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Transkript:

StatistischesBundesamt(Hrsg.) InZusammenarbeitmitdem WissenschaftszentrumBerlin fürsozialforschung (WZB) unddem ZentrumfürUmfragen, Methoden und Analysen, Mannheim(ZUMA) Datenreport 1999 ZahlenundFakten überdie BundesrepublikDeutschland AuszugausTeilII Bundeszentrale fürpolitischebildung

5 Lebensstandard Eine der Grundideen der sozialen Marktwirtschaft ist, die breite Bevölkerung am materiellen Wohlstand teilhaben zu lassen. Die kontinuierliche Steigerung des Lebensstandards in den alten Bundesländern seit den 50er Jahren hat die Akzeptanz von Demokratie und Marktwirtschaft maßgeblich gefördert. In der DDR fiel die Steigerung geringer aus, und viele Güter, die im Westen Standard waren, waren nicht oder nicht für alle verfügbar. Nach der Wiedervereinigung haben sich die Lebensbedingungen der ostdeutschen Bevölkerung deutlich verbessert, ohne allerdings schon in allen Bereichen das hohe westdeutsche Niveau zu erreichen. Im Folgenden werden objektive und subjektive Aspekte des Lebensstandards präsentiert. Zunächst geht es um die Verbreitung verschiedener Konsumgüter und Aktivitäten sowie um die Vorstellungen der Bürger, was man sich in Deutschland normalerweise leisten können sollte. Anschließend wird untersucht, welche Gruppen nur unzureichend am materiellen Wohlstand teilhaben. Subjektive Bewertungen und die Einschätzung des Lebensstandards zukünftiger Generationen runden das Bild ab. 5.1 Der realisierte Lebensstandard Der Lebensstandard einer Person umfasst alle Güter und Dienstleistungen, die sie erwerben oder nutzen kann. Abhängig ist der Lebensstandard nicht nur von den individuellen Ressourcen, sondern auch vom Haushaltskontext und von sozialen Netzwerken. Üblicherweise wird der Lebensstandard über das Einkommen gemessen. Man erhält so aber nur einen groben Eindruck davon, was sich eine Person oder ein Haushalt theoretisch leisten könnte. Mit dem Wohlfahrtssurvey 1998 haben wir einen anderen Weg verfolgt. Exemplarisch wurde der Lebensstandard an der Haushaltsausstattung und der Realisierung von Aktivitäten und Maßnahmen der finanziellen Vorsorge gemessen also daran, was die Leute tatsächlich haben bzw. sich leisten können. Anhand einer Liste von 22 Indikatoren, vom Fernseher über die Urlaubsreise bis zur privaten Altersvorsorge (vgl. Tab. 1), lassen sich so die Lebensverhältnisse alltagsnah abbilden. Die Frage lautete: Was von dieser Liste haben bzw. tun Sie? Was davon haben oder tun Sie nicht, weil Sie es sich nicht leisten können? Und was davon haben oder tun Sie aus anderen Gründen nicht? In einer weiteren Frage wurde anhand der gleichen Liste untersucht, was nach Meinung der Deutschen einen angemessenen Lebensstandard ausmacht: Was meinen Sie, was auf der folgenden Liste sollte sich jeder Haushalt in Deutschland leisten können? Was ist verzichtbar, was ist wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig, und was ist unbedingt notwendig? Auf diesem Wege 453

