre eine Rückmeldung an den Zulieferer und die Registrierung durch diesen. Der Zulieferer ist dazu aber nicht verpflichtet, wenn er z. B. diese Verwendung nicht gutheißen kann (REACH-VO Artikel 14 und Anhang I). 4.5 Bezug der Gefährdungsbeurteilung zu REACh und GHS/CLP Zwischen der seit 2007 bestehenden REACh-Verordnung und der neuen CLP-Verordnung gibt es eine Reihe von Überschneidungen, aber auch einige Regelungen, die sich nicht decken. Die REACh-VO gilt zunächst nur für Stoffe und ist bei verschiedenen Pflichten an bestimmte Mengen, die in den Markt gebracht werden, gebunden. Die unter CLP registrierten Chemikalien (Reinstoffe, Gemische) unterliegen nach den Vorgaben der Verordnung immer beim Inverkehrbringen den Einstufungs- und Kennzeichnungsregeln. Es gibt keine mengenbezogenen Unterschiede. Trotz nicht ganz übereinstimmender Regelungen in den beiden EU-Verordnungen ergänzen und unterstützen sich die Verordnungen. Keine Regel aus der einen Verordnung wird von der anderen in irgend einer Form unterlaufen oder aufgehoben. Es sind deshalb beide Verordnungen unbedingt zu beachten und zu berücksichtigen. Das Arbeitsschutzgesetz und die damit eingebundenen Verordnungen und technischen Regeln der Berufsgenossenschaften binden Gefahrstoffe in die Gefährdungsbeurteilung mit ein. Gefährdungen können sich durch das Einwirkungen von Chemikalien am Arbeitsplatz ergeben. Aber auch durch organisatorische Mängel werden Gefährdungen verursacht. Eine Gefährdungsbeurteilung muss alle ereichbaren Informationen enthalten, um präventiv Maßnahmen zur Vermeidung von Risiken und Gefährdungen treffen zu können. Für den nachgeschalteten Anwender ist das Sicherheitsdatenblatt (SDB) die wesentlichste Informationsquelle. Das Sicherheitsdatenblatt ist seit 1991 in Form und Inhalt vorgeschrieben. In der REACh-VO ist Form und Inhalt des Sicherheitsdatenblattes verändert und dem neusten Stand des Wissens auf dem Sektor der Stoffe und Zubereitungen angepasst worden. Das neue Sicherheitsdatenblatt enthält 16 Rubriken. Neben den üblichen Angaben über den Hersteller und die Bezeichnungen und Handelsnamen des Stoffes oder der Zubereitung (Gemisches) haben die restlichen Rubriken mit den Eigenschaften der Stoffe und der Wirkung auf Mensch und Umwelt zu tun. 13 / 22

Die Rubrik 1 des SDB enthält den Verwendungszweck für die Chemikalie oder Zubereitung, der vom Hersteller erlaubt ist. Die Verwendung ist wichtig, weil in den Rubriken 7 Handhabung und Lagerung und 8 Begrenzung und Überwachung der Exposition / PSA darauf Bezug genommen wird. Die GHS/CLP-VO verlangt bei der Einstufung das, dass die Exposition der Stoffe und Gemische bestimmt wird. Daraus folgend werden die Gefahren- und Sicherheitshinweise (H-und P- Sätze) ermittelt. Diese Hinweise beziehen sich auch auf die Lagerung und gibt an, welche Schutzmaßnahmen einzuhalten sind. In der Rubrik 2 Gefährdungen werden alle erkannten und vermuteten Gefährdungen beschrieben. Der Begriff der Gefährdung beschreibt die Möglichkeit eines Schadens oder einer gesundheitlichen Beeinträchtigung ohne bestimmte Anforderungen an deren Ausmaß oder Eintrittswahrscheinlichkeit. Dabei ist die Gefährdung sowohl beim bestimmungsgemäßen als auch bestimmungsfremden Gebrauch sowie im Fehlerfall zu betrachten. Das bedeutet, dass der Hersteller oder Importeur eines Stoffes oder einer Zubereitung eine Risikoabschätzung machen muss. Diese Risikoabschätzung nutzt dabei die Ergebnisse der Exposition oder eines Expositionsszenarios wie es auch unter GHS/CLP verlangt wird. Die Rubriken 4 bis 6 geben an, welche