Globale Krise: Wie ist die Schweiz betroffen? Referat von. Jean-Pierre Roth. Präsident des Direktoriums. der. Schweizerischen Nationalbank



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Transkript:

Sperrfrist: Montag, 2. März 2009, 19.30 Uhr abcdefg Globale Krise: Wie ist die Schweiz betroffen? Referat von Jean-Pierre Roth Präsident des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank Schweizerisch-Deutscher Wirtschaftsclub Frankfurt Montag, 2. März 2009 Der Referent dankt Frau Dr. Petra Gerlach-Kristen, Organisationseinheit Forschung der Schweizerischen Nationalbank, Zürich, für die wertvolle Unterstützung bei der Vorbereitung dieses Referats.

2. März 2009 2 1. Einleitung Meine sehr geehrten Damen und Herren Es freut mich sehr, heute Abend in Ihrem Kreis sprechen zu dürfen und damit eine Tradition von Referaten der Schweizerischen Nationalbank in Ihrem Club fortzuführen. Mein Thema heute ist die globale Krise und ihre Auswirkungen auf die Schweiz. Ich sage hierbei bewusst Krise und nicht mehr Finanzkrise, wie ich es noch vor einigen Monaten getan hätte, denn was mit Verwerfungen im Geldmarkt begann, betrifft nun die Wirtschaft als Ganzes. Lassen Sie uns zurückblicken: Direkter Auslöser der Krise waren Subprime-Hypotheken in den USA. Die Straffung der Geldpolitik durch die Federal Reserve in den Jahren 2004 bis 2006 nach einer Phase sehr niedriger Zinsen bedeutete für Hypothekarschuldner einen Anstieg der monatlichen Zinszahlungen. Die Ausfallraten begannen zu steigen, und in der ersten Jahreshälfte 2007 wuchs die Unsicherheit darüber, wie viel Wertschriften, die auf verbrieften Hypotheken beruhen, eigentlich wert waren. Dies führte dazu, dass auch der Wert von anderen strukturierten Finanzprodukten hinterfragt wurde. Das gegenseitige Vertrauen der Banken schwand. Im August 2007 kam der Interbankenmarkt weltweit praktisch zum Erliegen, und die Zentralbanken begannen, massiv Liquidität in den Geldmarkt zu pumpen. In den folgenden Monaten wurden die Bedingungen für Zentralbankkredite gelockert, die Laufzeiten erhöht, die Zentralbankzinsen gesenkt und Notkredite gewährt. Hiobsbotschaften von Finanzinstituten waren an der Tagesordnung. Regierungen schossen Kapital in notleidende Banken ein. Banken reduzierten ihre Risikopositionen, indem sie ihre Bilanzen verringerten. Dies trug zum Einbruch der Aktienmärkte bei, an denen massiv Vermögen vernichtet wurde. Die allgemeine Unsicherheit führte dazu, dass Banken begannen, Liquidität zu horten. Unternehmungen hatten Schwierigkeiten, sich auf dem Kapitalmarkt zu refinanzieren, und sahen sich zugleich mit verschärften Bedingungen für Bankkredite konfrontiert. Die Erwartung steigender Arbeitslosenzahlen und eines einbrechenden Konsums belasteten die

