Psychische Probleme am Arbeitsplatz: Lösungsansätze der verschiedenen Akteure Tagung der Psychiatrie Baselland Donnerstag, 26. Oktober 2017 1
Frau A., 1/2 37-jährig, Kanada, verheiratet, ein Kind IT-Spezialistin, Speditionsfirma 2010 von HA an mich überwiesen zur medikamentösen Beurteilung/Umstellung und Behandlung; Anamnese: * 2004: Depressive Erkrankung und 1. Hospitalisation * 2007: 2. Hospitalisation, Diagnosen: Depression und Schizophrenie Gute berufliche Integration, hohe Arbeits- und Lebenszufriedenheit Arbeitsqualität nicht beeinträchtigt, aber Energieaufwand durch Krankheit erhöht Quälende akustische Halluzinationen (Stimmenhören), depressiv Medikamentöse Umstellung Zunahme der Stimmen, Zunahme wahnhafter Überzeugungen Trotzdem: Immer arbeitsfähig (!!!) Weitere medikamentöse Anpassungen (u.a. Gewichtszunahme, Ängstlichkeit) 2
Frau A., 2/2 Schliesslich deutliche Beruhigung und Besserung Normalgewicht, sportliche Aktivitäten Gute und viele soziale Kontakte Regelmässige Kontrollen beim Hausarzt Fr. A. weiterhin 100% arbeitsfähig in forderndem beruflichen Umfeld Die ganze Zeit beruflich oft international unterwegs trotz Krankheit Niemand (ausser Familie) weiss von Krankheit! Aktuell sehr stabile gesundheitliche, private und berufliche Situation Regelmässige Medikation Weiterhin akustische Halluzinationen (kein Wahn, keine Depressionen) 3
Herr C., 1/2 50-jährig, verheiratet Private Firma, schweizweit, technische Apparate für Baugewerbe Urspr. Handwerker, in letzten Jahren Projektmanagement Massiv zunehmende Belastung (beruflich und zwischenmenschlich) Diskrepanz: Verantwortung für Grossprojekte seien Sie nicht so kleinlich Zunehmend depressive Dekompensation, AUF durch HA Zusätzliche Belastung: Betrieb der EF mit Umstrukturierungen, Schwierigkeiten mit entfernteren Familienangehörigen Anmeldung durch HA, Hr. C. bei Erstkontakt bei mir nervlich völlig am Ende Situation im ambulanten Rahmen sich nicht bessernd Stationäre Behandlung in einer auf Burn-Out spezialisierten Klinik (1 ½ Monate) Deutliche Verbesserung (keine Medikamente) trotz/wegen Kündigung durch AG Entscheid: Einbezug von IV und Jobcoaching Stiftung Rheinleben 4
Herr C., 2/2 Aktuell IV-unterstütztes Belastbarkeitstraining (zwar in berufsfremdem Bereich, Hr. C. aber begeistert) Geplant ist baldiger Wechsel in einen anderen Betrieb Zunehmend wieder private Interessen (v.a. auch handwerklicher Art) Zwar noch keine Festanstellung in Sicht, Hr. C. aber realistisch zuversichtlich Weitere Themen in der Therapie: Erkennen des eigenen Kräftehaushaltes, vernünftiger Umgang mit eigenen Energiereserven, Abgrenzung 5
Frau D., 1/2 35-jährig, verheiratet, 2 Kinder FH Chemie Festanstellung Chemikerin, kleines Team, sehr gutes Arbeitsklima, sehr guter Chef Entlassungswellen, innert 6 Jahren 10 verschiedene Chefs Ausfallende Kollegen nicht mehr ersetzt Belastung zu gross, Alkohol Zusammenbruch von Fr. D. -> Krankschreibung durch HA Anmeldung über den Hausarzt Abklingende depressive Krise in beruflicher Überlastungssituation Persönlichkeitsstruktur mit Abgrenzungsproblematik Keinerlei Wertschätzung Rückkehr an bestehenden Arbeitsplatz für Fr. D. unvorstellbar Kontakte mit HA, CM und Werkarzt 6
Frau D., 2/2 Idee von Fr. D. : Interner Wechsel zu ihrem ehemaligen Chef Kontakte mit Werkarzt Roundtablegespräche (Fr. D., Vorgesetzte, CM, Werkarzt) Interner Wechsel wird erst im Verlauf auch offiziell Thema Aktueller und ehemaliger Vorgesetzter arbeiten zusammen Neue Stelle kann für Fr. D. geschaffen werden Schrittweiser Wiedereinstieg von Fr. D. bei ehemaligem Chef E-Mail CM, 1 Jahr nach Erstkontakt in meiner Praxis: Heute fand das abschliessende Care Management Roundtablegespräch statt, Fr. D. hat neuen Vertrag und ist wieder zu 100% arbeitsfähig und reintegriert Keine depressiven Züge mehr, grosse Zuversicht Immer wieder Thema: Abgrenzung, eigene Grenzen (körperlich und emotional) 7
Anliegen aus der Sicht eines therapeutisch tätigen Psychiaters: Neben Erfolg und fachlicher Leistung sind im Beruf auch Anerkennung und Wertschätzung zentral wichtig Zu einem guten Arbeitsplatz gehören auch ein guter menschlicher Umgangston und Sicherheit: Sicherheit, Fehler machen zu dürfen, und Sicherheit, dass der Arbeitsplatz auch morgen noch besteht Wenn es zum Zusammenbruch von Menschen kommt, dann sind für sie lange Wartezeiten v.a. in der Zusammenarbeit mit der IV massiv belastend Eingeforderte Berichte (IV, Taggeld) sollen von Ärzten rasch und gut erledigt werden Mut zur Kontaktaufnahme von Ärzten mit der Arbeitswelt der Klienten Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben auch ein Leben ausserhalb der Arbeit: Engagieren Sie sich auch dort und lassen sie dies als Vorgesetzte auch zu! 8