Maßnahmen zur Ersten-Hilfe beim Eintreten einer Verletzung, im Brandfall oder bei unbeabsichtigter Freisetzung eines gefährlichen Stoffes zu ergreifen sind. Hier erhält man auch einige Informationen wie man sich schützen kann. Bei unbeabsichtigter Freisetzung eines gefährlichen Stoffes wird, wenn nötig, auch auf die Schutzmaßnahmen nach Rubrik 8 und die Hinweise zur Entsorgung im Kapitel 13 hingewiesen. In der Rubrik 7 Handhabung und Lagerung sind Angaben zum Gesundheits- und Umweltschutz sowie zur Sicherheit zu machen. Sie sollen dem Arbeitgeber helfen, geeignete Arbeitsabläufe und organisatorische Maßnahmen festzulegen. In dieser Rubrik geht es um drei verschiedene Details: Handhabung Lagerung und Verwendungen Unter Handhabung sind Schutzmaßnahmen für den sicheren Umgang einschließlich Empfehlungen für technische Maßnahmen anzugeben, wie: Einschluss, örtliche und generelle Lüftung, Verhinderung von Aerosol- und Staubbildung, Brandschutzmaßnahmen, Vorkehrungen zum Umweltschutz ( Verwendung von Filtern und Wäschern, Auffangwannen, Abdichtungssystemen, Aufnahme und Entsorgung von ausgelaufenen Materials), geeignete oder nicht zulässige Verfahren und Geräte. Im Punkt Lagerung sind die Bedingungen für eine sichere Lagerung anzugeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Stoffe oder Zubereitungen spezielle Anforderungen an die Lagerräume stellen, nur in festgelegten Mengen oder bestimmten Verpackungen und nicht zusammen mit anderen Chemikalien gelagert werden dürfen. Besondere Anforderungen sind auch an elektrische Anlagen und Geräte, sowie Maßnahmen gegen elektrostatische Aufladung gestellt. Die Rubrik 8 Expositionsbegrenzung und persönliche Schutzausrüstungen beschreibt im wesentlichen die Grenzwerte einer Exposition und die entsprechenden Schutzmaßnahmen, die einzuhalten sind. Dazu sollen hier aktuelle Überwachungs- und Beobachtungsverfahren empfohlen werden. Die Begrenzung und Überwachung umfasst alle Schutz- und Vorsorgemaßnahmen die während der Verwendung der Chemikalien zu ergreifen sind, um die Exposition der Beschäftigten und der Umwelt so gering wie möglich zu halten. 14 / 22

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, muss der Arbeitgeber die Risiken für Gesundheit und Sicherheit bewerten. Entsprechend dieser Bewertung sind geeignete Arbeitsverfahren, technische Steuerungseinrichtungen, geeignete Arbeitsmittel und Materialien vorzusehen. Insgesamt sollen alle Angaben und Festlegungen die in der Rubrik 7 empfohlenen Maßnehmen ergänzen. Die Maßnahmen zum Gesundheitsschutz müssen mindestens den Atemschutz, den Handschutz, mit Beurteilung des Handschuhmaterials, Durchdringungszeit des Handschuhmaterials in Abhängigkeit von Stärke und Dauer der Hautexposition den Augenschutz und den Körperschutz Anzugeben sind außerdem die Informationen, die zur Erfüllung der Verpflichtungen aus den gemeinschaftlichen Umweltschutzbestimmungen nötig sind. Die Rubrik 9 Physikalische und chemische Eigenschaften enthält sämtliche relevanten Informationen über den Stoff oder die Zubereitung, insbesondere wichtige Informationen zum Gesundheits- und Umweltschutz sowie zur Sicherheit. Anzugeben sind: Aussehen Aggregatzustand (fest, flüssig, gasförmig), Farbe im Lieferzustand Geruch ph-wert weitere Angaben zu Mischbarkeit, Leitfähigkeit, Schmelzpunkt/Schmelzbereich, Gasgruppe, Selbstentzündungstemperatur. Auf Grund dieser Informationen, die zum Teil in der GHS/CLP-VO verlangt und ermittelt werden, sind alle notwendigen Schutzmaßnahmen auf Wirksamkeit zu bewerten. Die Rubrik 10 Stabilität und