Inanspruchnahme stationärer Spitalversorgung

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Transkript:

OBSAN BULLETIN 10 / 2016 Inanspruchnahme stationärer Spitalversorgung Neuere Entwicklung und zukünftiger Bedarf Standpunkt Die Kantone sind für die Gesundheitsversorgung ihrer Bevölkerung und gemäss Krankenversicherungsgesetz explizit für die Spitalplanung zuständig. Den Blick in die Zukunft versuchen sie mit verschiedenen Planungsmodellen zu schärfen. Je nach Modell werden Annahmen zu medizinischen, demografischen und gesellschaftlichen Entwicklungen getroffen und unterschiedlich stark gewichtet. Das Obsan-Modell bildet den Einfluss der demografischen Entwicklung in besonderem Mass ab. Die letzten Jahre vor dem Tod sind am häufigsten mit Hospitalisationen verbunden. In Folge der stark wachsenden Zahl der über 65-Jährigen steigen auch die Fallzahlen in den Akutspitälern überproportional zur Gesamtbevölkerung. Vor diesem Hintergrund ist die Versorgungsplanung von älteren und mehrfacherkrankten Patientinnen und Patienten (Geriatrie) von besonderer Bedeutung. Solche verlässlichen Planungsmodelle stehen auf der Wunschliste. Die abgebildeten Wanderungsbewegungen von kleinen und mittelgrossen Kantonen in solche mit Universitäts- und Zentrumsspitälern könnten weiter zunehmen. In der interkantonalen Koordination und in der Nachwuchsförderung sind die Kantone herausgefordert, damit die bisher qualitativ gute periphere Versorgung aufrecht erhalten bleibt. Zunehmend treten nämlich Patientinnen und Patienten ab 65 Jahren mit erhöhten Risikofaktoren und mehreren Begleiterkrankungen als Notfälle in die Spitäler ein. Mit den Fallpauschalen (SwissDRG) wurde in der Akutsomatik erstmals ein schweizweit einheitliches Vergütungsund Anreizsystem eingeführt. Damit besteht die These, dass sich die kantonal unterschiedlichen Hospitalisationsraten und Aufenthaltsdauern angleichen werden. Bleiben wir gespannt, ob und wie rasch die Kantone das im Bulletin vermutete Reduktionspotential bei den Aufenthaltsdauern ausschöpfen werden. Dr. Susanna Schuppisser, Stv. Amtschefin Amt für Gesundheit, Kanton Thurgau Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) nutzt die Veröffentlichung der neuen Bevölkerungsszenarien des BFS, um den künftigen Gesundheitsversorgungsbedarf der Schweizer Bevölkerung zu ermitteln. Diese Berechnungen sind nicht nur an sich wichtig, sondern auch im Hinblick auf die bevorstehende Erstellung der Prognosen zum Gesundheitspersonal. Das vom Obsan in Zusammenarbeit mit dem statistischen Amt des Kantons Waadt ausgearbeitete und den Kantonen für ihre Spitalplanung zur Verfügung gestellte Prognosemodell wird hier unter Berücksichtigung der neuen Bevölkerungsszenarien des BFS für die gesamte Schweiz verwendet. Nach einem kurzen Überblick über die verschiedenen Versorgungsarten befasst sich dieses Bulletin ausschliesslich mit der Akutsomatik (Kasten 1). Zudem werden diese Prognosen mit den beobachteten Entwicklungen der letzten Jahre verglichen. Akutsomatik, Psychiatrie, Rehabilitation/Geriatrie Ausmass der Inanspruchnahme von Spitälern in der Schweiz nach Versorgungsart, 2014 5% Anzahl Fälle 7% 88% Akutsomatik Psychiatrie Rehabilitation/ Geriatrie Quellen: BFS MS 2014; KS 2014 22% 21% Anzahl Tage Abb. 1 57% 2014 entfielen 88% der Fälle in den Schweizer Spitälern auf die Akutsomatik, 7% auf die Rehabilitation/Geriatrie und 5% auf die Psychiatrie. Die Spitaltage verteilten sich zu 57% auf die Akutsomatik, zu 22% auf die Rehabilitation/ Geriatrie und zu 21% auf die Psychiatrie (Abbildung 1). OBSAN BULLETIN 10/2016 1