2. März 2009 3 Finanzmärkte weiter. Die Spirale begann sich zu drehen: vom Bankensektor hin zur Realwirtschaft und wieder zurück zum Bankensektor. Wir leben heute also in einer sehr viel düstereren Welt als noch vor zwei Jahren. Bevor ich mich mit den Auswirkungen der globalen Krise auf die Schweiz befasse, möchte ich kurz auf die guten alten Zeiten zurückblicken und die Frage beantworten, in welcher Ausgangslage sich die Schweiz zu Anfang der Krise befand. Die Schweiz war und ist eine Plattform für globale Tätigkeit. Unsere Wirtschaft ist hoch kompetitiv, leidet nicht an strukturellen Problemen und hat einen starken High-Tech-Sektor. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sahen wir in den letzten Jahren keinen Immobilienboom. Der Staatshaushalt war ausgeglichen, die Arbeitslosigkeit sank und die Wirtschaft wuchs für Schweizer Verhältnisse rasch. Motoren des Wachstums waren in erster Linie der private Konsum und die Exporte. Der grösste Anteil dieser Exporte knapp 9% unseres Bruttoinlandprodukts gingen 2007 nach Deutschland, unserem wichtigsten Handelspartner. Gleichzeitig stammten auch die meisten unserer Importe aus Deutschland, und die ständige deutsche Wohnbevölkerung in der Schweiz nahm aufgrund der Erleichterungen in der Einwanderung, die in den bilateralen Verträgen ausgehandelt worden waren, markant zu. Heute besitzen 2,5% der Schweizer Wohnbevölkerung einen deutschen Pass. Gar ein Achtel unserer Bevölkerung hat einen EU-Pass, und ein Viertel unserer Arbeitsplätze ist von Ausländern besetzt. Die Zuwanderung trug dazu bei, dass das robuste Wirtschaftswachstum weder die Lohnforderungen noch die Inflation in die Höhe trieb. Die Schweiz befand sich vor der Krise also in einer starken Ausgangslage: Unsere Wirtschaft wuchs kräftig und war fest im europäischen und globalen Umfeld eingebettet.

2. März 2009 4 2. Auswirkungen der Finanzkrise auf die Schweiz Kommen wir also zur Finanzkrise und ihren Auswirkungen auf die Schweiz. Ich möchte zunächst auf die Krise am Finanzplatz eingehen und dann als zweites auf die realwirtschaftlichen Konsequenzen zu sprechen kommen. 2.1 Die Krise am Finanzplatz Der Vertrauensverlust unter den Banken, den die Subprime-Krise auslöste, verschonte auch Schweizer Finanzinstitute nicht. Betroffen davon waren bei uns in erster Linie die international tätigen Grossbanken, während andere Banken, wie zum Beispiel die Kantonalbanken, kaum negativ von der Krise tangiert wurden. Dies lag daran, dass die Kantonalbanken, im Gegensatz zu vielen Landesbanken in Deutschland, kaum in komplizierten Investitionsformen engagiert waren. Die Grossbanken jedoch sahen sich mit grossem Abschreibungsbedarf konfrontiert. Da die Credit Suisse und die UBS über eine überdurchschnittliche Kapitalisierung verfügten, schien die Krise anfangs gut verkraftbar. Beide Banken nahmen auch früh neues Kapital auf, als die Bedingungen noch vergleichsweise günstig waren. Als sich allerdings das tatsächliche Ausmass der Krise abzuzeichnen begann, musste sich die UBS an den Staat wenden. Am 16. Oktober 2008 wurde die Gründung einer Zweckgesellschaft bekanntgegeben, die illiquide UBS-Aktiven übernehmen sollte. Ziel dieser Massnahme war es, die UBS rasch vom Risiko dieser illiquiden Wertpapiere zu entlasten und damit die Finanzstabilität in der Schweiz zu sichern. Die neue Gesellschaft kann mit einem anderen Zeithorizont operieren als eine Geschäftsbank und ist deshalb besser in der Lage, die illiquiden Wertschriften lange zu halten. Wir betrachten die Gründung des sogenannten StabFunds bisher insgesamt als einen Erfolg. Zwar haben die illiquiden Aktiva tatsächlich weiter an Wert verloren, aber gerade das unterstreicht, wie wichtig ihre Auslagerung aus der UBS-Bilanz war. Im internationalen Vergleich wurde das UBS-Hilfspaket früh geschnürt. Die Grösse des Pakets, ausgedrückt in Prozent des Bruttoinlandprodukts der Schweiz, liegt im internatio-

