DIE BANKENUNION THEMENBLATT 8

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Transkript:

THEMENBLATT 8 DIE BANKENUNION Im Zuge der Finanzkrise wurden auch Schwächen im Bereich der Bankenaufsicht und -regulierung erkennbar. Um die Sicherheit, Stabilität und Zuverlässigkeit des europäischen Bankensystems zu gewährleisten, wurde Mitte 2012 auf europäischer Ebene die Errichtung der Bankenunion beschlossen. Die Bankenunion besteht konzeptionell aus drei Säulen: einem einheitlichen Aufsichts mechanismus, einem einheit lichen Abwicklungsmechanismus und einem einheitlichen Einlagen sicher ungssystem. Die ersten beiden Säulen sind bereits voll operativ. Die in Umsetzung stehende dritte Säule würde nach ihrer erfolgreichen Beendigung die Bankenunion vollenden. Autorin: Gabriele Stöffler Stand: 2017 THEMENBLATT 8, DIE BANKENUNION 1

Die Bankenunion Die Bankenunion ist der wichtigste wirtschaftliche und institutionelle Integrationsfortschritt in Europa seit Beginn der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Sie schafft die notwendigen Voraussetzungen für ein stabiles Finanzsystem und trägt dazu bei, dass erstens Krisen weniger wahrscheinlich werden und zweitens Risiken besser abgeschätzt werden können. Zudem wird mit der Bankenunion der Fragmentierung der Finanzmärkte im Euroraum entgegengewirkt und der enge Zusammenhang zwischen der Verschuldung von Staaten und Banken abgeschwächt. Von dieser Entwicklung werden insbesondere kleinere Länder mit stark grenzüberschreitenden Bankaktivitäten, wie etwa Österreich, profitieren. Die Bankenunion beruht auf drei Säulen: Einheitlicher Aufsichtsmechanismus (Single Supervisory Mechanism, SSM) Einheitlicher Abwicklungsmechanismus (Single Resolution Mechanism, SRM) Gemeinsames europäisches Einlagensicherungssystem (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) WWU 2.0 BANKENUNION SINGLE SUPERVISORY MECHANISM Einheitlicher Aufsichtsmechanismus Ziel: einheitliche Beaufsichtigung von bedeutenden Banken SINGLE RESOLUTION MECHANISM Einheitlicher Abwicklungsmechanismus Ziel: einheitliche Regeln zur Sanierung und Abwicklung von Banken EUROPEAN DEPOSIT INSURANCE SCHEME gemeinsames europäisches Einlagensicherungssystem Ziel: einheitlicher Schutz von Spareinlagen einheitliches Regelwerk (Single Rulebook) einheitliches Aufsichtshandbuch (Single Supervisory Handbook) Mit der ersten Säule, dem einheitlichen Aufsichtsmechanismus (SSM), trägt die Bankenunion zu einer wirksameren Aufsicht und einer besseren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Koordinierung bei. Sie bündelt die Aufsicht über bedeutende, d.h. die für die Finanzsystemstabilität wichtigsten Banken des Euroraums. Die zweite Säule, der einheitliche Abwicklungsmechanismus (SRM), ermöglicht die Sanierung und Abwicklung von Banken in Schieflage und bietet den zuständigen Behörden Eingriffsmöglichkeiten zu einem früheren Zeitpunkt. Die dritte Säule, die im Endausbau ein gemeinsames europäisches Einlagensicherungssystem (EDIS) vorsieht, garantiert bereits jetzt allen Anlegern in der EU einen einheitlichen Schutz ihrer Ersparnisse bis zu einer Höhe von 100.000 EUR. Die Bankenunion stützt sich auf EU-weit einheitliche Vorschriften für Banken ( Single Rulebook ) und das einheitliche Aufsichtshandbuch. Zudem gibt die Europäische Zentralbank (EZB) den Aufsichtsrahmen durch Verordnungen, Leitlinien, Empfehlungen und Weisungen für das gesamte Bankensystem vor und verantwortet, dass der einheitliche Aufsichtsmechanismus wirksam und einheitlich funktioniert. 2 THEMENBLATT 8, DIE BANKENUNION