(Reale und prognostizierte) Entwicklung der Fallzahlen nach Versorgungsart und (reale und prognostizierte) demografische Entwicklung, 2002 2045 Abb. 2 Index (2014=100) 260 240 220 200 180 160 140 120 ab 65 Jahren ab 80 Jahren Akutsomatik Psychiatrie Rehabilitation/Geriatrie 100 80 60 2002 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 Akutsomatik, Neue Definition des Behandlungsfalls ab 2012 (Kasten 2) Quellen: BFS MS 2002 2014; KS 2002 2014; ESPOP 2002 2009; STATPOP 2010 2014; mittlere kantonale Szenarien 2015 2045 Kasten 1: Abgrenzung der Versorgungsarten Die von den Spitälern angebotenen Versorgungsarten der Spitäler werden gemäss der Krankenhaustypologie und den Hauptkostenstellen des BFS abgegrenzt. Die Fälle werden den verschiedenen Bereichen zunächst auf Basis der Hauptkostenstelle und, falls nötig, anschliessend auch aufgrund der Typologie zugeordnet. Dabei gelten die folgenden Definitionen: Akutsomatik Psychiatrie Rehabilitation/ Geriatrie Definition des Falls 1 A A, C A Hauptkostenstelle 2 Krankenhaustypologie 3 Alle ausser: M500, M900, M950 Alle ausser: K211, K212, K221, K234 M500 M900, M950 K211, K212 K221, K234 1 A: Austritt zwischen dem 1.1. und dem 31.12.; C: Eintritt vor dem 1.1. und Behandlung, die sich nach dem 31.12. fortsetzt 2 M500=Psychiatrie und Psychotherapie; M900=Geriatrie; M950=Physikalische Medizin und Rehabilitation 3 K21=Psychiatrische Kliniken; K221=Rehabilitationskliniken; K234=Geriatrische Kliniken Quelle: Obsan Stärkstes prognostiziertes Wachstum im Bereich der Rehabilitation/Geriatrie Vergleicht man die Entwicklung der Spitalaufenthalte nach Versorgungsart mit der Entwicklung der ständigen Wohnbevölkerung, so zeigt sich, dass die Rehabilitation/Geriatrie von 2014 bis 2045 wahrscheinlich am stärksten zunehmen (+85%) und dabei eine sehr ähnliche Wachstumskurve aufweisen wird wie die Bevölkerung ab 65 Jahren (+84%). Die geringste Zunahme wird in der Psychiatrie erwartet (+21%), wobei sie nur leicht weniger wachsen dürfte als die ständige Wohnbevölkerung (+24%). Zwischen 2002 und 2045 insgesamt ist der Anstieg in der Psychiatrie hingegen grösser (+63%) als das Bevölkerungswachstum (+39%). Mit einer Zunahme von 43% zwischen 2014 und 2045 bzw. 73% zwischen 2002 und 2045 liegt die Entwicklung in der Akutsomatik dazwischen (Abbildung 2). Kasten 2: Neue Definition des Behandlungsfalls Die Einführung der neuen Spitalfinanzierung und die damit verbundene Neudefinition des Behandlungsfalls für die nach SwissDRG verrechneten Aufenthalte (Akutsomatik) haben zu einem Bruch in der Zeitreihe zwischen 2011 und 2012 geführt. Wird eine Patientin oder ein Patient innerhalb von 18 Tagen nach dem Austritt im gleichen Spital und in der gleichen MDC (Major Diagnostic Category) wieder aufgenommen (Rehospitalisierung), so wird neu nur noch ein Fall erfasst und nicht mehr zwei wie bis 2011. Die Aufenthaltstage werden dabei addiert, was keinen Einfluss auf die Gesamtdauer hat, aber die durchschnittliche Aufenthaltsdauer zwischen 2011 und 2012 künstlich erhöht. Fokus auf die Akutsomatik Die weiteren Analysen untersuchen ausschliesslich die Akutsomatik, die einen Grossteil der Behandlungsfälle und -tage in den Spitälern ausmacht. Während die Anzahl Fälle fortlaufend und in einem ähnlichen Ausmass wie die Bevölkerung der Personen ab 65 Jahren zunimmt, bilden die Jahre 2011 und 2012 eine Ausnahme, weil Rehospitalisierungen damals unter bestimmten Voraussetzungen als ein einziger Fall registriert wurden, was zu einem künstlichen Rückgang der Fallzahlen geführt hat (Abbildung 3 und Kasten 2). Die Patientenzahl, die von diesem Definitionswechsel nicht tangiert wird, steigt ebenfalls weiter an. Zwischen 2002 und 2014 nahm sie mit 23,7% fast doppelt so stark zu wie die ständige Wohnbevölkerung (+12,6%), aber weniger deutlich als die ständige Wohnbevölkerung ab 65 Jahren (+28,3%). Der Anteil der ausserkantonalen Fälle schwankte zu Beginn dieses Zeitraums, erhöhte sich jedoch nach 2010 konstant. Seit 2012 ist ein besonders ausgeprägter Anstieg zu beobachten. Dabei ist zu beachten, dass im Rahmen der Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) und der damit verbundenen Neugestaltung der Spitalfinanzierung per 1. Januar 2012 die freie Spitalwahl eingeführt wurde. Zwischen 2002 und 2014 stieg die Zahl der ausserkantonalen Fälle um 35,8% an. Allein zwischen 2011 und 2 OBSAN BULLETIN 10/2016

