Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes als Gegenstand des Personalvertretungsrechts



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Transkript:

Maßnahmen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes als Gegenstand des Personalvertretungsrechts Bestandsaufnahme und neuere Rechtsprechung Rechtsanwalt Dr. Ulrich Faber Uli-Faber@t-online.de 1

Übersicht I. als Gegenstand der Mitbestimmung II. III. IV. Bedeutung des Arbeitsschutzrechts für die Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz Verantwortung des Arbeitgebers/Dienstherrn für Maßnahmen des Arbeitsschutzes Kernelemente der Arbeits- und Gesundheitsschutzorganisation nach dem ASiG 2

Rechtsgrundlagen für Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz 75 BPersVG (3) Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluß von Dienstvereinbarungen mitzubestimmen über 11. Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und sonstigen Gesundheitsschädigungen, Die meisten LPVG s enthalten wortgleiche Bestimmungen zur Mitbestimmung (z.b. 72 Abs. 4 Nr. 7 LPVG NW; 85 Abs. 1 Nr. 7 PersVG BE) 3

Abweichende Formulierungen: Niedersachsen als Beispiel 66 Nr. 11 LPVG Niedersachsen (1) Der Personalrat bestimmt insbesondere bei folgenden Maßnahmen mit: 11. einschließlich der Erstellung von Arbeitsschutzprogrammen sowie Regelungen, die der Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie dem Gesundheitsschutz auch mittelbar dienen, 4

Maßnahme Schlüsselbegriff für die Geltendmachung von Mitbestimmungsrechten Nur wenn Anliegen unter den Begriff der Maßnahme subsumiert werden kann, kann Mitbestimmung erfolgreich ausgeübt werden Ohne Maßnahme keine Mitbestimmung!! Maßnahmebegriff ist im Detail stark umstritten!! 5

Maßnahmebegriff Wie der Senat im Beschluß vom 18. Mai 1994 - BVerwG 6 P 27.92 - (ZfPR 1994, 148) zu der im Wortlaut identischen Regelung in 79 Abs. 1 Nr. 8 BaWüPersVG bereits zum Ausdruck gebracht hat, ist der in diesen Regelungen verwendete Begriff "Maßnahme" weit gefaßt; er umfaßt z.b. nicht nur die Anlage, Änderung, Ingangsetzung oder Außerbetriebnahme technischer Vorrichtungen, sondern auch organisatorische und personelle Entscheidungen. Zitat aus BVerwG vom 25.01.1995 6 P 19/93 = PersR 1995, 300 ff.; Hervorhebung U.F. 6

Beispiele für Maßnahmen (I) Technische Maßnahmen (z.b. VG Gelsenkirchen 26.02.2010 12c K 1656/09.PVL juris; nicht rechtskräftig) Der Fall: Auswahl und Installation neuer Rauchmeldeanlagen für den vorbeugenden Brandschutz an einer großen Hochschule Zustimmung wurde von der Dienststelle nicht eingeholt und Durchführung des Mitbestimmungsverfahrens verweigert Das sachliche Problem: Die ohne Zustimmung des Personalrats ausgewählten und installierten Rauchmelder gaben bei Betrieb singend pfeifende Geräusche ab, die bei der Forschungs- und Lehrtätigkeit extrem störten 7

Beispiele für Maßnahmen (II) Organisatorische Maßnahmen Oberbegriff für verschiedene Vorkehrungen zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit, insbes. Strukturentscheidungen über Einrichtung und inhaltliche Ausformung der Stellen von besonderen FunktionsträgerInnen (z.b. Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Sicherheitsbeauftragte; beispielhaft VGH Baden-Württemberg 11.03.2010 PL 15 S 1773/08 = PersR 2010, 455 ff. ) Festlegungen zur organisatorischen Umsetzung von Maßnahmen (z.b. Zeiträume für Prüfungen elektrischer Geräte, Begehungspläne zur Wirksamkeitskontrolle) Gestaltung der Arbeitsabläufe (z.b. Unterbrechungen von Bildschirmarbeit, 5 BildscharbV, vgl. auch BVerwG 08.01.2001 6 P 6/00) 8

