Newsletter Arbeitsrecht 2. Ausgabe 2013



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Transkript:

Newsletter Arbeitsrecht 2. Ausgabe 2013 THEMEN: Editorial 1 Keine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer auf Wartefrist des KSchG 2 Betriebsratswahlen: Leiharbeitnehmer zählen doch mit... 3 Krank mit Ansagen Kündigungsgrund?! 4 Auskunftsanspruch einer abgelehnten Stellenbewerberin... 5 Rechtsprechungsübersicht 6 Bildquelle: aboutpixel.de / SchmidtKöln Redaktion: Rechtsanwalt & Fachanwalt Peter Sausen Rechtsanwältin & Fachanwältin Dr. Gabriele Reinhardt Von den unabhängigen juristischen Branchenbüchern LEGAL500 Deutschland 2008/2009/2010 und The LEGAL500 Europe 2008/2009/2010 empfohlene Kanzlei für ARBEITSRECHT STEINRÜCKE. SAUSEN - Büro Köln T.: 0221-340926-0 / F.: 0221-340926-99 Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln Koeln@Steinruecke-Sausen.de WWW.STEINRUECKE-SAUSEN.DE KÖLN - BERLIN

Editorial Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Sausen, STEINRÜCKE. SAUSEN Köln Liebe Leserinnen, liebe Leser, mit dem vorliegenden Newsletter informieren wir Sie wieder in gewohnter Praxisnähe über aktuelle Entwicklungen im Arbeits- und Betriebsverfassungsrecht. So finden Sie Erläuterungen zu zentralen Entscheidungen der Arbeitsgerichte zum Thema Leiharbeit, zur Ankündigung einer Erkrankung durch den Arbeitnehmer sowie zum Auskunftsanspruch einer abgelehnten Bewerberin. Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre und einen schönen Sommer. Mit freundlichen Grüßen aus Köln Peter Sausen Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht PSausen@Steinruecke-Sausen.de KÖLN - BERLIN 1

Keine Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten als Leiharbeitnehmer auf Wartefrist des KSchG LAG Niedersachsen 5.4.2013, 12 Sa 50/13 Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Sausen, STEINRÜCKE. SAUSEN Köln Wird ein Leiharbeitnehmer vom Entleiher in ein Arbeitsverhältnis übernommen, so wird die Zeit der Beschäftigung als Leiharbeitnehmer im Entleiherbetrieb nicht auf die Wartefrist gem. 1 Abs. 1 KSchG angerechnet. Das gilt selbst dann, wenn der (Leih-) Arbeitnehmer ununterbrochen auf demselben Arbeitsplatz eingesetzt war. Eine Zusammenrechnung von mehreren Arbeitsverhältnissen kommt nur in Betracht, wenn mehrere Arbeitsverhältnisse mit demselben Vertragsarbeitgeber bestanden haben. Der Sachverhalt: Ein Arbeitnehmer war zunächst seit Mai 2011 bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Er wurde zunächst als Zeitarbeitskraft in der Fertigungsplanung eines Betriebes eingesetzt, durch den er um 1.12.2012 fest eingestellt wurde. Er blieb dabei auf demselben Arbeitsplatz wie zuvor als Leiharbeitnehmer. Der Arbeitsvertrag sah eine sechsmonatige Probezeit mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende vor. Am 29.5.2012 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 30.6.2012. Der Arbeitnehmer erhob Klage und machte dabei die fehlende soziale Rechtsfertigung der Kündigung geltend. Auf sein Arbeitsverhältnis sei das Kündigungsschutzgesetz anwendbar, da er tatsächlich schon seit Mai 2011 bei dem Arbeitgeber gearbeitet habe. Die Beschäftigung im Rahmen des Leiharbeitsverhältnisses sei nichts anderes als die Probezeit gewesen. Der Arbeitnehmer hatte in zwei Instanzen mit seiner Klage keinen Erfolg. Die Entscheidung Das LAG Niedersachsen ist zu der Auffassung gelangt, dass das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt worden ist. Das Kündigungsschutzgesetz war noch nicht anwendbar, weil