Amtsgericht Nürnberg Az.: 21 C 8696/14 ev IM NAMEN DES VOLKES In dem Rechtsstreit - Antragsteller -. Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Tschuschke Jakob Heinrich, Hefnersplatz 9,90402 Nürnberg, Gz.: 011084/14G, Gerichtsfach-Nr: 59 gegen - Antragsgegnerin - Prozessbevollmächtigte:. wegen einstweiliger Verfügung erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2014 folgendes Endurteil I. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, die Stromversorgung in der Lieferstelle Erdgeschoß, Zählernummer wiederherzustellen. 11. Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfügungsverfahrens. 111. Die Berufung gegen das Urteil wird zugelassen.
21 C 8696/14 ev - Seite 2 - Der Streitwert beträgt unter 500.00. Beschluss Tatbestand Der Verfügungskläger begehrt Wiederherstellung der Stromlieferung an seine Wohnung. Die Parteien sind durch ein Stromlieferverhältnisses miteinander verbunden. Aufgrund dieses Vertrags schuldet der Verfügungskläger für die Stromlieferung derzeit einen monatlichen Abschlag in Höhe von 48.00. Darüberhinaus wird er von der Verfügungsbeklagten auch mit Fernwärme beliefert. Am 04.11.2014 sperrte die Verfügungsbeklagte die Stromversorgung in der Wohnung des Verfügungsklägers. Dies war zuvor mit Schreiben vom 04.08.2014 unter Hinweis auf 19 StromGVV und 33 AVB-Fernwärmeverordnung angedroht worden. Mit weiteren Schreiben vom 24.10.2014 kündigte die Verfügungsbeklagte die Einstellung der Stromlieferung zum 31.10.2014 an. Zu dem letztgenannten Zeitpunkt war der Verfügungskläger hinsichtlich der Stromlieferung mit einem Abschlag in Höhe von 48.00 im Rückstand. Darüberhinaus bestanden Zahlungsrückstände wegen der Lieferung von Fernwärme von über 800.00. Zwischenzeitlich wurden sämtliche offene Forderungen wegen Stromlieferung seitens des Verfügungsklägers erfüllt. Unbezahlt blieben weiterhin die fälligen Zahlungsansprüche wegen Lieferung von Fernwärme. Der Verfügungskläger trägt vor, zum Zeitpunkt der Sperrung am 04.11.2014 seien lediglich 2 Abschläge betreffend Strom in Höhe von je 48.00 zur Zahlung offen gewesen. Die in 19 Strom GVV normierte Verhältnismäßigkeitsgrenze sei daher nicht erreicht. Keineswegs könnten Zahlungsrückstände aus der Belieferung von Fernwärme die Sperrung von Strom rechtfertigen. Der Verfügungskläger beantragt daher: 1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die Stromversorgung in der LiefersteIle, EG, Zählernummer wiederherzustellen 2. die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung kostenpflichtig
21 C 8696/14 ev - Seite 3 - zurückzuweisen. Die Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, sie sei zur Durchführung der Sperre berechtigt, da Rückstände von mehr als 100.00 bestehen. Unter Einbeziehung der Forderungsrückstände wegen der Belieferung mit Fernwärme ergebe sich derzeit ein Forderungsrückstand in Höhe von 978,35. Die Stromsperrung könne auch auf diese Zahlungsrückstände aus der Belieferung mit Fernwärme gestützt werden, weil ein einheitlicher Lebenssachverhalt vorliege. Die gesetzliche Regelung des 19 StromGVV steht dem nicht entgegen, da dort in Absatz 2 auch "andere Zuwiderhandlungen" als Tatbestandsmerkmal genannt seien. Hinsichtlich- der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf ihre Schriftsätze Bezug genommen. Entscheidungsgründe Die beantragte einstweilige Verfügung war zu erlassen. I. Ein entsprechender Verfügungsanspruch auf weitere Stromlieferung ergibt sich aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Stromlieferungsvertrag. 