Beispiele für Maßnahmen (III) Personelle Maßnahmen setzen organisatorische Strukturentscheidungen (z.b. Aufbau einer Beratungs- und Unterstützungsorganisation durch Fachkräfte für Arbeitssicherheit und BetriebsärztInnen) personenscharf um Beispiel: Bestellung von Strahlenschutzbeauftragten OVG Münster 13.07.2006 1 A 990/05.PVL juris Beachte!! Häufig spezielle Mitbestimmungstatbestände in den PersVGs der Länder, insbes. zu FASIs und BetriebsärztInnen Regelungen verkürzen oftmals Mitbestimmungsrechte, wenn Einigungsstelle insoweit nur Empfehlung aussprechen kann und kein Letztentscheidungsrecht besteht. 9

Gefährdungsbeurteilung und Maßnahmenbegriff Nach umstrittener Auffassung des BVerwG (14.10.2002 6 P 7/01) ist die Gefährdungsbeurteilung keine Maßnahme, sondern eine bloße Vorbereitungshandlung, die nicht der Mitbestimmung unterliegt 10

Gefährdungsbeurteilung und BVerwG (I) BVerwG 14.10.2002 6 P 7/01 (PersR 2003, 113 ff.): Eine Maßnahme im Sinne des Personalvertretungsrechts muss auf eine Veränderung des bestehenden Zustandes abzielen. Nach Durchführung der Maßnahme müssen das Beschäftigungsverhältnis oder die Arbeitsbedingungen eine Änderung erfahren haben (vgl. Beschluss vom 16. November 1999 - BVerwG 6 P 9.98 - Buchholz 251.95 51 MBGSH Nr. 2 S. 2; Beschluss vom 28. März 2001 - BVerwG 6 P 4.00 - BVerwGE 114, 103, 105). ( ) 11

Gefährdungsbeurteilung und BVerwG (II) BVerwG 14.10.2002 6 P 7/01 (PersR 2003, 113 ff.): Danach ist die Befragung der Beschäftigten durch Ausgabe der Prüflisten im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach 5 ArbSchG keine Maßnahme. Denn durch die Befragung als solche erfahren weder die Arbeitsverhältnisse noch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten eine Änderung. Durch sie werden Maßnahmen des Gesundheitsschutzes erst vorbereitet. 12

Folgen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts BVerwG skizziert umständliche, aber durchaus effektive Handlungsmöglichkeiten für Personalräte: Einwände gegen das Verfahren der Gefährdungbeurteilung sind im Zusammenhang mit Maßnahmen geltend machen Verweigerung der Zustimmung gegen eine beabsichtigte Maßnahme wg. unzureichender Gefährdungsbeurteilung BVerwG:Keine Pflicht Alternativvorschlag zu unterbreiten Wenn keine Maßnahme ergriffen werden: Initiativantrag BVerwG: Antrag Maßnahmen zu ergreifen, die nach Maßgabe einer veränderten Gefährdungsbeurteilung zu treffen sind 13

Gefährdungsbeurteilung und Maßnahmenbegriff Nach umstrittener Auffassung des BVerwG (14.10.2002 6 P 7/01) ist die Gefährdungsbeurteilung keine Maßnahme, sondern eine bloße Vorbereitungshandlung, die nicht der Mitbestimmung unterliegt Dies ist nicht überzeugend, da 5 ArbSchG Regeln für die Entscheidungsfindung aufstellt (systematische Ermittlung und Bewertung der Gefährdungen als gesetzlich verlangte Entscheidungsgrundlage) Neuerdings Absetzbewegung von BVerwG-Rechtsprechung durch VG Dresden 31.03.2010 9 L 118/10 juris Maßnahmebegriff umfasst auch das Erkennen und Aufspüren von Gefährdungsquellen für die Gesundheit (im Vorfeld von Krankenrückkehrgesprächen Weitere Entwicklung bleibt abzuwarten 14

Vom BPersVG abweichendes Landesrecht am Beispiel Niedersachsen 66 Nr. 11 LPVG Niedersachsen (1) Der Personalrat bestimmt insbesondere bei folgenden Maßnahmen mit: 11. einschließlich der Erstellung von Arbeitsschutzprogrammen sowie Regelungen, die der Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie dem Gesundheitsschutz auch mittelbar dienen, Mitbestimmung Gefährdungsbeurteilung bejaht: VG Göttingen 7.3.2001 7 A 7003/99 = PersR 2001, 35 ff. 15

