Migrantische Gründungen: Beratungsbedarf und Konzepte Migrationssensible Gründungsberatung in Deutschland: Forschung trifft Praxis Workshop IQ-Kongress Berlin 04.02.2014 René Leicht und Marieke Volkert, ifm Universität Mannheim Das Netzwerk IQ wird gefördert durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesagentur für Arbeit. 1
Entwicklung von Selbständigen (in % und absolut) 200% 180% 160% Entwicklung ausländischer Selbständige Index 2000=100% Selbständige mit Migrationshintergrund absolut 2012 in Tsd. in % ohne MH 3.662 82,8 140% 120% 100% 80% 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 ausländische Selbständige ausländische abhängig Beschäftigte deutsche Selbständige deutsche abhängig Beschäftigte Quelle: Mikrozensus; eigene Berechnungen ifm Universität Mannheim. Migranten 760 17,2 darunter: Ausländer 486 63,9 Erste Gen. 683 89,9 absolut 2005 in Tsd. in % ohne MH 3.498 82,8 Migranten 566 13,9 2 Berlin 04.02.2014, Folie 2
Müssen Migrant(inn)en gesondert gefördert werden? Contra Makro: Zahl selbständiger Migrant(inn)en steigt ohnehin Mikro: Aktuelle Arbeitsmarktentwicklung: Verbesserter Zugang in abhängige Beschäftigung immer mehr Hochqualifizierte Migrant(inn)en mit guten Jobchancen Abhängige Beschäftigung birgt geringeres Risiko Pro Makro: Migrant(inn)en kompensieren demographisch bedingten Rückgang an Unternehmen Migrantenökonomie und Diversität stärkt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Migrantenunternehmen als Arbeitgeber für Fachkräfte Auszubildende Mikro: Viele Migrantengründungen scheitern Zugang in abhängige Beschäftigung zwar verbessert, aber nicht ausbildungsadäquat Selbständige sind i.d.r. besser integriert als abhängig Beschäftigte 3 Berlin 04.02.2014, Folie 3
Gleiche oder spezielle Beratung für Migrant(inn)en? Für gruppenübergreifend gleich behandelnde Beratung spricht reduziert Komplexität der Beratungsorganisation und -konzeption begegnet Gefahr der Stigmatisierung, Kulturalisierung mindert Risiko der Ausgrenzung aber: Gleichbehandlung von Ungleichen verstetigt Ungleichheit Für migrationssensible Beratung spricht berücksichtigt erschwerten Zugang zu Ressourcen und Ungleichheit in Bezug auf: Bildung, Finanzierung, Information kompensiert Chancenungleichheiten aber: Ungleichheit muss identifiziert werden 4 Berlin 04.02.2014, Folie 4
Interventionsfelder Netzwerk Integration durch Qualifizierung (IQ) Beseitigung von Ungleichheit? Beratung Zugang Inhalt: was? Form: wie? Verstärkung von Ungleichheit? Berlin 04.02.2014, Folie 5
Zugang zu Beratung: Teilnahme nach Institution (%) IHK, HWK Arbeitsagentur, Jobcenter Unternehmer-/Fachverband Migrant(inn)en Deutsch ohne Mh. Sonstige Gründungsberatung Bank, Sparkasse Unternehmens-/Steuer-/Rechtsberater Familie, Freunde, Bekannte 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% N = 532 (von 1.201) Nur Personen, die Beratung in Anspruch genommen haben Quelle: ifm-primärerhebung Migrantenökonomie Baden- Württemberg 2009 ifm Universität Mannheim 6 Berlin 04.02.2014, Folie 6
Zugang: Determinanten der Beratungsteilnahme: Ergebnisse logistischer Regressionsanalyse + ehem. Jugoslawien - türkisch - italienisch - polnisch Teilnahme an öffentlicher Beratung Ethnische Herkunft Referenzgruppe: deutsch + + + Branchenorientierung in jüngerer Zeit gegründet Sprache Deutsch Bildung Quelle: ifm-primärerhebung Migrantenökonomie Baden-Württemberg 2009 ; Berechnungen ifm Universität Mannheim Berlin 04.02.2014, Folie 7