Akutpflege, Entwicklung der Spitalaufenthalte in der Schweiz, 2002 2014 Abb. 3 Index (2002=100) 140 130 120 110 100 ab 65 Jahren Anzahl Fälle Anzahl Patient/innen Anzahl Tage Anteil der ausserkantonalen Fälle 90 80 2002 2004 2006 2008 2010 2012 2014 Akutsomatik, Neue Definition des Behandlungsfalls ab 2012 (Kasten 2) Quellen: BFS, MS 2002 2014; KS 2002 2014; ESPOP 2002 2009; STATPOP 2010 2014 2014 betrug die Zunahme 14,5%, dies trotz der neuen Definition der Fälle 1 (Kasten 2). Die Anzahl Spitaltage ging zwischen 2002 und 2013 um 9,0% zurück, bevor sie zwischen 2013 und 2014 wieder um 0,7% zunahm. In Anbetracht der demografischen Entwicklung ist davon auszugehen, dass die Gesamtzahl der Spitaltage bis 2030 auch mit den optimistischsten Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung und zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer ansteigen wird. Kasten 3: Modell Prognosen sind in diesem Bulletin «Was wäre wenn»-szenarien, mit denen versucht wird, Informationen über den voraussichtlichen Umfang und die Struktur der zukünftigen Inanspruchnahme zu liefern. Die Medizinische Statistik der Krankenhäuser gibt die Anzahl Fälle im letzten verfügbaren Jahr, d. h. 2014, an. Mithilfe der demografischen Daten können für 2014 die Hospitalisierungsraten nach Alter, DRG und Kanton berechnet werden. Diese werden anschliessend auf die neusten Bevölkerungsprognosen angewandt, um die Anzahl der bis 2045 prognostizieren Fälle zu erhalten. Zur Ermittlung der Spitaltage bis 2045 werden verschiedene Szenarien zur durchschnittlichen Aufenthaltsdauer (DAD) angewandt: Referenz: Die DAD pro DRG des Spitals bleibt konstant. Shortest: Es wird die DAD pro DRG des Spitals mit der kürzesten DAD verwendet. ¼-shortest: Es wird die DAD pro DRG verwendet, die von 25% der Spitäler erreicht wird. 40. Perzentil: Es wird die DAD pro DRG verwendet, die dem 40. Perzentil entspricht. Berücksichtigt wird die Dauer pro DRG sämtlicher Spitalaufenthalte in der Schweiz, unabhängig vom Spital. Zielvorgabe ist bei allen betroffenen Modellen, dass die Verkürzung der Aufenthaltsdauer innert 10 Jahren stattfindet, d. h. bis 2024. Die beiden ersten Szenarien entsprechen dem vom Obsan zusammen mit dem statistischen Amt des Kantons Waadt erarbeiteten Projektionsmodell 2, die beiden letzten wurden nachträglich erstellt. Das Modell kann schematisch wie folgt dargestellt werden: Hospitalisierungsrate 2014 Referenzszenario Medizinische Statistik 2014 Anzahl Fälle 2014 Anzahl Fälle 2045 Shortest- Szenario Bevölkerungsszenarien 2015 2045 ¼ shortest- Szenario Anzahl Tage 2045 Szenario 40. Perzentil Quelle: Schema Obsan 1 Es ist nicht bekannt, ob die neue Definition der Fälle die Gesamtzahl der Fälle gleich stark beeinflusst wie die Anzahl der ausserkantonalen Fälle. Während die Gesamtzahl der Fälle zwischen 2011 und 2012 zurückgegangen ist, haben die ausserkantonalen Fälle zugenommen. Entweder werden die ausserkantonalen Fälle von der neuen Definition der Fälle in Zusammenhang mit Rehospitalisierungen nicht beeinflusst, oder die ausserkantonalen Hospitalisierungen sind so stark angestiegen, dass sie die Auswirkungen der neuen Definition mehr als ausgleichen. 2 Weaver France, Cerboni Sacha, Oettli Alexandre, Andenmatten Patrick, Widmer Marcel (2009), Modell zur Prognose der Inanspruchnahme als Instrument für die Spitalplanung, Arbeitsdokument 32, Neuchâtel: Obsan. OBSAN BULLETIN 10/2016 3

