Zu dem vorliegenden Referentenentwurf nehmen wir wie folgt Stellung:

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Digitale Gesellschaft e. V. Singerstraße 109 10179 Berlin +49 30 97894230 info@digitalegesellschaft.de www.digitalegesellschaft.de @digiges Berlin, den 9. März 2017 Stellungnahme des Digitale Gesellschaft e.v. zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für ein Drittes Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes (neues WLAN-Gesetz 3. TMGÄndG) Zu dem vorliegenden Referentenentwurf nehmen wir wie folgt Stellung: A. Vorbemerkungen Wir begrüßen die Zielsetzung des Entwurfs, WLAN-Betreibern so weit wie möglich Rechtssicherheit zu verschaffen, wenn sie ihren Drahtloszugang zum Internet mit Dritten teilen. Entgegen den Ausführungen unter dem Punkt B. Lösung sind wir jedoch der Auffassung, dass der Umfang der Haftungsbeschränkung für Internetzugangsanbieter mit dem Entwurf nicht hinreichend klar geregelt wird. Sowohl die Frage, in welchen Fällen solche Anbieter überhaupt haften, als auch die Frage, zu welchen Maßnahmen sie im Haftungsfall verpflichtet werden können, beantwortet der Entwurf nicht mit der gebotenen Deutlichkeit. Wir halten daher Nachbesserungen für notwendig, um ein Maß an Rechtssicherheit zu herzustellen, das geeignet ist, eine flächendeckende Verbreitung offener Drahtloszugänge zum Internet tatsächlich wirksam zu befördern. 1

B. Im Einzelnen Für richtig halten wir zunächst die in Artikel 1 Nr. 2 lit. a) des Referentenentwurfs vorgesehene Ergänzung und Änderung des 8 Abs. 1 Telemediengesetz (TMG). Mit dem expliziten Ausschluss von Unterlassungsansprüchen wird eine der zentralen Schwachstellen des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes beseitigt. Ebenso begrüßen wir ausdrücklich die im neuen 7 Abs. 4 S. 3 TMG geregelte Freistellung der Zugangsanbieter vom Ersatz der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach 7 Abs. 4 S. 1 TMG. Kostenpflichtige Abmahnungen für Rechtsverletzungen durch Dritte haben die Zugangsanbieter damit nicht mehr zu befürchten. Die in den Vorbemerkungen erwähnte Rechtsunsicherheit ist vor allem dem Wortlaut des nach Artikel 1 Nr. 1 lit b) des Referentenentwurfs vorgesehenen 7 Abs. 4 TMG geschuldet. Dieser lautet: Wurde ein Dienst der Informationsgesellschaft von einem Nutzer in Anspruch genommen, um das Recht am geistigen Eigentum eines anderen zu verletzen und besteht für den Inhaber dieses Rechts keine andere Möglichkeit der Verletzung seines Rechts abzuhelfen, so kann der Inhaber des Rechts von dem betroffenen Diensteanbieter nach 8 insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern. Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Ein Anspruch gegen den Diensteanbieter auf Erstattung der vor- und außergerichtlichen Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung des Anspruchs nach Satz 1 besteht außer in den Fällen des 8 Absatz 1 Satz 3 nicht. 1. Anspruchsvoraussetzungen Unklar ist zunächst, unter welchen Bedingungen der in 7 Abs. 4 TMG geregelte Anspruch greifen soll. Nach dem Wortlaut der Norm setzt der Anspruch voraus, dass der Inhaber eines geistigen Eigentumsrechts keine andere Möglichkeit hat, um der Verletzung des Rechts abzuhelfen. Trotz ihrer vermeintlich deutlichen Formulierung geht aus der Norm nicht hervor, 2

