Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO



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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

Transkript:

r- KANZLEI HOENIG BERLIN -...; per Fax vorab Kanzlei Hoenig Berlin Paul-Lincke-Ufer 42/43 10999 Berlin Verwaltungsgericht Berlin Kirchstraße 7 10557 Berlin 10. Juni 2008 Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig Fachanwalt für Strafrecht Rechtsanwalt Tobias Glienke Paul-Lincke-Ufer 42/43 10999 Berlin-Kreuzberg Fon: 030/310 14 650 Fax: 030/310 14 651 Notruf: 01805113 23 43 ("WM'"I email: kanzlei@kanzlei-hoenig.de Web: www.kanzlei-hoenig.de Aktenzeichen (Bitte angeben) 08c11052/c00229-08 Antrag nach 80 Abs. 5 VwGO des Z B, straße 14, Berlin Prozessbev.: Rechtsanwalt Carsten R. Hoenig, Paul-Lincke-Ufer 42/43, 10999 Berlin gegen - Antragsteller - Das Land Berlin, vertreten durch den Polizeipräsident in Berlin, Dir5 VB II 4, Friesenstr. 16, 10965 Berlin Dortige Vorgangsnummer: 080508- - Antragsgegner - wegen: Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung nach 81b 2. Alternative StPO Namens und kraft anwaltlich versicherter ordnungsgemäßer Bevollmächtigung des Antragstellers beantrage ich Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 6. Juni 2008 gegen den Bescheid des Polizeipräsidenten in Berlin vom 27. Mai 2008 wird wiederhergestellt.

Begründung: Durch für sofort vollziehbar erklärte Verfügung vom 27. Mai 2008 lud der Polizeipräsident in Berlin den Antragsteller für den 2. November 2004 zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen (Finger-/ Handflächenabdruck, Personenbeschreibung, Lichtbilder) auf der Grundlage des 81 b 2. Alt. StPO vor. Glaubhaftmachung: Vorladung zur erkennungsdienstlichen Behandlung vom 27. Mai 2008, in Kopie als Anlage 01 anbei Die Verfügung enthält im Feld "Tatvorwurf" die Eintragung "Verstoß BtM-Gesetz"; in weiteren Feldern sind die Tatzeit (Mittwoch, 7. Mai 2008 um 22:30 Uhr), keine Tatörtlichkeit und der Tatort (10 Berlin, -Str. 43) angegeben. Weitere einzelfallbezogene Tatsachen oder Erwägungen enthält die Anordnung nicht. Gegen diesen Bescheid habe ich mit Schreiben vom 6. Juni 2008 Widerspruch eingelegt und beantragt, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gern. 80 Abs. 2. Nr. 4 VwGO aufzuheben bzw. die Aussetzung der Vollziehung. Glaubhaftmachung: Mein Schriftsatz vom 6. Juni 2008, in Abschrift als Anlage 02 anbei. Eine schriftliche Reaktion habe ich bis zum heutigen Tage vom Antragsgegner nicht erhalten, die telefonischen Auskünfte waren unverbindlich und nicht zielführend. I. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt bereits nicht dem in 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO niedergelegten formellen Erfordernis einer schriftlichen Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung (siehe zum Folgenden Beschluss des VG Berlin vom 5. Juli 1999 - VG 1 A 225.99 - "Loveparade 1999", BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001-1 Der Berichterstatter 26/01 - juris). Die rechts staatlich gebotene Begründungspflicht soll zum einen den Betroffenen in die Lage versetzen, durch Kenntnis der Gründe, die die Behörde zu der Anordnung des Sofortvollzuges bewogen haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß 80 Abs. 5 VwGO abzuschätzen. Zum anderen hat sie den Zweck, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst zu machen und sie zu veranlassen, mit besonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein vorrangiges öffentliches Interesse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. - Seite 2 -