DER EINHEITLICHE AUFSICHTSMECHANISMUS (SINGLE SUPERVISORY MECHANISM, SSM) Die EZB ist seit 4. November 2014 für die Beaufsichtigung der Banken im Euroraum zuständig. EU-Mitgliedstaaten außerhalb des Euroraums haben die Möglichkeit, im Rahmen einer engen Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Aufsichtsbehörden freiwillig an diesem Aufsichtsmechanismus teilzunehmen. Innerhalb des SSM ist die Organisation der Aufsicht dezentral gestaltet und beruht auf einer Aufgabenteilung zwischen EZB und nationalen Aufsichtsbehörden. Die Zuständigkeiten bei der Wahrnehmung der Aufsichtsaufgaben richten sich nach der Unterscheidung zwischen bedeutenden Banken und weniger bedeutenden Banken. Bedeutende Banken werden von der EZB direkt beaufsichtigt. Die Beaufsichtigung dieser Institute erfolgt durch gemeinsame Aufsichtsteams (Joint Supervisory Teams, JST), die sich aus Mitarbeitern der EZB und der nationalen Aufsichtsbehörden jener Länder zusammensetzen, in denen die Bank aktiv ist. Jedes JST wird von einem EZB-Koordinator geleitet, der für die Umsetzung von Aufsichtsaufgaben und -tätigkeiten verantwortlich ist. Das JST trägt somit die Verantwortung für die inhaltliche Aufbereitung und Umsetzung sämtlicher Aufsichtsentscheidungen und deckt damit sowohl die wirtschaftliche als auch die rechtliche Komponente der Aufsichtstätigkeit ab. Im gesamten Euroraum gelten derzeit 124 Bankengruppen 1 als bedeutend. Gemessen an der gesamten Bilanzsumme fallen rund 85 % der Bankaktiva im Euroraum unter die direkte Aufsichtszuständigkeit der EZB. In Österreich gelten acht Banken 2 als bedeutend. Gemeinsam mit UniCredit Bank Austria, die über ihr italienisches Mutterinstitut am SSM teilnimmt, werden nun knapp 50 % der heimischen Banken aktiva direkt durch die EZB beaufsichtigt. Planung und Ausführung der an die EZB übertragenen Aufgaben obliegen dem dafür geschaffenen Aufsichtsgremium (Supervisory Board), das dem EZB-Rat als oberstem Beschlussorgan Beschlussentwürfe vorbereitet. Sie gelten als angenommen, wenn der EZB-Rat nicht innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums widerspricht (Verfahren der impliziten Zustimmung: non-objection-procedure ). Letztentscheidung EZB-Rat (non-objection-procedure) indirekt Überwachung des Gesamtsystems direkt LSI Vorlage der Beschlussentwürfe SI Nationale Aufsichtsbehörden (NCAs) FMA: Aufsichtsentscheidungen OeNB: Wirtschaftliche Analyse (inkl. Vor-Ort-Prüfungen) Aufsicht Weniger bedeutende Institute (LSIs) SSM: 3100 Institute (davon AT: knapp 500)* Aufsichtsgremium Vorsitzende, Stv Vorsitzende, 4 EZB-Vertreter und je ein Vertreter der teilnehmenden NCAs Vorbereitung der Beschlussentwürfe Gemeinsame Aufsichtsteams (JSTs) ECB/SSM und NCAs Überwiegender Teil der Arbeiten im JST durch OeNB * CRR-Institute Bedeutende (SIs) SSM: 124 KI-Gruppen (davon AT: 8) 1 Liste der bedeutenden Institute im SSM: https://www.bankingsupervision.europa.eu/banking/list/who/html/index.en.html. 2 Erste Group Bank AG, Raiffeisen Bank International AG, Raiffeisenbankengruppe OÖ Verbund egen, Raiffeisen-Holding Niederösterreich- Wien reg.gen.m.b.h., Promontoria Sacher Holding N.V. ( BAWAG P.S.K. ), Volksbank Wien AG, Sberbank Europe AG, VTB Bank (Austria) AG. THEMENBLATT 8, DIE BANKENUNION 3