ob für die Bewertung der Abhilfemöglichkeiten ein rein objektiver Maßstab gilt, oder ob auch Zumutbarkeitsgesichtspunkte in die Betrachtung einfließen müssen. So hat der Bundesgerichtshof in den Entscheidungen zu 3dl.am und goldesel.to (BGH, Urteile vom 26. November 2015 I ZR 3/14 und I ZR 174/14) als Voraussetzung für ein Vorgehen gegen einen Zugangsprovider lediglich verlangt, dass der Inhaber des verletzten Rechts zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen haben muss, um gegen den Täter selbst oder den genutzen Host-Provider vorzugehen. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass Rechteinhaber mit Verweis auf den unverhältnismäßig hohen Aufwand eines Einschreitens gegen Täter oder Host-Provider in der Regel versuchen werden, unmittelbar die Zugangsanbieter in Anspruch zu nehmen. Zugangsanbieter hingegen werden den neuen 7 Abs. 4 TMG vermutlich eher wortlautnah zu ihren Gunsten auslegen und einen objektiven Maßstab annehmen. Bereits auf der Ebene der Anspruchsvoraussetzungen sind daher Konflikte vorprogrammiert, die erst in langwierigen Gerichtsverfahren rechtssicher aufgelöst werden können. Wir halten es deshalb für dringend geboten, die Anspruchsvoraussetzungen an dieser Stelle zu konkretisieren. 2. Anspruchsziel Die aus unserer Sicht deutlichste Schwäche des Entwurfs liegt in der Formulierung des Anspruchsziels. Dazu heißt es in 7 Abs. 4 TMG, dass von dem Zugangsanbieter insbesondere die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangt werden kann. Das Wort insbesondere macht deutlich, dass die Sperrung der Nutzung von Informationen keineswegs die einzige Maßnahme ist, auf welche Zugangsanbieter von Rechteinhabern in Anspruch genommen werden können. Die Formulierung lässt vielmehr Raum für eine Vielzahl anderer denkbarer Anforderungen, beispielsweise eine Passwortsicherung oder eine namentliche Registrierung der Nutzenden. 3

Diese Interpretation wird auch durch den Wortlaut des neu zu schaffenden 8 Abs. 4 TMG gestützt. Dort ist ausdrücklich davon die Rede, dass eine Passwortsicherung und eine Registrierung der Nutzenden nicht durch eine Behörde verlangt werden kann. Im Umkehrschluss muss also davon ausgegangen werden, dass Rechteinhaber oder Gerichte durchaus berechtigt sind, Zugangsanbietern derartige Maßnahmen aufzugeben. Auch im Hinblick auf das Anspruchsziel sind daher Konflikte zwischen Rechteinhabern und Zugangsanbietern zu erwarten, deren Klärung nur im Wege gerichtlicher Entscheidungen herbeizuführen sein wird. 3. Anspruchsgegner / Praktikabilität Der Anspruch aus dem neu zu schaffenden 7 Abs. 4 TMG soll sich gegen Diensteanbieter nach 8, also jede Form von Access-Providern einschließlich WLAN-Anbietern richten. Auch klassische Zugangsprovider wie beispielsweise die Deutsche Telekom oder Vodafone kommen daher als Anspruchsgegner in Betracht. Unklar bleibt, wie dieser weite Kreis an Anspruchsgegnern mit den Ausführungen zum Anspruchsziel in der Begründung des Entwurfs zusammen passen soll. Unter dem Punkt B. Besonderer Teil heißt es dazu auf Seite 8 des Entwurfs: Eine Möglichkeit wäre etwa die Sperrung bestimmter Ports am Router, um den Zugang zu Peer-to-Peer Netzwerken zu verhindern. Dadurch könnte der Zugriff auf illegale Tauschbörsen, über die Urheberrechtsverletzungen begangen wurden, direkt am betroffenen Router gesperrt werden. Würde nicht ein WLAN-Anbieter, sondern ein klassischer Access-Provider zu einer solchen Portsperrung verpflichtet, so würde dies Auswirkungen auf die Nutzbarkeit der Internetzugänge sämtlicher Kunden dieses Providers haben. Anwendungen, die zwar dieselben Ports wie Peerto-Peer-Netzwerke nutzen, ohne aber in irgendeiner Weise mit Urheberrechtsverletzungen in Verbindung zu stehen, wären für diese Kunden nicht mehr verwendbar. Portsperren würden in solchen Fällen regelmäßig zu einem massiven Overblocking führen. Dies wäre übrigens selbst dann der Fall, wenn tatsächlich nur Filesharing-Clients von einer Portsperre betroffen wären, Viele legale Anwendungen, etwa Linux-Distributionen, werden heute über Bittorrents angeboten. 4

Umgekehrt dürfte die Sperrung der Nutzung von Informationen gerade im Fall der typischen WLAN-Anbieter häufig weder praktikabel noch nützlich sein. Die von solchen Nebenbei- Providern verwendeten Router verfügen in der Regel nur über wenig Speicherplatz, so dass die Einrichtung von Listen mit gesperrten Webseiten nur sehr begrenzt möglich ist. Auch könnten Nutzende, die auf bei einem WLAN-Anbieter gesperrte Webseiten zugreifen möchten, dies ohne Weiteres über einen anderen Anbieter tun. Für den Schutz der geistigen Eigentumsrechte wäre damit folglich wenig gewonnen. Um diese Unstimmigkeiten zu vermeiden, sollte das Anspruchsziel des 7 Abs. 4 TMG klarer abgefasst werden, so dass es sich zumindest nicht auf Portsperrungen erstreckt. Im Übrigen sollte jedenfalls im Hinblick auf WLAN-Anbieter auch die Möglichkeit der Verpflichtung zu Websperren ausgeschlossen werden. 5