Manual zur Wundbehandlung. HOSPITALGESELLSCHAFT JADE-WESER mbh Wir für die Gesundheit an Jade und Weser



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Manual zur Wundbehandlung HOSPITALGESELLSCHAFT JADE-WESER mbh Wir für die Gesundheit an Jade und Weser

Inhaltsverzeichnis 1.0 Vorwort...3 1.1 Zielsetzung des Manuals im Klinikum...4 2.0 Empfehlung zur primären Behandlung chron. Wunden...4 2.1 Begründung...4 2.2 Allgemeines...4 2.2.1 Die AG Wundexperten...5 2.2.2 Die Wunddokumentation, Fotografie und Wundanamnese...6 2.2.4 In den Anlagen finden sich:...7 2.3 Die Wundheilung...8 2.4. Wundrandschutz...9 2.5 Allgemeine hygienische Anmerkungen...10 2.6 Wundzustände...11 2.6.1 Nekrose trocken...11 2.6.2 Feuchte Nekrose + Fibrinbelag...12 2.6.3 Wundflächen mit Fibrinbelägen, Geweberesten...13 2.6.4 Fibrinbeläge + Granulation...14 2.6.5 Granulation...15 2.6.6 Epithelisierung...17 2.6.7 Die infizierte Wunde...18 2.6.8 Stark sezernierende, großflächige Wunde...20 2.7 Die Wundheilungsstörung...21 2.7.1 Aktive lokale Wundbehandlung bei Problemwunden...22 2.7.2 Die Vakuumversiegelung...22 2.7.3 Protease modulierende Matrix...23 2.7.4 Hyaluronsäure...23 2.7.5 Madentherapie...24 3.0 Die systemische Wunde...25 3.1 Die chron Wunde an der unteren Extremität...25 3.2 Diabetisches Fußsyndrom...30 3.3 Der Dekubitus...35 4.0 Anlagen...37 2

Vorwort Sehr geehrte Patienten, Angehörige und Besucher, In Deutschland leiden bis zu 5 Mio. Menschen an chronischen Wunden. Unterschiedliche Behandlungsverfahren, mangelnde Absprachen zwischen Ärzten und Pflegekräften und eine Vielfalt an Produkten, Meinungen, Richtlinien und Standards erschweren oder verhindern einen kontinuierlichen Behandlungsweg für den Patienten. Die Hospitalgesellschaft mit Ihren verschiedenen Standorten begegnet dieser Situation durch den Einsatz einer Projektgruppe, die zukünftig eine einheitliche, rationale und ökonomische Vorgehensweise durch Erarbeitung eines Wundhandbuchs sicherstellt. Die in diesem Handbuch erarbeiteten Standards, Richtlinien und Checklisten für die Wundbehandlung sind zukünftig verbindlich. Die Projektgruppe hat sich bei der Erarbeitung den hohen Ansprüchen, das heißt, den entsprechend wissenschaftlichen Erkenntnissen der modernen Wundbehandlung gestellt. Um für unsere Patienten ein optimales therapeutisches Ergebnis zu erzielen, arbeiten wir strukturiert und interdisziplinär zusammen. Die Projektgruppe hat einen Produktkatalog der zukünftig in den Einrichtungen der Hospitalgesellschaft zu verwendenden Wundauflagen festgelegt. Die Erstellung eines klinikübergreifenden Wunddokumenationsbogens stellte eine besondere Herausforderung dar. Das Ihnen nun vorliegende Wundhandbuch informiert Sie über alle Aspekte der modernen Wundversorgung und gibt Anleitung bei klinischen Fragestellungen. Verschiedenen Publikationen aus Marburg und Hamburg und Internetrecherche unterstützten uns bei der Erstellung. Die Inhalte unterliegen einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Wir freuen uns daher über konstruktive Meinungen, Kritik und Weiterentwicklungen zur Thematik und unserem Handbuch. Nur gemeinsam erreichen wir für den Patienten das bestmögliche Ergebnis. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit. Britta Rohlfs Birgit Töben Dr. Wilhelm Krick Mathias Schulz Projektleiterin Pflegedienstleitung Chefarzt Allgemein- Chefarzt Unfallchirurgie und Visceralchirurgie 3

1.1 Zielsetzung des Manuals im Klinikum a) Qualitätssicherung in der Wundbehandlung: Gleichbleibende bestmögliche Qualität zu möglichst niedrigen Kosten b) Sicherstellung eines adäquaten Informationsflusses innerhalb des Krankenhauses und auch an die weiterbehandelnden Berufsgruppen außerhalb des Krankenhauses c) Auf- und Ausbau einer Interdisziplinarität in der Wundversorgung d) Vereinheitlichung und Eingrenzung der Produktpalette e) Transparenz in der Produktpalette 2.0 Empfehlung zur primären Behandlung chron. Wunden 2.1 Begründung Die Entwicklung der Behandlungsleitlinie Chronische Wunde ist mit der zunehmenden Vielfalt an Behandlungsmöglichkeiten für chronische Wunden und der daraus erwachsenen Unsicherheit in der lokalen Behandlung dieser Wunden begründet. Die Wirksamkeit vieler lokaler Wundtherapeutika ist wissenschaftlich nicht belegt und wurde daher in den vergangenen Jahren für die Wundversorgung nicht mehr zugelassen. Die auf den einzelnen Stationen in unterschiedlichem Maße gelagerte Vielfalt an Verbandmitteln führt häufig zu unstrukturierter Polypragmasie in der Behandlung schlecht heilender Wunden. Aufgrund fehlender oder nur schwacher wissenschaftlicher Evidenzen für die unterschiedlichen Behandlungsverfahren bleibt eine wesentliche Orientierungsmöglichkeit die praktische Erfahrung aller mit der Wundversorgung befassten Berufsgruppen. Grundlegende Informationsquellen für dieses Manual liegen in 1. begründeter wissenschaftlicher Expertenauffassung 2. der Expertise der einzelnen Arbeitsgruppenmitglieder 3. Expertenvoten Über dieses rational begründbare Therapieschema soll eine einheitliche primäre Wundtherapie am Krankenhaus etabliert werden. Darüber hinaus bleibt es jeder Fachabteilung unbenommen, etablierte und bewährte, in der Wirksamkeit nachgewiesene, ökonomisch sinnvolle Behandlungskonzepte für spezielle Wunden, beizubehalten und weiter zu entwickeln. Es konnte für die Wundtherapie gezeigt werden, dass interne Leitlinien oder Behandlungspfade zu einer Beschleunigung der Wundheilung und zu einer erheblichen Kostenreduktion führen. (Dzwierzynski et al., 1998) 2.2 Allgemeines Dieses Manual ist als Empfehlung im Sinne eines konsiliarischen Therapievorschlages zu verstehen und entbindet den behandelnden Arzt nicht von seiner Anordnungsverantwortung und das Pflegepersonal nicht von seiner Durchführungsverantwortung. 4