Übersicht I. als Gegenstand der Mitbestimmung II. III. IV. Bedeutung des Arbeitsschutzrechts für die Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz Verantwortung des Arbeitgebers/Dienstherrn für Maßnahmen des Arbeitsschutzes Kernelemente der Arbeits- und Gesundheitsschutzorganisation nach dem ASiG 16

Maßnahmen zum gesetzesgebunden und freiwilligen Arbeitsschutz Der Mitbestimmungstatbestand erfasst Arbeitsschutzmaßnahmen, die nach gesetzlicher Vorschrift oder aus freiem Entschluss des Dienststellenleiters ergriffen werden sollen, um die Beschäftigten allgemein zu schützen oder vor konkreten Gefahren zu bewahren, welche die Tätigkeit auf bestimmten Arbeitsplätzen mit sich bringt (Beschluss vom 25. August 1986 - BVerwG 6 P 16.84 - Buchholz 238.3 A 75 BPersVG Nr. 46 S. 53; Beschluss vom 18. Mai 1994 - BVerwG 6 P 27.92 - PersR 1994, 466). (Zitat aus BVerwG 08.01.2001 6 P 6/00 = PersR 2001, 154 ff.; Hervorhebungen U.F.) Mitbestimmungspflichtig sind Pflicht und Kür 17

Pflicht und Kür bei der Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts (I) Gerichtspraxis zeigt, dass Maßnahmen tendenziell selten arbeitsschutzrechtlich begründet werden Ungeachtet der weiten Fassung des Mitbestimmungstatbestandes ist Differenzierung zwischen Pflicht und Kür nicht entbehrlich Das Ob und das Schutzziel stehen bei gesetzlichem Mindestanforderungen anders als bei freiwilligen Maßnahmen nicht zur Disposition des Arbeitgebers/Dienstherrn Offen ist in aller Regel das Wie ; hier greift die Mitbestimmung Arbeitsschutzrechtlich begründete Initiativanträge können nicht abgelehnt werden, weil die Dienststelle Maßnahmen für nicht geboten hält 18

Pflicht und Kür bei der Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts (II) Berufung auf Arbeitsschutzrecht verlangt hinreichende Konkretisierung anhand der einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsschutzrechts Beispiel: Reinigungshäufigkeit von Diensträumen Nur dann, wenn die Hygiene am Arbeitsplatz in gravierendem Umfang vernachlässigt wird, kann dies für die Beschäftigten zu einer Gesundheitsgefährdung führen. Daß unter Berücksichtigung der vorgesehenen Reinigungshäufigkeit bei den hier in Rede stehenden Diensträumen eine derartige Gefährdung besteht oder befürchtet werden muß, ist aber weder von dem Antragsteller vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. (Zitat aus BVerwG 25.08.1986 6 P 16/84 = PersR 1986, 235 ff.) 19

Pflicht und Kür bei der Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts (III) Keine Erwähnung von ArbStättV und ArbSchG in BVerwG 25.08.1986 6 P 16/84 = PersR 1986, 235 ff. ArbStättV-1975 war 1986 nicht im öffentlichen Dienst anwendbar Spätestens seit 1996 (Inkrafttreten des ArbSchG) ist dies anders ArbSchG und Arbeitsschutzverordnungen gelten in allen Tätigkeitsbereichen, d.h. auch im öffentlichen Dienst ( 1 Abs. 1 ArbSchG) 20

Pflicht und Kür bei der Geltendmachung des Mitbestimmungsrechts (IV) 4 Abs. 2 ArbStättV Der Arbeitgeber hat dafür zu sorgen, dass Arbeitsstätten den hygienischen Erfordernissen entsprechend gereinigt werden. Verunreinigungen und Ablagerungen, die zu Gefährdungen führen können, sind unverzüglich zu beseitigen. 4 Nr. 3 ArbSchG bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen; Es gibt hygienische Erkenntnisse, insbes. auch die DIN 77400 zur Gebäudereinigung von Schulen Auch Individualansprüche, vgl. Kohte/Faber jurispr-arbr 33/2009 Anm. 5 (zu LAG Rheinland-Pfalz 09.12.2008 9 Sa 427/08) 21