Entwicklung der Anzahl Tage in der Akutsomatik nach Szenario, 2014 2030 Abb. 4 Index (2014=100) 140 130 120 110 100 136 Mittlere Bevölkerung, Tage Referenz Mittlere Bevölkerung, 132 Tage Shortest Mittlere Bevölkerung, 122 Tage ¼-shortest Mittlere Bevölkerung, 119 Tage 40. Perzentil 109 Worst case: hohe Bevölkerungszahl, Tage Referenz 106 Best case: tiefe Bevölkerungszahl, Tage Shortest 90 80 2014 2016 2018 2020 2022 2024 2026 2028 2030 Quellen: BFS MS 2014; KS 2014; STATPOP 2014; kantonale Szenarien 2015 2030 Demografisch bedingter Anstieg der Spitaltage in allen Szenarien Anhand der Bevölkerungsszenarien können Prognosen zur Anzahl der Fälle berechnet werden, während für Prognosen zur Anzahl der Spitaltage die Szenarien zur Aufenthaltsdauer verwendet werden. Die Szenarien zur Aufenthaltsdauer werden im Kasten 3 erläutert. Die Prognosen zu den Spitaltagen, aufgeteilt in sechs verschiedene Szenarien, sind in Abbildung 4 dargestellt. Vier Szenarien beruhen auf einer mittleren Bevölkerungsentwicklung: das Szenario zur Referenzdauer mit einem Anstieg der Anzahl Tage um 31,9% im Zeitraum von 2014 bis 2030, das ¼-shortest-Szenario mit einem Anstieg um 22,5%, das Szenario des 40. Perzentils mit einer leicht geringeren Zunahme um 18,7% sowie das Shortest-Szenario mit einem Wachstum von 9,2%. Die beiden extremen Szenarien kombinieren das optimistische und das pessimistische Bevölkerungsszenario mit dem besten bzw. schlechtesten Szenario zur Aufenthaltsdauer. Sie zeigen, dass die Anzahl Spitaltage zwischen 2014 und 2030 im besten Fall um lediglich 5,6% und im schlechtesten Fall um 36,4% steigen wird. Im Modell wurde festgelegt, dass eine Verkürzung der Aufenthaltsdauer innerhalb von 10 Jahren stattfinden wird, d. h. bis 2024 (vgl. Kasten 3). Anschliessend bleibt die durchschnittliche Dauer pro DRG (Diagnosis Related Group) unverändert und der demografische Effekt wird wieder ausgeprägter, was in den optimistischen Szenarien zur Aufenthaltsdauer deutlich erkennbar ist (Wendepunkt der Kurve im Jahr 2024). Unterschiedlich starker Einfluss der Szenarien nach Leistungsbereich Eine detailliertere Analyse der Prognosen zur Gesundheitsvorsorge deckt diejenigen Leistungsbereiche auf, die am stärksten von der Bevölkerungsentwicklung betroffen sind und bei denen die Anzahl Spitaltage am stärksten reduziert werden könnten (Abbildung 5). Dazu wird das mittlere Bevölkerungsszenario mit dem Szenario zur Referenzdauer und dem ¼-shortest-Szenario kombiniert. Gemäss diesen Prognosen ist in der Geburtshilfe sowie in den Leistungsbereichen Neugeborene und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde mit +4,1%, +9,5% bzw. +12,2% mit dem geringsten Anstieg der Fallzahlen zu rechnen. Diese Leistungsbereiche betreffen vor allem junge Personen. Im Gegensatz dazu werden die eher mit dem Alter zusammenhängenden Leistungsbereiche wie die Nephrologie (+38,8%), die Neurologie (+37,5%) und die Gefässmedizin (+37,2%) die höchsten Zuwachsraten verzeichnen. Die Prognosen zu den Spitaltagen weichen zwischen dem Szenario zur Referenzdauer und dem ¼-shortest-Szenario teilweise markant voneinander ab. In der Geburtshilfe könnte die Anzahl Tage gemäss ¼-shortest-Szenario im Jahr 2030 gegenüber 2014 sogar zurückgehen ( 1,1%), während beim Referenzszenario mit einem Anstieg von 4,3% gerechnet wird. Es handelt sich um den einzigen Leistungsbereich mit einem möglichen Rückgang der Anzahl Tage, was unter anderem mit dem geringen Anstieg der Fallzahlen zu erklären ist. Grosse relative Abweichungen bestehen auch zwischen den beiden Szenarien der Leistungsbereiche Neugeborene (+196,0%) und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (+112,7%) 3. Deutlich kleiner sind diese bei schweren Verletzungen (+21,5%) und der Nephrologie (+22,6%). In diesen beiden letztgenannten Bereichen sind somit in Bezug auf die Anzahl Spitaltage und unabhängig vom gewählten Szenario keine grossen Fortschritte zu erwarten. 3 Die relative Abweichung wird nach folgender Formel berechnet: (Entwicklung der Tage gemäss Referenzszenario in % Entwicklung der Tage gemäss ¼-Shortest-Szenario in %)/Entwicklung der Tage gemäss ¼-Shortest-Szenario in %. 4 OBSAN BULLETIN 10/2016