Alleine der behandelnde Arzt ist für die Behandlungsstrategien verantwortlich, wobei es ihm unbenommen bleibt, auf die Erfahrungskompetenz, insbesondere Pflegender, zurückzugreifen. Davon zu unterscheiden ist die Durchführungsverantwortung der den Verband anlegenden Person. Die in diesem Behandlungsplan empfohlenen Verbandstoffe bilden die Grundlage für die Lagerungsbestände von Verbandmitteln auf der Station 6. Verbandspezialitäten sind über die Station 6 zu beziehen. Neue Präparate der routinemäßigen lokalen Wundversorgung sollen ausschließlich nach ärztlicher Konsultation oder durch die Wundexperten eingeführt werden. Patienten und Angehörige sind ausreichend über die Maßnahmen zu informieren und soweit möglich und nötig in die Behandlungsstrategie mit einzubeziehen. Eine exakte Verlaufs- und Behandlungsdokumentation ist unabdingbar und juristisch vorgeschrieben. Sie erlaubt im Sinne einer Qualitätsevaluation die Überprüfung der Wirksamkeit und Effizienz von Behandlungsstrategie und ist Nachweis für eine qualifizierte Tätigkeit. Die Dokumentation erfolgt mit einem standardisierten Instrument (Anlage 1) und beinhaltet die regelmäßige fotographische Darstellung des Wundzustandes. Allgemein ist neben der hier thematisierten lokalen Behandlung einer Wunde immer die systemisch, adjuvante Therapie unter Berücksichtigung der Wundätiologie wesentlicher Bestandteil einer umfassenden unter ganzheitlichen Gesichtspunkten betrachteten Wundtherapie. Dazu gehören beispielsweise die komplette Druckentlastung bei einem Dekubitus oder die suffiziente Kompressionstherapie beim Ulcus cruris venosum sowie Eingriffe zur Revaskularisierung arterio/ venöser Perfusionsstörungen. Weiterhin sind Faktoren wie Ernährung, Mobilität und Patientenedukation in die Überlegungen über die Versorgung einer chronischen Wunde mit einzubeziehen 1. 2.1.1 Die AG Wundexperten (Anlage 2) Die Arbeitsgruppe Wundexperten hat folgende Aufgaben: (1) Die AG ist als beratende und unterstützende Instanz zu verstehen, die bei komplexen Wundversorgungsstrategien und Verbandspezialitäten sowohl den behandelnden Arzt als auch die Pflegenden mit Erfahrungs- und Durchführungskompetenz unterstützt, so dass langfristig die Behandlungskompetenz für komplexe Wunden im Stationsteam steigt. Patienten, Angehörige und behandelnde Berufsgruppen werden abteilungsübergreifend durch Mitglieder der AG beraten. Hierdurch wird auch die Versorgungskontinuität im Bereich der Wundversorgung gesichert. (2) Detaillierte Aufgaben der Mitglieder der AG Wundexperten Festlegung des Therapieregimes gemeinsam mit dem zuständigen Stationsarzt Prozess - Überwachung des Wundmanagements Bedside teaching der Kolleginnen und Kollegen auf den Stationen Schulung der Patienten und Angehörigen in speziellen Fragen der Wundversorgung regelmäßige Teilnahme an Fortbildungen (1x im Jahr) zum Thema Wundmanagement gemeinsame Verantwortung mit den Ärzten und Stationsleitungen für die Einführung des Wundmanagements auf den Stationen Halbjährliche Evaluation der Prozesse Aufbereitung für das Reporting 1 Dzwierzynski WW, Spitzt K., Hartz A., Gnuse C, et al. Improvement in resourca utilization after development of a clinical pathway for patients with pressure ulcers. Plast Reconstr. Surg 1998; 102: 2006-2011. 5

Teilnahme an den halbjährlich stattfindenden Fallkonferenzen. Die Vorbereitung und Einladung obliegt der Pflegedienstleitung. (3) Prüfung von neuen Produkten sowie die Entscheidung über die Einführung neuer Produkte. Der AG werden die neuen Produkte durch Mitarbeiter der Wundprodukte herstellenden Firmen vorgestellt. Die Arbeitsgruppe Wundexperten prüft die Studienlage und die Sinnhaftigkeit des Einsatzes. (4) Die AG beleuchtet die Wirtschaftlichkeit der Wundversorgung in den Kliniken. Hierzu werden jährliche Übersichten der verbrauchten Materialien und die dadurch entstandenen Kosten interpretiert. Ziel soll nicht der Einsatz des billigsten Produktes sondern des effizientesten Produktes sein. 2.2.2 Die Wunddokumentation, Fotografie und Wundanamnese Eine exakte Verlaufs- und Behandlungsdokumentation ist unabdingbar und juristisch vorgeschrieben. Sie erlaubt im Sinne einer Qualitätsevaluation die Überprüfung der Wirksamkeit und Effizienz von Behandlungsstrategie und ist Nachweis für eine qualifizierte Tätigkeit. Die Dokumentation erfolgt mit einem standardisierten Wunddokumentationsbogen und beinhaltet auch die regelmäßige digitale fotographische Darstellung des Wundzustandes. Die initiale Wundfotografie erfolgt durch Mitarbeiter der Zentralen Ambulanz. Die Mitarbeiter der aufnehmenden Station erheben die Basiswerte (Ausdehnung, kurze Beschreibung) der Wunde. Die weiterführende Wundfotografie erfolgt spätestens alle 7 Tage oder bei maßgeblicher Veränderung der Wundsituation und in jedem Fall auch bei Entlassung. Eine umfassende Wundeinschätzung und -dokumentation findet zeitnah auf der peripheren Station statt. Weitere Erhebungen erfolgen bei Veränderung der Wundsituation. Digitalkamera s für die Wundfotografie befinden sich auf definierten Stationen (Anlage 3). Die erstellten Fotografien werden digital in die Patientenakte eingepflegt. Bei der Fotodokumentation ist auf Folgendes zu achten: Die Wunde vor der Fotografie gut mit Ringer Lösung reinigen. Die Ersterfassung erfolgt im ungereinigten Zustand. Ein gleicher Abstand zur Wunde sollte immer eingehalten werden. Eine gleicher Blickwinkel und eine gleiche Position sichern die Vergleichbarkeit der Fotos. Die Wunde sollte 1/3tel des Fotos einnehmen. Die Fotografie mit Blitzlicht sichert gleiche Lichtverhältnisse. Zwingendes Muss sind Zentimeterskala, Datum, Initialen und Wundnummer im Wundfoto, somit auf dem Patienten. Die nachträgliche Beschriftung ist rechtlich nicht verwertbar. Besondere Fragen in der Wundanamnese sind: Was ist die Ursache für die Wunde? Welchen Einfluss hat die Lokalisation der Wunde auf die Behandlung? Welchen Einfluss hat die Wunde auf das Wohlbefinden des Patienten? Wie groß ist die Wundfläche? Sind Beläge auf der Wunde Wenn Ja, welche? 6

2.2.3 In den Anlagen finden sich: ANLAGE 1 ANLAGE 2 ANLAGE 3 ANLAGE 4 Wunddokumentationsbogen Mitglieder der AG Wundexperten Liste der vorgehaltenen Digitalkameras und deren Lagerorte MRSA Meldebogen 7