lassen sich Diskrepanzen zwischen normativen Ansprüchen und tatsächlichem Lebensstandard aufdecken. Betrachten wir zunächst, was die Leute haben. Für West- und Ostdeutschland zeigt sich das Bild einer Gesellschaft mit hohem Lebensstandard für breite Schichten (vgl. Tab. 1). Einige Dinge wie Innenbad, Fernseher, Telefon und Waschmaschine sind bei nahezu allen Befragten vorhanden (Vollversorgung). Eine Reihe von weiteren Annehmlichkeiten wie Auto oder Urlaub können sich immerhin mehr als zwei Drittel leisten. Nur bei wenigen Ausstattungsmerkmalen sinkt der Anteil derer, die dies haben oder tun, unter die 50 %-Marke. Dazu zählt der monatliche Tab. 1: Was sich die Deutschen leisten können und was nicht Angaben in Prozent Item West Ost Habe Kann ich ich/ mir nicht tue ich leisten Habe ich nicht aus anderen Gründen Habe Kann ich ich/ mir nicht tue ich leisten Habe ich nicht aus anderen Gründen WC oder Bad in der Wohnung 99 1 1 97 1 2 Fernseher 99 0 1 98 0 1 Telefon 98 2 1 95 2 3 Waschmaschine 96 1 3 95 1 4 Eine warme Mahlzeit am Tag 96 1 3 95 1 4 Eigenes Zimmer für jedes HH-Mitglied 89 7 5 85 6 8 Garten, Balkon oder Terrasse 87 4 10 76 5 19 Stereoanlage 80 6 14 71 7 23 Auto 79 8 12 75 11 14 Videorekorder 73 6 21 69 7 25 Mind. 100 DM/Monat sparen können 71 19 10 62 30 8 Zeitungsabonnement 68 7 25 68 8 24 Einwöchige Urlaubsreise im Jahr 68 16 17 60 21 20 Regelm. neue Kleidung kaufen können 64 15 20 54 23 23 Geschirrspülmaschine 60 10 30 33 18 49 Zahnbehandlung jederzeit möglich 61 21 17 62 23 15 Freunde zum Essen einladen 55 11 35 41 16 42 Abgenutzte Möbel durch neue ersetzen 51 18 30 41 29 30 Restaurantbesuch einmal im Monat 48 17 35 33 23 44 Private Altersvorsorge 44 25 31 29 35 36 Computer (PC) 43 10 46 35 14 51 Zusätzl. private Krankenversicherung 29 26 44 15 37 49 Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1998. 454

Restaurantbesuch, die private Altersvorsorge, der Computer und mit deutlichem Abstand die zusätzliche private Krankenversicherung. Im Osten sind es zusätzlich der Geschirrspüler, Freunde zum Essen einladen und abgenutzte Möbel durch neue ersetzen. Warum manche Dinge nicht vorhanden sind, kann verschiedene Ursachen haben: Manche wollen beispielsweise kein Auto haben, andere können sich keines leisten. Uns interessiert besonders dieser erzwungene Verzicht auf Grund fehlender Ressourcen. Im Osten geben nahezu durchgängig mehr Personen als im Westen an, sich manches nicht leisten zu können (vgl. Tab. 1). Dies betrifft vor allem Aktivitäten, die einen permanenten Einkommensüberschuss erfordern mindestens 100 Mark im Monat sparen, private Altersvorsorge, zusätzliche private Krankenversicherung sowie das Ersetzen abgenutzter Möbel durch neue. In Ostdeutschland ist der Anteil derer größer, die für solche aufwendigen und zum Teil kontinuierlichen Ausgaben keine Mittel übrig haben (maximal 37 %, im Westen maximal 26 %). Dennoch sind überwiegend andere Gründe als fehlendes Geld ausschlaggebend, warum bestimmte Dinge nicht vorhanden sind seien es Gründe der Lebensführung, des Lebensstils oder einfach, weil kein Bedarf gesehen wird. Beim innerdeutschen Vergleich erkennt man sowohl den Aufholprozess der neuen Bundesländer als auch den verbleibenden Abstand: Bei den grundlegenden Haushaltsausstattungen sind kaum mehr Unterschiede zwischen Ost und West auszumachen, nachdem 1990 noch große Diskrepanzen bestanden hatten. Ein kleiner Rückstand der Ostdeutschen besteht nach wie vor bei den Dingen, die über grundlegende Ausstattungen und Konsumgüter hinausgehen, insbesondere bei den Vorsorgeaktivitäten. Alles in allem können sich die Westdeutschen nach wie vor etwas mehr leisten. Weitere Informationen zum Thema Lebensstandard siehe Teil I, Kap. 4.5, 4.6, 5.3 und 6.3. 5.2 Definition eines angemessenen Lebensstandards Welche Vorstellungen haben die Deutschen von einem angemessenen Lebensstandard? Was sich jeder Haushalt leisten können sollte, wird in beiden Landesteilen annähernd gleich gesehen (vgl. Tab. 2). Zumeist deutlich mehr als drei Viertel der Bevölkerung sind der Meinung, dass ein Bad in der Wohnung, eine Waschmaschine, eine warme Mahlzeit pro Tag und ein Telefon unbedingt Standard sein sollten; für verzichtbar hält sie fast niemand. Dies sind auch genau die Ausstattungen, über die nahezu alle Bürger verfügen. Dagegen zählen ein Computer, ein Videorekorder oder eine zusätzliche private Krankenversicherung zu den Dingen, die nur wenige für unbedingt notwendig halten. Hier überwiegt die Ansicht, sie seien wünschenswert. Als mehrheitlich verzichtbar wird nur der Computer genannt die Ansprüche der Deutschen sind also generell hoch. 455

