Straßburg, den 23. Oktober 2007 DER VERTRAG VON LISSABON

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Transkript:

Straßburg, den 23. Oktober 2007 DER VERTRAG VON LISSABON Am 19. Oktober 2007 einigten sich die Staats- und Regierungschefs in Lissabon auf einen neuen Reformvertrag, mit dem die Regierungskonferenz (RK) zum Abschluss gebracht wurde. Der neue Vertrag wird die Handlungsfähigkeit der Union stärken, indem die Effizienz und Effektivität der Organe und der Entscheidungsprozesse gesteigert werden, insbesondere im Hinblick auf neue globale Herausforderungen und für die Bürger wichtige Fragen wie Klimawandel, Energieversorgungssicherheit, internationalen Terrorismus, grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, Einwanderung und neue Erweiterungsrunden. Der Vertrag von Lissabon fördert außerdem eine demokratische Rechenschaftspflicht der Union und Rechtsstaatlichkeit und bestärkt somit die Ziele und Werte der Union. Durch den neuen Reformvertrag werden der Vertrag über die Europäische Union (EUV) und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der in Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) umbenannt werden soll, überarbeitet. Beide Verträge sollen denselben rechtlichen Rang besitzen. Obwohl der neue Vertrag keinen Verfassungscharakter mehr hat, sind in ihm die wichtigsten Errungenschaften des Verfassungsentwurfs im Hinblick auf die demokratische Legitimität, die Effizienz und die Stärkung der Bürgerrechte (mit einigen erheblichen Ausnahmen für das Vereinigte Königreich und andere Mitgliedstaaten) erhalten geblieben: 1. In einem Artikel am Anfang des EUV werden klar die Werte definiert, auf die sich die Union gründet, und in einem weiteren Artikel die Ziele der Union festgelegt. 2. Die Charta der Grundrechte erhält dieselbe Rechtsverbindlichkeit wie die Verträge, auch wenn ihr Text nicht Bestandteil der Verträge wird. Die Vertreter des EP bei der RK setzten durch, dass die Charta auf der Plenarsitzung des Parlaments am 12. Dezember 2007 von den Präsidenten des Parlaments, des Rates und der Kommission feierlich proklamiert und danach im Amtsblatt veröffentlicht wird. Durch diese Proklamation wird der besondere Charakter der Charta hervorgehoben und ihre Öffentlichkeitswirksamkeit verbessert. Der Artikel, durch den die Charta für rechtsverbindlich erklärt wird, wird auf die vorgenannte Proklamation verweisen. Ein DV\692343DE.doc

Protokoll enthält für das Vereinigte Königreich und Polen geltende besondere Bestimmungen über Ausnahmen im Hinblick auf die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs und nationaler Gerichte für den Schutz der in der Charta anerkannten Rechte. 3. Der Vertragsentwurf liefert eine neue Rechtsgrundlage für den Beitritt der Union zur Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte. Er bedarf eines einstimmigen Beschlusses des Rates, der Zustimmung des Parlaments und der Einwilligung der Mitgliedstaaten. 4. Obwohl im AEUV Bestimmungen zur Staatsangehörigkeit enthalten sein werden, erhält der Begriff der Unionsbürgerschaft auf Drängen der Vertreter des EP wieder seinen verdienten Platz und heißt es in Artikel 8 EUV: Unionsbürger ist, wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt. Die Unionsbürgerschaft tritt zur nationalen Staatsangehörigkeit hinzu, ohne diese zu ersetzen. 5. Die partizipatorische Demokratie wird gestärkt, insbesondere durch das Recht auf Bürgerinitiative, nach dem Bürgerinnen und Bürger, deren Anzahl mindestens eine Million betragen und bei denen es sich um Staatsangehörige einer erheblichen Anzahl von Mitgliedstaaten handeln muss, die Kommission auffordern können, Vorschläge zu bestimmten Themen zu unterbreiten. 