Prozentuale Entwicklung der Fälle und Tage nach Leistungsbereich und Szenario, 2014 2030 Abb. 5 45% 40% 35% 30% 25% 20% 15% 10% 5% 0% 5% Tage Referenz Tage ¼-Shortest Anzahl Fälle Nephrologie Neurologie Gefässe Endokrinologie Ophtalmologie Herz Gastroenterologie Pneumologie Hämatologie Urologie (Radio-)Onkologie Rheumatologie Dermatologie Basispaket Schwere Verletzungen Thoraxchirurgie Total Viszeralchirurgie Bewegungsapparat chirurgisch Neurochirurgie Transplantationen Gynäkologie Hals-Nasen-Ohren Neugeborene Geburtshilfe Quellen: BFS MS 2014; KS 2014; STATPOP 2014; mittlere kantonale Szenarien 2015 2030 Grosse kantonale Unterschiede 4 Die kantonalen Prognosen für die Akutsomatik sind als Streudiagramm dargestellt (Abbildung 6). Dabei werden die prozentualen Abweichungen der einzelnen Kantone im Verhältnis zum Schweizer Durchschnitt in zwei Dimensionen aufgeteilt: Zum einen wird die Entwicklung der Fallzahlen zwischen 2014 und 2030, zum anderen die relative Abweichung in Bezug auf die Entwicklung der Anzahl Spitaltage zwischen 2014 und 2030 gemäss dem Referenzszenario und dem ¼-shortest-Szenario aufgezeigt. In den Kantonen rechts der vertikalen Achse werden die Fallzahlen stärker steigen als im Schweizer Durchschnitt, so zum Beispiel im Kanton Freiburg, in dem die Bevölkerung noch jung ist und der Anteil älterer Menschen zunehmen wird. Umgekehrt weisen die Kantone links der Achse wie Basel-Stadt bereits heute einen hohen Anteil älterer Menschen auf, weshalb sich ihre Situation infolge der unterdurchschnittlichen Entwicklung der Fallzahlen verbessern wird. In den Kantonen unterhalb der horizontalen Achse ist die relative Abweichung zwischen dem Referenzszenario und dem ¼-shortest-Szenario kleiner als die durchschnittliche relative Abweichung der Schweiz. Ihr Potenzial, die Spitaltage zu senken, ist in der Theorie folglich geringer. Besonders auffällig ist, dass die Fallzahlen im Quadranten mit den meisten Kantonen weniger stark zunehmen als im Schweizer Durchschnitt, die relative Abweichung der Anzahl Tage aber höher liegt. Diese Entwicklung könnte demografisch begründet sein: Da die meisten dieser Kantone bereits 2014 einen hohen Anteil hochbetagter Personen aufwiesen, sind die Fälle komplizierter und verursachen wahrscheinlich längere Aufenthalte, was wiederum das Verbesserungspotenzial in Bezug auf die Spitaltage erhöht. Der Kanton Basel-Stadt würde sich in dieser Situation befinden, während der Kanton Freiburg das andere Extrem bilden würde. 4 Für Fälle, die in Spitälern an der Grenze zweier Kantone behandelt werden (von den Kantonen Waadt und Wallis betriebenes Hôpital Riviera-Chablais, von den Kantonen Waadt und Freiburg betriebenes Hôpital Intercantonal de la Broye), ist der Wohnkanton der Patientin bzw. des Patienten massgebend, sofern es sich dabei um einen der beiden zuständigen Kantone des Spitals handelt. Abweichungen der Kantone vom Schweizer Mittel in Bezug auf die Entwicklung der Fälle, Vergleich des Referenzszenarios mit dem ¼-shortest-Szenario, 2014 2030 Entw. Tage nach Szen., Abweichung zur CH in % 60% 40% 20% 0% 20% BS AI AR GL UR NE BL BE GR JU SH GE ZH SG CH NW OW Abb. 6 40% 20% 15% 10% 5% 0% 5% 10% 15% 20% Entw. Fälle, Abweichung zur CH in % Diese Entwicklung könnte aber insofern auch strukturbedingt sein, als einige Kantone, insbesondere solche mit einem Universitätsspital, schwerwiegendere Fälle (d. h. mit längerer Aufenthaltsdauer) haben. Wenn wie in den Kantonen Genf oder Basel-Stadt die meisten Patientinnen und Patienten im Universitätsspital