Die Beaufsichtigung der weniger bedeutenden Kreditinstitute erfolgt grundsätzlich durch die jeweiligen nationalen Aufsichtsbehörden und wird nach dem Grundsatz der Proportionalität durchgeführt. Demnach hängen die Intensität der Überwachung sowie der Umfang der Berichterstattungs- und Beaufsichtigungs - verpflichtungen der nationalen Aufsichtsbehörden gegenüber der EZB von der systemischen Bedeutung und vom Risikoprofil ab. Derzeit fallen acht österreichische Banken in die höchste ( high priority ) der drei vorgesehenen Beaufsichtigungsstufen. In Österreich verbleibt im Rahmen der Aufsichtsteilung weitreichende Verantwortung bei der Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) und der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Die FMA trifft weiterhin Aufsichtsentscheidungen (Behördenfunktion) über die weniger bedeutenden Banken, während die OeNB im Rahmen der Aufsicht weiterhin für sämtliche Aufgaben im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Analyse ( fact finding ) zuständig ist. DIE ERSTEN JAHRE IM EINHEITLICHEN AUFSICHTSMECHANISMUS In den ersten zweieinhalb Jahren ihres Wirkens ist der EZB in Bezug auf ihre Hauptzielsetzungen, Gewährleistung der Sicherheit und Solidität des europäischen Bankensystems, Verbesserung der finanziellen Integration und Stabilität und Gewährleistung einer konsistenten Aufsicht, vieles gelungen. Die Banken im SSM konnten in den vergangenen Jahren im Durchschnitt ihre Kapitalpolster erhöhen und ihre Refinanzierungsstruktur verstärken. Zudem wurden etliche Maßnahmen zur weiteren Annäherung der Aufsichtspraktiken und -prozesse umgesetzt, wie beispielweise: Aufsichtlicher Überprüfungs- und Bewertungsprozess Zu den wichtigsten aufsichtlichen Aktivitäten des SSM zählt die jährliche Durchführung des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) und die damit zusammenhängende Vorschreibung bankspezifischer Kapitalquoten. Die SREP-Kapitalvorgabe spiegelt unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs und der Komplexität der Aktivitäten einer Bank das erforderliche Minimum zur Gesamtrisikoabdeckung wider. Sollte die SREP-Entscheidung für bedeutende Banken (SIs) über die gesetzlich vorzuhaltende Mindesteigenmittelquote (Säule 1) hinausgehen, dann ist ein Kapitalzuschlag (Säule 2), der in eine Anforderung ( Pillar 2-Requirement ) und in eine Empfehlung ( Pillar 2-Guidance ) unterteilt werden kann, zu verhängen. Im Vergleich zu den Vorjahren wurde die SREP-Methodik zur Kapitalfestsetzung verfeinert und soll auch in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden. Mit der Umsetzung der Leitlinien der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) haben sich FMA und OeNB verpflichtet, auch die weniger bedeutenden Banken (LSIs) nach der SREP-Methodik einheitlich zu bewerten und zu überprüfen. Vor diesem Hintergrund wurde zur Sicherstellung einheitlicher Aufsichtsprozesse und gleicher Wettbewerbsbedingungen eine harmonisierte SREP-Methodik für LSIs erarbeitet. OeNB und FMA konnten bisher für zahlreiche LSIs ihre SREP-Analysen abschließen. Daraus folgend ergingen die ersten Bescheide bereits im Jänner 2017. Einheitliche Nutzung der im Unionsrecht eröffneten Optionen und Ermessensspielräume Das Projekt zur Harmonisierung nationaler Wahlrechte und Ermessensspielräume (Options and National Discretions, ONDs) 3 konnte für SIs im Vorjahr abgeschlossen werden. In sehr enger Zusammenarbeit mit den nationalen Aufsichtsbehörden hat die EZB das Harmonisierungssprojekt auf die LSIs ausgedehnt, das im April 2017 abgeschlossen wurde. Dazu veröffentlichte die EZB eine Leitlinie und eine Empfehlung, die an die nationalen zuständigen Behörden gerichtet sind und die Nutzung der im Unionsrecht eröffneten ONDs regeln. 4 3 Insgesamt wurden 130 ONDs festgestellt, deren einheitliche Ausübung durch die EZB in einer Verordnung und in einem Leitfaden geregelt sind. 4 https://www.bankingsupervision.europa.eu/press/pr/date/2017/html/ssm.pr170413.de.html. 4 THEMENBLATT 8, DIE BANKENUNION