Tab. 2: Die Einschätzung der Notwendigkeiten für einen angemessenen Lebensstandard Angaben in Prozent Item West Ost Unbedingt notwendig Wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig Verzichtbar Unbedingt notwendig Wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig Verzichtbar WC oder Bad in der Wohnung 92 7 1 93 5 2 Waschmaschine 88 11 2 92 7 1 Eine warme Mahlzeit am Tag 87 11 2 91 9 1 Telefon 74 21 5 76 19 6 Fernseher 59 33 8 72 22 6 Zahnbehandlung jederzeit möglich 53 43 5 66 31 3 Eigenes Zimmer für jedes HH-Mitglied 48 48 4 55 39 6 Auto 46 36 18 61 25 14 Mind. 100 DM/Monat sparen können 38 55 6 43 51 6 Private Altersvorsorge 36 52 12 27 52 21 Einwöchige Urlaubsreise im Jahr 29 54 16 27 52 21 Zeitungsabonnement 27 39 35 34 33 34 Regelm. neue Kleidung kaufen können 24 64 13 26 61 13 Stereoanlage 22 48 31 22 47 32 Garten, Balkon oder Terrasse 20 68 12 19 62 19 Geschirrspülmaschine 20 46 34 12 42 46 Freunde zum Essen einladen 18 58 24 17 56 27 Abgenutzte Möbel durch neue ersetzen 15 70 15 19 66 15 Computer (PC) 14 32 54 13 36 51 Zusätzl. private Krankenversicherung 14 58 28 13 50 37 Videorekorder 12 41 47 15 44 41 Restaurantbesuch einmal im Monat 12 54 34 12 54 34 Die Frage lautete: Es gibt verschiedene Meinungen darüber, was man in Deutschland zum Leben braucht. Was meinen Sie, was auf der folgenden Liste sollte sich jeder Haushalt in Deutschland leisten können? Was ist verzichtbar, was ist wünschenswert, aber nicht unbedingt notwendig, und was ist unbedingt notwendig? Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1998. Erhebliche Ost-West-Unterschiede zeigen sich beim Fernseher und Auto, die in Ostdeutschland als wichtiger eingeschätzt werden. Zu DDR-Zeiten gab es bei Pkw und Farbfernsehern einen deutlichen Ausstattungsrückstand. Insbesondere bei Autos überstieg die Nachfrage das Angebot bei weitem, und die DDR-Bürger mussten oft über zehn Jahre auf einen Neuwagen warten. Bei der Einstufung der 456

