Ringvorlesung Umwelt Umweltzerstörung und Landkonflikte in Brasilien 9. Mai 2007 Zwei Thesen 1.Umweltzerstörungen spielen sich nie in einem menschenrechtsfreien Raum ab, auch wenn viele Akteure diesen Eindruck erwecken wollen 2.Der menschenrechtliche Schutz weist noch wesentliche Lücken auf
Inhaltsübersicht Zwei Beispiele für den Zusammenhang von Landvertreibungen und Umweltzerstörungen Elemente des internationalen Menschenrechtsschutzes: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte Akteure bei Umweltzerstörungen und Landvertreibungen und ihre menschenrechtliche Stellung Die Arbeit von amnesty international zu diesen Menschenrechtsproblemen Inhaltsübersicht Zwei Beispiele für den Zusammenhang von Landvertreibungen und Umweltzerstörungen Elemente des internationalen Menschenrechtsschutzes: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte Akteure bei Umweltzerstörungen und Landvertreibungen und ihre menschenrechtliche Stellung Die Arbeit von amnesty international zu diesen Menschenrechtsproblemen
Zwei Beispiele 1. Amnesty UA (Urgent Action) 042/2007: Im Februar 2006 sind zwei Kinder der indigenen Gemeinschaft der Guarani-Kaiowa in Dourados (Mato Grosso do Sul) verhungert, weil die Nahrungsmittellieferungen durch den Bundesstaat eingestellt worden waren 2. Der US-Sojahersteller Cargill hat 2003 am größten Strand der Stadt Santarem im Bundesstaat Pará illegal Fabrikanlagen eingerichtet (vgl. http://www.greenpeace.org/international/press/report s/eating-up-the-amazon) Brasilien Pará
Das erste Beispiel: Indigene abhängig von Nahrungsmittellieferungen Hintergrund der Todesfälle: Die Indigenengebiete von Mato Grosso do Sul sind besonders klein, verarmt und dicht besiedelt (ca. 11.000 Indigene leben auf ca. 3500 ha Fläche) Soja- und Zuckerrohrplantagen engen den Lebensraum der indigenen Bevölkerung so stark ein, dass sie sich nicht mehr selbst ernähren können Duch Gesetz existierende Landrechte der Indios werden vom Justizwesen nur verschleppt anerkennt Die Rechtsstellung indigener Völker Cobo-Definition von Indigenen: Historische Kontinuität vor einer Eroberung/Kolonisierung Marginalisiert in der jetztigen Gesellschaft An ihren Boden gebunden und davon abhängig (vgl. UN Doc. No. E/CN.4/Sub.2/1986/87 und ILO- Konvention 169) Menschenrechtlich geschützt insbesondere durch die CERD (den Anti-Rassismus-Pakt der UN)
Der UN-Anti-Rassismus-Pakt Art. 2, Abs. 1: Die Vetragsstaaten verurteilen die Rassendiskriminierung und verpflichten sich, mit allen geeigneten Mitteln unverzüglich eine Politik der Beseitigung der Rassendiskriminierung in jeder Form...zu verfolgen Nach dem General Comment Nr. 23 des Ausschusses für die Beseitigung von Rassendiskrimierung fällt die Diskriminierung indigener Völker in den Geltungsbereich des Abkommens. Insbesondere soll die Kultur, Geschichte, Sprache und Lebensart indigener Völker geachtet und erhalten werden Das zweite Beispiel: Illegale Soja-Erzeugung Nach Angaben des brasilianischen Landreform-Instituts (INCRA) eigneten sich Privatpersonen im Bundesstaat Mato Grosso illegal mehrere Millionen Hektar öffentliches Land für die industrielle landwirtschaftliche Nutzung an. Um das Land zu erobern und die dort ansässigen Menschen zu vertreiben, wenden Farmer häufig Gewalt an bis hin zum Mord. Opfer dieser illegalen Landnahme sind häufig indigene Menschen, deren Lebensraum zunehmend zerstört wird. Um Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen, wird der Wald durch Brandrodung vernichtet: Zwischen August 2003 und August 2004 wurden 2,7 Millionen Hektar Urwald zerstört (etwa die Fläche Belgiens). Drei Viertel davon wurden nach brasilianischen Gesetzen illegal gerodet) Die Bewirtschaftung dieser Flächen (v.a. Soja-Anbau) erfolgt i.d.r durch Arbeitskräfte, denen fundamentale Arbeitsrechte vorenthalten werden
Das zweite Beispiel: Illegale Soja-Erzeugung Nach Angaben von Greenpeace hat der international tätige Konzern Cargill 19 Silos und eine illegale Hafenanlage in den Amazonas- Regenwald gebaut. Cargill nahm im Jahr 2003 eine Soja- Schiffsverladestation in Santarém im Bundesstaat Pará in Betrieb. Die Anlage hat Cargill illegal mitten im Amazonas-Gebiet gegen den Widerstand zahlreicher lokaler und nationaler Gruppierungen gebaut. Inhaltsübersicht Zwei Beispiele für den Zusammenhang von Landvertreibungen und Umweltzerstörungen Elemente des internationalen Menschenrechtsschutzes: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte Akteure bei Umweltzerstörungen und Landvertreibungen und ihre menschenrechtliche Stellung Die Arbeit von amnesty international zu diesen Menschenrechtsproblemen
Geschichtlicher Hintergrund Im Kontext des Kalten Krieges wurden und BP-Rechte voneinander getrennt Daher zwei große Menschenrechtspakte: Sozialpakt und Zivilpakt (1966 gemeinsam verabschiedet) Viele Menschenrechtsorganisationen haben ihre Arbeit auf die BP-Rechte konzentriert (so auch ai bis 2001) Erst seit dem Ende des Kalten Krieges gewinnen auch die international an Bedeutung Die Wiener Menschenrechts-Konferenz 1993 betont die Unteilbarkeit der Menschenrechte Völkerrechtliche Grundlagen der Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19.12.1966 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung von 1966 Übereinkommen über die Rechte des Kindes von 1989 und weitere...