behandelt werden, macht sich dies in den kantonalen Zahlen bemerkbar. Im Universitätsspital Genf (HUG) werden 66% der akutsomatischen Fälle des Kantons behandelt, im Universitätsspital Basel 54%. Im Universitätsspital Lausanne (CHUV) sind es hingegen nur 34%, im Inselspital Bern 24% und im Universitätsspital Zürich 17%. Die Prognosen werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst, die auch die teilweise erheblichen Abweichungen von den Ergebnissen der einzelnen kantonalen Planungen erklären können (Kasten 4). Im Weiteren könnten die ausserkantonalen Fälle noch mehr zunehmen und sich auf LU SO Quellen: BFS MS 2O14; KS 2014; STATPOP 2014; mittlere kantonale Szenarien 2015 2030 ZG TI AG SZ TG VS VD FR OBSAN BULLETIN 10/2016 5

Abwanderungsanteil (Outflow), 2014 nach Kanton VD NE FR JU BS SO BE BL AG LU OW SH NW ZH ZG UR SZ TG AR AI SG GL GR Abb. 7 einem Universitätsspital sämtliche Leistungen vor Ort verfügbar sind, ist dort auch der Anteil der ausserkantonalen Hospitalisierungen am geringsten. Dieser reicht von 3,5% im Kanton Genf bis 9,5% im Kanton Basel-Stadt. Das Tessin gehört mit 5,7% ausserkantonalen Hospitalisierungen zur gleichen Kategorie, wahrscheinlich sowohl aus geografischen als auch aus sprachlichen Gründen. Am anderen Ende liegen die Kantone Appenzell Innerrhoden (74,0%) und Basel-Landschaft (49,4%), da sie sich in unmittelbarer Nähe zu Appenzell Ausserrhoden und Basel-Stadt befinden. TI Kasten 4: Einflussfaktoren auf die Ergebnisse GE Quellen: BFS MS 2014; KS 2014/Auswertungen Obsan VS Anteil der ausserkantonalen Spitalaufenthalte an allen Spitalaufenthalten der Bevölkerung des Kantons, in% < 10,0 10,0 19,9 20,0 29,9 30,0 39,9 40,0 BFS, ThemaKart 2016 den künftigen Bedarf auswirken. Es ist jedoch schwierig, die Entwicklung der Patientenströme vorauszusehen und zu integrieren. Die drei nachfolgenden Abbildungen zeigen die Outflow- und die Inflow-Situation der Kantone im Jahr 2014 sowie die Patientenabwanderungsquote (outflow/inflow) dieser Kantone im Jahr 2014 und die Prognosen für diese Quote für 2030. Dabei wird jeweils nur der demografische Effekt des jeweiligen Kantons berücksichtigt, nicht aber eine mögliche Intensivierung der Patientenströme. Kantone mit einem Universitätsspital sind selbstständiger Die Schweizer Karte in Abbildung 7 veranschaulicht das Ausmass der ausserkantonalen Hospitalisierungen in den einzelnen Kantonen. Je dunkler die Farbe des Kantons, desto grösser ist sein Outflow-Anteil 5. Da in Kantonen mit Zuwanderungsanteil (Inflow), 2014 nach Kanton VD NE FR JU BS SO BE BL AG SH ZH ZG LU SZ NW OW UR TI TG AR AI SG GL GR Abb. 8 Aktualität der verwendeten medizinischen und demografischen Daten Verwendetes Prognosemodell, das medizintechnische und epidemiologische Entwicklungen oder Verlegungen in den ambulanten Bereich berücksichtigen kann, aber nicht muss (Zürcher Modell) Qualität der medizinischen Daten (je nach Kanton unterschiedlich, insbesondere in Bezug auf die Codierung in der Rehabilitation/Geriatrie und der Psychiatrie) Entwicklung der Spitallandschaft bzw. der Behandlungsstrukturen (ambulante Behandlung vor stationärer Behandlung, vor allem, aber nicht nur in der Psychiatrie). Anteilmässig weniger ausserkantonale Patientinnen und Patienten in lateinischen Kantonen ohne Universitätsspital Die Schweizer Karte in Abbildung 8 unterscheidet die Kantone anhand ihres Anteils an ausserkantonalen Patientinnen und Patienten. Je dunkler ein Kanton dargestellt ist, desto höher ist die Zahl der stationären Patientinnen und Patienten, die ausserhalb dieses Kantons wohnen 6. In den Kantonen mit einem Universitätsspital 7 beträgt der Inflow 7,9% für Genf, 9,0% für Waadt, 14,1% für Bern, 14,7% für Zürich und sogar 50,1% für Basel-Stadt, wobei ein Drittel der Patientinnen und Patienten von Basel-Stadt im Kanton