problemlos finanzierbaren Zahnbehandlung und der Möglichkeit der privaten Altersvorsorge spiegeln sich Unsicherheiten in der sozialen Versorgungslage der Ostdeutschen und damit einhergehende höhere Ansprüche an soziale Sicherheit wider. Alles in allem gibt es aber hinsichtlich der Vorstellungen von einem angemessenen Lebensstandard weitgehend Konsens zwischen Ost und West wie auch zwischen verschiedenen sozialen Gruppen. Die größten Unterschiede sind altersund damit lebensphasenbedingt. So zählen die Jüngeren einen Computer häufiger zu den Notwendigkeiten, was auf generationsspezifische Anforderungen und Gewohnheiten in der Arbeits- und Freizeitgestaltung verweist. 5.3 Problemgruppen mit niedrigem Lebensstandard Das allgemein hohe Wohlstandsniveau in Deutschland bedeutet nicht, dass alle ausreichend an ihm teilhaben. In der öffentlichen Diskussion hört man oft das Schlagwort der Zweidrittelgesellschaft: Nach dieser Vorstellung leben zwei Drittel der Bevölkerung gesichert und in Wohlstand, ein Drittel dagegen in Armut oder von Armut bedroht. Nimmt man die Lebensstandard-Liste zum Maßstab, so kann sich rund die Hälfte der Deutschen prinzipiell alle Dinge leisten, in Westdeutschland (49 %) etwas mehr als in Ostdeutschland (40 %). Ein weiterer großer Teil der Bevölkerung muss nur auf wenige Konsumgüter aus finanziellen Gründen verzichten. Von Unterversorgung kann man erst bei einem niedrigen Lebensstandard sprechen, der deutlich schlechter ist als der gesellschaftlich als Minimum definierte. Bei weiter Auslegung haben rund 20 % der gesamtdeutschen Bevölkerung einen solchen sehr niedrigen Lebensstandard (Unterversorgung); bei enger Auslegung sind es rund 10 % der Bevölkerung (gravierende Unterversorgung). Die unteren 20 % können sich im Schnitt 7 der abgefragten 22 Ausstattungsgüter nicht leisten, die unteren 10 % 11 Ausstattungsgüter. Anhand der Verteilung des Lebensstandards kann man eher von einer 80:20-Gesellschaft oder einer 90:10-Gesellschaft sprechen als von einer Zweidrittelgesellschaft. Besondere Risikofaktoren für Unterversorgung sind in Ost wie West: Arbeitslosigkeit, ein niedriges Einkommen (im untersten Fünftel der Verteilung) und Alleinelternschaft (vgl. Abb. 1). Der Zusammenhang von Einkommensschwäche und Unterversorgung liegt auf der Hand, ist doch Einkommen die wichtigste wenn auch nicht die einzige Ressource, um einen angemessenen Lebensstandard zu realisieren. Wer wenig hat, kann sich auch wenig leisten. Mit Arbeitslosen und Alleinerziehenden sind zwei mittlerweile klassische Problemgruppen der Armutsforschung benannt. Einen sehr niedrigen Lebensstandard haben auch diejenigen, die sich selbst in der gesellschaftlichen Schichtung den untersten Statuspositionen zurechnen. Hier dürfte das Gefühl, ganz unten zu stehen, Ergebnis der prekären Lebensbedingungen sein. Einen leicht unterdurchschnittlichen Lebensstandard haben des Weiteren Personen, die strukturell über eine weniger günstige Position im Erwerbsleben verfügen 457

Abb. 1: Unterversorgung nach sozialen Gruppen Westdeutschland Ostdeutschland Durchschnittliche Anzahl fehlender Lebensstandard-Items 2,2 Gesamtbevölkerung 3,1 Erwerbsstatus 2 Erwerbstätig 3 7 Arbeitslos 6 Subjektive Rangeinstufung 1 Oben 2 2 Obere Mitte 2 4 Untere Mitte 4 7 Unten 7 Haushaltseinkommen 1 Oberstes Quintil 1 6 Unterstes Quintil 6 2 Familientyp Mehrpersonen-Haushalt ohne Kinder 3 6 Alleinerziehende 6 Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1988, 1990-Ost, 1998. (junge Leute, Un- und Angelernte sowie diejenigen, die sich der Arbeiterschicht zurechnen), und Familien mit mehr als zwei Kindern, bei denen das Einkommen für die Bedürfnisse vieler reichen muss. Allerdings wirkt sich Kinderreichtum weniger negativ auf die Situation des Haushalts aus, als dies oftmals aus Einkommensstudien hervorgeht. Für den innerdeutschen Vergleich ist zusammenfassend festzuhalten, dass in Ost und West dieselben Problemgruppen einen unzureichenden 458

