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Transkript:

U M W E L T V E R W A L T U N G S R E C H T WS 2009/2010 Univ.-Ass. Dr. Simone Hauser 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen Bundesstaat Art 10 B-VG: GG Bund V Bund Art 11 B-VG: GG Bund V Land Art 12 B-VG: GGG Bund AGG Land V Land Art 15 B-VG: Generalklausel zugunsten der Länder GG Land V Land 2 1

Kompetenztatbestand Umweltschutz? Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG: Maßnahmen zur Abwehr von gefährlichen Belastungen der Umwelt, die durch Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entstehen Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG: Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraßen und Eisenbahn-Hochleistungsstrecken, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist 3 Kompetenztatbestand Umweltschutz? Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG: Umweltverträglichkeitsprüfung für Vorhaben, bei denen mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist Umweltschutz als Annexmaterie? Umweltschutz als Querschnittsmaterie? 4 2

Umweltschutz als Querschnittsmaterie Art 10 Abs 1 Z 2 B-VG: Staatsverträge Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG: Zivilrechtswesen Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG: Strafrechtswesen Art 10 Abs 1 Z 8 B-VG: Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie 5 Umweltschutz als Querschnittsmaterie 77a Abs 1 GewO 1994 idf BGBl I 88/2000: Im Genehmigungsbescheid, in dem auf die eingelangten Stellungnahmen [ ] Bedacht zu nehmen ist, ist über 77 hinaus sicherzustellen, dass in der Anlage 3 zu diesem Bundesgesetz angeführten Betriebsanlagen so errichtet, betrieben und aufgelassen werden, dass Z 1 alle geeigneten Vorsorgemaßnahmen gegen Umweltverschmutzungen [ ] getroffen werden Z 2 Energie effizient verwendet wird [ ] 6 3

Umweltschutz als Querschnittsmaterie Art 10 AbS 1 Z 9 B-VG: Verkehrswesen Art 10 Abs 1 Z 9 B-VG: Umweltverträglichkeitsprüfung für Bundesstraße und Hochleistungsstrecken Art 10 Abs 1 Z 10 B-VG: Bergwesen, Forstwesen, Wasserrecht Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG: Gesundheitswesen Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG: Abfallwirtschaft 7 Umweltschutz als Querschnittsmaterie Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG: Immissionsschutz Art 10 Abs 1 Z 12 B-VG: Luftreinhaltung, unbeschadet der Zuständigkeit der Länder für Heizungsanlagen Art 11 Abs 5 B-VG: Bedarfsgesetzgebung hinsichtlich Emissionsgrenzwerte Art 11 Abs 1 Z 7 B-VG: Umweltverträglichkeitsprüfung Art 12 Abs 1 Z 4 B-VG: Pflanzenschutz Art 13 B-VG: Bundes- und Landesfinanzen Art 15 B-VG: Generalklausel zugunsten der Länder 8 4

Umweltschutz als Querschnittsmaterie Art 15 B-VG: Naturschutz Landschaftsschutz Bodenschutz Nationalparkrecht Luftreinhaltung hinsichtlich Heizungsanlagen Abfallwirtschaft hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle 9 Umweltschutz als Querschnittsmaterie Art 15 B-VG: Baurecht Raumordnung Landesstraßenwesen (ausgenommen Bundesstraßen) Landwirtschaft örtliche Sicherheitspolizei Jagd Fischerei 10 5

Umweltschutz und Gliedstaatsverträge Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über den höchst zulässigen Schwefelgehalt im Heizöl (1983); Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Festlegung von Immissionsgrenzwerten für Luftschadstoffe und über Maßnahmen zur Verringerung der Belastungen der Umwelt samt Anlagen (1987); Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über die Einsparung von Energie (1995); 11 Umweltschutz und Gliedstaatsverträge Vereinbarung der Länder über Schutzmaßnahmen betreffend Kleinfeuerungen (1995); Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über gemeinsame Qualitätsstandards für die Förderung der Errichtung und Sanierung von Wohngebäuden zum Zweck der Reduktion des Ausstoßes an Treibhausgasen (2006). 12 6

Umweltschutz und ortspolizeiliche Verordnung Zum ersten muss eine solche VO in einer Angelegenheit erlassen werden, deren Besorgung der Gemeinde nach Art 118 Abs 2 und 3 B-VG im eigenen Wirkungsbereich gewährleistet ist, zum zweiten darf die VO nicht gegen bestehende Gesetze oder VO des Bundes und des Landes verstoßen und zum dritten muss die VO den Zweck verfolgen, Missstände, die das örtliche Gemeinschaftsleben stören, abzuwehren oder zu beseitigen. 13 BVG umfassender Umweltschutz 1. (1) Die Republik Österreich (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zum umfassenden Umweltschutz. (2) Umfassender Umweltschutz ist die Bewahrung der natürlichen Umwelt als Lebensgrundlage des Menschen vor schädlichen Einwirkungen. Der umfassende Umweltschutz besteht insbesondere in Maßnahmen zur Reinhaltung der Luft, des Wassers und des Bodens sowie zur Vermeidung von Störungen durch Lärm. 2. Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Bundesregierung betraut. 14 7

BVG umfassender Umweltschutz Exemplarische Aufzählungsdefinition Staat wird Pflicht auferlegt, die nach Gegenstand, Zweck und Mittel so weit gefasst ist, dass sie für künftige Entwicklungen offen bleibt Schutzgegenstand: belebte Natur unbelebte Natur Beziehung zum Menschen künftige Generationen 15 BVG umfassender Umweltschutz Umweltschutz ist Sache aller Gebietskörperschaften und deren Organe im Rahmen ihrer Zuständigkeit; Der Umweltschutz soll in Kooperation mit den Bürgern verwirklicht werden, dh dass diese in die Entscheidungsfindung eingebunden werden sollen, und auch in Eigenverantwortung umweltschützerisch tätig werden sollen; Das Schutzobjekt Natürliche Umwelt soll weit verstanden werden. Es soll im Sinne des Vorsorgeprinzips auch die künftige Umweltsituation mit einschließen. 16 8

BVG umfassender Umweltschutz Es sollen möglichst viele, insbesondere auch neu entstandene oder als solche erkannte Gefahren für die Umwelt erfasst werden; Das Instrumentarium des Umweltschutzes soll über die traditionelle Gefahrenabwehr hinaus um spezifische Maßnahmen erweitert werden, wobei sich die Maßnahmen an allen anerkannten Grundprinzipien des Umweltschutzes, wie beispielsweise das Vorsorgeprinzip oder Verursacherprinzip, orientieren können. 17 BVG umfassender Umweltschutz Staatszielbestimmung Primärer Adressat ist der Gesetzgeber kompetenzneutral Vermittlung subjektiver Rechte? keine Pflicht des Einzelnen zu umweltgerechtem Verhalten bedarf einer konkreten gesetzlichen Grundlage Baugesetz? Determinante für Gesetzgeber Auslegungsmaßstab 18 9

Grundrecht auf Umweltschutz? keine ausdrückliche grundrechtliche Verankerung in Österreich keine ausdrückliche Verankerung in der EMRK Umweltschutz als Staatspflicht kraft Grundrechtsordnung 19 10