Sprechzettel Svenja Schulze Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen Jahrestagung Cluster MedizinTechnik.NRW Wie kommt die Innovation zum Patienten? Neue Wege in der Medizin 11. September 2011, Turbinenhalle, Düsseldorf Es gilt das gesprochene Wort. www.wissenschaft.nrw.de
Sehr geehrter Herr Dr. Lehmkühler (Clustermanager), sehr geehrte Damen und Herren, mehr als 80 Prozent der Deutschen bezeichnen die Gesundheit als wichtigste Voraussetzung für ihr persönliches Glück. Das berichten in diesem Jahr mehrere Quellen u.a. das "Ärzteblatt". Sehr geehrte Damen und Herren, man kann also davon ausgehen: Menschen reagieren grundsätzlich positiv auf neue Entwicklungen in der Medizin. Warum ist dann die Frage, wie die medizinische Innovation zum Patienten und zur Patienten kommt, so wichtig? Medizinische Versorgung ist ein sehr sensibles Feld: Neben den vielen Chancen, die Innovationen hier bieten, stehen oft negative Schlagzeilen. Manchmal berechtigt und manchmal nicht. Die Kostenfrage unseres Gesundheitssystems polarisiert. Zulassungen von Medikamenten sind umstritten. Die Kranken hoffen auf Heilung, aber mancher Beipackzettel lässt sie zögern, die verschriebenen Arzneimittel wirklich auch zu nehmen. Ungelöste ethische Fragen führen zu Verunsicherung. Viele hochwirksame Diagnosemöglichkeiten wie die sprichwörtliche "Röhre" - lösen Beklemmungen bei den Patientinnen und Patienten aus. Seite 2 von 8
All das ist seit langem bekannt. Und trotzdem wäre so eine Veranstaltung wie die heute vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen. Aber es hat ein Umdenken eingesetzt. Wenn Fortschritt in der Medizin nicht bei den Menschen ankommt, wenn er auf Skepsis stößt, kann er nicht wirken: Bestes Beispiel für eine veränderte Perspektive ist die Einführung des Amtes eines oder einer Patientenbeauftragten. Auf Bundesebene gibt es das Amt seit 2004. In NRW hat die Landesregierung im letzten Jahr die erste Patientenbeauftragte berufen. Der "aktuelle" Patientenbeauftragte des Landes NRW ist heute hier. Lieber Herr Meyer, Sie sind Zeichen und Katalysator eines Umdenkens. Ich wünsche Ihnen in Ihrem neuen Amt viel Erfolg. Ihre Anwesenheit heute zeigt: Es hat sich was verändert. Und diese Tagung ist ein Zeichen dafür, dass das so weitergeht. Mit dem Patientenbeauftragten haben die Menschen nicht nur einen Ansprechpartner, sondern vor allem eine Stimme bekommen. Medizinische Fragen werden immer stärker aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten gesehen und beantwortet. Nicht nur durch die Arbeit des Patientenbeauftragten. Auch die Unternehmen der Medizinbranche, die medizinischen Hochschulen, die Kliniken und Forschungseinrichtungen haben sich geöffnet: einem ganzheitlichen Menschenbild. Veränderungen nicht nur innerhalb der einzelnen Disziplinen und Fachrichtungen sind die Folge, sondern auch der Dialog untereinander, mehr inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit, auch zwischen benachbarten Clustern. Ausgehend von der Erkenntnis, Seite 3 von 8
dass der Mensch am meisten von den Anwendungen profitiert, die er will und versteht weil sie seinen Bedürfnissen entsprechen. Sehr geehrte Damen und Herren, das verändert natürlich auch die Antwort auf die Frage: Was ist eine medizinische Innovation? Sie orientiert sich heute hauptsächlich an Patientinnen und Patienten und an denen, die die neuen Technologien anwenden, in den Krankenhäusern, Praxen und Pflegeeinrichtungen. Sie steigert die Lebensqualität des Einzelnen. Sie trägt dazu bei, den Wunsch von 80 Prozent der Deutschen nach Gesundheit zu erfüllen oder ihm zumindest näher zu kommen. Sie stellt eine spürbare Verbesserung für die Patientinnen und Patienten dar. Das bedeutet: Die technologische oder ökonomische Perspektive sind nicht mehr allein ausschlaggebend. Medizinische Innovation können heute ein "Maßanzug" für Patientinnen und Patienten sein und sollen das auch sein. Bestes Beispiel dafür ist das Konzept der Personalisierten Medizin - durch individuelle Diagnose- und Therapieformen eine effizientere Behandlung zu ermöglichen. Im Interesse der Menschen. Seite 4 von 8