Reaktivität enthält die Informationen über die Stabilität einer Chemikalie sowie eventuelle gefährliche Reaktionen durch Bedingungen, die durch Temperatur, Druck, Licht, Erschütterungen usw. hervorgerufen werden. Es sind die Reaktionen zu beschreiben, die durch Stoffe wie Wasser, Luft, Säuren, Basen, Oxidationsmittel oder jeder andere Stoff, der zu einer gefährlichen Reaktion führen kann zu beschreiben. Außerdem müssen die gefährlichen Stoffe benannt werden, die bei einer Zersetzung in kritischen Mengen entstehen können. Insbesondere sind anzugeben: die Notwendigkeit von Stabilisatoren und ihr Vorhandensein, die Möglichkeit einer gefährlichen exothermen Reaktion, Auswirkungen einer Änderung des Aggregatzustandes des Stoffes auf die Sicherheit, gegebenenfalls gefährliche Zersetzungsprodukte bei Kontakt mit Wasser. mögliche Zersetzung zu instabilen Produkten. Die Rubrik 11 Angaben zur Toxikologie umfasst die kurze, aber vollständige und verständliche Beschreibung der verschiedenen toxikologischen Wirkungen, die sich bei Kontakt mit dem Stoff oder der Zubereitung für den Verwender ergeben können. Unter der Berücksichtigung der Angaben in Rubrik 2 Zusammensetzung/Angaben zu Bestandteilen kann es erforderlich sein, auf besondere Wirkungen bestimmter Bestandteile einer Zubereitung hinzuweisen. Die Informationen aus dieser Rubrik bestimmen die Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und im Umweltschutz in erheblichem Maße mit. 15 / 22

In der Rubrik 12 Angaben zur Ökologie sind die möglichen Wirkungen, das Verhalten und der Verbleib des Stoffes oder der Zubereitung in der Umwelt (Luft, Wasser und/oder Boden). Liegen entsprechende Prüfungsergebnisse vor, so sind diese anzugeben. Zu beschreiben sind die wichtigsten Eigenschaften, die sich auf die Umwelt auswirken können, in Abhängigkeit von der Beschaffenheit und den wahrscheinlichen Verwendungsarten der Stoffe. Derartige Angaben sind auch für gefährliche Produkte zu machen, die bei der Zersetzung des Stoffes entstehen. Folgende Eigenschaften könnten wichtig sein: Ökotoxizität, Mobilität, Persistenz und Abbaubarkeit, Bioakkumulationspotenzial und andere schädliche Wirkungen. Es ist anzumerken, dass auch in den Rubriken 6,7,13,14 und 15 Hinweise zur kontrollierten Freisetzung, zu Maßnahmen bei ungewollter Freisitzung, zum Transport und zur Entsorgung gegeben werden. Die Rubrik 13 Hinweise zur Entsorgung gibt Informationen wie Restmengen oder Abfälle aus der absehbaren Verwendung eines Stoffes sicher entsorgt werden können. Dabei müssen die Rückstände, die eine Gefährdung darstellen, benannt werden. Angaben zum Transport werden in der Rubrik 14 gemacht. Dabei sind die besonderen Vorsichtsmaßnahmen, die der Verwender bezüglich des Transports oder der Transportbehälter innerhalb und außerhalb seines Betriebsgeländes zu kennen und zu beachten hat. Die Daten über die Einstufung und alle anderen relevanten Daten für Transport und auch die Lagerung werden von der GHS/CLP-VO geregelt und durch die dort beschriebenen Regeln bestimmt. Die Rubrik 15 Rechtsvorschriften informiert über die gesundheits-, sicherheits- und umweltbezogenen über Rechtsvorschriften, die in dem Sicherheitsdatenblatt berücksichtigt worden sind oder berücksichtigt werden mussten. Dabei sind nicht nur die übergreifenden Vorschriften und Verordnungen der EU, sondern auch die entsprechenden nationalen Rechtsvorschriften, die zur Umsetzung dieser Bestimmungen benutzt worden sind, anzugeben Die Rubrik 16 Sonstige Angaben enthält alle sonstigen Informationen, von denen der Hersteller, Importeur