2. März 2009 5 nalen Durchschnitt. Wir denken, dass der Schweizer Staat mit dieser Reaktion auf die Krise sowohl seiner nationalen als auch seiner internationalen Verantwortung gerecht geworden ist. Mit der Hilfe für die UBS hat die Schweizerische Nationalbank ihre Aufgabe wahrgenommen, einen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems zu leisten. Wir haben während der Krise aber natürlich auch geldpolitische und liquiditätstechnische Massnahmen getroffen. Die Geldpolitik, die wir in Bezug auf ein Zielband für den 3-Monats-Libor formulieren, haben wir seit Oktober 2008 um 2¼ Prozentpunkte gelockert. Vielleicht erscheint Ihnen dieses Datum Oktober 2008 als relativ spät. Man darf aber nicht vergessen, dass der Oelpreis und die Konsumentenpreisinflation in der Schweiz ihren Höchststand erst im Juli 2008, also vor nur acht Monaten, erreichten. Die Konsumentenpreisinflation betrug damals 3,1%. Als sie dann zu fallen begann, lockerten wir die Geldpolitik. Das heisst aber nicht, dass wir bis letzten Herbst tatenlos waren. Seit Ausbruch der Krise haben wir die Banken grosszügig mit Liquidität versorgt. Unser Ziel war es, trotz steigender Spreads am Geldmarkt den 3-Monats-Libor unter Kontrolle zu halten. Dank einer aktiven Repopolitik zwischen August 2007 und September 2008 erreichten wir dieses Ziel und konnten dadurch bis anhin verhindern, dass die internationale Verschärfung der Kreditbedingungen auch die Schweiz erfasste. 2.2 Die Krise in der Realwirtschaft Die Schweizer Wirtschaft wuchs 2008 solide. Allerdings zeigt eine genauere Betrachtung, dass das Wirtschaftswachstum im Laufe des Jahres zurückging. Das annualisierte Quartalswachstum fiel von +1,3% im ersten und zweiten Quartal auf +0,1% im dritten und -1,9% im vierten Quartal. Im Euroraum und in den USA schrumpfte die Wirtschaft bereits im zweiten bzw. dritten Quartal 2008. Im internationalen Vergleich zeigt sich der Schweizer Konsum robust. Nicht zuletzt liegt dies an der Immigration, auch aus Deutschland, die unsere Binnennachfrage stützt. Eine genaue Betrachtung der Daten zeigt, dass vor allem bei Lebensmitteln und Gütern der

2. März 2009 6 Unterhaltungselektronik die Nachfrage bisher ungebrochen ist. Der Einzelhandel wächst insgesamt weiter, obwohl der Konsum von Kleidern und die Autoneuzulassungen zu sinken begonnen haben. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass sich das Konsumentenvertrauen im Januar erstmals seit Beginn der Krise leicht erholt hat. Wichtig für die weitere Entwicklung des Konsums ist natürlich die Lage auf dem Arbeitsmarkt. Unsere Arbeitslosenquote lag im vergangenen Jahr bei 2,5%, aber Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit steigen seit dem Herbst. Während ursprünglich vor allem der Exportsektor betroffen war, nehmen jetzt die Entlassungen und die Kurzarbeit in der Industrie zu. Die Schweizer Grossbanken haben auf ihre hohen Verluste mit Umstrukturierungen und Personalabbau reagiert, und zugleich ist die Nachfrage aus dem Ausland nach Schweizer Finanzdienstleistungen zurückgegangen, so dass weitere Anpassungen nötig werden könnten. Natürlich hängt unser Bruttoinlandprodukt nicht nur vom Konsum ab. Die Staatsausgaben steigen, und das Bild bei den Investitionen und den Exporten ist leider ebenfalls unschön. Zur Zeit gehen Bau- und Ausrüstungsinvestitionen zurück. Letzteres spiegelt eine Unterauslastung der Produktion wider, die zu einem guten Teil auf einen Einbruch der Exporte im vierten Quartal 2008 zurückzuführen ist. Während zu Beginn der Krise vor allem die Exporte von Zwischenerzeugnissen und Maschinen vom Nachfragerückgang betroffen waren, schrumpfen jetzt auch die Exporte von Medikamenten und Uhren sowie der Tourismus. Der Hauptgrund ist die Schwäche der Weltnachfrage. Dazu kommt, dass sich der Wechselkurs gegenüber dem Euro seit dem Sommer 2007 um etwa zehn Prozent aufgewertet hat. Inwieweit unterscheidet sich die Lage der Schweiz von der Deutschlands? Insgesamt überwiegen die Gemeinsamkeiten. Auch in Deutschland gab es keine Immobilienpreisblase, die hätte implodieren können. Der deutsche Konsum ist denn auch, wie der Schweizer Konsum, bisher noch nicht massiv eingebrochen. Allerdings ist die Sorge der Deutschen um ihren Arbeitsplatz besonders gross, und die Konsumentenstimmung ist deutlich schlechter als in der Schweiz. Die Investitionen in Deutschland nehmen etwas stärker ab als bei uns.