1. Aufgrund dieses Vertrages ist die Verfügungsbeklagte zur Stromversorgung verpflichtet. 2. Ein Zurückbehaltungsrecht steht der Verfügungsbeklagten vorliegend nicht zu. a)die Voraussetzungen für eine Stromunterbrechung gem. 19 StromGVV sind nicht gegeben. Die StromGVV, mithin auch deren 19, ist gem. 1 StromGVV nur für die Belieferung mit Strom anwendbar. - Dementsprechend kann gem. 19 Abs. 1 StromGVV auch eine Sperrung der Stromversorgung nur erfolgen, wenn, wie in Abssatz 1 explizit ausgeführt, dieser Verordnung zuwidergehandelt wird. Seinen diesbezüglichen Verpflichtungen zur Bezahlung der Stromlieferungen gem. 17 StromGVV ist der Verfügungskläger jedoch jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt unstreitig vollständig nachgekommen. (Auf den Umstand, dass zum Zeitpunkt der Sperre der Zahlungsrückstand bzgl Strom mit 98.00 im Sinne von 19 Abs. 2 Satz 4 StromGVV eine Unterbrechung nicht rechtfertigen hätte
21 C 8696/14 ev - Seite 4 - können, braucht deshalb nicht mehr eingegangen werden. ) - Soweit der Verfügungsbeklagtenvertreter meint, 19 Abs. 2 StromGVV beziehe sich aufgrund seiner Formulierungen demgegenüber auch auf andere Zuwiderhandlungen, die nicht die StromGVV betreffen, kann dem bei sachgerechter Auslegung des Norm nicht gefolgt werden. Nach dem Wortlaut des 19 Abs. 1 StromGVV sind Zuwiderhandlungen. gegen diese Verordnung (mithin gegen die StromGVV) erfasst, die in nicht unerheblichen Maße schuldhaft erfolgt sind und die Unterbrechung erforderlich machen, um den Gebrauch von elektrischer Arbeit unter Umgehung, Beeinflussung oder von Anbringung von Messeinrichtungen zu verhindern. Soweit im Anschluss hieran in Absatz 2 von "anderen" Zuwiderhandlungen gesprochen wird, bezieht sich dies ganz offenkundig auf solche Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung, die nicht unter die besonderen Voraussetzungen des 19 Abs. 1 StromGVV fallen. Absatz 2 des StromGVV kann nämlich nicht völlig losgelöst und selbständig gesehen werden. Bereits aufgrund seiner Stellung im Normtext nimmt Absatz 2 und die dort formulierten" anderen Zuwiderhandlungen" erkennbar auf Absatz 1 Bezug, und soll solche Zuwiderhandlungen gegen die Verordnung erfassen, die nicht so gravierend sind, dass sie im Sinne des Absatz 1 ohne weitere Einschränkung eine Stromunterbrechung rechtfertigen; insbesondere also hinsichtlich der Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung im Sinne von 17 StromGVV. Eine Verletzung der Zahlungsverpflichtung gem. 17 StromGVV steht vorliegend jedoch nicht (mehr) im Raum. Dass Verletzungen von Pflichten aus anderen Verträgen, die nicht der StromGVV unterliegen, eine Sperrung gem. 19 StromGVV rechtfertigen, kann daher nicht gesehen werden. b) Soweit die Verfügungsbeklagte berechtigt gewesen wäre, gem. 33 Fernwärmeverordnung die Fernwärme zu sperren, kann sich hieraus kein Recht zur Sperrung von Strom ableiten lassen. c) Auch auf 273 BGB kann die Stromunterbrechung nicht gestützt werden. - Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob zwischen der Stromversorgung einerseits und der Fernwärmebelieferung andererseits ein solch innerer natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, dass es gegen 242 BGB verstoßen würde, wenn der Verfügungskläger seinen Anspruch auf Lieferung von Strom ohne Rücksicht auf seine Verpflichtung zur Zahlung der Fernwärmekosten durchsetzen könnte. Allerdings kann auch insoweit nicht ohne weiteres gesehen werden, dass der Verfügungskläger, der seine Verpflichtung