Inhalt der Beratung: Wunsch nach Professionalität 60% 50% 40% 42 40 36 47 51 37 37 30% 29 20% 10% 0% türkisch ital. griech. ehem. polnisch jugoslawisch Befragte mit Beratung osteuropäisch Befragte ohne Beratung Naher / Mittlerer Osten deutsch Quelle: ifm-primärerhebung Migrantenökonomie Baden-Württemberg 2009 ; Berechnungen ifm Universität Mannheim 8 Berlin 04.02.2014, Folie 8
Form der Beratung und Diversität der Wünsche 70 63 Wunsch nach Beratung...... migrantenspezifisch... mit interkultureller... in Herkunftssprache Kompetenz 68 65 60 56 57 50 40 30 37 34 28 25 25 25 41 35 30 24 40 30 51 45 41 39 26 20 17 15 10 0 turkisch italienisch polnisch russisch turkisch italienisch Männer polnisch russisch Frauen turkisch italienisch polnisch russisch Quelle: ifm-primärerhebung NRW 2009, ifm Universität Mannheim 9 Berlin 04.02.2014, Folie 9
Fazit Migrant(inn)en sind im Zugang zu Gründungsberatung benachteiligt Ursachen geringerer Partizipation liegen weniger in ethnischer Herkunft als vielmehr in Sprachkenntnissen, formaler Bildung usw. Teilnahme an Beratung garantiert nicht, dass auch die Inhalte ankommen Es finden sich keine interkulturell gültige Muster für die richtige Form der Beratung. Standardisierung von Konzepten riskiert Kulturalisierung Erforderlich wäre individualisierte bzw. diversitätsorientierte Beratung. Soziale Dimensionen sind jedoch vielschichtig und schwer zu handhaben (vgl. auch Mecheril/Kalpaka sowie bspw. k.l.e.v.e.r.-iq) Fokus auf migrationsspezifische Besonderheiten gehört zum Beratungsinstrumentarium, reicht aber für Diversitätsorientierung nicht aus Ziel einer Beratung sollte es immer sein, ungleiche Ausgangsbedingungen zu kompensieren und die Reproduktion von Ungleichheit zu vermeiden Ungleichheit der Chancen von Migrant(inn)en auf erfolgreiche Beratung wächst durch Überlagerung der Felder Zugang Inhalt Form 10 Berlin 04.02.2014, Folie 10
IQ-Teilprojekt: Stärkung der Unterstützungsstrukturen für Migrantenunternehmen Dr. René Leicht Marieke Volkert Institut für Mittelstandsforschung Universität Mannheim 68131 Mannheim 0621 181 2788 leicht@ifm.uni-mannheim.de Berlin 04.02.2014, Folie 11
Backup 12 Berlin 04.02.2014, Folie 12
Gründe für Nicht-Teilnahme an Beratung (%)...weil es keine spezielle Beratung für Migranten gab...weil ich keine Zeit für Beratung hatte...weil die Berater meine Probleme nicht verstehen...weil ich kein Vertrauen in die Berater/Beratungseinrichtunge...weil mir die Kosten für eine Beratung zu hoch waren...weil ich nicht darüber nachgedacht habe...weil ich nicht wusste, wohin ich mich wenden soll...weil ich nicht wusste, dass es so etwas gibt...weil ich mich selbst gut auskannte 21 16 20 17 31 27 27 96 79 84 80 83 69 73 73 0 20 40 60 80 100 4...weil es keine spezielle Beratung für Migranten gab 15...weil ich keine Zeit für Beratung hatte 15...weil die Berater meine Probleme nicht verstehen 11...weil ich kein Vertrauen in die 11 Berater/Beratungseinrichtunge...weil mir die Kosten für eine Beratung zu hoch waren 18...weil ich nicht darüber nachgedacht habe 31...weil ich nicht wusste, wohin ich mich wenden soll 25...weil ich nicht wusste, dass es so etwas gibt 23...weil ich mich selbst gut auskannte 72 85 85 89 89 82 75 77 69 28 0 20 40 60 80 100 ohne MH ja ohne MH nein mit MH ja mit MH nein N = 667 Personen, die Beratung in Anspruch genommen haben, insgesamt wurden 1.201 Personen befragt Quelle: Primärerhebung Migrantenökonomie in Baden-Württemberg ifm Universität Mannheim, 2009 13 Berlin 04.02.2014, Folie 13