2. März 2009 7 Massiv von der Krise betroffen ist die Automobilbranche, was sich direkt auf die Schweizer Zulieferindustrie auswirkt. Die deutschen Exporte schrumpfen wie die schweizerischen rasch. Die unterschiedliche Handelsstruktur wird hier die Entwicklung in der Zukunft beeinflussen: Während Deutschlands Exporte zu drei Vierteln in andere europäische Länder fliessen, sind es in der Schweiz nur zwei Drittel. Umgekehrt ist der schweizerische Handelsanteil mit den USA grösser als derjenige Deutschlands. Da sich die Wirtschaften der USA und Europas heute aber beide in einer Rezession befinden, ist dieser Unterschied derzeit ohne Konsequenzen. Die globale Krise scheint also insgesamt sehr ähnliche Wirkungen auf Deutschland und die Schweiz zu haben. Somit sind unsere Aussichten auf die wirtschaftliche Entwicklung, unsere geldpolitischen und regulatorischen Aufgaben und unsere Hoffnungen und Sorgen denn auch praktisch identisch. 3. Ausblick Was erwarte ich also für die Zukunft? Meine kurzfristige Vorhersage für die Realwirtschaft ist düster. 2009 wird die Schweizer Wirtschaft, zusammen mit derjenigen im übrigen Europa, schrumpfen. Während der private und staatliche Konsum vermutlich weiterhin als stützende Kraft wirkt, werden Investitionen und Handel weiter zurückgehen und die Arbeitslosigkeit wird ansteigen. Wann die Erholung einsetzt, hängt meines Erachtens vor allem von der amerikanischen Wirtschaft ab. Wenn die staatlichen Massnahmenpakete in den USA und eine erfolgreiche Bereinigung im Finanzsektor das Vertrauen von Konsumenten und Investoren in die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes wiederherstellen, werden von dort Wachstumsimpulse ausgehen, die der internationale Handel auf den Rest der Weltwirtschaft übertragen wird. Protektionismus, nationale Alleingänge und ein Abwenden von der Globalisierung sollten deshalb dringend vermieden werden. Die heutige Krise ist global, aber sie ist nicht eine Krise, die durch die Globalisierung ausgelöst wurde. Vielmehr ist sie das Resultat eines Disziplinmangels in den Industrie-

2. März 2009 8 nationen. Der hohe Verschuldungsgrad der Haushalte in den USA hat ganz entscheidend zum Entstehen der Finanzmarktblase und der globalen Ungleichgewichte beigetragen. Eine lockere Geldpolitik führte zudem bei Finanzinstitutionen zu einem Disziplinmangel. Dort wurden die Risiken von nicht krisengeprüften Anlagen mit hohen Erträgen unterschätzt, und viele Geschäftsbanken verhielten sich prozyklisch, was zum Teil auf schlecht konzipierte Anreizstrukturen zurückzuführen war. Die Krise hat Zentralbanken und Regierungen zu massiven Stabilisierungsmassnahmen im Bankensektor und in der Realwirtschaft veranlasst. Diese Reaktionen sind in ihrer Grösse gerechtfertigt, allerdings muss auch hier wieder an Disziplin gedacht werden. Die kurzfristige Flexibilität darf nicht die langfristige Glaubwürdigkeit der Geld- und Fiskalpolitik gefährden. Die geplante Einführung der Schuldenbremse in Deutschland, die es in ähnlicher Form in der Schweiz bereits seit 2003 gibt, ist eine Massnahme, mit der die fiskalpolitische Glaubwürdigkeit gewahrt werden kann. Wir Geldpolitiker setzen zur Zeit alles daran, die Finanzmärkte und die Realwirtschaft zu stabilisieren und gleichzeitig unserer Hauptaufgabe, nämlich der Wahrung der Preisstabilität in der mittleren und langen Frist, gerecht zu werden. So versuchen wir einerseits, die negativen Folgen der exzessiven Stimulierung in der Vergangenheit abzufedern, und andererseits, die Disziplin wieder in den Vordergrund zu stellen. Dies ist eine Voraussetzung, um die Weltwirtschaft wieder auf einen gesunden und nachhaltigen Wachstumspfad zurückzuführen.