Basel-Landschaft wohnt. Mit 25,1% der Fälle gehört Basel-Landschaft auch zu den Kantonen mit den höchsten Patientenzuwanderungsquoten, ebenso wie die Kantone Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden mit Anteilen von 63,8% bzw. 35,7%. Am tiefsten ist der Anteil der Hospitalisierungen ausserkantonaler Patientinnen und Patienten in lateinischen Kantonen und in einem Zentralschweizer Kanton, nämlich im Tessin (3,9%), im Wallis (4,3%), in Neuenburg (4,4%), in Freiburg (4,8%), in Uri und im Jura (je 5,8%). Hierzu ist anzumerken, dass der Kanton Wallis eine deutliche tiefere Patientenzuwanderungsquote aufweist als Graubünden (mit 17% Inflow), obwohl beides Berg- und Tourismuskantone sind. GE VS Anteil der Spitalaufenthalte von Personen mit ausserkantonalem Wohnsitz an allen Spitalaufenthalten im Kanton*, in% < 5,0 5,0 9,9 10,0 14,9 15,0 19,9 *Aufenthalte von Personen mit Wohnsitz im Ausland wurden nicht berücksichtigt. Quellen: BFS MS 2014; KS 2014/Auswertungen Obsan 20,0 BFS, ThemaKart 2016 5 Nach der Formel: ausserkantonale Hospitalisierungen/alle Hospitalisierungen von im Kanton wohnhaften Patient/innen x 100. 6 Nach der Formel: Hospitalisierung von ausserhalb des Kantons wohnhaften Patient/innen/alle Hospitalisierungen im Kanton (ohne im Ausland wohnhafte Patient/innen) x 100. 7 Man würde erwarten, dass die Kantone mit einem Universitätsspital am dunkelsten sind. Da es sich aber um Kantone mit einem grossen Einzugsgebiet handelt, bleiben die zugewanderten Fälle sogar in grosser Anzahl gemessen an allen behandelten Patientinnen und Patienten moderat. 6 OBSAN BULLETIN 10/2016

Abwanderungsquote nach Kanton, 2014, und Prognosen für 2030 bei gleichbleibenden Patientenströmen Abb. 9 Quote (Ab-/Zuwanderung) 10 8 6 4 2 2014 Prognosen 2030 CH 0 BS BE ZH AR GE VD LU GR SG NW TI ZG SH AG SO BL VS GL TG AI SZ OW NE FR UR JU Quellen: BFS MS 2014; KS 2014; STATPOP 2014; mittlere kantonale Szenarien 2015 2030 Kantonal unterschiedlicher demografischer Einfluss auf die Abwanderungsquote Je nach Kanton kann entweder die Patientenzuwanderung oder die Patientenabwanderung höher sein. Die Abwanderungsquote 8 gibt an, in welchem Ausmass der Inflow oder der Outflow überwiegt und wie sich diese Quote infolge der demografischen Veränderungen im Zeitverlauf entwickelt (Abbildung 9). Eine theoretische Quote von 1 bedeutet, dass gleich viele Patientinnen und Patienten abwandern wie zuwandern. Dies trifft auf keinen Schweizer Kanton zu. In allen Kantonen mit einem Universitätsspital ist die Patientenzuwanderung grösser als die -abwanderung. An erster Stelle liegt aus den gleichen Gründen wie vorgängig erläutert, d. h. aufgrund der Nähe zu Basel-Landschaft Basel- Stadt mit einer Quote von 0,1. Auch in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Luzern und Graubünden wandern mehr Patientinnen und Patienten zu als ab. In allen anderen Kantonen ist das Gegenteil der Fall. 2014 verzeichnete der Kanton Jura die höchste Abwanderungsquote (9,0). Er gehört zudem zu den drei Kantonen, in denen die Quote gemäss Prognosen am deutlichsten steigen wird, nämlich auf 9,5 im Jahr 2030. In den Kantonen Schwyz und Freiburg dürfte die Quote ebenfalls relativ stark zunehmen (Schwyz: von 5,6 auf 6,2; Freiburg: von 7,0 auf 7,6). Dabei handelt es sich aber um theoretische Werte, die ausschliesslich auf der demografischen Entwicklung beruhen. Strategiewechsel der Kantone oder Gewohnheitsänderungen der Patientinnen und Patienten werden nicht berücksichtigt. Im Übrigen könnten die Patientenströme durch die Einführung der freien Spitalwahl im Jahr 2012 weiter zunehmen. Schlussfolgerungen Die Zahl der Spitalfälle steigt seit 2002. Gemäss den Prognosen wird die demografische Entwicklung zu einem markanten Anstieg der Nachfrage nach Spitalleistungen im Allgemeinen und insbesondere in