2.3 Die Wundheilung Der Ablauf der Wundheilung 2 Die Schädigung und Zerstörung von Zellen und Gewebe löst im Körper eine sehr vielschichtige Reparaturkaskade aus, an der über 30 verschiedene Mediatoren und Substrate beteiligt sind. Die Reparatur (=Wundheilung) folgt dem schematisierten Ablauf (s.u.): Wichtig ist hierbei u.a. die saubere Definition des Begriffes Entzündung als typische Körperreaktion ( Hitze, Rötung, Schwellung, Schmerz ) und nicht als Prozess, bei dem Mikroorganismen eine Rolle spielen ( Infektion ). In der Exsudationsphase reinigt der Körper die Wunde durch vermehrte Flüssigkeitsausschwemmung, in der Granulationsphase dringen unspezifische Zellen (Fibroblasten) ins Wundgebiet vor und differenzieren dort zu Kollagengewebe. Trauma Entzündung Exsudationsphase (Reinigungsphase) Granulationsphase (Gewebeneubildung) Epithelisierungsphase (Hautdeckung) In der Epithelisationsphase (Organisationsphase) schiebt sich eine zuerst einschichtige Hautepithelschicht vom Wundrand über die Wunde. Unter optimalen Bedingungen verschließt sich die Wunde, die Epithelschicht differenziert zu kollagenösem Bindegewebe aus und erlangt nach Wochen bis Monaten mechanische Stabilität und Reißfestigkeit. Immer dann, wenn ein Stadium der Wundheilung unvollständig oder gar nicht verlassen wird (Durchblutungsstörung, Ernährungsstörung, mechanisches Aufreißen der Wunde, neue Traumata..) und mehrere Wundheilungsphasen parallel vorliegen, die Wunde über viele Wochen keine Heilungstendenz zeigt, spricht man von chronischen Wunden (Ulcus cruris, Dekubitus, diabetische Ulcerationen..). Als Wundheilung wird ein strukturierter Prozess bezeichnet, der über molekulare Signaltransduktion mit entsprechender Zellantwort letztendlich zu Reparaturmechanismen führt, die eine vollständige Abheilung geschädigter Gewebestrukturen möglich macht. Eine fundamentale Erkenntnis in der Erforschung von Wundheilungsprozessen ist die Variabilität von Wunden. Wunden können nach unterschiedlichen Kriterien eingeteilt werden: nach Größe, nach Wundtiefe, nach Ätiologie und nach Erscheinung. All diese Kriterien beeinflussen die Art der Wundheilung, deren Geschwindigkeit, die Dauer der unterschiedlichen Wundheilungsstadien und damit auch die Behandlung der Wunde. Andere extrinsische Faktoren wie Ernährungsstatus, Alter, systemische Erkrankungen, Lebensweise (Rauchen, Alkohol) und die persönliche Einstellung gegenüber der Wundheilung und die Behandlung der Wunde nehmen ebenfalls erheblichen Einfluss auf die Wundheilung. Entsprechend der Variabilität der Wundzustände ist auch eine Variabilität in den Behandlungsstrategien zu erwarten. Allerdings gibt es Grundprinzipien, die als essentiell für eine optimierte Wundheilung nachgewiesen werden konnten. Nachdem bis spät in die 70-80er Jahre traditionell gewebtes, steriles Baumwollmaterial als Wundabdeckung genutzt wurde, konnte in mehreren Studien die aktive Rolle moderner (semi-)okklusiver Verbandmaterialien in der Wundheilung nachgewiesen werden.(bradley et al. 1999, Werner et al.,1991, Schultz et al, 2003, Selmer 1998, Anders et al, 1989, Jeffcoate et al.2003, Bishop et al. 2003), Leitlinie Dekubitus (1998) Eine physiologische temperaturadaptierte Wundfeuchte unterstützt die Wundheilung in hohem Maße: 1. Die Stabilität von essentiellen Proteinen (Wachstumsfaktoren) wird verlängert. 2. Die Funktion von Makrophagen und polymorpher Granulozyten wird unterstützt. Damit ist die interne Infektionsgefahr deutlich niedriger. 3. Die Migration von Zellen des Bindegewebes werden optimiert. 4. Die Infektionsgefahr durch externe Mikroorganismen sinkt deutlich. 2 (Quelle: Werner Sellmer, Handout 02/2007) 8

Angesichts einer zunehmenden Anzahl von Verbandstoffen gibt es einfache Konzepte, die ein moderner Verbandstoff erfüllen muss, um das geforderte physiologische Wundmilieu zu erhalten. Die Wundverhältnisse werden durch zeitgemäße Verbandstoffe positiv unterstützt und stabilisiert. Dies geschieht durch das durch die Produkte aufgebaute ideal feuchte Wundmilieu. Ausnahme: Verbandstoffe für das trockene Gangrän! Hier ist in der Regel eine trockene Verbandtechnik indiziert. Zeitgemäße Verbandstoffe sollten gute absorbierende und adhaesive Fähigkeiten aufweisen, um für einen möglichst langen Zeitraum ein optimales Wundmilieu zu garantieren. Die Adhäsionseigenschaften sollten die intakte Epidermis nicht schädigen und möglichst niedrige allergene Eigenschaften haben. Bei geschädigter Umgebungshaut ist auf klebende Eigenschaften der Produkte zu verzichten. Ein primäres Wunddressing ist der Wundfüllstoff, der einen intensiven Kontakt zwischen Wundgrund (Wundbasis) und Wunddeckmaterial herstellt. Das sekundäre Wunddressing umfasst den, die Wunde nach außen abschließenden Teil des Wundverbandes, es hat direkten Kontakt mit dem primären Wundfüllstoff. Als Kombinationswunddressing ist eine absorbierende Wundfläche mit Adhäsionsanteilen zu bezeichnen 3. 2.4. Wundrandschutz Eines der Grundprinzipien der modernen Wundbehandlung ist der Aufbau und Erhalt eines feuchten Wundmilieus mit geeigneten Verbandstoffen. Von wesentlicher Bedeutung ist daher die Beachtung der Grenzbereiche Wunde/intakte Hautoberfläche. Die aktiven Wundverbände können bei unkorrekter Anlage oder bei Dislokation durch Bewegung oder mechanischer Beanspruchung gesunde intakte Hautareale schädigen. Daher ist der Wundrandbereich insbesondere dann zu schützen, wenn er Unregelmäßigkeiten oder stellenweise Epithelschäden aufweist. Wundtamponaden sollten grundsätzlich nicht auf Wundrandepithel (Ausnahme Hydrofaser) aufgebracht werden. Durch Aufbringen eines Schutzfilms (z.b. Cavilon 3M), Applikation einer dünnen Polyurethan-Folie oder eines dünnen Hydrokolloids müssen bei der dauerhaften Anwendung von feuchten Wundverbänden die Wundrandbereiche geschützt werden. Da die Hydrofaser ausschließlich vertikal Flüssigkeiten bindet, kann auch dieses Füllmaterial als Wundrandschutz eingesetzt werden. Bei intakten Wundrändern und nur minimaler Exsudatmenge kann der Wundrandschutz entfallen. 3 Bradley M. et al.(1999) Systematic reviews of wound care management: (2) Dressings and topical agents used in the healing of chronic woundstitle. Health Technology Assessment 17,2. Werner G.T., Eisenmenger W., Gadomski M:; Goede G. Schmidt A.: Der Dekubitus: Ursachen, Therapie und Prophylaxe forensische Aspekte. Dtsch. Ärztebl. 88 (1991), 3-6 Schultz GS., Sibbald RG., Falanga V., Ayello EA., Dowsett C., Harding K., Romanelli M., Stacey MC., Teot L., Vanscheidt W.:Wound bed preparation: A systematic approach to wound management, Wound Repair Regen 2003 Mar; 11 Suppl 1: 1-28 Selmer W.: Wundbehandlung. Pflege aktuell 52 (1998): 426-429. Anders A. Hornmark AM., Fall PA., Linder L., Bergstrand B. Ehrnebo M., Munk S. Setterberg G.: Care of pressure sores: A controlled study of the use of a hydrocolloid dressing compared with wet saline gauze, Acta Dermato-Venerologica Supplement(Stockholm)149, 1989 Jeffcoate WJ., Harding KG: Diabetic foot ulcers, The Lancet, Vol 361, May 3, 2003, 1545-1551. Bishop SM, Walker M., Rogers AA., Chen WY.: Importance of moisture balance at wound-dressing interface. J. Wound Care 2003, April; 12(4): 125-128. Leitlinie Dekubitus. Initiative Chronische Wunden, 2. Auflage Köln 1998 AWMF Leitlinie Ulkus Cruris Auböck J: Synthetische Wundverbände in der Behandlung des ulcus cruris. Phlebol 1994;23:78-84 Leitlinie Dekubitus. Initiative Chronische Wunden, 2. Auflage, Köln 1998. AWMF-Leitlinie Dekubitus, 1999 9