oder Lieferant annimmt, dass sie für den Gesundheits- und Umweltschutz sowie die Sicherheit des Anwenders von Bedeutung sind, beispielsweise: Auflistung der relevanten H-Sätze; anzugeben ist der volle Wortlaut aller H-Sätze, auf die in Rubrik 2 und 3 des SDB Bezug genommen wird; Schulungshinweise; Empfohlene Einschränkungen der Anwendung; weitere Information zu Quellen und Kontaktstellen für technische Informationen; Quellen der wichtigsten Daten, die zur Erstellung des Datenblattes verwendet wurden; Nach Überarbeitung eines SDB ist klar kenntlich zu machen, welche Angaben verändert oder hinzugefügt worden sind. Die ausführliche Darstellung des Inhalts des SDB zeigt, das die Informationen zum Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutz aus beiden EU- Verordnungen stammen. Sie ergänzen sich in allen Teilen und heben sich nicht gegeneinander auf. 4.6 Was ist nun zu tun? Verantwortlich für die gesamten Informationen, den Informationsfluss und für die Richtigkeit aller Angaben im Sicherheitsdatenblatt ist der Hersteller oder Importeur eines Stoffes oder Zubereitung (Gemisch). Der nachgeschaltete Anwender bekommt dieses SDB mit der Lieferung einer Bestellung von seinem Lieferanten, der für die Übergabe des Dokumentes verantwortlich ist oder direkt vom Hersteller (Down-Stream). 16 / 22

Der nachgeschaltete Anwender hat zunächst festzustellen, ob er im Besitz der neusten Version der SBD ist. Sollte dieses nicht der Fall sein, so hat er unverzüglich von seinem Lieferanten oder direkt vom Hersteller das oder die neusten SDB anzufordern, um so einen Teil seiner Dokumentation über die Gefährdungsbeurteilung auf den aktuellen Stand zu bringen. Der Anwender hat das SDB zu prüfen, ob seine Anwendung vom Hersteller/Importeur identifiziert worden ist. Sollte die Anwendung nicht identifiziert worden sein, muss der Anwender seine spezifische Verwendung dem Hersteller/Importeur anzeigen und eine Aufnahme in die identifizierten Anwendungen beantragen. Lehnt der Hersteller die Aufnahme in die identifizierten Anwendungen ab, darf der Stoff oder die Zubereitung nicht mehr verwendet werden und wird auch nicht mehr geliefert. Allerdings hat der Anwender die Möglichkeit selbst seine Verwendung anzumelden und prüfen zu lassen, was zeit-und kostenintensiv ist. Wichtig ist, dass alle Betriebsanweisungen über Verfahren und Anwendungen, Arbeitsmittel und Arbeitsumfelder mit den neuen Symbolen und Klassifikationen der GHS/CLP-VO ausgestattet werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass ein Schulungsprogramm erarbeitet werden muß, damit die direkt betroffenen Beschäftigten die neuen Klassifikationen, Gefahrenpiktogramme, Gefahrenhinweise und Sicherheitsratschläge verstehen und anwenden können. Im SDB sind die H- und P-Sätze genau zu lesen, um so sicher zu sein, dass alle bisher getroffenen Sicherheitsmaßnahmen auch weiterhin wirksam sind. In der Regel sind die bisher angegebenen S- und R-Sätze nur gegen die H- und P-Sätze auszutauschen, wobei in den Formulierungen auch größtenteils nur einzelne Worte verändert sind. In jedem Fall sind die betroffenen MitarbeiterInnen von diesen Änderungen zu informieren. Diese Informationen müssen natürlich arbeitsplatzbezogen weitergegeben werden. Generell sollte eine intensive Schulung aller Beschäftigten mit Fachleuten vorbereitet und möglichst bald durchgeführt werden. Eine neue vollständige Gefährdungsbeurteilung ist in den meisten Fällen nicht notwendig, da die Änderungen hauptsächlich das SDB betreffen und über die Dokumentation abgewickelt werden