Übersicht I. als Gegenstand der Mitbestimmung II. III. IV. Bedeutung des Arbeitsschutzrechts für die Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz Verantwortung des Arbeitgebers/Dienstherrn für Maßnahmen des Arbeitsschutzes Kernelemente der Arbeits- und Gesundheitsschutzorganisation nach dem ASiG 22

Maßnahme der Dienststelle Ein Initiativrecht des Personalrats nach 70 LPVG besteht freilich nicht schon dann, wenn die fragliche Angelegenheit nach Maßgabe eines der dort genannten Tatbestände an sich mitbestimmungspflichtig ist und insofern auch ein Vorbehalt gesetzlicher oder tariflicher Regelung nicht eingreift. Vielmehr setzt es voraus, dass die Dienststelle, bei welcher der Personalrat gebildet ist, die von dem Personalrat beantragte Maßnahme mit im Rechtsverkehr verbindlicher Wirkung überhaupt treffen kann, d.h. insbesondere dass diese Dienststelle in der fraglichen Angelegenheit - für die vom Personalrat vorgeschlagene und begehrte Maßnahme im Rahmen ihrer Zuständigkeit zur Entscheidung befugt ist (BVerwG, Beschluss vom 14.09.1983-6 P 21.82 -, Buchholz 238.3A 82 BPersVG Nr. 10; Senatsbeschluss vom 08.05.1990-15 S 3129/89 -, a.a.o.). (Zitat aus VGH Baden-Württemberg 11.03.2010 PL 15 S 1773/08 = PersR 2010, 455 ff., Hervorhebungen U.F.) 23

Arbeitsschutz als Pflicht des Arbeitgebers / Dienstherrn Grundsatz: Der Arbeitgeber hat Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu gewährleisten Zentrale Arbeitsschutzpflichten sind an den Arbeitgeber adressiert Legaldefinition des Arbeitgeberbegriffs durch 2 Abs. 3 ArbSchG Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes sind natürliche und juristische Personen und rechtsfähige Personengesellschaften, die Personen nach Absatz 2 beschäftigen. Arbeitgeber im arbeitsschutzrechtlichen Sinne ist danach der Dienstherr, der BeamtInnen und Angestellte beschäftigt 24

Arbeitgeberbegriff und Zuständigkeiten der Schulträger (I) Ausgangslage VGH Baden-Württemberg 11.03.2010 PL 15 S 1773/08 = PersR 2010, 455 ff. Nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG, 5) muss der Arbeitgeber Fachkräfte für Arbeitssicherheit zur Beratung und Unterstützung im Arbeits- und Gesundheitsschutz bestellen Nach 16 ASiG ist auch im öffentlichen Dienst ein den Grundsätzen des ASiG gleichwertiger Arbeitsschutz zu gewährleisten Da dies für LehrerInnen in Baden-Württemberg noch nicht geschehen war, stellte der HPR Initiativantrag zur Bestellung von FASIs 25

Arbeitgeberbegriff und Zuständigkeiten der Schulträger (II) Ablehnung des Initiativantrages durch die Dienststelle, da die Kosten der FASIs nach dem Finanzausgleichsgesetz von den Schulträgern, d.h. Kommunen zu tragen sind Sicherheitstechnische Betreuung knüpft an Räumlichkeiten der Schulen an, für die die Schulträger auch historisch gewachsen zuständig seien Nach Auffassung der Dienststelle keine Befassungskompetenz des Personalrats und somit kein Raum für ein Initiativrecht 26

Arbeitgeberbegriff und Zuständigkeiten der Schulträger (III) Kernaussage des VGH Baden-Württemberg Arbeitgeber der gemäß 38 Abs. 1 des Schulgesetzes - SchG - im Dienst des Landes stehenden Lehrer an öffentlichen Schulen, also auch an Grund-, Haupt-, Realund Sonderschulen, ist das Land als Dienstherr, handelnd durch die weitere Beteiligte. Das Land - und nicht der Schulträger ist dies auch, soweit es um die aus dem Arbeitssicherheitsgesetz resultierenden Verpflichtungen gegenüber den Lehrkräften an öffentlichen Schulen geht. (Zitat aus VGH Baden-Württemberg 11.03.2010 PL 15 S 1773/08 = PersR 2010, 455 ff., Hervorhebungen U.F.) 27