2.5 Allgemeine hygienische Anmerkungen Die Abstrichnahme bei neu aufgenommenen chronischen Wunden ist obligat! Die chronische Wunde zählt zur MRSA Risikogruppe. Eine MRSA besiedelte Wunde muss der die Klinik betreuende Hygienefachkraft gemeldet werden (Anlage 4). Es gelten die im Intranet veröffentlichten Richtlinien zur MRSA Therapie. Spüllösungen Für alle Wundversorgungsstrategien gelten die hygienischen Regeln, die auch in hausinternen Standards hinterlegt sind. Im Falle einer Wundreinigung oder Wundspülung mit isothermen Lösungen dürfen nur einmal aufgewärmte, sterile Lösungen verwendet werden, Restmengen sind zu verwerfen. Antiseptika Im stationären Bereich der Klinik hat sich die Anwendung von Octenidin bei der Versorgung chronischer Wunden bewährt. Wir wissen um die Problematik, dass derzeit Octenidin und Polyhexanid Arzneimittelzubereitungen im post stationären Bereich nicht verordnungsfähig beziehungsweise von den Krankenkassen nicht als Regelleistungen angesehen wird. Anwendung von Octenidin: Die klassische Spülung von Wunden und Wundtaschen sollte mit isotonen Lösungen erfolgen. Octenidin sollte man in Form einer mit Octenidin getränkten sterilen Kompresse auf die Wunde aufbringen und 2-3 Minuten dort verweilen lassen. Erst dann kann man davon ausgehen, dass auch ein Wirkungseintritt auf Grund der Kontaktdauer eingetreten ist. 10

2.6 Wundzustände 2.6.1 Nekrose trocken Definition: Ziel: Trockene Wunde, die durch einen nekrotischen trockenen Wundabschluss nach außen gekennzeichnet ist ( schwarzer Wunddeckel ). Epidermis und subkutisches Gewebe sind avital und indolent. Abklärung der Wundätiologie und Behandlung der primär ursächlichen Systemerkrankung (Diabetes mellitus, arterio-venöse Durchblutungsstörung, Druckentlastung) vor jeder lokalen Behandlung; ggf. Entfernung der Nekrose und aller avitalen Gewebeanteile. Eine trockene Nekrose ist häufig Ausdruck einer zugrunde liegenden Systemerkrankung wie Diabetes mellitus mit Angiopathien, arterio-venöse Perfusionsstörungen, permanent, mechanischer Druck oder Infektionen. Die pathophysiologischen Mechanismen der Chronizität sind trotz sehr unterschiedlicher Erscheinungsformen ähnlich. Alle zugrunde liegenden Gefäßschäden führen zu Ernährungsstörungen des Hautgewebes mit zunehmender Ischämie, Hypoxie und Nekrose. Ein chirurgisches oder pharmakologisches Nekrosedebridement führt ohne ursächliche Behandlung der Systemerkrankung zu einer offenen, chronischen Wunde mit durch die unbehandelte Grunderkrankung erheblich reduzierter Heilungschance. Keine Lokalbehandlung ohne Kausaltherapie! In diesem Fall sollte die trockene Nekrose, da sie als ein geschlossener Wundzustand zu bezeichnen ist, lokal zunächst nicht behandelt werden. Lokale Behandlung: umfassende Nekrosektomie, die vorzugsweise chirurgisch erfolgen sollte. Daneben ist in nahezu allen Fällen der trockenen Nekrose eine trockene Wundbehandlung mit sterilen Kompressen indiziert. Ein wesentlicher Bestandteil der Behandlung trockener Nekrosen ist der Schutz von intakten Hautarealen. Durch die Perfusionsstörungen neigen diese Bereiche zur Exsikose mit Bildung von Rhagaden und trockener Hautschuppung. Durch Anwendung einer einfachen Fettsalbe kann die Gefahr von sekundären Epidermisschäden gesenkt werden. Falls ein konservativer Therapieansatz von ärztlicher Seite ausdrücklich gewünscht wird und ätiologische Faktoren wie arterio-venöser Perfusionsstörungen und Angiopathien ausgeschlossen werden können, ist folgender konservativer Therapieansatz sinnvoll: Aufweichen und Lösen der Nekrosen durch Zufuhr von Feuchtigkeit in Form von Hydrogelen oder feuchten Tamponaden. Dieser konservative Behandlungsansatz ist im Vergleich zum chirurgischen Debridement wesentlich zeitaufwändiger. Durch Anritzen der Nekrose kann der Prozess der Nekrolyse unterstützt werden. Die Nekrolyse sollte immer unter dem Schutz von Antiinfektiva durchgeführt werden. Antiseptika Im stationären Bereich der Klinik hat sich die Anwendung von Octenidin bei der Versorgung chronischer Wunden bewährt. Wir wissen um die Problematik, dass derzeit Octenidin und Polyhexanid Arzneimittelzubereitungen im post stationären Bereich nicht verordnungsfähig beziehungsweise von den Krankenkassen nicht als Regelleistungen angesehen wird. 11

2.6.2 Feuchte Nekrose + Fibrinbelag Definition: Feuchte Wunde mit nekrotischen, avitalen Gewebeanteilen und graugelben Fibrin belägen. Dieser Wundzustand ist durch graugelbe fibrinöse Beläge, Nekrosereste und hohes Sekretaufkommen charakterisiert. Avitale Gewebereste und Zelltrümmer stellen einen idealen Nährboden für Wundinfektionen dar, deshalb besteht in diesem Stadium in hohem Maße die Gefahr einer Wundinfektion. Die Beläge verhindern das Zellwachstum und den Aufbau einer strukturierten Granulationsschicht. Ziel: Konsequentes Wunddebridement, d.h. die Entfernung der avitalen Gewebereste vorzugsweise chirurgisch, in mehreren Sitzungen und die Wundreinigung, d.h. die wirksame Ableitung von Zelltrümmern und avitalen Zellen, um damit den Einstrom von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten und die daraus resultierende Proteasenaktivierung, zu stoppen. Autolytische und mechanische Wundreinigung. Lokale Behandlung Die autolytische oder chirurgische Wundreinigung kann konservativ durch eine konsequent feuchte Wundbehandlung unterstützt werden, sofern moderate Sekretmengen diese Behandlungsstrategie zulassen. Die geschlossene Wundbehandlung unterstützt durch den Aufbau eines physiologischen Milieus (PH, Temperatur, Wundfeuchte) die Makrophagenaktivität und Funktion polymorphkerniger Granulozyten. Die Zufuhr von Feuchtigkeit ist häufig wegen hoher Sekretionsaktivität nicht notwendig, weshalb der Einsatz von Wundfüllstoffen wie Calciumalginate oder Hydrofasern das feuchte Wundmilieu stabilisieren und eine Matrix bilden, die der Aufnahme von avitalen Zelltrümmern dient. Wegen der erhöhten Infektionsgefahr und den in diesem Wundstadium in der Regel hohen Mengen an multiplen bakteriellen Kontaminationskeimen ist die Anwendung von Silberpräparaten als Tamponade bei tiefen Wunden oder als Wundauflagen bei oberflächlichen Wunden anzudenken. Bei einer entsprechenden Disposition soll hierzu einer der Wundexperten konsultiert werden. Insbesondere sind Wunden in diesem Stadium in kurzfristigen Intervallen zu kontrollieren (mind. jeden 2. Tag). Bei zunehmenden lokalen Infektzeichen ist eine Semi-Okklussion kontraindiziert. Zu beachten ist insbesondere bei tiefen Wunden die Anwendung ausreichender Füllstoffe, die einen Kontakt von Wundbasis und Deckmaterial (Hydrokolloid) gewährleisten (Transportfunktion). Die Größe der Wundabdeckung sollte exakt der Wundgröße angepasst sein, um den Kontakt zwischen Wundsekreten und intakter Epidermis zu minimieren. Bei sehr hohem Sekretaufkommen in der Wunde und/oder Anzeichen einer Wundinfektion kann kurzfristig eine offene, feuchte Wundbehandlung notwendig werden, da eine geschlossene Verbandtechnik nur dann Sinn macht, wenn das feuchtwarme Wundmilieu mindestens 24 Stunden aufrechterhalten bleiben kann. Andernfalls ist eine entsprechend geschlossene Behandlung sowohl therapeutisch als auch ökonomisch nicht sinnvoll. Faustregel: Ein geschlossener Verband sollte mindestens 24 Stunden die geschlossene Charakteristik halten können. 12