können. Diese Liste an zu prüfenden Arbeitspunkten ist sicherlich noch nicht vollständig, aber sie zeigt auf, dass es einige Zeit dauern wird, um alle Forderungen der neuen Verordnungen umzusetzen. Die Übergangszeiten zur Umsetzung von CLP gehen bis 2015; die REACh-Verordnung muss bis 2018 umgesetzt sein. Die Zeiträume erscheinen recht lang. Bei der Komplexität der Materie sollte aber frühzeitig mit den Vorbereitungen zur Umsetzung begonnen und ein Handlungskonzept entwickelt werden. Die folgende Tabelle gibt einige Ansätze für den Beginn des Prozesses: Einstieg in die Umstellung, wo der größte Bedarf festzustellen ist, feststellen, ob die Beschäftigten ausreichend über Arbeits- und Gesundheitsschutz und die kontinuierliche Verbesserung informiert sind, analysieren, welche organisatorischen Strukturen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bereits existieren und genutzt werden können (z.b. Qualitätsmanagement nach ISO 9001:2008), wie muss sich die Interessenvertretung der Beschäftigten aufstellen, Erarbeitung eines Konzeptes: Festlegen von Zielsetzungen und Handlungszeiträumen Qualifizierungsbedarfe feststellen externe Berater (Sachverständige) suchen und hinzuziehen Vertrauenslaute einbeziehen, Primärdatenerfassung vorbereiten: Datenschutzbedingungen prüfen Anonymität und Transparenz prüfen Stichprobe auswählen weitere Untersuchungsschritte wie Betriebsbegehungen, Messungen, Einzelgespräche, usw. vorbereiten. 17 / 22

5. Beteiligung der Beschäftigten und Mitbestimmung 5.1 Beteiligung Die Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz ist rechtlich gut abgesichert. Trotzdem ist eine Strategie notwendig, um das Thema im Betriebsalltag aufzugreifen und erfolgreich umzusetzen. Häufig werden auch Verbesserungen, die zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung vereinbart wurden, von Führungskräften oder von den Beschäftigten nicht umgesetzt. Der Auftrag des Gesetzgebers nach dem neuen Arbeitsschutzgesetz ist, Gesundheitsprävention im Betrieb zu etablieren. Dieses kann nur mit allen Beteiligten erfolgreich aufgegriffen und umgesetzt werden. Beschäftigte sollten dabei unbedingt von Beginn an einbezogen werden. Nur die Teilnahme schafft Akzeptanz und vermeidet unnötige Kosten. Konkret heißt das aber: Arbeits- und Gesundheitsschutz im Betrieb läßt sich nicht nebenbei oder punktuell bearbeiten. Es empfiehlt sich für den Betriebs-/Personalrat, das Thema gezielt und systematisch aufzugreifen und voranzutreiben. Die aktive Einbeziehung und Information der Beschäftigten ist unbedingt zu empfehlen. Die Beteiligung der Beschäftigten kann sich beziehen auf: Information über die Art und Weise der Gefährdungsbeurteilung beteiligungsorientierte Analyseverfahren (Mitarbeiterbefragungen, Gesundheitszirkel) beteiligungsorientierte Lösungssuche (Zirkel, Workshops) Information über die Ergebnisse und die ergriffenen Maßnahmen Unterweisung zu den festgestellten Gefährdungen und präventivem Verhalten Durch Teilnahme werden Beschäftigte sensibilisiert und akzeptieren Verbesserungsmaßnahmen eher, wenn sie selbst daran mitarbeiten können. Das stärkt Eigenverantwortung für gesundheitsgerechtes Verhalten. Das Arbeitsschutzgesetz fordert sogar von den Beschäftigten die Unterstützung aller Maßnahme zur Verhinderung von Gefährdungen am Arbeitsplatz (ArbSchG 15). Darüber hinaus muss der Arbeitgeber informiert werden, wenn der/die Beschäftigte erkennt das durch die Anwendung eines Verfahren oder die Verwendung eines Stoffes am Arbeitsplatz Sicherheit und Gesundheit gefährden könnte. Sie haben das Recht Vorschläge zur Verbesserung zu machen. Sie müssen angehört werden. Die o.a. Punkte sind in den Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten über das Betriebsverfassungsgesetz sowie über die Arbeitsgesetze und -verordnungen angesprochen und geregelt. 