Schaffung effizienterer Entscheidungsstrukturen (Delegierung) Zur Bewältigung der hohen Anzahl von Beschlussvorlagen können seit Juni 2017 Entscheidungen im Hinblick auf die fachliche Eignung und persönliche Zuverlässigkeit von Mitgliedern des Leitungsorgans und von Inhabern von Schlüsselpositionen ( fit und proper -Beurteilungen) zum einen und bei Änderungen im Größenkriterium der beaufsichtigten Institute zum anderen an führende Mitarbeiter der EZB-Bankenaufsicht übertragen werden. AUFSICHTLICHE ARBEITSSCHWERPUNKTE Die europäische Bankenaufsicht fokussiert sich derzeit auf folgende Arbeitsschwerpunkte: (i) Geschäftsmodelle und Bestimmungs faktoren der Ertragskraft, (ii) Kreditrisiko mit Schwerpunkt problembehaftete Aktiva (Nonperforming Loans, NPLs) und Konzentrationsrisiken sowie (iii) Risikomanagement. Zur Stärkung der Glaubwürdigkeit der internen Modelle werden diese einer gezielten Überprüfung (Targeted Review of Internal Models, TRIM) unterzogen. DER EINHEITLICHE ABWICKLUNGSMECHANISMUS (SINGLE RESOLUTION MECHANISM, SRM) Die Finanzkrise hat gezeigt, dass insbesondere systemrelevante und grenzüberschreitend tätige Kreditinstitute mit finanziellen Schwierigkeiten nicht in Insolvenz geschickt werden können, ohne dabei möglicherweise die Stabilität des Finanzmarktes zu gefährden. Bisher fehlten Regeln und Instrumente für einen geordneten Marktaustritt von Banken ( Abwicklung ) und es wäre im Fall der Insolvenz einer systemrelevanten Bank kaum möglich gewesen, bestimmte volkswirtschaftlich notwendige Bankdienstleistungen wie z.b. Zahlungsverkehr und Kreditvergabe (sogenannte kritische Funktionen ) weiterhin aufrechtzuerhalten. Daher mussten diese Banken mit dem Einsatz öffentlicher Mittel gerettet werden. Mit dem neuen System soll nun sichergestellt werden, dass im Fall des Zusammenbruchs einer systemrelevanten Bank die Eigentümer und Gläubiger für die Kosten haften und nicht Steuergeld dafür herangezogen wird. Der SRM ist ein System für die wirksame und effiziente Abwicklung ausfallender bzw. ausfallgefährdeter Kreditinstitute. Seit 2015 ergänzt der Einheitliche Abwicklungsmechanismus den Einheitlichen Aufsichtsmechanismus. Der SRM basiert auf zwei Gesetzgebungsakten, die die Abwicklungs- und Sanierungsprozesse harmonisieren und effizienter gestalten: Die Verordnung zum Einheitlichen Abwicklungsmechanismus und die Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Banken. INSTITUTIONEN IM RAHMEN DES SRM Institutionell baut der SRM auf dem Ausschuss für die einheitliche Abwicklung (Single Resolution Board, SRB) und dem einheitlichen Abwicklungsfonds (Single Resolution Fund, SRF) auf. Wie beim SSM kommt es auch innerhalb des SRM zu einer Arbeitsteilung zwischen dem SRB und den nationalen Abwicklungsbehörden. Der SRB ist für jene Banken zuständig, die entweder direkt von der EZB beaufsichtigt werden, grenzüberschreitend tätig sind oder Mittel aus dem SRF beanspruchen. Für alle anderen Institute sind hingegen die jeweiligen nationalen Abwicklungsbehörden zuständig. Der SRB arbeitet bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben eng mit den nationalen Abwicklungsbehörden zusammen. Der