Arbeitgeberbegriff und Zuständigkeiten der Schulträger (IV) Wesentliche Begründung des VGH Baden-Württemberg (I) Zum anderen - und vor allem - folgt die Verantwortlichkeit des Landes aber aus seiner beamtenrechtlichen bzw. arbeitsrechtlichen Fürsorgepflicht gegenüber den in seinen Diensten stehenden Lehrkräften, die gerade auch die Verpflichtung des Dienstherrn bzw. des Arbeitgebers umfasst, die Lehrkräfte an ihrem Arbeitsplatz gegen Gefahren für Leben und Gesundheit bestmöglich zu schützen (BVerwG, Urteil vom 13.09.1984-2 C 33.82 -, DB 1984, 2308; BAG, Urteil vom 10.03.1976-5 AZR 34/75 -, VersR 1977, 147; VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 03.05.2006-9 S 778/04 -, ESVGH 56, 222). (Zitat aus VGH Baden-Württemberg 11.03.2010 PL 15 S 1773/08 = PersR 2010, 455 ff., Hervorhebungen U.F.) 28

Arbeitgeberbegriff und Zuständigkeiten der Schulträger (IV) Wesentliche Begründung des VGH Baden-Württemberg (II) Als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums (BVerfG, Beschluss vom 07.11.2002-2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106, 225) kann diese gegenüber beamteten Lehrkräften bestehende Pflicht durch die Regelung in 48 Abs. 2 SchG nicht verdrängt werden. Im Übrigen ist dies auch nicht Zielrichtung des 48 Abs. 2 SchG. Auch die Regelungen über den Schullastenausgleich, insbesondere 15 Abs. 2 FAG bzw. 1 der Verordnung des Kultusministeriums, des Innenministeriums und des Finanzministeriums über die Durchführung des Schullastenausgleichs vom 21.02.2000 - Schullastenverordnung - SchLVO - (GBl. S. 181), entbinden als Regelungen über die Kostenlast das Land nicht von seiner Fürsorgepflicht. (Zitat aus VGH Baden-Württemberg 11.03.2010 PL 15 S 1773/08 = PersR 2010, 455 ff., Hervorhebungen U.F.) 29

Arbeitgeberbegriff und Zuständigkeiten der Schulträger (V) Schlussfolgerungen aus dem Beschluss des VGH Baden- Württemberg Sicherheit und Gesundheit sind originäre Pflichten des Dienstherrn gegenüber den Lehrkräften Die Regelungen über die Lastenverteilung zwischen Schulhoheitsträgern und Schulträgern betreffen die Binnenorganisation der Schulverwaltung, nicht aber das Außenverhältnis zu den Lehrkräften Im Konflikt- und Zweifelsfall muss das Land, z.b. durch aufsichtsrechtliche Maßnahmen Sicherheit und Gesundheit der Lehrkräfte gewährleisten Konflikte zwischen Land und Kommunen über Schullasten dürfen nicht zu Lasten der Sicherheit und Gesundheit der Lehrkräfte gehen. 30

Parallelproblem: Angemietete Arbeitsstätten (I) Zitat aus VG Gelsenkirchen vom 26.02.2010 12c K 1656/09.PVL Dem Einbau der neuen Brandmeldeanlagen in den Gebäuden der N-Reihe der liegt keine Entscheidung des beteiligten Rektors zugrunde, die regelnden Charakter hat. Denn eine solche obliegt ausschließlich dem BLB NRW, ohne dass der Hochschulleitung daneben ein eigener Entscheidungsspielraum zusteht und ihr die Entscheidung des BLB NRW zuzurechnen ist. 31

Parallelproblem: Angemietete Arbeitsstätten (II) Zitat aus BVerwG vom 09.09.2010 6 PB 12.10 c) Eine andere Frage ist, ob der Antragsteller im Wege des Initiativrechts nach 66 Abs. 4 NWPersVG verlangen kann, dass der Beteiligte seine Rechtsstellung als Vermieter der fraglichen Räumlichkeiten im Dienstgebäude des Universitätsklinikums mit dem Ziel nutzt, die Überwachung der Beschäftigten durch die kuweitische Botschaft für die Zukunft zu beseitigen oder soweit als möglich zu begrenzen (vgl. dazu Beschlüsse vom 29. September 2004 BVerwG 6 P 4.04 - Buchholz 251.5 69 HePersVG Nr. 1 S. 5 und vom 9. Januar 2008 - BVerwG 6 PB 15.07 - Buchholz 251.2 85 BlnPersVG Nr. 14 Rn. 8). 32