die sechsmonatige Wartefrist gem. 1 Abs. 1 KSchG noch nicht erfüllt war die Kündigung daher auch nicht sozial gerechtfertigt sein musste. Das hat das Gericht unmittelbar aus dem Wortlaut des 1 Abs.1 Satz 1 KSchG abgeleitet, der daran anknüpft, dass eine Kündigung gegenüber einem Arbeitnehmer erfolgt, "dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb (...) länger als sechs Monate bestanden hat". Es kommt also auf die Dauer der Bindung mit dem jeweiligen Vertragsarbeitgeber an. Eine Zusammenrechnung mehrerer Arbeitsverhältnisse kommt danach nur in Frage, wenn diese Arbeitsverhältnisse - vorausgesetzt, es besteht ein enger sachlicher Zusammenhang - mit demselben Vertragsarbeitgeber bestanden haben. Fazit Das Thema Zeitarbeit beschäftigt die Rechtsprechung derzeit stark. Bisweilen haben sich daraus man führe sich die höchstrichterliche Aufgabe des Grundsatzes Wählen aber nicht zählen (lesen Sie hierzu den Artikel von Frau Dr. Gabriele Reinhardt in dieser Ausgabe) sowie die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur Einbeziehung von Leiharbeitnehmern in die Frage Kleinbetrieb oder nicht? vor Augen schon ganz erhebliche Auswirkungen auf die Praxis ergeben. Das LAG Niedersachsen hat sich dem allgemeinen Trend mit der hier besprochenen Entscheidung widersetzt. Die Entscheidung berücksichtigt die wechselseitigen Interessen allerdings sachgerecht. Tatsächlich wird doch ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer, den ein Arbeitgeber während eines Einsatzes als Zeitarbeitskraft nur aus der "Kundenperspektive" kennenlernt hat, auf eine vollkommen neue Grundlage gestellt. Vor diesem Hintergrund besteht durchaus Anlass für eine erneute sechsmonatige Wartezeit zur gegenseitigen Erprobung. PSausen@Steinruecke-Sausen.de 2

Betriebsratswahlen: Leiharbeitnehmer zählen doch mit Urteil des BAG vom 13.03.2013 7 ABR 69/11 Von Rechtsanwältin & Fachanwältin für Arbeitsrecht Dr. Gabriele Reinhardt, STEINRÜCKE. SAUSEN Köln Gemäß 9 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) bestimmt sich die Größe des Betriebsrates nach der Anzahl der (wahlberechtigten) Arbeitnehmer des jeweiligen Betriebes. Das Bundesarbeitsgericht vertrat in bisher ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Leiharbeitnehmer keine Arbeitnehmer des Entleiherbetriebs i.s.v. 9 BetrVG darstellen und somit bei der für die Anzahl der Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Belegschaftsstärke nicht zu berücksichtigen seien (vgl. BAG v. 16.04.2003, - 7 ABR 53/02). Mit Urteil vom 13.03.2013 7 AZR 69/11 hat das BAG diese Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl nach 9 BetrVG auch Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen sind, sofern sie regelmäßig im Betrieb beschäftigt sind. Der Sachverhalt In einem Betrieb fand eine Betriebsratswahl statt. Zum Zeitpunkt des Wahlausschreibens waren in dem Betrieb insgesamt 879 Stammarbeitnehmer und 292 Leiharbeitnehmer beschäftigt. Der Wahlvorstand hatte die Leiharbeitnehmer bei der Wahl nicht berücksichtigt und einen 13-köpfigen Betriebsrat wählen lassen. Unter Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer aber hätte ein 15-köpfiger Betriebsrat gewählt werden müssen. Daraufhin fochten 14 Arbeitnehmer die Betriebsratswahl mit der Begründung an, die Ermittlung der Betriebsgröße ( 9 BetrVG) sei ohne Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer erfolgt und deshalb unwirksam. Einige der Leiharbeitnehmer seien bereits mehr als zwei Jahren im Betrieb eingesetzt. Zudem würden Leiharbeitnehmer