Lebensstandard haben. Allerdings sind proportional betrachtet mehr Ostdeutsche von Unterversorgung betroffen, was auf die deutlich höhere Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern und die im Durchschnitt etwas niedrigeren Löhne und Einkommen zurückzuführen ist. Als gravierend unterversorgt zählen beispielsweise 12 % der Ostdeutschen und 9 % der Westdeutschen. 5.4 Zufriedenheit mit dem Lebensstandard Bei der subjektiven Bewertung spielen sowohl die tatsächlichen Lebensverhältnisse als auch individuelle Ansprüche eine Rolle. Auf einer Skala von 0 bis 10 (mit 0 = ganz und gar unzufrieden und 10 = ganz und gar zufrieden ) wurde eine zusammenfassende Bewertung des persönlichen Lebensstandards erfragt. Die Antworten deuten auf weitverbreitete hohe Zufriedenheit hin (vgl. Tab. 3). Nur sehr wenige Befragte in beiden Landesteilen, 8 % im Westen, 14 % im Osten, geben untere Skalenwerte an (0 4), die überwiegende Mehrheit obere. In Westdeutschland ist der Anteil der Hochzufriedenen (Skalenwert 10) mit 13 % deutlich größer als im Osten mit 6 %. Im Mittel ergibt sich so eine höhere Zufriedenheit in den alten Bundesländern (7,4 zu 6,7). Im Zeitvergleich ist der Abstand geschrumpft, was auf Zufriedenheitszuwächse im Osten zurückzuführen ist: 1990 betrug der Abstand 1,4 Skalenpunkte, 1998 0,7 Skalenpunkte. Das Wohlbefinden der Ostdeutschen nähert sich in diesem Bereich also an das der Westdeutschen an. Hier spiegeln sich die Verbesserungen der individuellen Lebensverhältnisse wider, die die Mehrzahl der Ostdeutschen erfahren hat. In den alten Bundesländern sind die Zufriedenheitswerte seit 1978 konstant geblieben, trotz gestiegener verfügbarer Einkommen und kontinuierlicher Verbesserungen der Haushaltsausstattungen. Offenbar wachsen in gleichem Maße auch die Ansprüche mit. Tab. 3: Entwicklung der Zufriedenheit mit dem Lebensstandard in West- und Ostdeutschland Jahr unzufrieden (0 4) mittel (5 9) hochzufrieden (10) Mittelwert Anteil in % 1 West 1978 8 78 14 7,4 1984 10 73 16 7,3 1988 9 75 17 7,4 1993 8 76 17 7,4 1998 8 79 13 7,4 Ost 1990 21 74 4 6,0 1993 18 79 4 6,1 1998 14 81 6 6,7 Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1978, 1984, 1988, 1990 Ost, 1993, 1998. 459