5.2 Mitgestaltung der Arbeit Betriebsräte sind die Interessenvertretung der Beschäftigten im Betrieb. Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen stellt dabei eine zentrale Aufgabe dar. Informations-, Initiativ- und Mitbestimmungsrechte nach Betriebsverfassungsgesetz ermöglichen das Mitgestalten und bieten einen großen Handlungsspielraum. Ziel ist dabei eine laufende Verbesserung von Sicherheit, Gesundheitsschutz und menschengerecht gestalteter Arbeit. Die Mitbestimmung dient dem Schutz der Beschäftigten. 18 / 22

5.2.1 Aufgaben und Rechte des Betriebsrates nach Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Aufgaben des Betriebsrates Anregungen aufnehmen und Maßnahmen Beantragen Anregungen von Beschäftigten entgegennehmen und auf Erledigung hinwirken Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes im Betrieb beim Arbeitgeber beantragen Innerbetriebliche und überbetriebliche Zusammenarbeit 2. Beteiligung des BR am Arbeitsschutzausschuss in Betrieben mit mehr als 20 Arbeitnehmern 3. Zusammenarbeit mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt 4. Unterstützung der Behörden und Berufsgenossenschaften bei der Bekämpfung von Unfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Erkrankungen Gestaltung der Arbeitsbedingungen (Gestaltungsfunktion) 5. Aktiver Einsatz zur Durchführung der Vorschriften des Arbeits- und Gesundheitsschutzes 6. Mitbestimmung bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen 7. Mitbestimmung bei der Gestaltung der Organisation des Arbeits- und Gesundheitsschutzes Überwachung (Schutzfunktion) 8. Einhaltung von Gesetzen, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften 9. Berücksichtigung der gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse Abschluss von Betriebsvereinbarungen 10. Betriebsvereinbarungen 11. Freiwillige Vereinbarungen über zusätzliche Maßnahmen Rechte des Betriebsrates Informationsrechte BetrVG 80 (1) 1 Allgemeines Informationsrecht zur Durchführung der Aufgaben des BR BetrVG 90 (2) Informations- und Beratungsrecht bei Neu- und Umbauten, geplanten neuen technischen Anlagen, Arbeitsverfahren und Arbeitsplätzen BetrVG 89 (5,6) Aushändigung von Niederschriften über Untersuchungen, Besichtigungen und Besprechungen, Unfallanzeigen. Beratungsrechte Zusammenarbeit BetrVG 89 (4), ASiG 11 Teilnahmerecht Arbeitssicherheit und dem Betriebsarzt des Betriebsrates am Arbeitsschutzausschuss und / oder Besprechungen mit den Sicherheitsbeauftragten. BetrVG 89 (1) Verpflichtung zur Unterstützung der Behörden und Berufsgenossenschaften ASiG 9 (1) Verpflichtung der Betriebsärzte und der Fachkräfte für Arbeitssicherheit zur Zusammenarbeit, Information und Beratung BetrVG 88 Freiwillige Betriebsvereinbarungen zur Regelung zusätzlicher Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen Mitbestimmungsrechte BetrVG 87 (1) 7 Mitbestimmung bei Regelungen zur Unfallverhütung und des Gesundheitsschutzes im Rahmen der Auslegung gesetz- licher Bestimmungen und Vorschriften BetrVG 97 (1) 2 Mitbestimmung bei Regelungen zur Arbeitszeit/Pausen. BetrVG 91 Korrigierende Mitbestimmung zur Abwendung, Milderung, Ausgleich von Nachteilen bei Arbeitsplatzänderungen, Arbeitsabläufen, Arbeitsumgebung bei Verstoß gegen gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und besonderer Belastung. BetrVG 99 Mitbestimmung personell Einzelmaßnahmen bei Ernennung Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, Sicherheitsbeauftragte als Arbeitnehmer/-innen BetrVG 98 Mitbestimmung bei Durchführung betrieblicher Bildung/Unterweisung BetrVG 111/112 Betriebsänderung/Sozialplan bei umfangreichen betrieblichen Veränderungen, Interessenausgleich ist möglich BetrVG 77 Abschluss von Betriebsvereinbarungen zu gemeinsamen Beschlüssen 19 / 22