6. Die Mitentscheidung wird deutlich ausgeweitet (wie im Verfassungsentwurf vorgesehen) und erhält den Rang eines ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens. Dadurch wird das Europäische Parlament für 95 % der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zum gleichwertigen Mitgesetzgeber. Durch die Beteiligung des Parlaments wird die demokratische Legitimität der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften gestärkt. 7. Das neue Haushaltsverfahren gewährleistet die uneingeschränkte Gleichberechtigung von Parlament und Rat bei der Billigung des Gesamthaushalts (die Unterscheidung zwischen obligatorischen und nichtobligatorischen Ausgaben wird abgeschafft) und des mehrjährigen Finanzrahmens, der rechtsverbindlich wird. 8. Die qualifizierte Mehrheit wird zur allgemeinen Regel im Rat. Ihre Definition als doppelte Mehrheit von 55 % der Staaten, die 65 % der Bevölkerung repräsentieren, wird aus dem Verfassungsentwurf übernommen (wobei es für eine Sperrminorität der Mindestzahl von vier Mitgliedstaaten bedarf), tritt jedoch nicht vor 2014 in Kraft. Außerdem wird es eine bis 2017 andauernde dreijährige Übergangszeit geben, in der ein Beschluss nach den im Vertrag von Nizza vorgesehenen Abstimmungsregeln blockiert werden kann. Darüber hinaus sorgt ein auf dem Kompromiss von Ioannina beruhender neuer Mechanismus dafür, dass eine Minderheit von Mitgliedstaaten vor der Annahme eines Legislativvorschlags eine erneute Beratung darüber fordern kann. Gemäß Erklärung im Anhang zu dem neuen Vertrag soll diesem Mechanismus durch einen Beschluss des Rates Rechtsverbindlichkeit verliehen werden. Ein in den letzten Stunden der RK ausgehandeltes Protokoll sieht vor, dass der Rat diesen Beschluss nur dann ändern oder aufheben kann, wenn der Europäische Rat zuvor darüber beraten hat und im Konsens zu einer Entscheidung gelangt ist. 9. Darüber hinaus wird es leichter sein als bisher, eine verstärkte Zusammenarbeit zu begründen. Das Parlament muss seine Zustimmung geben. DV\692343DE.doc 2/5

10. Ein neuer (von den Staats- und Regierungschefs für zweieinhalb Jahre gewählter) ständiger Präsident des Europäischen Rates steht dessen Tätigkeit vor und treibt sie voran. Er bzw. sie wird für die Vorbereitung und die Kontinuität der Arbeiten des Europäischen Rates Sorge tragen, darauf hinwirken, dass innerhalb des Europäischen Rates auf Zusammenhalt und Konsens Wert gelegt wird, und dem Europäischen Parlament im Anschluss an jede Ratstagung einen Bericht vorlegen. 11. Die RK einigte sich auf eine neue Zusammensetzung des Parlaments auf der Grundlage des vom Parlament eingebrachten Vorschlags mit einem zusätzlichen Sitz für Italien. Das Parlament wird sich also aus 750 Mitgliedern zuzüglich seines Präsidenten zusammensetzen. 12. Der Präsident der Kommission wird vom Europäischen Parlament mit der Mehrheit seiner Mitglieder gewählt. Der Kandidat wird dem Parlament vom Europäischen Rat nach entsprechenden Konsultationen mit qualifizierter Mehrheit vorgeschlagen; dabei wird das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament berücksichtigt. Das Parlament wird auch über die Einsetzung der gesamten Kommission, einschließlich des Hohen Vertreters für die Außen- und Sicherheitspolitik, der auch einer der Vizepräsidenten der Kommission sein wird, abstimmen. 