Wesentliche Rechte im Sozialpakt Recht auf Arbeit (Artikel 6) Rechte in der Arbeit, einschließlich Vereinigungs- und Streikrecht (Artikel 7, 8) Recht auf Soziale Sicherheit (Artikel 9) Recht auf Schutz der Familie (Artikel 10) Recht auf angemessenen Lebensstandard (Artikel 11) einschließlich Recht auf Nahrung und Recht auf Wohnen Recht auf körperliche und geistige Gesundheit (Artikel 12) aus Art. 11 und 12 abgeleitet: Recht auf Wasser Recht auf Bildung (Artikel 13, 14) Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben, wissenschaftlichen Fortschritt, Urheberrechtsschutz (Artikel 15) Art. 2 Abs. 1 des Sozialpakts Jeder Vertragsstaat verpflichtet sich, einzeln und durch internationale Hilfe und Zusammenarbeit unter Ausschöpfung aller seiner Möglichkeiten Maßnahmen zu treffen, um nach und nach mit allen geeigneten Mitteln die volle Verwirklichung der in diesem Pakt anerkannten Rechte zu erreichen.
Art. 2 Abs. 2 des Sozialpakts Die Vertragsstaaten verpflichten sich, zu gewährleisten, dass die in diesem Pakt verkündeten Rechte ohne Diskriminierung hinsichtlich der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status ausgeübt werden. Drei Arten von staatlichen Verpflichtungen ( Pflichtentrias ) Der Staat ist verpflichtet, alle Menschenrechte zu achten also nicht in bestehende Menschenrechtsgarantien einzugreifen zu schützen also die Rechte vor Eingriffen Dritter zu schützen und zu erfüllen also die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Rechte zu verwirklichen
UN-Kontrollorgane für Menschenrechte General Assembly (Vollversammlung) Economic and Social Council (Wirtschafts- und Sozialrat) Council on Human Rights (Menschenrechtsrat) Special Rapporteurs (Sonderberichterstatter) Subcommission on the Promotion and Protection of Human Rights Committee on Economic, Social and Cultural Rights Human Rights Committee Committee against Torture Committee on the Elimination of Racial Discrimination Committee on the Elimination of Discrimination against Women Committee on the Rights of the Child Recht auf Nahrung Rechtliche Grundlagen: AEdMR: Art. 25 (1): Jeder Mensch hat Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, usw. gewährleistet Sozialpakt: Art. 11 (1): Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen
Rechtsgrundlagen: Recht auf Wohnen Sozialpakt Art. 11 (1): Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung, sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen. Recht auf Wohnen Konkretisiert in General Comment Nr. 4 des UN-Sozialrats: [Das Recht auf Wohnen] sollte als ein Recht angesehen werden, gleichgültig an welchem Ort in Sicherheit, Frieden und Würde zu leben... Als Aspekte des Rechts werden beschrieben: gesetzlicher Schutz Bezahlbarkeit, Bewohnbarkeit und Zugänglichkeit Priorität für jene soziale Gruppen, die unter ungünstigen Bedingungen leben gründliche Konsultation mit allen Betroffenen Monitoring der Wohnungssituation Beschwerdeverfahren für geplante Umsiedlungen oder Abrisse Zwangsumsiedlungen sind prima facie unvereinbar mit den Anforderungen des Sozialpaktes
Recht auf Wohnen Speziell zu Zwangsumsiedlungen General Comment Nr. 7 des UN-Sozialrats: Zwangsumsiedlungen verletzen häufig auch andere Menschenrechte (Recht auf Leben, auf Sicherheit der Person, Unverletzbarkeit der Privatsphäre, Familie und Unterkunft, sowie auf friedliche Verfügung über das Eigentum) Vertragsstaaten müssen sicherstellen, dass alle machbaren Alternativen zugunsten einer Vermeidung der Umsiedlung in Rücksprache mit den Betroffenen untersucht worden sind angemessener Rechtsschutz und faire Verfahren Umsiedlungen dürfen Menschen nicht der Obdachlosigkeit ausliefern Gewaltsame Zwangsumsiedlungen Leider keine Einzelfälle Zwangsumsiedlungen finden in vielen Staaten der Welt statt Allein in Afrika werden jedes Jahr Hunderttausende vertrieben EMPICS