Tab. 4: Bewertung der Lebensbedingungen in Deutschland im europäischen Vergleich (Mittelwerte, 0 bis 10-Skala, 10 = beste Bedingungen) Einstufung durch die Westdeutschen 1 Einstufung durch die Ostdeutschen Schweiz 8,5 Schweiz 8,5 Westdeutschland 7,7 Westdeutschland 8,2 Niederlande 7,6 Niederlande 7,4 Frankreich 7,0 Frankreich 6,6 Italien 6,3 Ostdeutschland 5,9 Spanien 6,3 Italien 5,9 Ostdeutschland 6,1 Spanien 5,7 Ungarn 4,7 Ungarn 4,6 Polen 3,8 Polen 3,6 Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1998. 1 Zu einer positiven Bewertung kommen die Deutschen auch, wenn sie über die Grenzen schauen (vgl. Tab. 4). Darum gebeten, die Lebensbedingungen in verschiedenen europäischen Ländern zu benoten, stufen die Westdeutschen die Verhältnisse in den alten Bundesländern im Schnitt besser ein als in Frankreich und deutlich besser als in Italien und Spanien (und ebenfalls deutlich besser als in den neuen Bundesländern). Mehr Lebensqualität bietet nach Meinung der Westdeutschen aber die Schweiz, eine praktisch genauso hohe die Niederlande. Die Ostdeutschen stufen die Verhältnisse in den alten Bundesländern noch etwas besser ein, näher an denen in der Schweiz und deutlich vor denen in den Niederlanden. Den Bedingungen in den neuen Bundesländern weisen sie einen höheren Rangplatz zu als die Westdeutschen, nämlich gleichauf mit Italien und vor Spanien. 5.5 Zukünftiger Lebensstandard Eine vieldiskutierte Frage ist, wie hoch der Lebensstandard nachfolgender Generationen sein wird. Eine Reihe von Entwicklungen könnte eine Bürde für die nächsten Generationen sein: die wachsende Staatsverschuldung, durch die immer mehr Geld für die Schuldentilgung aufgebracht werden muss; die zunehmende Alterung der Gesellschaft, durch die sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Rentenbeziehern dramatisch verschiebt; der Verbrauch natürlicher Ressourcen, der zu Lasten der zukünftigen Lebensbedingungen geht. Ob die heutige junge Generation im Vergleich zu ihren Eltern später einmal einen höheren, einen niedrigeren oder denselben Lebensstandard haben wird, darüber sind die Meinungen geteilt (vgl. Abb. 2). Die Westdeutschen sind eher pessimistisch als optimistisch: 460

Ein Drittel erwartet einen sinkenden Lebensstandard, ein weiteres Drittel denselben, ein Viertel einen höheren. Das umgekehrte Bild ergibt sich für Ostdeutschland, wo ein Drittel der Bevölkerung optimistisch ist und nur ein Viertel pessimistisch. Vor dem Hintergrund der Wohlstandssteigerungen seit der Wende sind die Ostdeutschen möglicherweise fortschrittsoptimistischer, während die Westdeutschen offenbar in stärkerem Maße Grenzen des Wachstums sehen. Deutliche Abb. 2: Erwarteter Lebensstandard für die nächste Generation Lebensstandard im Vergleich zu heute Westdeutschland höher gleich niedriger weiß nicht Gesamtbevölkerung 18-24 Jahre 25-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60-69 Jahre 70 u. ä Ostdeutschland Gesamtbevölkerung 18-24 Jahre 25-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60-69 Jahre 70 u. ä 25% 50% 75% Datenbasis: Wohlfahrtssurvey 1988. Unterschiede zeigen sich auch nach Altersgruppen: Die unter 30-Jährigen sind noch optimistisch, wohingegen die älteren Jahrgänge, insbesondere die 50 59- Jährigen, befürchten, dass die heutige junge Generation einmal schlechter leben wird. Am zuversichtlichsten blicken die 25 29-jährigen Ostdeutschen in die Zukunft, die nach der Wende besonders günstige Bedingungen für den Berufsstart im vereinten Deutschland vorgefunden haben. 461

5.6 Zusammenfassung Der Lebensstandard zwischen Ost- und Westdeutschland hat sich weitgehend, aber noch nicht vollständig, angeglichen. Dementsprechend ist die Zufriedenheit der Ostdeutschen mit dem Lebensstandard, trotz Verbesserungen seit 1990, etwas niedriger als die der Westdeutschen. Die Risikofaktoren, die einen niedrigen Lebensstandard bedingen, sind dagegen mit Arbeitslosigkeit, Niedrigeinkommen und Alleinelternschaft in Ost wie West die gleichen. Insgesamt ist in Deutschland ein hoher Lebensstandard für breite Schichten gegeben, nur ein geringer Teil der Bevölkerung ist als unterversorgt (sehr niedriger Lebensstandard) einzustufen. Die Lebensbedingungen in Deutschland werden im Vergleich mit anderen europäischen Ländern als gut (alte Bundesländer) bzw. mittel (neue Bundesländer) eingestuft. Gespalten sind die Meinungen darüber, ob die jungen Leute später einmal einen ebenso hohen Lebensstandard haben werden wie ihre Eltern jetzt. Die Ostdeutschen sind dabei optimistischer als die Westdeutschen. (Petra Böhnke/Jan Delhey) 462