Stand der Beurteilung von Stickstoffeinträgen in FFH-Gebiete Hannover, 17.06.2014 Stefan Balla Büro Herne Kirchhofstr. 2c 44623 Herne Büro Hannover Lister Damm 1 30163 Hannover Büro Berlin Streitstraße 11-13 13587 Berlin Büro München Josephspitalstr. 7 80331 München www.boschpartner.de
Gliederung 1. Stickstoff als Schadstoff 2. Rechtlicher Rahmen 3. Methodenvorschläge im Überblick 4. Bestimmung von Critical Loads 5. Beurteilung der Erheblichkeit 6. Anwendungsbeispiel
1. Stickstoff als Schadstoff
Wirkungen von atmosphärischem Stickstoffeintrag Stickstoffverbindungen wirken eutrophierend und versauernd auf natürliche Ökoysteme Artendominanz und Artenvorkommen verschiebt sich in Richtung stickstoffliebender Arten (Brennessel, Brombeere) Nährstoffungleichgewichte Erhöhte Blattmassebildung Wurzelschädigung, Mykorrhizaschädigung Erhöhte Anfälligkeit gegen Trockenheit, Frost, Schädlingsbefall, Windwurf Für 404 von 819 ausgestorbenen oder gefährdeten Farn- und Blütenpflanzenarten in Mitteleuropa gelten Nährstoffeinträge und damit verbundene Standortveränderungen als Hauptgefährdungsursache (KORNECK et al. 1998)
Definition Critical Load Beurteilungsmaßstab: Critical Load Naturwissenschaftlich begründeter Schwellenwert für den Eintrag von Luftschadstoffen, bis zu dessen Erreichung nach aktuellem Kenntnisstand langfristig keine signifikant schädlichen Effekte an Ökosystemen und Teilen davon zu erwarten sind. + Critical Loads sind quantifizierbare No-effect-Schwellen + Critical Loads beinhalten eine Langzeitperspektive (definitorisch 100 Jahre) - Critical Loads treffen keine Aussage über mögliche Wirkungen und deren Erheblichkeit - Critical Loads unterscheiden nicht nach unbelasteten / bereits belasteten Ökosystemen
N-Hintergrunddeposition 2007 nach UBA-Datensatz UBA-Datensatz N-Gesamtdeposition 2007) Größenordnung des Critical Loads für Wälder: 10-20 kg N/ha*a
2. Rechtlicher Rahmen
Europäisches Schutzgebietssystem Natura 2000 (FFH-Gebiete und Vogelschutzgebiete) Europäischer Schutz von Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-RL und Tier- und Pflanzenarten nach Anhang II der FFH- RL Wildlebenden europäischen Vogelarten Karte der FFH-Gebiete (9% der Landfläche Deutschlands)
Stufen der FFH-Verträglichkeitsprüfung Stufe I: FFH-Vorprüfung (Screening) Überschlägige Prognose, ob erhebliche Beeinträchtigungen offensichtlich ausgeschlossen werden können Stufe II: Vertiefte Erheblichkeitsprüfung Prognose anhand FFH-Verträglichkeitsgutachten, ob erhebliche Beeinträchtigungen möglich sind Stufe III: FFH-Ausnahmeverfahren 1. Vorliegen zwingender Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses 2. Fehlen einer zumutbare Alternative 3. Vorsehen von Kohärenzsicherungsmaßnahmen
Rechtsprechung BVerwG 2007, Westumfahrung Halle: Eine bloße Grobabschätzung genügt nicht zur Beurteilung von N- Einträgen BVerwG 2007, Westumfahrung Halle: Vorbelastungen in einem FFH-Gebiet können dazu führen, dass keine weiteren Zusatzbelastungen mehr hingenommen werden können BVerwG 2010, A44 VKE 20: Grundsätzlich ist jede Überschreitung der Critical Loads erheblich eine Abweichung von diesem Grundsatz bedarf besonderer, naturschutzfachlich fundierter Rechtfertigung BVerwG 2012, Revision zu Trianel: Bei der Prüfung, ob projektbedingte Schadstoffeinträge die Relevanzschwelle überschreiten, sind kumulativ die Auswirkungen anderer Projekte zu berücksichtigen
3. Methodenvorschläge im Überblick
Methodenentwicklung FE-Vorhaben 84.0102.2009 der BASt: Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope (2013) VDI 2014: Ermittlung von Stoffeinträgen. FFH- Verträglichkeitsprüfung: Sachstandsbericht LANUV-Fachvorschlag zur Prüfung der FFH-Verträglichkeit von Stickstoff-Depositionen in empfindlichen Lebensräumen in FFH- Gebieten (Entwurf 2013) Gemeinsamer Arbeitskreis der LAI und der LANA zu 34 BNatSchG und Stickstoff (in Arbeit) Bund-Länder-Fachgespräch Critical Load (Initiative Baden- Württemberg): Ziel: Veröffentlichung weiterer Grundlagendaten und Anwendungshilfen zur vereinfachten Modellierung von Critical Load anhand Massenbilanz-Methode (in Arbeit)
BASt-FE-Vorhaben Bearbeitung durch: Bosch & Partner GmbH FÖA Landschaftsplanung GmbH Ingenieurbüro Lohmeyyer ÖKO-DATA GmbH Umsetzung in FGSV-Leitfaden in Arbeit
