Tierschutzgesetz und Bewilligungspraxis bei Tierversuchen Was ist neu?

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Transkript:

Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement EVD Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BVL Tierschutzgesetz und Bewilligungspraxis bei Tierversuchen Was ist neu? Heinrich Binder Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen Abteilung Tierschutz 1

Inhalt Stellung der Tiere im Gesetz Revision 2008: was hat sich wirklich verändert? Was ist ein Tierversuch? Bewilligungsverfahren: das elektronische Informationssystem E-TV Information und Tierversuchsstatistik 2

Gesetzliche Verankerung der besonderen Stellung des Tieres BV Artikel 80: Der Bund erlässt Vorschriften über den Schutz der Tiere BV Artikel 120: Gentechnologie im Ausserhumanbereich 2 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten. Tierschutzgesetz Artikel 3: Würde = Eigenwert des Tieres Belastung : muss gerechtfertigt werden Zivilgesetzbuch Artikel 641a: 1 Tiere sind keine Sache. 2 Soweit für Tiere keine besonderen Regelungen bestehen, gelten für sie die auf Sachen anwendbaren Vorschriften. Gentechnikgesetz (GTG) 1 Artikel 8: Achtung der Würde der Kreatur 1 Bundesgesetz vom 21. März 2003 über die Gentechnik im Ausserhumanbereich (Gentechnikgesetz, GTG)

Tierschutzgesetzgebung - Tierschutzgesetz (TSchG; SR 455) vom 16. Dezember 2005 inkl. Änderungen vom 15. Juni 2012 (Art.20a ff.) - Tierschutzverordnung (TSchV; SR 455.1) vom 23. April 2008 revidiert 1.1.2014 - Verordnung des BLV vom 12.April 2010 über die Haltung von Versuchstieren und die Erzeugung gentechnisch veränderter Tiere sowie über die Verfahren bei Tierversuchen (Tierversuchsverordnung; SR.455.163) - Verordnung vom 1. September 2010 über das elektronische Informationssystem zur Verwaltung der Tierversuche (VerTi-V; SR 455.61) - Verordnung des EVD vom 5. September 2008 über Ausbildungen in der Tierhaltung und im Umgang mit Tieren (SR 455.109.1) 4

Grundsätze der Tierschutzgesetzgebung Tiere sind so zu behandeln, dass ihren Bedürfnissen in bestmöglicher Weise Rechnung getragen wird. Wer mit Tieren umgeht, hat, soweit es der Verwendungszweck zulässt, für deren Wohlbefinden zu sorgen. Das Misshandeln, Vernachlässigen oder unnötige Überanstrengen von Tieren ist verboten. Niemand darf ungerechtfertigt einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen, es in Angst versetzen oder in anderer Weise seine Würde missachten.

Neu im Tierschutzgesetz 2005 Zweck 1978 Art. 1 TSchG Zweck 2005 Art. 1 TSchG Dieses Gesetz ordnet das Verhalten gegenüber dem Tier; es dient dessen Schutz und Wohlbefinden. Zweck dieses Gesetzes ist es, die Würde und das Wohlergehen des Tieres zu schützen. Das Gesetz gilt für Wirbeltiere (Ausweitung auf Krebse und Kopffüssler in der Verordnung) Das Gesetz gilt für Wirbeltiere. (Ausweitung auf Krebse und Kopffüssler in der Verordnung)

Würde: Eigenwert des Tieres, der im Umgang mit ihm geachtet werden muss. Art. 3 TSchG Würde des Tieres Die Würde des Tieres wird missachtet, wenn eine Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen gerechtfertigt werden kann.

Belastung Art. 3 TSchG Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier insbesondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in Angst versetzt oder erniedrigt wird, wenn tief greifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen oder es übermässig instrumentalisiert wird.

Strafrechtliche Relevanz Art. 26 Tierquälerei 1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer vorsätzlich: a. ein Tier misshandelt, vernachlässigt, es unnötig überanstrengt oder dessen Würde in anderer Weise missachtet; d. bei der Durchführung von Versuchen einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt oder es in Angst versetzt, soweit dies nicht für den verfolgten Zweck unvermeidlich ist;

Güterabwägung Bedürfnis Mensch vs. Integrität Tier Die Schwere der Einschränkung für das Tier muss mit dem Nutzen für den Menschen abgewogen werden Das Ergebnis einer allgemeinen Güterabwägung schlägt sich in den Minimalanforderungen der Tierschutzverordnung nieder Gesetzeskonform <> Tiergerecht? Tierversuche: Güterabwägung muss für jede Bewilligung explizite gemacht werden.