der Rehabilitation/Geriatrie führen. Trotz der Einschränkungen des Modells, das annimmt, es gäbe keine Über- oder Unterversorgung und auf dem Status quo der Versorgungssituation basiert, ist davon auszugehen, dass die Spitäler im prognostizierten Zeitraum gut ausgelastet sein werden. Stark steigen dürfte die Anzahl der Fälle und Spitaltage in den überwiegend mit dem Alter zusammenhängenden Leistungsbereichen, namentlich in der Nephrologie, der Neurologie und der Gefässmedizin. Der Bedarf ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich (vgl. auch Kasten 4). Verschiedene kantonsspezifische demografische Situationen beeinflussen die Prognosen zur Anzahl Fälle und Tage, haben aber auch einen Einfluss auf die Wirkung des gewählten Szenarios. Die Struktur des kantonalen Angebots scheint bei den unterschiedlichen Ergebnissen je nach Szenario ebenfalls eine Rolle zu spielen. In einem Kanton mit einem Universitätsspital, in dem komplizierte Fälle behandelt werden können, ist die Aufenthaltsdauer tendenziell länger, was zu einer grösseren Abweichung von einem Szenario zur Reduktion der Aufenthaltsdauer führt, umso mehr, wenn dieses Spital die meisten Fälle im Kanton behandelt. In einigen Kantonen überwiegen die Zuwanderungen, in anderen die Abwanderungen von Patientinnen und Patienten. Seit 2012 nehmen die Patientenströme markant zu, was wahrscheinlich auf die Einführung der freien Spitalwahl zurückzuführen ist und für die Finanzen der Kantone nicht ohne Folgen bleibt. Diese Tendenz könnte sich in Zukunft weiter verstärken, auch wenn sie im Prognosemodell nicht speziell berücksichtigt wird. Dieses Bulletin liefert einen stark zusammengefassten Überblick, den man noch weiter ausführen kann. Die in dieser Publikation enthaltenen Berechnungen werden als Grundlage für die Erstellung der Prognosen zum Gesundheitspersonal dienen, die im Laufe dieses Jahres erscheinen sollen. 8 Nach der Formel: abgewanderte Patient/innen/zugewanderte Patient/ innen (ohne im Ausland wohnhafte Patient/innen). OBSAN BULLETIN 10/2016 7

Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) ist eine von Bund und Kantonen getragene Institution. Das Obsan analysiert die vorhandenen Gesundheitsinformationen in der Schweiz. Es unterstützt Bund, Kantone und weitere Institutionen im Gesundheits wesen bei ihrer Planung, ihrer Entscheidfindung und in ihrem Handeln. Weitere Informationen sind unter www.obsan.ch zu finden. Impressum Herausgeber Schweizerisches Gesundheitsobservatorium (Obsan) Autoren Sylvie Füglister-Dousse (Obsan) Marcel Widmer (Obsan) Zitierweise Füglister-Dousse, S. & Widmer, M. (2016). Inanspruchnahme stationärer Spitalversorgung. Neuere Entwicklung und zukünftiger Bedarf (Obsan Bulletin 10/2016). Neuchâtel: Schweizerisches Gesundheitsobservatorium. Auskünfte / Informationen Schweizerisches Gesundheitsobservatorium Espace de l Europe 10 2010 Neuchâtel Tel. 058 463 60 45 obsan@bfs.admin.ch www.obsan.ch Grafik / Layout DIAM, Prepress / Print, BFS Originalsprache Französisch (Übersetzung: Sprachdienste BFS) Bestellungen Tel. 058 463 60 60 / Fax 058 463 60 61 order@bfs.admin.ch BFS-Nummer: 1033-1610 Diese Publikation ist auch in französischer Sprache erhältlich (BFS-Nummer: 1034-1610) Download PDF www.obsan.ch Publikationen GDK Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren CDS Conférence suisse des directrices et directeurs cantonaux de la santé CDS Conferenza svizzera delle direttrici e dei direttori cantonali della sanità Das Schweizerische Gesundheitsobservatorium (Obsan) ist eine gemeinsame Institution von Bund und Kantonen. L Observatoire suisse de la santé (Obsan) est une institution commune de la Confédération et des cantons. L Osservatorio svizzero della salute (Obsan) è un istituzione comune della Confederazione e dei Cantoni. 8 OBSAN BULLETIN 10/2016