Sehr geehrte Damen und Herren, wichtig sind diese "maßgeschneiderten" Lösungen für die Patientinnen und Patienten auch aus weiteren Gründen: Da spielt natürlich auch die Finanzlage eine Rolle, vor allem aber der demografische Wandel. Wenn 2050 mehr Menschen über 60 als unter 15 Jahren in Deutschland leben, wird das unsere Gesellschaft massiv verändern. Dafür brauchen wir Lösungen. Und wir tun gut daran, sie heute zu entwickeln, wenn wir auch morgen allen Menschen so viel Lebensqualität wie möglich bieten wollen. An der Lösung dieser Aufgabe werden alle wissenschaftlichen Disziplinen gemeinsam arbeiten müssen. Die Bedürfnisse an die medizinische Versorgung werden steigen, werden sich immer weiter ausdifferenzieren: mit einem wachsenden Bedarf an neuen Behandlungs- und Pflegekonzepten, durch die Zunahme chronischer und Alterserkrankungen, einer steigenden Bedeutung von Prävention etc. Bewältigen werden wir diese Herausforderung nur gemeinsam, mit allen Akteuren. Mit einer veränderten Perspektive, die Menschen im Blick wie eben angesprochen. Mit individuellen Präventions-, Diagnose-, Therapie- und Pflegekonzepten - für Jung und Alt, Mann und Frau, chronisch oder akut erkrankt, für Menschen mit anderem sprachlichen oder kulturellen Hintergrund etc.. Mit medizinischen Innovationen, die gleichzeitig sicher effizient und bezahlbar sind. Seite 5 von 8
Das ist eine politische Aufgabe. Es ist aber auch eine Aufgabe der Gesellschaft. Und natürlich ganz maßgeblich von Forschung und Wissenschaft. Sehr geehrte Damen und Herren, in Fragen der Umsetzung werden uns die Gesellschaftswissenschaften, die Verbraucherforschung und die Geisteswissenschaften Wege hierfür aufzeigen. Denn medizinische Innovationen müssen im Alltag angewendet werden und den Weg zu den Patienten finden. Das können die hier versammelten Fachleute realisieren. Gemeinsam. Dem Cluster Medizin.Technik ist es zu verdanken, dass Sie alle hier sind und hoffentlich gleich lebhaft diskutieren, ihre Sicht der Dinge einbringen. Mit der Veranstaltung heute ist es dem Cluster und seinem Team auch hervorragend gelungen, die Forschungsstrategie Fortschritt NRW umzusetzen und anschaulich zu machen: Innovationen funktionieren heute nur als Systeminnovationen, als embedded technologies, eingebettet in das jeweilige gesellschaftliche Umfeld, auf der Grundlage inter- und transdisziplinärer Forschung und Entwicklung, entwickelt innerhalb von Netzwerken, - mit dem Menschen im Mittelpunkt. Seite 6 von 8
Übersetzt auf medizinische Innovationen heißt das: Neue Konzepte, Produkte und Dienstleistungen im Gesundheitswesen. Gemeinsam entwickelt, mit einem Mehrwert für den einzelnen Menschen. Der Cluster MedizinTechnik.NRW nimmt dabei die wichtige Aufgabe wahr, diesen Prozess zu gestalten, alle Akteure zusammenzubringen und die neue Strategie zu begleiten. Für NRW bedeutet das, Stärken zu stärken. Denn mit unseren sieben medizinischen Fakultäten, sechs Universitätskliniken, dem Bochumer Modell, rund 80 Lehrkrankenhäusern und unzähligen Forschungszentren sind wir fachlich und wissenschaftlich ohnehin schon stark. Und bieten einer ebenso starken Branche in NRW ein gutes Fundament. Sehr geehrte Damen und Herren, also: Wer, wenn nicht das Land NRW, sollte medizinische Innovation und die Patientinnen und Patienten zusammenbringen? Ich danke dem Cluster ganz herzlich für diese Veranstaltung, die ja auch besonders auf die Beteiligung des Plenums setzt. Es ist sehr positiv, dass das Cluster mit diesen Fragestellungen auf neuen Wegen voran geht. Ich bin gespannt, welchen Fortschritt wir an der nächsten Jahrestagung ablesen werden: Werden wir noch mehr Wissenschaftlerinnen hier haben? Noch mehr Patientinnen und Patienten? Weiter Bereiche der Medizinischen Versorgung? Seite 7 von 8
Diskussionen über neue Wege in der Medizin können jedenfalls nicht laut und vielfältig genug sein. Nur so entstehen Strategien und Konzepte, die den Wünschen und Bedürfnissen der Menschen entsprechen. Vielen Dank! Seite 8 von 8