2.6.3 Wundflächen mit Fibrinbelägen, Geweberesten Definition: Primäres Ziel: Feuchte Wunde mit Gewebeanteilen und graugelben Fibrinbelägen. Dieser Wundzustand ist durch graugelbe, fibrinöse Beläge, Gewebereste sowie reduziertes Sekretaufkommen gekennzeichnet. Es finden sich keine Nekrosen oder großflächige Gewebereste. Punktuell sind bereits Granulationsinseln erkennbar. Häufig sistieren chronische Wunden in dieser Situation bei unzureichender Kausaltherapie. Die fortlaufende Gewebeschädigung induziert den permanenten Einstrom von neutrophilen Granulozyten und Makrophagen mit hoher Zytokininaktivität, die Proteinasen aktiviert und damit den Abbau extrazellulärer Matrix induziert. Kausaltherapeutisches Vorgehen mit Wirkungsevaluation Konsequentes Wunddebridement, d.h. die Entfernung der avitalen Gewebereste vorzugsweise chirurgisch in mehreren Sitzungen und die Wundreinigung, d.h. die wirksame Ableitung von Zelltrümmern und avitalen Zellen im Sinne einer auto-lytischen und mechanischen Wundreinigung. Die autolytische oder chirurgische Wundreinigung kann konservativ durch eine konsequent feuchte Wundbehandlung unterstützt werden. Die geschlossene Wundbehandlung unterstützt durch den Aufbau eines physiologischen Milieus (ph, Temperatur, Wundfeuchte) den Aufbau von Granulationsgewebe und schafft ein ideales Milieu für Regenerationsprozesse und immunologische Wundkompetenz. Lokale Wundbehandlung Gründliche Wundbettsanierung mit wiederholten Debridements unterstützt durch eine konsequent okklusiv-feuchte Wundbehandlung. Je nach Wundtiefe sollten interaktive Wundauflagen (Calciumalginate, Hydrofasern) eine Sekretaufnahme ermöglichen und damit keimbelastete Sekrete und abgestorbene Zellstrukturen von der Wundoberfläche zurückhalten. Essentiell ist in dieser Phase eine lückenlose Tamponade des Gewebedefektes, um eine sichere Transportfunktion von der Wundbasis in den sekundären Verbandstoff zu gewährleisten. Die Abdeckung mit einer semipermeablen Wundauflage (Hydrokolloid/Pu-Schaumverband) ermöglicht bei eingeschränktem Gasaustausch ein physiologisch feuchtes Wundmilieu über längere Zeit. Auch hier sollte bei höheren Sekretmengen die offene Wundbehandlung (Tamponade mit Ringerlösung, Mullkompressen, offene Wundauflagen wie Wundgaze, nicht adhaesive PU-Schaumverbände) durchgeführt werden. Faustregel: Ein geschlossener Verband sollte mindestens 24 Stunden die geschlossene Charakteristik halten können. 13

2.6.4 Fibrinbeläge + Granulation Definition: Die Wunde ist gelblich-weiß belegt und zeigt rötlich glänzendes Granulationsgewebe. Das Sekretaufkommen kann unterschiedlich von trocken bis hoch sezernös ausgeprägt sein. In der Regel zeigt sich jedoch in diesem Wundstadium ein mäßiges Sekretaufkommen, so dass in den meisten Fällen eine okklusiv-feuchte Wundbehandlung indiziert ist. Die Fibrinbeläge erschweren das Zellwachstum und behindern damit eine strukturelle Granulation. Anteiliges Granulationsgewebe ist äußerst vulnerabel und gegen mechanische Einflüsse sehr empfindlich. Man findet diesen Wundtyp häufig bei chronischen Wunden mit noch unzureichender Kapillarisierung unterschiedlicher Genese. Häufig sistieren Wunden in dieser Phase für längere Zeit. Primäres Ziel: Verbesserung des Ernährungszustandes der Wunde durch Behandlung der zugrunde liegenden Systemerkrankung, Aufrechterhaltung eines feuchten Wundmilieus, Verhinderung einer Wundinfektion, Schutz des empfindlichen Granulationsgewebes. Lokale Wundbehandlung Konsequentes Entfernen von Fibrinbelägen (mechanisch-autolytisch). Der Einsatz von Hydrogelen erleichtert die Ablösung von Fibrinbelägen. Erhalt eines feuchttemperierten Wundmilieus durch okklusiv-feuchte Lokalbehandlung. Trockene Wunden profitieren von einer induzierten Wundfeuchte (Hydrogele). Defektrekonstruktion durch Füllstoffe wie Calciumalginate und/oder Hydrofaser unterstützt das Mikro klima der Wunde und ermöglicht eine langfristige Wundkonditionierung durch verlängerte Verbandwechselintervalle. 14

2.6.5 Granulation Proliferationsphase = Granulationsphase (Wundverschluss, Gefäßneubildung) Diese Wundheilungsphase ist geprägt von Aufbau und Differenzierung neuer Gewebe. Die Wundreinigung tritt in den Hintergrund. Die Differenzierung und Ausreifung von Proliferationszellen wie Fibroblasten und Histiozyten werden durch die Konstanz eines physiologischen Milieus unterstützt und gefördert. Die ungestörte Angiogenese sowie die Phagozytose sind ebenfalls Voraussetzung für eine ungestörte Wundheilung. Diese Phase ist gekennzeichnet durch Proliferations- (Vermehrung von Gewebe durch Wucherung oder Sprossung) und Differenzierungsprozesse von Histiozyten zu Fibroblasten (Grund-, Kittsubstanz, Bindegewebsfasern) bzw. die Proliferation von Kapillaren. Dadurch wird die ursprüngliche Gewebefunktion nahezu wiederhergestellt. Entzündungszellen nehmen in der Wunde zahlenmäßig ab und es lassen sich vermehrt Proliferationszellen an der Wundoberfläche nachweisen. Alle im Wundbereich auftretenden Zellen haben ihre spezielle Funktion: Makrophagen koordinieren den Heilungsablauf, Fibroblasten schließen entstandene Gewebslücken und ersetzen untergegangene Zellstrukturen, Angioblasten bilden neue Kapillaren und bauen so das Granulationsgewebe auf. Kennzeichnend ist die Defektauffüllung der Wunde mit neuen Gewebestrukturen. Fibroblasten sezernieren Kollagenfasern und Proteoglykane, die als gallertartige Substanz den extrazellulären Raum ausfüllt. Das Granulationsgewebe ist eine vorübergehende primitive Gewebeeinheit, die von einem feinen Netz von Mikrokapillaren durchzogen ist. Differenzierte Myofibroblasten induzieren eine Wundkontraktion, die zu einer Verkleinerung der Wundfläche führt. Zunehmender Gewebeumbau mit abnehmender Gefäßdichte und zurückgehender Wassereinlagerung führt zu stabilem Narbengewebe. Definition: Lachsrote, feucht-glänzende Wundoberfläche mit hellroten transparenten Körnchen. Die Wunde ist sauber, Granulationsgewebe ist vorhanden. Es ist keine Nekrose oder avitale Gewebereste vorhanden. Bei chronischen Wunden mit persistierenden trophischen Ernährungsstörungen findet man auch blass-rosige oder bläuliche Verfärbungen mit schmierigen Auflagerungen. Primäres Ziel: Erhalt eines möglichst konstanten feucht-temperierten Milieus um die Wundkonditionierung zu fördern und Epithelisierungsprozesse (Zellmigration) zu unterstützen. Schutz des Granulationsgewebes. - Wundverschluss, durch Auffüllen des Hautdefektes - Schutz vor eindringenden Keimen und Flüssigkeitsverlust - Förderung der Angiogenese, um das neue Gewebe zu ernähren und mit Sauerstoff zu versorgen - Unterstützung der beginnenden Epithelisierung vom Wundrand ausgehend Der Verband soll den Gewebsaufbau fördern und schützen. Das Granulationsgewebe kann sich nur dann gut entwickeln, wenn in ausgewogenem Maße physiologisches Sekret vorhanden ist, das ein feuchtes Wundmilieu kreiert, in dem sich die Zellaktivitäten entfalten und die nutritiven Vorgänge ablaufen können. Das Wundbett darf nie austrocknen und muss permanent feucht gehalten werden. Die zur Verfügung stehenden hydroaktiven Wundauflagen ermöglichen es dabei, die Wunde problemlos feucht zu halten. 15