Schließlich hat sie auch die Funktion, den Gerichten die Prüfung der Argumente der Behörde zu ermöglichen. Hieraus ergibt sich, dass das Erfordernis einer schriftlichen Begründung nicht nur formeller Natur ist, dem bereits genügt ist, wenn überhaupt eine Begründung vorhanden ist. Aus dem Zweck der Begründungspflicht folgt vielmehr, dass die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die im konkreten Fall zur Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts nach 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO geführt haben (OVG Lüneburg, NdsVBl 1996, 137; OVG Schleswig, NVwZ 1992, 688 und NordÖR 1998, 26). Erforderlich ist deshalb eine auf den konkreten Fall abgestellte und nicht lediglich formelhafte, sich in allgemeinen Wendungen erschöpfende oder den Gesetzeswortlaut wiederholende Begründung. Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Vollziehungsanordnung nicht. Vorliegend wird die Anordnung der sofortigen Vollziehung formularmäßig und völlig allgemein gehalten damit erklärt, dass erkennungsdienstliche Unterlagen die polizeilichen Ermittlungen bei der Aufklärung künftiger Straftaten fördern können. Weiter heißt es: Angesichts aller Umstände des Einzelfalls besteht bei Ihnen die Gefahr, dass Sie auch zukünftig als Verdächtige(r) erneut begangener Straftaten in Erscheinung treten könnten. Diese Prognose wird gestellt, da es sich bei der vorliegenden Straftat um eine typisches Wiederholungsdelikt handelt. Es wird angenommen, dass Sie auch in Zukunft gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen werden. Im übrigen wird die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit wie folgt begründet: Die sofortige Vollziehbarkeit wird gemäß 80 Abs. 2. Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet, da sich aus den konkreten Prognosegründen ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit an einem Sofortvollzug ergibt und der Abschluß des Hauptverfahrens nicht abgewartet werden kann. Angesichts der vielfältigen vorstellbaren Fallkonstellationen ist die vom Antragsgegner praktizierte formularmäßig vorgedruckte und immer gleich lautende Begründung der Vollziehungsanordnung nicht geeignet, dem Begründungserfordernis des Gesetzes zu entsprechen. 11. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist gemessen an 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO aber auch materiell rechtswidrig. Das private Interesse des Antragstellers, von der angeordneten Maßnahme zunächst bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens und eines eventuell nachfolgenden Kla- - Seite 3 -

geverfahrens verschont zu bleiben, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Anordnung. Der angegriffene Bescheid ist rechtswidrig, so daß auch aus diesem Grund seine sofortige Vollziehung ausgeschlossen ist Rechtsgrundlage des Bescheides ist 81 b StPO. Nach dieser Bestimmung dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen werden, wenn dies für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens (1. Alternative) oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes (2. Alternative) notwendig ist. Während die erkennungsdienstlichen Behandlung nach der 1. Alternative der Vorschrift unbestrittener Maßen strafprozessualen Charakter aufweist, betrifft die 2. Alternative nach ständiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte (vgl. zuletzt OVG Berlin, u. a. Beschluss vom 24. Juni 2004, OVG 1 S 76.03, unter Änderung des Beschlusses der Kammer vom 21. November 2003, VG 1 A 163.03) materielles Polizeirecht und begründet damit die Befugnis zum Erlass polizeirechtlicher Verwaltungsakte. Diese Rechtsprechung ist der Beurteilung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes zugrunde zu legen. Die erkennungsdienstliche Behandlung nach 81 b 2. Alternative StPO soll vorsorgend sächliche Hilfsmittel für die Erforschung und Aufklärung von Straftaten bereitstellen. Dementsprechend bemisst sich die Notwendigkeit einschlägiger Maßnahmen danach, "ob der anlässlich des gegen den Betroffenen gerichteten Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt nach kriminalistischer Erfahrung angesichts aller Umstände des Einzelfalls - insbesondere angesichts der Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im strafrechtlichen Anlassverfahren zur Last gelegten Straftaten, seiner Persönlichkeit sowie unter Berücksichtigung des Zeitraums, während dessen er strafrechtlich nicht (mehr) in Erscheinung getreten ist - Anhaltspunkte für die Annahme bietet, dass der Betroffene künftig oder anderwärts gegenwärtig mit guten Gründen als Verdächtiger in den Kreis potenzieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung einbezogen werden könnte und dass die erkennungsdienstlichen Unterlagen die dann zu führenden Ermittlungen - den Betroffenen schließlich überführend oder entlastend - fördern könnten" (so das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. BVerwGE 66, 192, 199). Diese Voraussetzungen sind hier schon nicht gegeben. Die angegriffene Verfügung ist bereits formell rechtswidrig, d.h. unter Verletzung wesentlicher Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes, ergangen. Sie verstößt zunächst gegen 39 Abs. 1 VwVfG, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist, in der die die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind, die die Behörde - Seite 4 -