SRB hat bereits 2015 seine Tätigkeit aufgenommen und erarbeitete Maßnahmen für die Vorbereitung zur Abwicklungsplanung, Informationsbeschaffung und Zusammenarbeit mit den nationalen Abwicklungsbehörden. Seit 1. Jänner 2016 übt der SRB besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Abwicklungsplanung (einschließlich Beurteilung und Herstellung der Abwicklungsfähigkeit) sowie der konkreten Abwicklung von Kreditinstituten, die von einem Ausfall betroffen oder bedroht sind, aus. Der SRB setzt sich aus einem Exekutiv-Direktor, vier Vollzeitmitgliedern sowie aus Vertretern der Mitgliedstaaten, die die nationalen Abwicklungsbehörden repräsentieren, zusammen. Die Europäische Kommission und die EZB haben Beobachterstatus. Im Bedarfsfall können weitere Beobachter eingeladen werden. Neben dem SRB wurde mit dem SRF eine zweite Institution geschaffen. Eigentümer des SRF ist der SRB, der diesen auch verwaltet. Der SRF ist seit 1. Jänner 2016 durch finanzielle Beiträge der Banken zu speisen. Die THEMENBLATT 8, DIE BANKENUNION 5

individuelle Beitragshöhe bemisst sich auf Basis der Größe und des Risikoprofils der jeweiligen Bank. Bis 2024 soll die Zielausstattung von 1 % der gedeckten Einlagen aller in den teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Kreditinstitute erreicht werden. Der Fonds wird bis dahin mit voraussichtlich 55 Mrd EUR dotiert sein. EINHEITLICHE REGELN UND INSTRUMENTE FÜR DIE ABWICKLUNG UND SANIERUNG VON BANKEN Die Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (Banking Recovery and Resolution Directive, BRRD) stellt den Rechtsrahmen für das Krisenmanagement im Finanzsektor dar. Sie schafft europaweit einheitliche Regeln für die Abwicklung von Banken und umfasst drei Eckpunkte: Vorbeugung, frühzeitiges Eingreifen durch die Aufsichtsbehörden und, im Bedarfsfall, die Abwicklung von Banken. Im Rahmen der Vorbeugung haben Banken bereits präventiv Sanierungspläne auszuarbeiten und darzustellen, welche Maßnahmen sie bei einer Verschlechterung der finanziellen Lage umzusetzen beabsichtigen. Die Abwicklungsbehörden sind mit umfangreichen Eingriffsbefugnissen ausgestattet und können bei einem voraus- sichtlichen Gesetzesverstoß frühzeitig eingreifen, indem sie einer Bank bestimmte Maßnahmen auferlegen. Greifen die ersten beiden Maßnahmenbündel Vorbeugung und frühzeitiges Eingreifen nicht, kann es zu einer Abwicklung anstelle eines regulären Insolvenzverfahrens kommen. Voraussetzungen dafür sind, dass eine Bestandsgefährdung besteht, es keine private Lösung gibt und ein öffentliches Interesse 5 vorliegt. Die Abwicklungsbehörde ist mit weitreichenden Befugnissen und Abwicklungsinstrumenten ausgestattet. Kernstück ist das bail- in -Instrument, das die Verlusttragung durch die Eigentümer und Gläubiger der betroffenen Bank ermöglicht. Ausgenommen vom bail-in sind insbesondere durch Einlagensicherungssysteme geschützte Einlagen, besicherte Verbindlichkeiten und Verbindlichkeiten gegenüber Beschäftigten. Können diese Voraussetzungen für eine Abwicklung nicht erfüllt werden, so hat der Marktaustritt im Wege des herkömmlichen Insolvenzverfahrens gemäß den nationalen Bestimmungen zu erfolgen. NATIONALE UMSETZUNG DER BRRD DURCH DAS BUNDESGESETZ ÜBER DIE SANIERUNG UND ABWICKLUNG VON BANKEN (BASAG) Mit der Umsetzung der BRRD durch das BaSAG in österreichisches Recht wurde ein nationaler Rechtsrahmen für den Umgang mit Banken in Schieflage geschaffen. Gemäß BaSAG ist die FMA die zuständige Abwicklungsbehörde und arbeitet