Faustregel: Belassen Sie den Verband so lange wie es die Umstände zulassen auf dem Wundbereich. Die Wunde benötigt nun ihre Wundruhe! Trockene Wunden PU- Schaumverbände oder vorzugsweise Hydrokolloidverbände in Verbindung mit Hydrogelen und Tamponaden (z.b. Calciumalginate) oder Kombinationsauflagen (kolloidaler Außenabschluss mit polymeren Wundkissen) erreichen dieses Ziel optimal. Sie nehmen einen Teil der Feuchtigkeit auf und lassen sich insbesondere problemlos wieder von der Wunde entfernen, ohne schon entstandenes Granulationsgewebe zu schädigen. Feuchte Wunden/nasse Wunden Bei feuchten Wunden sollten PU-Schaumverbände oder Superabsorber in Kombination mit Füllstoffen (Calciumalginate, Hydrofaser) angewendet werden, damit die übermäßige Sekretion aufgenommen werden kann und Stoffwechselprodukte oder Zelltrümmer in der Matrix gebunden werden können. Eine schnellere Erschöpfbarkeit des Verbandes ist zu erwarten, und somit häufiger ein Verbandwechsel durchzuführen. Hier helfen extrem quellfähige Wundfüllstoffe aus Hydrofaser mit hohem Aufnahmevermögen für Sekrete die Wechselintervalle zu verlängern und möglichst lange ein physiologisches Wundmilieu aufzubauen. 16

2.6.6 Epithelisierung Die Epithelisierung als Überhäutung der Wunde ist sehr eng mit der Ausbildung von Granulationsgewebe verknüpft. Dieses Gewebe ist rosa und findet sich an den Wundrändern und in kleinen Bezirken im gesamten Bereich der Wunde. Nur auf intaktem Granulationsgewebe ist die für die Epithelisierung notwendige Zellmigration vom Wundrand ausgehend möglich. Voraussetzung dafür ist eine ausreichende Wundfeuchte. Das Resultat dieser Re-Epithelisierung ist die Ausbildung eines dünnen gefäßarmen Ersatzgewebes mit fehlenden Epidermisbestandteilen wie Drüsen, Pigmentzellen. Definition: Dünne mit Epithel überzogene Granulationsschicht Merkmale dieser Phase: - Rückbildung des Granulationsgewebes - Narbenbildung durch Ausreifen der Kollagenfasern - Re-Epithelisierung der Wundoberfläche wird abgeschlossen - Wundkontraktion Verkleinerung der Wundfläche Primäres Ziel: Schutz dieser sehr vulnerablen Epithelschicht. Erhalt eines feuchten Wundmilieus. Probleme dieser Phase 1. Neu gebildete Zellen brauchen Feuchtigkeit. Bei der normalen Wundheilung wird das frische Granulationsgewebe mit einer neuen feinen Hautschicht überzogen. Epithelisierende Wunden brauchen ein feuchtes Wundmilieu, weil die neu gebildeten Epithelzellen vom Wundrand aus über das feuchte Granulationsgewebe wandern und so die Wunde verschließen. 2. Verzögerung der Wundheilung. Ein Austrocknen der Wunde, das in diesem Stadium besonders bei großflächigen Wunden häufig vorkommt, behindert die Zellwanderung. So wird eine abschließende Wundheilung verzögert. Lokale Behandlung: Bei noch feuchten Wundbereichen Erhalt dieses feuchten Milieus durch eine entsprechend dünne Wundauflage (Hydrokolloid). Bei Ausbildung einer trockenen Epithelschicht kann mit dünner lokaler Salbenbehandlung die Geschmeidigkeit der Epithelschicht unterstützt werden. Zeitgemäßes Wundmanagement heißt: Die Wunde in ihrer jeweiligen Heilungsphase unterstützen. Alles zu unterlassen, was diese Phasen stören könnte. Schaffen eines physiologischen, feucht-warmen Klimas. 17

2.6.7 Die infizierte Wunde Definition einer mit Mikroorganismen besiedelten Wunde Wundkontamination: Mikroorganismen sind vorhanden (jede chron. Wunde) Wundkolonisation: Mikroorganismen sind vorhanden, Keimzahl steigt Kritische Kolonisation Mikroorganismen sind vorhanden, Keimzahl steigt, Wundheilung stagniert Wundinfektion: Mikroorganismen sind vorhanden sowie lokale und systemische Infektionszeichen. Kritische Kolonisation Wenn die bakterielle Kolonisation einer chronischen Wunde eine kritische Grenze erreicht (> 10 5 Bakterien), wird das Gleichgewicht zwischen Keimbesiedelung und Abwehrreaktion des Patienten gestört und die Wunde zeigt eine Heilungsverzögerung. Klinische Zeichen dieser so genannten kritischen Kolonisation, die eine Zwischenstufe zwischen Kolonisation und Wundinfektion darstellt, sind vermehrte Schmerzen und Exsudatmenge, fragiles Granulationsgewebe und Stagnation der Wundheilung. In diesen Fällen ist der vorübergehende Einsatz von wenig gewebetoxischen Antiseptika oder von silberhaltigen Wundverbänden indiziert. Diagnostik: - Rötung der Wundumgebung - Spannung in der Wunde - Wundschmerz (fakultativ, cave bei Neuropathien) - Starke Sekretion, übelriechende Sekrete - Keimzahlen in der Wunde >10 5 KBE - Die Abstrichnahme bei neu aufgenommenen chronischen Wunden ist obligat! Die chronische Wunde zählt zur MRSA Risikogruppe. Ätiologie: Interne Infektion durch Fistelgänge zu interstinalen Organen Externe Infektion durch patienteneigen (interne) /externe Mikroorganismen Eingeschränkte oder fehlende lokale Immunreaktion Begünstigung durch: - neurotische, avitale Gewebereste in der Wunde - Wundtaschen, Wundhöhlen und schwer zugängliche Wundbereiche - geschwächten immunologischen Status - tropische lokale Ernährungsstörungen (Diabetes mell., Ulkus cruris) Behandlungsziel: Dekontamination der Wunde Reduktion des hohen Sekretaufkommens Entfernung von avitalen Geweberesten und Nekrosen Förderung der Wundgranulation Behandlungsstrategie: - Eröffnung der Wunde (bei primär geschlossenen Wunden) - weitreichendes chirurgisches Debridement ggf. second-lock-op - bei jedem Verbandwechsel Wundspülungen mit einem Antiseptikum (Octenidin, Polyhexanid) - permanente Spülungen mit Polihexanid-haltiger Lösung über einen kurzen Zeitraum (2-3 Tage) bei hohen Wundsekretmengen und ausgedehnten Wundverhältnissen - Einsatz von Silberpräparaten 18