immer häufiger statt regulärer Beschäftigter eingesetzt. Sowohl in erster als auch in zweiter Instanz scheiterten die Arbeitnehmer mit ihrer Anfechtung. Das Urteil des BAG In der dritten Instanz hatten die Arbeitnehmer jedoch Erfolg. Das BAG hielt die Anfechtung der Betriebratswahl für begründet. Entgegen seiner früheren Rechtsprechung entschied das BAG, dass Leiharbeitnehmer bei der für die Größe des Betriebsrats maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb (Schwellenwerte des 9 BetrVG) grundsätzlich zu berücksichtigen sind, sofern sie regelmäßig im Betrieb beschäftigt sind. Dies ergebe sich insbesondere aus einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung des Gesetzes. Gemäß 9 Satz 1 BetrVG richte sich die Zahl der Mitglieder des Betriebsrats nach der Anzahl der im Betrieb in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer. Fazit: Angesichts der Entscheidung des BAG vom 24.01.2013 2 AZR 140/12, über die wir in unserer ersten Ausgabe 2013 berichteten, ist das Urteil vom 13.03.2013 keine Überraschung. In dem Urteil vom 24.01.2013 hatte das BAG im Hinblick auf die Berechnung der Betriebsgröße nach 23 Abs. 1 S. 3 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) entschieden, dass regelmäßig im Betrieb beschäftigte Leiharbeitnehmer trotz fehlender Arbeitnehmerstellung zu berücksichtigen seien. Für die Ermittlung des Schwellenwertes nach 111 BetrVG hatte das BAG seine frühere Rechtsprechung bereits mit Urteil vom 18.10.2011 1 AZR 335/10 aufgegeben. Auch bei der Ermittlung der Arbeitnehmeranzahl nach 9 BetrVG sind künftig regelmäßig beschäftigte Leiharbeitnehmer zu berücksichtigen. Der Grundsatz Leiharbeitnehmer wählen, zählen aber nicht, gilt nach der neuen Rechtsprechung des BAG - jedenfalls für die Schwellenwerte des 23 Abs.1 S. 3 KSchG und der 9 und 111 BetrVG also nicht mehr. GReinhardt@Steinruecke-Sausen.de 3

Krank mit Ansagen Kündigungsgrund?! LAG Berlin-Brandenburg, 15.03.2013, 10 Sa 2427/12 Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Bernd Wonschik, STEINRÜCKE. SAUSEN Köln dann bin ich eben morgen krank! mit diesem Satz enden bisweilen Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Meldet sich der Arbeitnehmer am nächsten Tag dann tatsächlich krank, reagiert mancher Arbeitgeber darauf mit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Das LAG Berlin-Brandenburg hatte sich aktuell mit einer aus Anlass einer angekündigten Arbeitsunfähigkeit ausgesprochenen Kündigung zu befassen. Die Besonderheit der Fallkonstellation war, dass zum Zeitpunkt der Ankündigung objektiv eine Erkrankung vorlag. Ohne vorherige Abmahnung stellt eine angekündigte Erkrankung in einer solchen Situation keinen Kündigungsgrund dar so das LAG Berlin-Brandenburg. Der Sachverhalt: Eines Freitags im Sommer 2012 gab es im Betrieb der Arbeitgeberin besonders viel zu tun. Gegen Mittag erklärte der Arbeitnehmer, er müsse jetzt mindestens eine Woche frei haben. Er sei kaputt, er wolle ja auch nicht zum Arzt gehen. Danach setzte er bis zum Feierabend seine Tätigkeit fort. Nachdem er dann am folgenden Montag zunächst unentschuldigt gefehlt hatte, kündigte der Arbeitgeber noch am gleichen Tag fristlos. Am Folgetag wurde die Kündigung zugestellt, der Arbeitnehmer suchte am selben Tag einen Arzt auf, der ihn für die Zeit ab Montag krankschrieb. Mit seiner Klage wandte sich der Arbeitnehmer gegen die fristlose Kündigung, indem er geltend machte, doch jedenfalls arbeitsunfähig krank gewesen zu sein. Er habe dem Druck nicht mehr standhalten