13. Um die Effizienz der Kommission zu gewährleisten, wird ihre Mitgliederzahl verringert: Ab 2014 wird sie aus einer Anzahl von Mitgliedern bestehen, die zwei Dritteln der Zahl der Mitgliedstaaten entspricht. Um die Gleichberechtigung der Mitgliedstaaten zu sichern, wird ein Rotationssystem eingeführt, in dessen Rahmen die Gesamtzahl der Mandate, die Staatsangehörige zweier Mitgliedstaaten innehaben, niemals um mehr als ein Mandat voneinander abweichen darf. Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des Reformvertrags an bis 2014 wird die Kommission (einschließlich ihres Präsidenten und des Hohen Vertreters) aus je einem Staatsangehörigen jedes Mitgliedstaats bestehen. 14. Die Einsetzung eines Hohen Vertreters für die Außenpolitik mit Doppelfunktion, der im Rat Auswärtige Angelegenheiten den Vorsitz führen und zugleich einer der Vizepräsidenten der Kommission sein wird, soll für Kohärenz des auswärtigen Handelns der Union insgesamt sorgen. Er/Sie wird vom Europäischen Rat mit Zustimmung des Präsidenten der Kommission ernannt. Als einer der Vizepräsidenten der Kommission wird er/sie sich mit den übrigen Mitgliedern der Kommission als Kollegium dem Zustimmungsvotum des Parlaments stellen. Auf Initiative der EP- Vertreter wurde auf der RK in letzter Minute eine Erklärung ausgehandelt, in der dem Parlament ein Mitspracherecht bei der Ernennung des für die Übergangszeit vorgesehenen ersten Hohen Vertreters zugesichert wird. 15. Die auf dem Gebiet der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik erzielten Fortschritte blieben voll erhalten, einschließlich der zaghaften Fortschritte bei der Effizienz der Entscheidungsfindung und der Einrichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes, der den Hohen Vertreter in seinem Bemühen um die Kohärenz des auswärtigen Handelns der Union unterstützen wird. 16. Im Bereich Verteidigung können Mitgliedstaaten, die über die entsprechenden Kapazitäten verfügen und dies wünschen, eine strukturierte Zusammenarbeit entwickeln, die zu einem gemeinsamen Verteidigungssystem führen könnte. Eine DV\692343DE.doc 3/5

Solidaritätsklausel wird eingeführt: Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben die anderen Mitgliedstaaten alle in ihrer Macht stehende Hilfe und Unterstützung zu leisten. 17. Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird vergemeinschaftet; die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit und die Mitentscheidung werden ausgeweitet, obwohl in bestimmten Fällen nach wie vor Initiativen der Mitgliedstaaten möglich sind. Die Vergemeinschaftung wird mit gewissen Notbremsen gekoppelt, die es den Mitgliedstaaten gestatten, mit bestimmten Fragen, bei denen Grundprinzipien ihrer Rechtsordnung auf dem Spiel stehen, den Europäischen Rat zu befassen. In solchen Fällen wird die verstärkte Zusammenarbeit erleichtert. Ausnahmeregelungen für das Vereinigte Königreich und Irland werden in spezifischen Protokollen festgehalten (Opt-in-/Opt-out-Verfahren). 18. Die Zuständigkeit des Gerichtshofs wird auf sämtliche Tätigkeiten der Union ausgeweitet, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ausgenommen (jedoch einschließlich der Überwachung von Maßnahmen, durch die die Rechte des Einzelnen eingeschränkt werden). 19. Die Union besitzt künftig Rechtspersönlichkeit, und die Säulenstruktur verschwindet, sodass die Gemeinschaftspolitiken im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts der Gemeinschaftsmethode zugeordnet werden. Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ist jedoch Gegenstand des EUV (während andere Bereiche des auswärtigen Handelns der EU im AEUV behandelt werden) und unterliegt weiterhin besonderen Beschlussfassungsverfahren. 