bei hohen Sekretionsraten: offene Wundbehandlung mit dem Ziel einer schnellen Wundsäuberung und Dekontamination - tägliche Verbandwechsel, bei Bedarf häufiger - häufige Kontrollen auf ausreichende Wundfeuchte - nach ausgiebiger Wundreinigung Einlage von mit isothermer Ringerlösung oder kurzfristig polihexanidhaltige Lösungen (Lavanid, Prontosan ) getränkten Kompressen, die trocken steril abgedeckt werden - gegebenenfalls permanente Wundspülung mit Ringerlösung/Polihexanid bei abnehmenden Sekretionsraten und Rückgang der Infektionszeichen und Keimzahlen: geschlossene Wundbehandlung mit dem Ziel des möglichst langen Erhaltes eines physiologischen feuchtwarmen Wundmilieus. - Unterstützung der Funktion von Granulozyten, Phagozyten und Histiozyten - Unterstützung der Wirksamkeit von Zytokinen (Interkeukin-1, TNF-a) und Wachstumsfaktoren (bfgf, EGF, PDGF) - Förderung der Zellmigration zur Angiogenese und Gewebeneubildung - Reduktion der Keimzahlen Nach Debridement und Wundreinigung mit Ringerlösung und Desinfizienz, Einlage einer trockenen Saugkompresse (Calciumalginat) oder bei hoher Sekretionsrate/tiefer Wunde einer Hydrofaserwundeinlage. Bei noch hohen Keimzahlen oder/und hochresistenten Wundkeimen empfiehlt sich die primäre Anwendung einer mit einer Silberschicht bedampften Wundauflage direkt auf der Wundoberfläche (G. Müller et al.). Unter Okklusivverbänden werden die Keimzahlen durch Unterstützung immunkompetenter Zellen reduziert (Hutchinson J.J. et al. 1989). Merke: Nur dann eine geschlossene Verbandtechnik einsetzen, wenn der Verband mindestens 24 Stunden auf der Wunde belassen werden kann und die Keimzahl im Wundbereich abnimmt. Auch die Verbandwechsel infizierter Wunden sind grundsätzlich unter hygienischen Bedingungen durchzuführen! Lokale Antibiotika sind insbesondere für die Anwendung in chronischen Wunden nicht indiziert und daher abzulehnen. Sie verursachen zunehmende Multiresistenzen (Niedner R. t al., Modak S. et al., Mückley T. et al.) und haben häufig Lücken im Wirkungsspektrum. Hinzu kommt eine zunehmende Unverträglichkeitsproblematik, die durch den Einsatz von Kombinationspräparaten noch verschärft wird. Lokalantibiotika zeigen in vitro Untersuchungen ausgeprägte Wundheilungsstörungen (Sellmer W.2000). Nach entsprechender Resistenzprüfung sollten bei generellen Infektionszeichen (Fieber, Leukozytose, CRP hoch) Antibiotika systemisch eingesetzt werden 4. 4 Sedlarik KM, Piatek S. Lippert H. (1998) Wunden und Wundheilungsstörungen. In: Lippert H. (Hrsg.) Praxis der Chirurgie Allgemein- und Visceralchirurgie, Thieme, Stuttgart, New York, 190-207. Hutchinson J.J : Prevalence of wound infection under occlusive dressings: a collective survey of reported research. Wounds (1989): 123-133 G. Müller, Y. Winkler und A. Kramer, The Journal of Hospital Inektion, Volume: 53/3 Seite 211-214 Niedner R. et al. Zytotoxizität und Allergisierungsproblematik häufig eingesetzter antiinfektiver Lokaltherapeutika Modak S. Fox, CL. (1981) Sulfadiazine-silver-resistant pseudomonas in burns. Arch surg; 116:854-857 Mückley T., Lassner F (2001) Untersuchungen zu antibakteriellen Wirksamkeit von Lavasept und Mafenid bei Verbrennungswunden, ZfW, Juni, 20. Ausgabe Sellmer W. (2000) Pharmakokinetische, pharmakodynamische und ökonmische Aspekte von lokalen Antiseptika und Antibiotika. Krhs.-Hyg. + Inf. Verh. 22 Heft 4: 118-121. Niedner, R.: Inhibition of wound healing by topical antimicrobial agents. In: Altmeyer, P. (Ed.): Wound healing and skin physology. Springer, Berlin 1995, S. 435-448. 19

2.6.8 Stark sezernierende, großflächige Wunde Feuchte offene Wundbehandlungen Indikation: Wundverhältnisse, die aufgrund hoher Sekretionsraten eine geschlossene Behandlung nicht länger als 24 Stunden tolerieren. Infizierte Wunden mit hohem Interventionsbedarf (z.b. hohe Sekretmengen) Wunden mit Fisteln, die hohe Sekretmengen fördern oder/und Wunden mit sehr aggressiven Sekretcharakteristika (interstinale Sekrete) Wunden, die wegen ihres Zustandes (großflächig Beläge, Nekrosen) einer täglichen chirurgischen Intervention (ggf. Debridement) bedürfen. Auch für diese Verbandtechnik gilt insbesondere der Grundsatz: Eine Wunde darf nicht austrocknen, sondern muss im Falle einer nicht geschlossenen Epithelschicht immer feucht gehalten werden. Procedere: Reinigung der Wunde (mechanisch) Anfeuchtung der Wunde mit getränkten Wundfüllstoffen wie Baumwollgaze und/oder hochsaugfähiger Hydrofaser. Als Feuchtmedium sollte Ringerlösung verwendet werden. Wundabdeckung mit trockenem saugfähigem Verbandstoff. Verbandwechsel mindestens zweimal in 24 Stunden. Häufige Verbandkontrollen auf ausreichende Feuchtigkeit und Erreichen der Sättigungsgrenze bei hohen Sekretmengen, ggf. Verbandwechsel. (Wenn Wundsekrete den Verband durchtränkt haben ist diese Grenze erreicht.) Ggf. Flüssigkeitssubstitution bei hohen Sekretmengen. 20

2.7 Die Wundheilungsstörung Definition: Ziel: Stagnation der Wundheilung > 7 Tage Trotz stadiumsadaptierter lokaler Behandlung und erfolgreicher kausaler Therapie einer ursächlichen Systemerkrankung sind keine erkennbaren lokalen Heilungsfortschritte vorhanden, oder der Wundzustand verschlechtert sich ohne erkennbare Ursache (Infektion, Verschlechterung des kausalen Grundleidens). Häufig sind unzureichend behandelte oder nicht therapierbare Grunderkrankungen (Tumorleiden, fortgeschrittene Arteriosklerose, schwerer Diabetes mellitus mit Angiopathien) Ursache für solche Wundzustände. Resultierende Gewebeschäden in der Wunde führen immer wieder zum Einstrom immunogener Zellen, (Granulozyten, Magrophagen) die Zytokinine produzieren, die extrazelluläre Matrix abbauen und damit Zellwanderung und die Bildung von Bindegewebe unterbinden. Unterstützung der Wundheilung durch aktive lokale Therapeutika. Verbesserung der Wundperfusion. Hemmung der lokalen Entzündungsreaktionen. Optimierung der Stoffwechselsituation 21