zur Zahlung von Fernwärme nicht erfüllt und dem deshalb nach dem Willen des Gesetzgebers gem. 33 Fernwärmeverordnung die Fernwärmezufuhr gesperrt werden kann, die Belieferung von Strom nicht mehr verlangen können soll, obwohl er diese bezahlt. - Das allgemeine Leistungsverweigerungsrecht des 273 BGB ist, wie der BGH in NJW 1991, 2645 ausgeführt hat,von den spezielleren Regelungen Energieversorgungsbereich überlagert, vorliegend von 19 StromGVV. Neben den allgemeinen Voraussetzungen des 273 BGB, insbesondere der Konnexität, sind damit die zusätzlichen Erfordernisse, die diese Spezialnorm aufstellt,für eine Stromsperre Voraussetzung. Mit der Regelung im StromGVV (und den entspre-
21,C 8696/14 ev - Seite 5 - chenden gleichlautenden anderweitigen Regelungen bei Fernwärme, Gas, Wasser) hat der Gesetzgeber für die Leistungen der Daseinsvorsorge zum Schutz der Kunden weitere klare Voraussetzungen normiert, die auch leicht zu überprüfen sind. Danach muss der Kunde, der mit der Begleichung seiner Stromkosten mehr als 100.00 im Rückstand ist, nach entsprechender Androhung mit einer Sperrung der Strombelieferung rechnen. In gleicher Weise muss er in Kauf nehmen, dass die Fernwärmebelieferung unterbrochen wird, wenn er mit der Zahlung der gelieferten Fernwärme mit entsprechender Höhe in Rückstand geraten ist. Wegen der für die jeweiligen Versorgungssparten bestehenden gesonderten Verordnungsregelungen ist der Energieversorger damit verpflichtet, sich entsprechend diesen Verordnungen zu verhalten. Insoweit kann ihm kein Wahlrecht derart eingeräumt werden, den Strom abzustellen, um die Zahlung der Rückstände aus anderen Versorgungssparten zu erreichen. Insoweit schließt sich das Gericht den Ausführungen des AG Kerpen ZMR 2009, 539 sowie des AG Lübeck in WuM 2007, 391 an. Der vom Verfügungsbeklagtenvertreter zitierten Entscheidung des OLG Celle kann dagegen nicht gefolgt werden. Obwohl in dieser Entscheidung ebenfalls aufgeführt wird, dass zugunsten des Energiekunden die zusätzlichen Erfordernisse der jeweiligen. Energieversorgungsverordnung gegeben sein müssen, wird letztlich nur auf die in der Verordnung vorgeschriebene Mahnung und Androhung abgestellt. Dass darüberhinaus bei eingehender Würdigung des Anwendungsbereichs und des Inhalts der jeweiligen Energieversorgungsverordnung, insbesondere vorliegend des 19 StromGVV, als Tatbestandsvoraussetzung vorliegend auch eine spartenspezlflsche Zahlungsverpflichtung offen sein muss, wird in dieser Entscheidung nicht näher erörtert. 11. Ein Verfügungsgrund, mithin die Eilbedürftigkeit, ergibt sich den unbestrittenen Sachvortrag des Verfügungsklägers, wonach seine Wohnung wegen der Stromunterbrechung nur noch eingeschränkt bewohnbar ist. 111. Die Kostenentscheidung beruht auf 91 ZPO. IV. Die Zulassung der Berufung beruht auf 511 Abs. 4 1 ZPO, 3. Alternative.
21 C 8696/14 ev - Seite 6 - Rechtsbehelfsbelehrung: Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel' der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat. Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem einzulegen. Landgericht Nürnberg-Fürth Fürther Str. 110 90429 Nürnberg Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung. Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde. Die Berufung muss binnen- zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginntmit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.- gez. Richterin am Amtsgericht Verkündet am 12.11.2014 gez. Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle