QUARTALSBERICHT. Quartal/Jahr: I/2012 SCHLAGZEILEN

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QUARTALSBERICHT Projektland: DR Kongo Quartal/Jahr: I/2012 SCHLAGZEILEN 1. Offizielle Bekanntgabe der Ergebnisse der Parlamentswahlen vom 28. November 2011 durch die CENI: Stärkste Koalition demnach das Präsidentenbündnis (MP) mit 341 von 500 Sitzen. 2. EU-Wahlbeobachtermission bezeichnete das Ergebnis der Präsidentschaftsund Parlamentswahlen als nicht vertrauenswürdig und nicht nachvollziehbar. 3. Mit Spannung wird in Kürze die Ernennung einer neuen Regierung in der DR Kongo erwartet. 4. Trotz drohenden Ausschlusses aus der Oppositionspartei UDPS wollen 40 Abgeordnete ihre Abgeordnetentätigkeit ausüben. 5. Katumba Mwanke, der wohl engste Vertraute und Berater von Staatspräsident Kabila, kam bei einem Flugzeugabsturz in Bukavu ums Leben. Sein Tod dürfte vor allem Folgen für die Bergbaupolitik (Minen) der DR Kongo haben. 6. Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat sein erstes Urteil weltweit gesprochen und hat den ehemaligen Rebellenführer Thomas Lubanga schuldig befunden, Kindersoldaten im Ostkongo eingesetzt zu haben. Das Ergebnis der Parlamentswahlen Nachdem die Wahlkommission (CENI) im Monat Januar 2012 immer wieder die vorläufigen Resultate einiger Wahlkreise veröffentlicht hatte, gab sie am 01. Februar 2012 die letzten Teilergebnisse bekannt: Dementsprechend konnten nur 162 von 169 Wahlkreisen ausgewertet werden. Für die verbleibenden sieben Wahlkreise beantragte die CENI beim Obersten Gerichtshof die Annullierung der abgegebenen Stimmen aufgrund von Unregelmäßigkeiten. Insofern würde sich die Zahl der Abgeordneten von 500 auf 483 verringern, da dadurch diese Wahlkreise nicht im Parlament vertreten wären. Erwartungsgemäß schnitt das Präsidentschaftsbündnis, bestehend aus ca. 60 verschiedenen Parteien, um Amtsinhaber Kabila (MP), das 341 Sitze erringen konnte, am besten ab. Allerdings besteht diese Allianz aus einer Vielzahl von Parteien und Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, DR Kongo, 1/2012 1

unabhängigen Kandidaten (beispielsweise die Schwester des Präsidenten, Jaynet Kabila), die sich jetzt untereinander auf eine gemeinsame Regierung einigen müssen. Insgesamt sind, gemäß dem veröffentlichten, vorläufigen Ergebnis der Wahlkommission, 101 verschiedene Parteien und 16 unabhängige Kandidaten im Parlament vertreten! Dies bedeutet 45 Parteien sind nur mit einem Abgeordneten vertreten und 75 Parteien haben weniger als 5 Sitze (1 %) erhalten. Von den 483 Abgeordneten sind lediglich 47 weiblich. Stärkste Partei wurde nicht ganz überraschend die PPRD von Joseph Kabila mit 62 Sitzen (2006 waren es noch 111 Sitze), gefolgt von der Oppositionspartei UDPS (42 Sitze) von Etienne Tshisekedi, die 2006 die Wahlen noch boykottiert hatte, der Kabila nahestehenden Partei PPPD (29 Sitze), sowie der MSR (27 Sitze), die von seinem Sicherheitschef Pierre Numbi angeführt wird. Die stärkste Oppositionspartei aus dem Jahr 2006, die MLC von Jean-Pierre Bemba erhielt trotz interner Streitigkeiten noch 22 Sitze (2006: 64 Sitze) und die PALU-Partei wurde sechst stärkste Kraft mit 19 Sitzen (2006: 34 Sitze). Gegen dieses vorläufige Ergebnis wurden über 500 Einsprüche beim Obersten Gerichtshof eingelegt. Insgesamt wurden die Entscheidungen der Wahlkommission in 168 von 169 Wahlkreisen und die Ernennung von 340 Kandidaten angefochten. Der Oberste Gerichtshof, dessen Urteil mangels Existenz eines Verfassungsgerichts nicht überprüft werden kann, hätte eigentlich bis zum 30. März 2012 über diese Einsprüche entscheiden müssen. Er hat sich seine Frist allerdings selbst bis zum 20. April 2012 verlängert. Nichtsdestotrotz hat das vorläufige Parlament bereits Mitte Februar seine Arbeit aufgenommen. Diesbezüglich hatte Etienne Tshisekedi seine Parteimitglieder, die gemäß dem Ergebnis der CENI ins Parlament gewählt wurden, aufgerufen, dieses zu boykottieren und nicht an den Sitzungen teilzunehmen, da die UDPS den Wahlbetrug nicht unterstützen werde. Er betonte, dass alle Parteimitglieder, die trotzdem an den Sitzungen im Parlament teilnehmen, automatisch aus seiner Partei ausgeschlossen werden. Diesem Aufruf folgten für die ersten Sitzungen nahezu alle Abgeordneten der UDPS. Eine Ausnahme stellte der UDPS-Abgeordnete Thimotée Kombo dar, der bereits in der ersten Sitzung als ältester, anwesender Parlamentarier zum provisorischen Parlamentspräsidenten ernannt wurde. Er wurde umgehend aus der UDPS ausgeschlossen. Von den übrigen 41 Mitgliedern der UDPS, die in das Parlament gewählt wurden, haben sich mittlerweile neben Herrn Kombo weitere 39 gewählte Abgeordnete entschieden, an den Sitzungen teilzunehmen und ihren Parlamentarierstatus nicht abzulehnen. Durch diesen internen Konflikt wird die Rolle und Bedeutung der UDPS im Parlament sicherlich geschwächt. Dies ist umso bedauerlicher, da eine Demokratie auch eine funktionierende und kontrollierende Opposition benötigt. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode spielte die Opposition (MLC) nach der Verhaftung von Jean-Pierre Bemba so gut wie keine Rolle mehr im Parlament. Es ist zu befürchten, dass sich dies nun wiederholen wird. Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, DR Kongo, 1/2012 2

Die EU-Wahlbeobachtermission hat Ende März ihren Abschlussbericht zu den Wahlen an die kongolesische Regierung übergeben und bezeichnete hierin sowohl das Ergebnis der Präsidentschafts- als auch das der Parlamentswahlen, aufgrund der festgestellten Unregelmäßigkeiten und des Wahlbetrugs als nicht vertrauenswürdig. Massive Kritik wurde insbesondere an der Arbeit und Zusammensetzung der Wahlkommission, der Missachtung des Wahlkalenders und des Wahlgesetzes, den Auseinandersetzungen im Vorwahlkampf und Gewalttaten gegen Medienvertreter geübt. Kritisiert wurden außerdem die festgestellten Unregelmäßigkeiten und Gewalttaten in den Wahllokalen und Auszählungszentren, die Verweigerung des Zugangs für die Beobachtermission in das Nationale Auszählungszentrum, sowie das Verschwinden von Wählerstimmen. Der Abschlussbericht enthielt ausdrücklich keine Bewertung, ob die bekanntgegebenen Ergebnisse der Wahrheit entsprechen oder nicht. Dies kann auch nicht Aufgabe einer neutralen Beobachtermission sein. Für die Organisation der weiteren Wahlen, insbesondere der für das Jahr 2012 vorgesehenen Lokalwahlen, sprach die Mission eine Vielzahl von Empfehlungen aus, u.a. die Neubesetzung der Wahlkommission durch eine Entscheidung des Parlaments. Vor diesem Hintergrund wird damit gerechnet, dass insbesondere der Präsident der CENI, Herr Daniel Ngoy Mulunda, aufgrund massiven Drucks seinen Rücktritt noch vor der Organisation der Lokalwahlen verkünden wird. Allerdings steht auch für diese bisher noch kein Termin fest. Ursprünglich sollten die Lokalwahlen Mitte März 2012 stattfinden. Dieser Termin verstrich allerdings unkommentiert seitens der Wahlkommission. Auch die katholische Kirche und das amerikanische Carter Center bezeichneten das Ergebnis der Wahlen als nicht vertrauenswürdig und nachvollziehbar und übten ebenfalls massive Kritik an der Arbeit der Wahlkommission. Die UN-Mission für den Kongo, MONUSCO, legte einen Bericht über die festgestellten, schweren Menschenrechtsverletzungen durch Mitglieder der Armee und Polizei in Kinshasa zwischen dem 26. November und dem 25. Dezember 2011 vor. Hierin werden detailliert Fälle in Kinshasa aufgelistet, in denen Zivilisten durch die Sicherheitskräfte im o.g. Zeitraum getötet und verletzt, vermeintliche Oppositionelle verhaftet und misshandelt wurden, und einzelne Personen bis heute verschwunden bleiben. Des Weiteren bemängelte die MONUSCO die Behinderung ihrer Arbeit in Kinshasa. Sowohl UN-Bericht, als auch in einzelnen Punkten der Bericht der EU sind auf massive Kritik durch die kongolesische Regierung gestoßen. Die hierin vorgebrachten Vorwürfe wurden zurückgewiesen. Die Regierung kündigte an, zu jedem einzelnen Vorwurf Stellung zu nehmen. Bevorstehende Regierungsumbildung Aufgrund der Wahlen und der damit verbundenen Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Parlament wird es wohl noch im Monat April 2012 zur Bildung einer neuen Regierung kommen. Vor allem über die Person des neuen Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, DR Kongo, 1/2012 3

Premierministers wird intensiv spekuliert. Es scheint sich allerdings abzuzeichnen, dass dieser nicht mehr von der PALU-Partei gestellt wird. Präsident Kabila hat im Berichtszeitraum den ehemaligen Verteidigungsminister, Herrn Mwando Nsimba, verfassungskonform (Art. 78) als Informant beauftragt, eine Mehrheit im Parlament zur Bildung einer Regierung zu finden. Dieses Vorgehen ist insofern bemerkenswert, da der Präsident nur in dem Fall, dass eine Parlamentsmehrheit nicht existiert, einen Informanten beauftragen kann. Im Jahr 2006 hatte er dies nicht getan. Vielmehr hat er damals Antoine Gizenga direkt zum Premierminister ernannt und hat sich hierbei auf sein Präsidentschaftsbündnis (AMP) in Koalition mit PALU und UDEMO gestützt. Bis zur Ernennung einer neuen Regierung werden die Regierungsgeschäfte noch kommissarisch von der alten Regierung weitergeführt. Da es gem. Art 97 der kongolesischen Verfassung den Mitgliedern der Regierung nicht gestattet ist, ein weiteres, gewähltes Amt, insbesondere als Abgeordneter, auszuüben, traten Anfang März mit der Eröffnung der neuen Sitzung des vorläufigen Parlaments Premierminister Muzito und elf weitere Minister von ihrem Amt zurück. Sie taten dies, um als Abgeordnete im neuen Parlament für die nächsten fünf Jahre tätig werden zu können. Die Amtsgeschäfte des Premierministers werden seitdem kommissarisch von Louis Koyagialo, der zuvor bereits Vize-Premierminister und Postminister in der Regierung Muzito war, bis zur Ernennung eines neuen Premierministers wahrgenommen. Auch die Tätigkeiten der anderen elf zurückgetretenen Minister werden interimsweise von fachnahen Ministern, die nicht wiedergewählt wurden, zusätzlich übernommen. Flugzeugabsturz in Bukavu Katumba Mwanke, der wohl engste Vertraute und Berater von Staatspräsident Kabila kam bei einem Flugzeugunfall in Bukavu Mitte Februar ums Leben. 1997 wurde er Gouverneur von Katanga und stand seit 2001 eng an der Seite Joseph Kabilas. Er war insbesondere für eine Vielzahl von wichtigen Verträgen im Bergbaugeschäft verantwortlich. Sein Tod dürfte vor allem Folgen für die Bergbaupolitik (Minen) der DR Kongo haben. Er starb in den Trümmern einer Privatmaschine, nachdem diese beim Anflug auf den Flughafen der Stadt Bukavu über die Landebahn hinausgeschossen war. Mit ihm starben auch die beiden Piloten. Schwerverletzt überlebten den Unfall u.a. der Gouverneur der Provinz Süd-Kivu, Marcellin Cishambo, Finanzminister Matata Ponyo und ein weiterer, sehr enger Vertraute des Präsidenten, Antoine Ghonda. Schuldspruch gegen Thomas Lubanga Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) hat sein weltweit erstes Urteil gesprochen. Der ehemalige Rebellenführer der Miliz UPC, Thomas Lubanga, wurde schuldig befunden, während der Rebellion in Ituri (Provinz Orientale) in den Jahren 2002 und 2003 Kindersoldaten (Kinder unter 15 Jahren) angeworben, gewaltsam rekrutiert und eingesetzt zu haben. Die Höhe des Strafmaßes wurde noch nicht verkündet. Die UPC Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, DR Kongo, 1/2012 4

hatte im Jahr 2004 mit der kongolesischen Regierung Frieden geschlossen und wurde zu einer politischen Partei. Thomas Lubanga wurde von der Regierung im Jahr 2006 verhaftet und an den IStGH ausgeliefert. Die Zeitspanne zwischen Verhaftung und Urteil betrug somit sechs Jahre! Die kongolesische Regierung begrüßte das Urteil. Innerhalb der Bevölkerung und in der Presse in Kinshasa wurde es zwar wahrgenommen, aber nicht übermäßig kommentiert. Die Vorkommnisse in Ituri, ca. 2.000 km von Kinshasa entfernt, vor zehn Jahren waren einfach zu weit entfernt. Anders dürfte die Sache jedoch im Falle von Jean-Pierre Bemba aussehen, der ebenfalls vor dem IStGH angeklagt und in Kinshasa immer noch sehr populär ist. Hier wird jedes Urteil, ob Freispruch oder Verurteilung, zu heftigen Reaktionen innerhalb der Bevölkerung führen. In Ituri selbst wurde teilweise mit Unverständnis auf dieses Urteil reagiert, da schließlich jede Rebellengruppe Kindersoldaten einsetze und 15- jährige Jugendliche keine Kinder mehr seien. Bedingt durch das Urteil rückte auch wieder der Haftbefehl des IStGH gegen den kongolesischen Armeegeneral Jean Bosco Ntaganda in das Blickfeld der Öffentlichkeit. Dieser war während der Rebellion in Ituri einer der Militärchefs von Thomas Lubanga. Nach dem Friedensschluss mit der kongolesischen Regierung schloss er sich im Jahr 2005 den Rebellen der CNDP um den Tutsi-General Laurent Nkunda an. Diese schloss im Jahr 2009 Frieden mit der kongolesischen Regierung und er wurde zum General in der kongolesischen Armee ernannt. Gegen Ntaganda hat der IStGH im Jahr 2006 Haftbefehl wegen mutmaßlich begangener Kriegsverbrechen in Ituri und in den beiden Kivu-Provinzen erlassen. Die kongolesische Regierung verweigert seit dem Friedenschluss seine Auslieferung nach Den Haag mit dem Argument, dass dies den Friedensprozess im Osten der DR Kongo behindern würde. Aufgrund des Urteils werden nun die internationalen Forderungen an die kongolesische Regierung wieder lauter, sie möge endlich den General ausliefern. Dies wird zu erheblichen Unruhen innerhalb der ehemaligen CNDP-Truppenteile führen, die zwar in die kongolesische Armee integriert wurden, aber de facto noch intakt sind. Meldungen aus dem Kivu verlauten, dass die Armee sich dort aufzulösen scheint und dass immer mehr ehemalige CNDP-Truppenteile desertieren. Bosco Ntaganda selber sorgte am 2. April für Aufsehen und zeigte seine Stärke, als er im Rahmen einer improvisierten und nicht angekündigten Militärparade in Goma mit etwa 25 Militärfahrzeugen mit wohl ehemaligen CNDP-Soldaten durch die Straßen der Stadt fuhr. Präsident Kabila reiste am 9. April 2012 persönlich nach Goma um sich über die gegenwärtige Situation in der Stadt zu informieren. Glossar AMP CENI Alliance de la Majorité Présidentielle - Präsidentenbündnis Comission électorale nationale indépendante Unabhängige Nationale Wahlkommission Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, DR Kongo, 1/2012 5

CNDP MP MLC MSR PALU PPPD PPRD UDEMO UDPS Congrès national pour la défense du peuple - Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes Majorité Présidentielle Präsidentenbündnis (Nachfolger des AMP) Mouvement pour la Liberation du Congo Bewegung für die Befreiung des Kongo Mouvement Social pour le Rénouveau Soziale Bewegung für Erneuerung Parti lumumbiste unifié Lumumba-treue Partei Parti du peuple pour la paix et la démocratie Volkspartei für Frieden und Demokratie Parti du peuple pour la reconstruction et la démocratie - Volkspartei für Wiederaufbau und Demokratie Union des Democrates Mobutistes - Union Demokratischer Mobutisten Union pour la Democratie et le Progres Social - Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt Götz Heinicke Der Autor ist Leiter der Vertretung der Hanns-Seidel-Stiftung in Kinshasa, DR Kongo. IMPRESSUM Erstellt: 10.04.2012 Herausgeber: Hanns-Seidel-Stiftung e.v., Copyright 2011 Lazarettstr. 33, 80636 München Vorsitzender: Prof. Dr. h.c. mult. Hans Zehetmair, Staatsminister a.d., Senator E.h. Hauptgeschäftsführer: Dr. Peter Witterauf Verantwortlich: Christian J. Hegemer, Leiter des Instituts für Internationale Zusammenarbeit Tel. +49 (0)89 1258-0 Fax -359 E-Mail: iiz@hss.de www.hss.de Hanns-Seidel-Stiftung, Quartalsbericht, DR Kongo, 1/2012 6