können. Einen konkreten Urlaubsantrag habe er nicht gestellt. Der Arbeitgeber trug vor, dass die Krankschreibung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Ablehnung eines Urlaubsantrags erfolgt sei. Da der Arbeitnehmer am Freitag noch bis zum Feierabend weitergearbeitet habe, sei auch klar, dass er nicht arbeitsunfähig krank gewesen sei. Die Klage hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem LAG Erfolg. Die Entscheidung: Beide Instanzen haben die außerordentliche fristlose Kündigung für unwirksam gehalten. Dabei war die Frage maßgeblich, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung der Erkrankung objektiv erkrankt war oder nicht. Das Gericht geht davon aus, dass durchaus in beiden Fällen eine Pflichtwidrigkeit vorliegen kann. Ohne Abmahnung könne der Arbeitgeber aber nur dann wirksam kündigen, wenn zum Zeitpunkt der Ankündigung einer Arbeitsunfähigkeit objektiv gar keine Krankheit besteht. Im Streitfall habe der Arbeitnehmer eine Erkrankung jedenfalls behauptet. Diese Behauptung sei vom Arbeitgeber nicht schon dadurch widerlegt werden, dass der Arbeitnehmer noch bis Feierabend weitergearbeitet hatte. Im Ergebnis treffe den Arbeitgeber aber die Darlegungs- und Beweislast, dass die Behauptung einer Erkrankung falsch sei. Fazit: Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 2009. Eine klare Linie ist insgesamt vor allem vor dem Hintergrund der Darlegungs- und Beweislastverteilung gleichwohl nicht erkennbar; Arbeitgeber sind deshalb gut beraten, den Ausspruch einer fristlosen Kündigung besonders sorgfältig zu prüfen. Dabei kommt erschwerend hinzu: Nicht jeder Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung erbringt, ist auch arbeitsfähig; umgekehrt kann eine Arbeitsunfähigkeit gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer zwar noch arbeitsfähig ist, aufgrund einer bestehenden Krankheit aber absehbar ist, dass die weitere Ausübung der Tätigkeit unmittelbar zu einer Arbeitsunfähigkeit führen wird. BWonschik@Steinruecke-Sausen.de 4

Auskunftsanspruch einer abgelehnten Stellenbewerberin Urteil des BAG vom 25.04.2013-8 AZR 287/ 08 Von Rechtsanwältin & Fachanwältin für Arbeitsrecht Stephanie Buscher, STEINRÜCKE. SAUSEN Köln Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) darf im Arbeitsleben niemand wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt werden. Dieses Benachteiligungsverbot gilt auch für Stellenausschreibungen und das sich daran anschließende Auswahlverfahren. Bewerber, die wegen einer der genannten Merkmale bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt werden, können Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche nach dem AGG gegenüber dem potenziellen Arbeitgeber geltend machen. Dabei muss der Bewerber lediglich Indizien vortragen, die eine Benachteiligung bei der Stellenauswahl vermuten lassen. Für einen Bewerber ist aber die Darlegung solcher Indizien äußerst schwierig, weil er keinen Einblick in die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers hat. Ob dem abgelehnten Bewerber ein Auskunftsanspruch gegenüber dem potentiellen Arbeitgeber auf Darlegung der Auswahlentscheidung zusteht, war bisher nicht höchstrichterlich entschieden worden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in seinem Urteil vom 25.04.2013-8 AZR 287/08 mit dieser Frage auseinandergesetzt. Der Sachverhalt Eine 1961 geborene Russin hatte sich bei einem Unternehmen auf die ausgeschriebene Stelle einer Softwareentwicklerin beworben. Ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein, erhielt sie von dem Unternehmen eine Absage. Auf entsprechende Nachfrage teilte das Unternehmen der Bewerberin auch nicht mit, ob sie einen anderen Bewerber eingestellt hatte und gegebenenfalls, welche Kriterien für diese Entscheidung maßgeblich gewesen waren. Da die Bewerberin die Stellenvoraussetzungen erfüllt hatte, vermutete die Bewerberin aufgrund der Auskunftsverweigerung des Unternehmens eine Diskriminierung wegen ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft. Die Bewerberin verklagte darauf hin das Unternehmen auf Zahlung einer Entschädigung nach dem AGG. Die Vorinstanzen haben die Klage der Bewerberin abgewiesen. Die Entscheidung Auch das BAG hat die Klage abgewiesen. Das BAG entschied unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, dass die abgelehnte Bewerberin keine Entschädigung wegen Diskriminierung verlangen kann. Die Klägerin habe zwar auf ihr Geschlecht, ihr Alter und ihre Herkunft hingewiesen, jedoch keine ausreichenden Indizien dargelegt, welche eine Benachteiligung wegen einer dieser Merkmale vermuten lassen würden. Auch die Verweigerung jeglicher Auskunft durch das beklagte Unternehmen begründe nach Auffassung des BAG im Streitfalle nicht die Vermutung einer unzulässigen Benachteiligung der Klägerin. Die Bewerberin hat keinen Anspruch auf Auskunft gegen den potenziellen Arbeitgeber, ob und gegebenenfalls aufgrund welcher Kriterien dieser einen anderen Bewerber eingestellt hat. Ein solcher Auskunftsanspruch ergibt sich weder aus nationalem noch aus europäischem Recht. Fazit Das BAG stellt mit dieser Entscheidung klar, dass weder die alleinige Erfüllung der Stellenanforderungen noch eine Auskunftsverweigerung des Unternehmens über die Auswahlentscheidung grundsätzlich eine Diskriminierung nach dem AGG vermuten lassen. Vielmehr müssen weitere Indizien hinzutreten. Für die Praxis bedeutet dies, dass Stellenabsagen weiterhin ohne nähere Begründung erfolgen können. SBuscher@Steinruecke-Sausen.de 5

Rechtsprechungsübersicht Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Sausen, STEINRÜCKE. SAUSEN Köln Aktuelle Entscheidungen der Arbeits- und Sozialgerichte im Überblick Kirchenaustritt als Kündigungsgrund BAG - Urteil vom 25.04.2013 (2 AZR 579/12) Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass der Austritt eines Mitarbeiters einer von einem katholischen Caritasverband getragenen Kinderbetreuungsstätte aus der katholischen Kirche die Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könne. Der Mitarbeiter, der als Sozialpädagoge tätig war, habe durch seinen Austritt gegen seine arbeitsvertraglichen Loyalitätsobliegenheiten verstoßen. Nach dem kirchlichen Selbstverständnis leiste ein Sozialpädagoge unmittelbar Dienst am Menschen und nehme damit am Sendungsauftrag der katholischen Kirche teil. Ihm fehle infolge seines Kirchenaustritts nach dem Glaubensverständnis der katholischen Kirche die Eignung für eine Weiterbeschäftigung im Rahmen der Dienstgemeinschaft. Zwar habe auch die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Mitarbeiters ein hohes Gewicht. Sie müsse aber in dem zugrundeliegenden Fall hinter das Selbstbestimmungsrecht der kirchlich getragenen Kinderbetreuungsstätte zurücktreten. Diese könne im vorliegenden Fall von den staatlichen Gerichten nicht gezwungen werden, im verkündigungsnahen Bereich einen Mitarbeiter weiterzubeschäftigen, der nicht nur in einem einzelnen Punkt den kirchlichen Loyalitätsanforderungen nicht gerecht geworden ist, sondern sich insgesamt von der katholischen