in Anlehnung zum dualen Aufsichtssystem bei spezifischen Fragestellungen mit der OeNB zusammenarbeiten. DER WEG ZU EINEM GEMEINSAMEN EUROPÄISCHEN EINLAGENSICHERUNGSSYSTEM Das harmonisierte Einlagensicherungssystem auf europäischer Ebene (Deposit Guarantee Scheme, DGS) zielt darauf ab, die nationalen Einlagensicherungssysteme zu harmonisieren. Beispielsweise wurde mit der zugrunde liegenden Einlagensicherungsrichtlinie (Deposit Guarantee Scheme Directive, DGSD) der Schutz der Ersparnisse der Steuerzahler innerhalb der EU mit einer gesetzlichen Einlagengarantie pro Kunde und Bank mit 100.000 EUR vereinheitlicht. Weitere Kernpunkte dieser Richtlinie sind die Umstellung der Beitrags finanzierung von im Nachhinein finanzierten Beiträgen auf eine verpflichtende im Vorhinein basierte Finanzierung sowie eine Verkürzung der Auszahlungszeit an die Sparer von 20 auf sieben Arbeitstage. In Österreich wurde diese Richtlinie mit dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (ESAEG) in nationales Recht umgesetzt. Das ESAEG ist seit August 2015 in Kraft. 5 Ein öffentliches Interesse besteht, wenn die Abwicklungsziele durch eine Insolvenz nicht im gleichen Ausmaß erreicht werden können wie durch eine Abwicklung. Die Abwicklungsziele sind: Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen; Finanzstabilität, vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung und durch die Erhaltung der Marktdisziplin; Schutz öffentlicher Mittel; Schutz der Einleger; Schutz der Vermögenswerte der Kunden. 6 THEMENBLATT 8, DIE BANKENUNION

Allerdings wäre erst mit der Vereinheitlichung der nationalen Einlagensicherungssysteme auf europäischer Ebene die dritte Säule vollständig. Die Europäische Kommission hat dazu im November 2015 einen Vorschlag für ein einheitliches Europäisches Einlagensicherungssystem (European Deposit Insurance Scheme, EDIS) veröffentlicht. EDIS wird auf den gemäß Einlagensicherungsrichtlinie harmonisierten nationalen Einlagensicherungssystemen aufbauen und ab 2024 den vollen Versicherungsschutz bieten. Das neue System soll sukzessive eingeführt werden. Für die Anfangsphase ist eine Rückversicherung geplant, in der darauffolgenden Mitversicherungsphase soll der Anteil der Finanzierung auf europäischer Ebene immer weiter erhöht werden. Am Ende steht eine über einen europäischen Einlagensicherungsfonds finanzierte Vollversicherung. Ein einheitliches Einlagensicherungssystem ist grundsätzlich zu begrüßen. Damit würde einerseits die auf drei Säulen beruhende Bankenunion nach Übernahme der Aufsichtsverantwortung für alle Kreditinstitute durch die EZB im Rahmen des SSM im November 2014 und des seit Jahresbeginn vollumfänglichen Wirkens des SRM vollendet sein. Anderseits sind jedoch vor Schaffung des Europäischen Einlagensicherungssystems noch umfassende Vorarbeiten zur Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen (z.b. kein harmonisiertes europäisches Insolvenzrecht) zu leisten. Bis dahin kommt den gemäß ESAEG neu aufgestellten nationalen Einlagensicherungssystemen eine zentrale Rolle zu. Weitere Informationen www.oenb.at www.ecb.int ec.europa.eu Erklärungen zu Fachbegriffen siehe OeNB-Glossar unter www.oenb.at/service/glossar.html?letter=a Impressum Medieninhaberin und Herausgeberin: Oesterreichische Nationalbank Otto-Wagner-Platz 3, 1090 Wien Postfach 61, 1011 Wien www.oenb.at oenb.info@oenb.at Tel. (+43-1) 40420-6666 Fax (+43-1) 40420-6698 Oesterreichische Nationalbank Stand: Juli 2017 7 THEMENBLATT 8, DIE BANKENUNION