Inhaltsübersicht Zwei Beispiele für den Zusammenhang von Landvertreibungen und Umweltzerstörungen Elemente des internationalen Menschenrechtsschutzes: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte Akteure bei Umweltzerstörungen und Landvertreibungen und ihre menschenrechtliche Stellung Die Arbeit von amnesty international zu diesen Menschenrechtsproblemen Akteure bei Menschenrechtsverletzungen Staaten: gebunden durch ein relativ dichtes Netz von menschenrechtlichen Verpflichtungen Internationale Finanzorganisationen: bisher weitgehend ohne Bezug zu Menschenrechten in ihrer Arbeit Privatwirtschaftliche Unternehmen (insbesondere transnational agierende): bisher kaum in menschenrechtliche Schutzsysteme eingebezogen
IFIs als Teil der Vereinten Nationen Weltbank Die Weltbank ist die am höchsten dotierte UN-Organisation (Jahresetat ca. 24 Mrd. $; zum Vergleich UNICEF knapp 1 Mrd. $) Über dem Eingang des Weltbanksgebäudes in New York steht: Our dream is a world without poverty Aber: bis vor kurzem hat die Weltbank jede Verbindung zu Menschenrechtsfragen als politisch und außerhalb ihres Fokus abgelehnt, erst seit Ende der 90er Jahre anerkennt die Weltbank die Bedeutung der wsk-rechte Trotzdem versteht sie wirtschaftliche aentwicklung weiterhin i.w. als Entwicklung der Wirtschaft und weniger als Verminderung der Armut ( Reichtum fließt über ) Der Ansatz der Weltbank-Arbeit ist weiterhin von oben nach unten orientiert, Partizipation und Mitbestimmung aller Beteiligten ist nach wie vor nicht vorgesehen
WTO und Menschenrechte Wie ist das Verhältnis von WTO-Freihandelsregeln und Menschenrechten? Beispiel intellektuelles Eigentum: dürfen Staaten der Dritten Welt preiswerte Nachahmermedikamente (Generika) an ihre Bürger abgeben? Beispiel Liberalisierung von Dienstleistungen: dürfen Staaten in der Dritten Welt einheimische Anbieter vor Konkurrenz schützen? Beispiel Agrarsubventionen: dürfen subventionierte Lebensmittel aus der Ersten Welt frei gehandelt werden oder sind diese Subventionen eine Wettbewerbsverzerrung? Problem: Menschenrechte sind keine Kernaufgabe der WTO Die WTO soll aber der Entwicklung und der Verringerung von Armut dienen Das kann nach Ansicht von ai nicht ohne Achtung der Menschenrechte erreicht werden Privatwirtschaftliche Unternehmen Erste UN-Initiative auf freiwilliger Basis: Der UN Global Compact Die 10 Prinzipien des Global Compact beinhalten den Schutz der Menschenrechte, der Umwelt und die Bekämpfung der Korruption (Cargill S.A. ist Mitglied seit 2004) Die Erfahrungen seit der Gründung 1999 sind jedoch wenig ermutigend; der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan konzipierte daher die UN Business Norms als verbindliches Rahmenwerk von Normen
Milleniums-Entwicklungsziele der UN Ziel 1: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger Ziel 2: Vollständige Primarschulbildung für alle Jungen und Mädchen Ziel 3: Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frauen Ziel 4: Reduzierung der Kindersterblichkeit Ziel 5: Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Müttern Ziel 6: Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren Krankheiten Ziel 7: Ökologische Nachhaltigkeit Ziel 8: Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft Inhaltsübersicht Zwei Beispiele für den Zusammenhang von Landvertreibungen und Umweltzerstörungen Elemente des internationalen Menschenrechtsschutzes: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte Akteure bei Umweltzerstörungen und Landvertreibungen und ihre menschenrechtliche Stellung Die Arbeit von amnesty international zu diesen Menschenrechtsproblemen
Grundlage in der Satzung Erkenntnis: Menschenrechte sind unteilbar und bedingen sich gegenseitig. ai Vision : Welt frei von Furcht und Not; Einsatz für die Verwirklichung aller Menschenrechte ai Mission : Eintreten gegen schwerwiegende Verletzungen der Rechte auf - körperliche und geistige Unversehrtheit - Gewissens- und Meinungsfreiheit - Freiheit von Diskriminierung - within the context of its work to promote all human rights Zwei Thesen 1.Umweltzerstörungen spielen sich nie in einem menschenrechtsfreien Raum ab, auch wenn viele Akteure diesen Eindruck erwecken wollen 2.Der menschenrechtliche Schutz weist noch wesentliche Lücken auf
Vielen Dank! - Haben Sie Fragen? Weitere Informationen im Internet: www.amnesty.de/2919 per email: huelle@gmx.org