20. Eine klare und exakte Aufteilung der Zuständigkeiten wird eingeführt, zusammen mit einer Flexibilitätsklausel, die mit der bestehenden vergleichbar ist, sich von ihr jedoch dadurch unterscheidet, dass das Parlament seine Zustimmung erteilen muss. 21. Neben dem so genannten Gelbe-Karte-Verfahren (wenn ein Drittel der nationalen Parlamente einen Legislativvorschlag ablehnt, muss die Kommission diesen erneut prüfen) wird ein neuer Mechanismus eingeführt, der es den nationalen Parlamenten erlaubt, die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips zu überwachen: Wenn die nationalen Parlamente mit einfacher Mehrheit eine Stellungnahme annehmen, wonach ein Legislativvorschlag gegen das Subsidiaritätsprinzip verstößt, und entweder der Rat oder das Parlament diesen nationalen Parlamenten zustimmt, wird der Vorschlag abgelehnt. 22. Neue Rechtsgrundlagen für die Bereiche Energie (gestärkt), Patente, Tourismus, Sport, Raumfahrt und Verwaltungszusammenarbeit werden eingeführt; der Bereich Umweltpolitik wurde durch einen Verweis auf den Klimawandel ergänzt. 23. Eine neue horizontale Sozialklausel garantiert, dass die Union bei der Konzipierung und Umsetzung ihrer Politik Notwendigkeiten wie der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, der Gewährleistung eines angemessenen Sozialschutzes, der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung trägt. DV\692343DE.doc 4/5

24. Eine spezifische Rechtsgrundlage erkennt die besonderen Merkmale der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse an. Ein Protokoll enthält zusätzliche Ergänzungen der Anliegen der Union in diesem Bereich. 25. Die Normenhierarchie wird durch die gebotene Unterscheidung zwischen Gesetzgebungsakten, delegierten Rechtsakten and Durchführungsrechtsakten beibehalten, wobei die Begriffe Gesetz und Rahmengesetz zugunsten der aktuellen Terminologie (Richtlinien, Verordnungen, Entscheidungen/Beschlüsse) aufgegeben wurden. Parlament und Rat werden gleichermaßen befugt sein, die Modalitäten für die Überwachung von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten festzulegen (Komitologie). 26. Das Europäische Parlament nimmt im Verfahren zur Änderung des Vertrags einen bedeutenderen Platz ein: Es kann Entwürfe zur Änderung vorlegen, ist im Konvent vertreten, dem im neuen ordentlichen Änderungsverfahren eine zentrale Rolle zukommt, und seine Zustimmung ist erforderlich, wenn der Rat im Falle geringfügiger Änderungen keinen Konvent einberufen möchte. 27. Die vereinfachten Verfahren zur Änderung der Verträge, die durch den Verfassungsentwurf für Politiken und Verfahren eingeführt wurden, bleiben erhalten: o o Der Teil des AEUV zu den internen Politikbereichen und Maßnahmen kann vom Europäischen Rat auf einstimmigen Beschluss und mit Zustimmung der Mitgliedstaaten (nach Anhörung des EP) geändert werden. Ein weiteres vereinfachtes Verfahren ermöglicht es, im Rat anstelle eines einstimmigen Beschlusses mit qualifizierter Mehrheit zu beschließen bzw. anstelle des besonderen Gesetzgebungsverfahrens das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (Mitentscheidung) anzuwenden, sofern hierzu ein einstimmiger Beschluss des Rates und eine entsprechende Zustimmung des EP vorliegen. Wird dies von einem nationalen Parlament abgelehnt, kann der Beschluss nicht verabschiedet werden. In einem solchen Fall kann nur das ordentliche Verfahren zur Änderung des Vertrags Anwendung finden. Schließlich wird der EUV eine Austrittsklausel enthalten, in der die Modalitäten und das Verfahren festgelegt werden, nach denen ein Mitgliedstaat aus der Union austreten kann. Die Zustimmung des Europäischen Parlaments ist erforderlich. DV\692343DE.doc 5/5