4. Bestimmung von Critical Loads
Europäische Grundlagen zur Bestimmung von Critical Loads Bobbink u. Hettelingh 2011 http://www.b-ware.eu/content/project/publicaties/ Review-revision-empirical-critical-loads-2011.pdf http://www..icpmapping.org
Empirische Critical Loads Aktuelle Liste emp. Critical Loads (Bobbink und Hettelingh 2011) (http://www.b-ware.eu/content/project/publicaties/review-revision-empirical-critical-loads-2011.pdf)
Ergebnisse der Modellierung in BMVBS 2013 LRT LRT-Beschreibung Lebensraumtypische Spanne des Critical Loads für Stickstoff [kg N ha -1 a -1 ] 9110 Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum) 10 21 9120 Atlantischer, saurer Buchenwald mit Unterholz aus Stechpalme und gelegentlich Eibe (Quercion robori-petraeae oder Ilici-Fagenion) 8 17 9130 Waldmeister-Buchenwald (Asperulo-Fagetum) 9 22 9140 Mitteleuropäischer subalpiner Buchenwald mit Ahorn und Rumex arifolius 15 27 9150 Mitteleuropäischer Orchideen-Kalk-Buchenwald (Cephalanthero- Fagion) 13 23 9160 Subatlantischer oder mitteleuropäischer Stieleichenwald oder Eichen- Hainbuchenwald (Carpinion betuli) 14 21 9170 Labkraut-Eichen-Hainbuchenwald Galio-Carpinetum 11 23 9180 Schlucht- und Hangmischwälder Tilio-Acerion 8 30 9190 Alte bodensaure Eichenwälder auf Sandebenen mit Quercus robur 8 14 91D0 Moorwälder 7 28 91E0 Auenwälder mit Alnus glutinosa und Fraxinus excelsior (Alno-Padion, Alnion incanae, Salicion albae) 6 28 91F0 Hartholzauenwälder mit Quercus robur, Ulmus laevis, Ulmus minor, Fraxinus excelsior oder Fraxinus angustifolia (Ulmenion minoris) 11 31 91G0 Pannonische Wälder mit Quercus petraea und Carpinus betulus 15 24 91T0 Mitteleuropäische Flechten-Kiefernwälder 4 13 91U0 Kiefernwälder der sarmatischen Steppe 6 18 von bis
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5. Beurteilung der Erheblichkeit
Beurteilungsschwellen Bagatellschwelle 3% des CL Abschneidekriterium 0,3 kg N/ha*a Vorbelastung Einzelquellen seit Unterschutzstellung des FFH-Gebietes Vorhabensbedingte Zusatzbelastung Gesamtbelastung Critical Load
Beurteilung der Erheblichkeit Einhaltung flächenbezogener Bagatellschwellen (ausschließliche Betroffenheit von Kleinflächen im FFH-Gebiet) Beurteilung der Betroffenheit im Einzelfall - guter Erhaltungszustand der Artenzusammensetzung trotz langjähriger Überschreitung von Critical Loads - Stickstoffsättigung im Boden bereits erreicht - Besondere Standortfaktoren (Überschwemmungsdynamik)
6. Anwendungsbeispiel
Anwendungsbeispiel Übersichtskarte: Schweinehaltungsanlage, umgebende FFH-Gebiete und Wirkraum (UG)
FFH-Gebiete und Lebensraumtypen FFH-Gebiet Güsener Niederwald FFH-Gebiet Fiener Bruch
Critical Load-Bestimmungstool
Parameter zur Konkretisierung des Critical Load 1) Klimaregionaltyp Niederschlagssumme (Jahr / Vegetationszeit) Mitteltemperatur (Jahr / Vegetationszeit Kontinentalitätsindex 2) Bodenform Bodentyp (BÜK 200) Ausgangsgestein (BÜK 200) Trophiestufe (KA Boden) Säure-Basen-Status (KA Boden) Hydromorphietyp (KA Boden) 3) Pflanzengesellschaft Pflanzengesellschaft Charakterarten
Klimadaten Jahresmitteltemperatur: 9,5 C
Klimadaten Ermittlung des Klimaregionaltyps als Klimadaten wurden aktuelle deutschlandweite Rasterdaten des DWD verwendet (Online-Daten des Portals WebWerdis) BOSCH & PARTNER et al. (2012): Untersuchung und Bewertung von straßenverkehrsbedingten Nährstoffeinträgen in empfindliche Biotope: Tab. 19
Bodendaten FFH-Gebiet Güsener Niederwald FFH-Gebiet Fiener Bruch
Vegetationskartierung Carici-Alnetum (Walzenseggen-Erlenbruchwald) in der Subassoziation mit Iris pseudacorus (Sumpf-Schwertlilie) (LRT *91E0) im Güsener Niederwald Carici-Alnetum (Walzenseggen-Erlenbruchwald) in der Subassoziation mit Carex acutiformis (Sumpf-Segge) (LRT *91E0) im Güsener Niederwald
Ergebnisse der Critical Load-Bestimmung
N-Depositionsprognose
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! s.balla@boschpartner.de Tel. 02323-94629-13 Büro Herne Kirchhofstr. 2c 44623 Herne Büro Hannover Lister Damm 1 30163 Hannover Büro Berlin Streitstraße 11-13 13587 Berlin Büro München Josephspitalstr. 7 80331 München www.boschpartner.de