Güterabwägung Art.19 TSchG: 4 Ein Tierversuch ist insbesondere unzulässig, wenn er gemessen am erwarteten Kenntnisgewinn dem Tier unverhältnismässige Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügt oder es in unverhältnismässige Angst versetzt. Durchführung der Güterabwägung: http://www.blv.admin.ch/themen/tierschutz/05459/index.html?lang=de 11

jede Massnahme, bei der lebende Tiere verwendet werden mit dem Ziel: 1. eine wissenschaftliche Annahme zu prüfen, 2. die Wirkung einer bestimmten Massnahme am Tier festzustellen, 3. einen Stoff zu prüfen, Neu im Tierschutzgesetz 2005 Definition Tierversuch Art. 3 TSchG 4. Zellen, Organe oder Körperflüssigkeiten zu gewinnen oder zu prüfen, ausser wenn dies im Rahmen der landwirtschaftlichen Produktion, der diagnostischen oder kurativen Tätigkeit am Tier oder für den Nachweis des Gesundheitsstatus von Tierpopulationen erfolgt, 5. artfremde Organismen zu erhalten oder zu vermehren, 6. der Lehre sowie der Aus- und Weiterbildung zu dienen. 12

Neu in der Tierschutzverordnung 6. Kapitel Tierversuche Qualifikation und Ausbildungsanforderungen Umgang mit Versuchstieren Zucht und Haltung von gentechnisch veränderten Tieren Bewilligung von Tierversuchen Alle Tierversuche (auch SG 0) Interkantonale Tierversuche Durchführung der Tierversuche Kontrollen und Meldungen Tierversuchsstatistik Versuchstierhaltungen Publikation abgeschlossene TV (1.5.2014)

Neu in der Tierschutzverordnung Ausbildungs-Anforderungen Versuchsdurchführende TSchV (Kurse/LTK) Versuchsleiter TSchv (Kurse/LTK) Leiter Versuchstierhaltung TSchV (Tpfl/Kurse) Tierpfleger (Betreuung) BBG (Tpfl/Beruf) 14

Ausbildungsanforderungen Ausnahmefälle Art. 199 TSchV 3 Die kantonale Behörde kann im Einzelfall eine andere als die verlangte Ausbildung anerkennen, wenn die betreffende Person nachweislich über vergleichbare Kenntnisse und Fähigkeiten oder über einen Beruf mit vergleichbaren Voraussetzungen verfügt. Sie kann bei Bedarf diese Personen verpflichten, eine ergänzende Ausbildung zu absolvieren. 15

BEWILLIGUNGSVERFAHREN: Informationsfluss Publikum BVET Bundesamt für Veterinärwesen EKTV Eidgenössische Kommission für Tierversuche Gesuchsteller Kantonale Kommission für Tierversuche Kantonale Behörde (Veterinäramt) 16

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Informationssystem E-Tierversuche (web-basiert) 19

Informationssystem E-Tierversuche (web-basiert) 20

INFORMATION: Statistik (Art. 36 TSchG) Das BLV veröffentlicht jährlich eine Statistik über sämtliche Tierversuche. Sie soll eine Beurteilung der Anwendung der Tierschutzgesetzgebung ermöglichen. http://tv-statistik.ch 21

Information http://www.blv.admin.ch/themen/tierschutz/00777/index.html?lang=de Themen Tierschutz Tierversuche.. Bewilligungsverfahren Güterabwägung Tierversuche beantragen 22

Abgeschlossene Tierversuche (Art. 20a TSchG) in Kraft seit 1. Mai 2014 Über Versuche, die nach dem 1. Mai 2014 abgeschlossen werden, veröffentlicht das BLV folgende Informationen: Titel und Fachgebiet Versuchszweck Anzahl eingesetzte Tiere pro Tierart Schweregrad der Belastung der Tiere Die Forschenden stellen diese Daten im Abschlussbericht in e-tierversuche zusammen und geben diese zur Publikation frei. Publikation vierteljährlich, erstmals 1.11.2014 23

Danke für Ihre Aufmerksamkeit Merci de votre attention 24