zu ihrer Entscheidung bewogen haben; die Begründung einer (hier gegebenen) Ermessensentscheidung soll auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Diesen Anforderungen genügt die angefochtene formularmäßig gefertigte Anordnung nicht. Bis auf die strafrechtliche Bezeichnung des Tatvorwurfs, der Tatzeit und des Tatorts enthält sie weder eine Darstellung des Sachverhalts, von dem die Behörde ausgegangen ist, noch die Erwägungen, die sie ihrer Anordnung zugrunde gelegt hat. Diesbezügliche Ausführungen waren auch nicht nach 39 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG entbehrlich. Danach bedarf es einer Begründung nicht, wenn die Behörde gleichartige Verwaltungs akte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist. Jedenfalls an letzterer Voraussetzung fehlt es hier. Die erkennungsdienstliehe Behandlung ist ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Ihre in jedem Einzelfall zu treffende Anordnung setzt eine sorgfaltige, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausgerichtete kriminalistisch-prognostische Erfassung und Bewertung der konkreten Tatumstände sowie der Täterpersönlichkeit voraus. Sie muss deshalb auch dann, wenn sie von der Behörde - wie hier - mit Hilfe eines Computers und einer dort hinterlegten Formulardatei erstellt wird, mit einer einzelfallbezogenen Begründung versehen werden. Weiterhin ist der Antragsteller entgegen 28 Abs. 1 VwGO auch nicht vorher zu der beabsichtigten erkennungsdienstlichen Behandlung angehört worden. Eine Anhörung war hier auch nicht gemäß 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG rechtlich entbehrlich, was vorausgesetzt hätte, dass eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse geboten war. Dies war hier nicht der Fall. Bei der Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung ist eine Anhörung im Gegenteil regelmäßig erforderlich, um entscheiden zu können, welchen Gehalt der gegen den Beschuldigten bestehende Verdacht hat. Die Anhörung des Beschuldigten kann, wenn er die ihm gebotene Möglichkeit zur Stellungnahme mit Rücksicht auf die drohende erkennungsdienstliche Behandlung wahrnimmt, die Ermittlungen fördern und liegt somit auch im Interesse der Ermittlungsbehörden. Eine Anhörung kann auch nicht allein deshalb unterbleiben, weil die Vernehmung des Beschuldigten nach dem Stand des Ermittlungsverfahrens aus ermittlungstaktischen Gründen untunlich erscheint (vgl. 163 a Abs. 1 Satz 1 StPO: Vernehmung des Beschuldigten "spätestens" vor dem Abschluss der Ermittlungen). Vielmehr muss in solchen Fällen die erkennungsdienstliche Behandlung so lange hinaus geschoben werden, bis der Beschuldigte ohne Gefährdung des Ermittlungsverfahrens zu dem Verdacht vernommen - im vorliegenden Zusammenhang: angehört - werden kann. Die Notwendigkeit einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu Zwecken des Erkennungsdienstes ist von der zuständigen Behörde auf der Grundlage der obigen rechtlichen Vorgaben im Einzelfall unter Würdigung aller Umstände sorgfältig zu prüfen. In einem ersten Schritt ist dabei die Stichhaltigkeit des Tatverdachts zu beurteilen. Da bei (noch) nicht gesichertem Tatverdacht unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ein Verzicht auf die erkennungsdienstliche Behandlung oder - Seite 5 -

deren Verschiebung bis zur Klärung des Tatverdachts angezeigt sein kann (v gl. Rogall, in: Rudolphi u.a., SK-StPO, 81 b Rdn. 43), muss vor einer Anordnung nach 81 b 2. Alternative StPO in aller Regel dem Beschuldigten Gelegenheit zur Einlassung gegeben werden; ggf. sind von ihm vorgebrachte entlastende Umstände zu ermitteln ( 160 Abs. 2 StPO) und von ihm beantragte, für das Verfahren bedeutsame Beweiserhebungen durchzuführen ( 163 a Abs. 2 StPO). Dies ist hier nicht geschehen. Die erste Einlassung des Antragstellers erfolgte mit der Begründung des Widerspruchs und des Aussetzungsantrags (Anlage 02). Bei der in dieser Einlassung zusammen gefaßten Sachlage ist eine zuverlässige Einschätzung der Begründetheit des Tatverdachts derzeit nicht himeichend möglich, im Gegenteil: Nach Aktenlage ist ein himeichender Tatverdacht für einen Verstoß (welchen?) gegen das BtMG nicht zu begründen. Allein die Tatsache, daß der Antragsteller Mieter der Räume ist, in der die Plantage betrieben wurde, ist noch kein genügender Anhalt dafür, daß er auch der Gärtner ist. Damit erweist sich aber auch die der angegriffenen Anordnung zugrunde liegende Prognoseentscheidung zur Wiederholungsgefahr als nicht tragfähig. Hinzu kommt, dass der Antragsteller mit dem Anlassverfahren überhaupt erstmalig wegen einer Straftat gegen ihn ermittelt wird. Er ist nicht vorbestraft. Die ihm hier vorgeworfene Straftat erscheint unter Zugrundelegung des bisherigen Akteninhaltes nicht als derartig schwerwiegend, dass allein wegen des Gewichts des Tatverdachts und der aus ihm abzuleitenden Gefahrenprognose eine erkennungsdienstliche Behandlung des Antragstellers bereits im jetzigen Stadium der Ermittlungen notwendig ist. Angesichts der dargelegten Bedenken gegen die Stichhaltigkeit des gegen den Antragsteller bestehenden Tatverdachts und der daraus abgeleiteten Gefahrenprognose ist ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angegriffenen Anordnung derzeit nicht gegeben. III. Im übrigen trage ich zur Begründung dieses Antrags die Begründung des Rechtsbehelfs vom 6. Juni 2008 (Anlage 02) vor und mache ihn zu Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Sofern dies nicht zulässig sein sollte, erbitte ich einen richterlichen Hinweis. 2 beglaubigte Abschriften sind beigefügt. Eine (weitere) Ab hrift übermittele ich zeitnah per Fax zur Vorabinfo an den Antragsgegner. //.,1 Carsten Rechts - Seite 6 -