Glaubensgemeinschaft losgesagt hat. Die Beschäftigungsdauer und das Lebensalter des Mitarbeiters fielen demgegenüber im Ergebnis nicht ins Gewicht. Kündbarkeit eines Profifußballtrainers ArbG Aachen - Urteil vom 22.02.2013 (6 Ca 3662/12) Das Arbeitsgericht Aachen entschied, dass die Klausel in einem Arbeitsvertrag mit einem Profifußballtrainer unwirksam sei, wonach dieser im Falle der Kündigung eine Abfindung unter gleichzeitigem Verzicht auf Erhebung der Kündigungsschutzklage erhalte. Nach Ansicht des Gerichts gelten im Profisport keine besonderen arbeitsrechtlichen Spielregeln. Der Verzicht auf Erhebung der Kündigungsschutzklage sei unwirksam, weil er dem Arbeitnehmer in unzulässiger Weise das gesetzlich verbriefte Recht entziehe, sich gegen unberechtigte Kündigungen zur Wehr zu setzen. Dieses Recht könne nicht einseitig zugunsten des Arbeitgebers verkürzt werden, auch wenn ihm für den Fall der Kündigung eine Abfindung zugesagt war. Darüber hinaus erklärte das Arbeitsgericht Aachen eine weitere im Profisport nicht unübliche Klausel in Arbeitsverträgen für unwirksam. Eine Klausel, die dem Fußballverein ein Sonderkündigungsrecht einräumt, wenn der Verein den Aufstieg in die 2. Bundesliga verpasst, verstoße gegen die zwingenden Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes. 6

Rechtsprechungsübersicht Von Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Peter Sausen, STEINRÜCKE. SAUSEN Köln Aktuelle Entscheidungen der Arbeits- und Sozialgerichte im Überblick Unklarer Freiwilligkeitsvorbehalt geht zu Lasten des Arbeitgebers BAG - Urteil vom 17.04.2013 (10 AZR 281/12) Das Bundesarbeitsgericht entschied, dass die Bezeichnung der Zahlung eines 13. Monatsgehalts als freiwillige Leistung in einem Arbeitsvertrag für sich genommen nicht genüge, um einen Anspruch des Arbeitnehmers auf die Leistung auszuschließen. Jedenfalls lasse eine Regelung mit dem Wortlaut Die Zahlung eines 13. Gehalts ist eine freiwillige Leistung der Firma, die anteilig als Urlaubs- und Weihnachtsgeld gewährt werden kann als eine allgemeine Geschäftsbedingung im Arbeitsvertrag des Arbeitgebers verschiedene Auslegungen zu. Da nach 305c Abs. 2 BGB Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders gehen, ist nach Auffassung des BAG die Regelung so zu verstehen, dass ein vertraglicher Anspruch auf ein 13. Gehalt begründet werden soll. Dem Arbeitnehmer stehe damit ein vertraglicher Anspruch auf die Zahlung des 13. Monatsgehalts zu. Dauer der Arbeitszeit bei fehlender ausdrücklicher Vereinbarung BAG Urteil vom 15.05.2013 (10 AZR 325/12) Das BAG entschied, dass in einem Arbeitsvertrag, in welchem die Dauer der Arbeitszeit nicht ausdrücklich geregelt sei, die betriebsübliche Arbeitszeit als vereinbart gelte. Nach dieser würden sich die Pflichten des Arbeitnehmers zur Anwesenheit und zur Arbeitsleistung, und die Pflichten des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung bemessen. Diese Grundsätze gelten auch für außertariflich Angestellte. Keine Sippenhaft im Arbeitsrecht LAG Berlin-Brandenburg Urteil vom 05.04.2013 (10 Sa 2339/12) Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied, dass eine einmalige Beleidigung oder Bedrohung des Arbeitgebers durch den Ehegatten eines Arbeitnehmers ohne vorherige Abmahnung in der Regel keine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertige. Dies gelte insbesondere dann nicht, wenn keine Steuerung oder Kontrolle der Äußerungen durch den Arbeitnehmer erfolge oder erfolgen könne. 7

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