Parallelproblem: Angemietete Arbeitsstätten (III) Einordnung des Beschlusses BVerwG 09.09.2010 6 PB 12.10 Vorrangig bleibt die vom VGH Baden-Württemberg herausgearbeitete arbeitsschutzrechtliche Verantwortung der Dienststelle und Zurechnung als Maßnahme der Dienststelle Argumentative Ergänzung von Initiativanträgen, wenn Dienststelle untätig bleibt bei gesundheits- und sicherheitsrelevanten Maßnahmen des Vermieters Greift vor allem bei der Einrichtung der Arbeitsstätte und Auswahl der Ausstattungsgegenstände Im Übrigen gilt: Das Betreiben der Arbeitsstätte ist unabhängig davon eine originäre Entscheidung der Dienststelle als Betreiberin 33

Übersicht I. als Gegenstand der Mitbestimmung II. III. IV. Bedeutung des Arbeitsschutzrechts für die Mitbestimmung im Arbeits- und Gesundheitsschutz Verantwortung des Arbeitgebers/Dienstherrn für Maßnahmen des Arbeitsschutzes Kernelemente der Arbeits- und Gesundheitsschutzorganisation nach dem ASiG 34

Mindeststandards an Arbeitsschutzorganisation ( 16 ASiG) Nach 16 ASiG ist im öffentlichen Dienst ein den übrigen Bestimmungen des ASiG gleichwertiger Arbeitsschutz zu gewährleisten Hieraus folgt, dass nicht nur FASIs und Betriebsärzte zu bestellen sind, sondern dass diese nach Maßgabe des ASíG eine in der Dienststellenorganisation exponierte Position einnehmen müssen (vgl. insbes. 8 ASiG) Gesetzgeberisches Ziel: Erhöhung des Wirkungsgrades der Beauftragten nach dem ASiG 35

Organisatorische Einbindung der FASI BAG 15.12.2009 9 AZR 769/08 = NZA 2010, 506-511 Fall: Eine leitende FASI, die in der Vergangenheit dem Bürgermeister direkt unterststellt war, sollte im Rahmen einer Strukturreform dem Geschäftsbereich 1 Zentrale Steuerung und Service zugeordnet werden. Entscheidung des BAG Umorganisation ist zurückzunehmen, da so kein gleichwertiger Arbeitsschutz im öffentlichen Dienst gewährleistet ist 36

Leitsätze BAG 15.12.2009 1. Der Arbeitgeber ist gem. 8 Abs 2 ASiG verpflichtet, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigte (leitende) Fachkräfte für Arbeitssicherheit (mindestens) unmittelbar dem Leiter des Betriebs im Rahmen einer Stabsstelle fachlich und disziplinarisch zu unterstellen. (Rn.29) Diese herausgehobene Einordnung in der betrieblichen Hierarchie gehört zu den strukturprägenden Grundsätzen des ASiG. (Rn.32) 2. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung ist gem. 16 ASiG ein den Grundsätzen des ASiG gleichwertiger Arbeitsschutz zu gewährleisten. (Rn.38) (Rn.42) Dies beinhaltet auch das unmittelbare fachliche und disziplinarische Unterstellungsverhältnis der (leitenden) Fachkraft für Arbeitssicherheit entsprechend 8 Abs 2 ASiG unter den Leiter der Dienststelle oder Behörde, für die sie bestellt ist. (Rn.44) 37

Auswirkungen von BAG 15.12.2009 9 AZR 769/08 Kollektivrechtlich kann im Wege der Mitbestimmung der vom BAG aufgezeigte Mindeststandard der organisatorischen Einbindung der FASIS durchgesetzt werden (z.b. durch Initiativanträge als organisatorische Maßnahme des Arbeitsschutzes) Das gilt auch für die Regelung des Verhältnisses des Personalrats zu FASIs und BetriebsärztInnen nach 9 Abs. 2 ASiG Z.B. zur organisatorischen Klarstellung der Verpflichtung zur Unterstützung des Personalrates FASIs und Betriebsärztinnen sind nicht nur Berater des Arbeitgebers / Dienststellenleitung 38