2.7.1 Aktive lokale Wundbehandlung bei Problemwunden Aktive auf die Wundintegrität einwirkende Substanzen interagieren physikalisch, biologisch oder chemisch mit der Wunde und können so die Wundheilung maßgeblich beeinflussen. Da diese Therapieformen sehr kostenaufwändig und spezielle Kenntnisse in der Anwendung erforderlich sind, ist die Initiation und primäre Durchführung speziell geschulter Experten oder dem speziell geschulten Arzt vorbehalten. Der Wundexperte regelt ebenso die Materiallogistik und Überprüfung der Wirksamkeit durch ein engmaschiges Dokumentationsprozedere. Zur Grundauffassung bezüglich der Anwendung moderner High-Tech-Produkte gehört es, die außerordentlich wirksamen Produkte in der Wirksamkeit kontinuierlich zu überprüfen. Stellt sich nach kurzer Zeit (2-3 Tage) die gewünschte Wirkung nicht ein, so muß man die Anwendung des Produktes dringend hinterfragen und ggf. einen Therapiewechsel einleiten. 2.7.2 Die Vakuumversiegelung Indikation: Komplexe Wundverhältnisse mit tiefgehenden Wunden Hohe Wund-Flächenausdehnung Hohe Sekretionsraten Kontamination/Infektion mit Problemkeimen (MRSA, VRE) Meshed grafts Relative Kontraindikation (Anwendung durch Experten in besonders gelagerten Fällen) Fistel von Organen oder in großen Körperhöhlen Freiliegende Sehnen, Gefässe Nekrotische Wundoberfläche pavk (wichtig ist die Kausaltherapie!) Tumorwunden (palliative Behandlung) Absolute Kontraindikation Osteomyelitis (unbehandelt; - wichtig ist die Kausaltherapie!) Tumorwunden (kurative Behandlung Ausnahme die palliative Versorgung) Zur Vakuumversiegelung dürfen keine Redon Drainagen genutzt werden! Im Rahmen der Anwendung der Vakuumversiegelung sind die Richtlinien des MPG zu beachten. Merkmale Durch Applikation eines permanenten Vakuums auf die Wundoberfläche wird eine Beschleunigung der Wundkonditionierung um bis das Zehnfache erreicht. Die geschlossene Behandlungscharakteristik unterbindet jegliche sowohl endogene als auch exogene mikrobiologische Kontamination. Die Interventionsnotwendigkeit nimmt durch Verbandwechselintervalle von 3-7 Tagen erheblich ab. Prozess Die Wunde wird mechanisch gereinigt und falls notwendig weitgehend debridiert. Ein Polyurethanschwamm (PU) oder alternativ ein Polyvinyl-Alkohol-Schwamm (PVA) wird den Wundkonturen entsprechend zugeschnitten und in die Wunde eingelegt. Wundränder können bei Bedarf (z.b. bei Epidermisschäden) durch dünne Hydrokolloidauflagen geschützt werden. Komplett luftdichter Verschluss der Wunde. Applikation eines negativen Druckes über ein in die Versiegelungsfolie integrierten Saugpatch der über ein Schlauchsystem mit einem in der Vakuumpumpe integrierten Auffangbehälter verbunden ist. Die Sogstärke beträgt in der Regel 125 mmhg (PU-Schwamm) 250 mmhg (PVA-Schwamm). Die Behandlungsdauer ist vom Zustand der Wunde abhängig und richtet sich nach der Sekretionsmenge und dem Konditionierungsgrad der Wunde. 22

Hat die Wunde etwa Hautniveau erreicht und liegen die Sekretionsraten in einem niedrigen Bereich, kann auf die okklusiv-feuchte Wundversorgung übergegangen werden 5. 2.7.3 Protease modulierende Matrix Der Einsatz von oxydierter regenerierter Cellulose in Verbindung mit Kollagen in der Wundversorgung hat in klinischen Studien im Vergleich zu Feuchtverbänden mit kristalliner Kochsalzlösung signifikante Vorteile gezeigt. Bei exzessiver, extrazellulärer Proteolyse kommt es zur Dysregulation von Gewebeabbau und Gewebeaufbau und damit zu einem verstärkten Gewebeuntergang. Die in chronischen Wunden in hohem Maße nachzuweisende Proteaseaktivität ist ein Hinweis auf ein sistieren der Wunde im Zustand der inflammatorischen Phase. Die Protease modulierende Matrix ist in der Lage überschüssige Proteasen zu inaktivieren und damit die Wunde aus dem Zustand der andauernden Inflammation herauszuführen 6. Die Matrix wird angefeuchtet (Ringerlsg.) und in die Wunde eingebracht und mit einer geeigneten Wundabdeckung (Polyurethanschaum, Kombinationsauflage) abgedeckt. Sie ist selbstresorbierend, weshalb sich das Entfernen von Restmaterialien erübrigt 7. 2.7.4 Hyaluronsäure Hyaluronsäure ist ein Bestandteil der extrazellulären Matrix dessen Anwesenheit die Wundheilung unterstützt und fördert. Sie stimuliert die Bildung von Gefäßen und neuen Geweben. Hyaluronsäure ist in Form von Kompressen, Tamponaden als Pulver oder Spray (Convatec/Biocell) verfügbar und bildet zusammen mit dem Wundexsudat eine gelartige Masse, die den gesamten Wundgrund überzieht und die Wunde mit Hyaluronsäure anreichert. In allen Stadien der Wundheilung erfüllt die Hyaluronsäure wesentliche Funktionen. Sie stabilisiert die Matrix des Blutgerinnsels, lockt Entzündungsfördernde Makrophagen sowie Bindegewebs- und Epithelzellen ins Wundgebiet und stimuliert die Angiogenese. Ihre antiexsudativen, vasoprotektiven und fibrogenen Eigenschaften regulieren darüber hinaus den Entzündungsprozess, fördern die physiologischen Reparaturmechanismen und unterstützen so die Heilung des geschädigten Gewebes. Der Einsatz von Hyaluronsäure, einem natürlichen Mucopolysaccharid mit herausragenden hygroskopischen, rheologischen und viskoelastischen Eigenschaften, kann die Heilung komplizierter, schwer heilender Wunden fördern und beschleunigen. Cave! Die Anwendung von Hyaluronsäure kann zu lokalen Reaktionen wie Überwärmung und Hautrötung bis zu Missempfindungen und Schmerzen führen. Ob in diesen Fällen die lokale Therapie abzubrechen ist entscheidet der Arzt gemeinsam mit dem Wundkonsildienst. 5 Fleischmann W, Strecker W, Bombelli M, Kinzl L. [Vacuum sealing as treatment of soft tissue damage in open fractures]. Unfallchirurg1993; 96(9): 488-92. Fleischmann W, Lang E, Kinzl L. [Vacuum assisted wound closure after dermatofasciotomy of the lower extremity]. Unfallchirurg 1996; 99(4): 283-7 4. Banwell P, Withey S, Holten I. The use of negative pressure to promote healing. Br J Plast Surg 1998; 51(1): 79. Morykwas MJ, Argenta LC, Shelton-Brown EI, McGuirt W. Vacuum-assisted closure: a new method forn wound control and treatment: animal studies and basic foundation. Ann Plast Surg 1997; 38(6): 553-62. Philbeck TE, Whittington KT, Millsap MH, Briones RB, Wight DG, Schroeder WJ. The clinical and cost effectiveness of externally applied negative pressure wound therapy in the treatment of wounds in home healthcare Medicare patients. Ostomy Wound Manage 1999; 45(11): 41-50. Collier. Know-how: A guide to vacuum-assisted closure (VAC). Nurs Times 1997; 93(5): 32-3. Tang AT, Ohri SK, Haw MP. Novel application of vacuum assisted closure technique to the treatment of sternotomy wound infection. Eur J Cardiothorac Surg 2000; 17(4): 482-4.Muller G. [Vacuum dressing in septic wound treatment]. Langenbecks Arch Chir Suppl Kongressbd 1997; 114: 537-41. Kovacs L, Kloppel M, Geishauser S, Schmiedl S, Biemer E. Vacuum sealing: a new and promising regimen in the therapy of radiation ulcers. Br J Surgery 1998; 85: 70. Mullner T, Mrkonjic L, Kwasny O, Vecsei V. The use of negative pressure to promote the healing of tissue defects: a clinical trial using the vacuum sealing technique. Br J Plast Surg 1997; 50(3): 194-9. 6 Ghatnekar et al. 2002, Cullen et al.2002 Veves A. et al. 2002 7 CB., Smith D., Mucculloch E., Silcock D., Morrison L. Mechanism of action of Promogran, a protease modulating matrix, for the treatment of diabetic foot ucers; Wound Rep Reg 2002; 10:16-25 Ghatnekar O., Willis M., Cost-effectiveness of treating deep diabetic foot ulcers with Promogran in four European countries, J. of wound care 11(2) Feb 2003-06-06 Veves A. Sheenan P., Pham HT., Randomized controlled trial of Promogran vs standard treatment in the management of diabetic foot ulcer; Arch Surg 137, July 2002 23