Der Betriebsrat kann mitbestimmen, "soweit eine gesetzliche oder tarifliche Reglung nicht besteht" (BetrVG 87 (1) Satz 1 ) und der Arbeitgeber Gestaltungsspielräume hat. Das Mitbestimmungsrecht nach 87 (1) Nr.7 hat seine Grundlage in den nicht abschließenden gesetzlichen Vorschriften, den allgemeinen Schutzzielen, wie sie z.b. in der Bildschirmarbeitsverordnung oder der Arbeitsstättenverordnung zu finden sind. Diese müssen und sollen im Betrieb konkretisiert werden. Ob sich der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung an das technische Regelwerk, Normen oder berufsgenossenschaftliche Informationen hält oder andere Wege zur Erreichung der gesetzlich vorgeschriebenen allgemeinen Schutzziele beschreitet, darüber muss er sich mit dem Betriebsrat einigen und den Erfolg der Maßnahmen nachweisen. Das dabei maßgebende Schutzniveau wird im Arbeitsschutzgesetz formuliert: die "gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse", das sind z.b. Berufsgenossenschaftliche Informationen oder die Normen und der "Stand der Technik" (ArbSchG 4 Nr. 3), der den Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren und Technik beschreibt. Rechtlich bindende Vorschriften zur Gefährdungsbeurteilung Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen Ermittlung der erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes Beurteilung je nach Art der Tätigkeit Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen reicht die Beurteilung eines Arbeitsplatzes/einer Tätigkeit aus Verpflichtung des Arbeitgebers, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen Überprüfung der Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit Anpassung an sich ändernden Gegebenheiten Bereithalten der erforderlichen Unterlagen zu den Ergebnissen der Gefährdungsbeurteilung, den Maßnahmen und dem Ergebnis ihrer Überprüfung je nach Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten Beurteilung der Arbeitsbedingungen bei Bildschirmarbeitsplätzen insbesondere hinsichtlich einer möglichen Gefährdung des Sehvermögens sowie körperlicher und psychsicher Belastungen Beurteilung der für die Versicherten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdungen, Ermittlung der erforderlichen Maßnahmen Überprüfung der Gefährdungsbeurteilungen insbesondere dann, wenn sich die betrieblichen Gegebenheiten hinsichtlich Sicherheit und Gesundheitsschutz verändert haben Dokumentation des Ergebnisses der Gefährdungsbeurteilung, der festgelegten Maßnahmen und des Ergebnisses ihrer Überprüfung Auskunftspflicht gegenüber der Berufsgenossenschaft zu allen Informationen über die im Betrieb getroffenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes Arbeitsschutzgesetz 5 Arbeitsschutzgesetz 3 Arbeitsschutzgesetz 6 Bildschirmarbeits-verordnung 3 BGV A A1 3 GUV V A1 Ein einseitiges Handeln des Arbeitgebers ist im Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht möglich. Arbeitgeber und Betriebs-/Personalrat müssen sich einigen. Voraussetzung für einen erfolgreichen Mitbestimmungsprozess ist ausreichendes Wissen und die Unterstützung durch die Beschäftigten. 20 / 22