Abbaubarkeit von Biokunststoffen an Land und im Meer Carmen Arndt, Simon McGowan, Hans-Josef Endres Marine Litter Fachgespräch, Hannover 04.04.2017 Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 1
1.Biologische Abbaubarkeit 2.Land-basierter vs. mariner Abbau 3.Bisherige Erkenntnisse 4.Mögliche Nischenanwendungen 5.Praktischer Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen im marinen Habitat?
Abbaubarkeit Abiotische Mechanismen Mechanisch Materialverlust, -schädigung durch Reibung, Druck und Zugkräfte Strahlung Ionisierung und Kettenkürzung Thermisch Änderung der Anordnung der Polymere Chemisch Bildung von freien Radikalen => Vernetzung oder Kettenkürzung Biologische Abbaubarkeit Abbau von Substanzen durch Mikroorganismen, wie Bakterien und Pilze und deren Enzyme zu den Endprodukten CO 2, Wasser und Zellmasse Mehrstufiger Prozess Biokorrosion Biofragmentierung Assimilierung z.b durch Bildung organischer Säuren Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 3
Biofragmentierung Bakterien Pilze Exo-Enzyme Oxygenasen Esterasen Lipasen Proteasen Polymer Kettenkürzung der Polymere Monomere Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 4
Assimilierung + Mineralisierung Bakterienzelle O 2 Energie Zellmasse CO 2, H 2 O Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 5
Nachweismethoden zur Abbaubarkeit von Kunststoffen Nachweis des Endabbaus nur möglich durch: Messung des CO 2 in geschlossenen Flaschen mittels Druckänderung oder Titration Physikalische/mechanische Eigenschaften können Hinweis geben Zugfestigkeit, Elastizität, Schmelztemp., kristalliner Anteil, Molekulargewicht Gewicht (kein direkter Nachweis) Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 6
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Land-basierter vs. mariner Abbau Land-basierter Abbau Meist wird Kompostierung betrachtet Relativ einheitliches Habitat Aerobes und feuchtes Milieu Temp: >60 C (industriell) => Hohe mikrobiologische Aktivität => Anerkannte Standards => EN 13432 und EN 14995 Eingeschränkte Übereinstimmung mit der Realität max. 6 Monate (Test) 3 Monate Rotte (Praxis) Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 8
Land-basierter vs. mariner Abbau Mariner Abbau Viele unterschiedliche Habitate Pelagial/Benthal Licht Aerob/anaerob Stark unterschiedliche Temperaturen Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 9
Oberflächentemperatur (20. März 2017) -0,2 15,2 32,5 C www.ospo.noaa.gov Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 10
Land-basierter vs. mariner Abbau Mariner Abbau Viele unterschiedliche Habitate Pelagial/Benthal Licht Aerob/anaerob Stark unterschiedliche Temperaturen => tlw. geringe mikrobielle Aktivität => sehr variable Zusammensetzung der Mikroorganismen => viele Standards mit unterschiedlichen Prüfparametern, Habitaten und Temperaturen 15-30 C Logo OK biodegradable Marine von Vinçotte ASTM 7081 (zur Zeit zurückgezogen) Prüftemp.: 30 C 30% Abbau nach höchstens 180 Tagen zu CO 2 Werbung mit dem Logo ist nur für begrenzte Produktgruppen erlaubt (z.b. Fischereibedarf) Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 11
Bisherige Erkenntnisse PHB > PLA bei 25 C Ergebnis: 9% und 0% Habitat: Meerwasser Dauer: nach ca. 10 Wochen (Tsuji et al. 2002) PHB > PLA bei 30 C Ergebnis: 17% und 2% Habitat: Meerwasser-Sediment Dauer: nach ca. 10 Wochen (Greene et al. 2012) PHBV-Folien bei 25 30 C Ergebnis: 7-10% Habitat: trop. Küstengewässer Dauer: nach ca. 5 Monate (Imam et al. 1999) PHBV-Pulver bei 25 C Ergebnis: 90% Habitat: Meerwasser-Sediment Dauer: nach ca. 7 Monate (Deroiné et al. 2015) Problematik: Vergleichbarkeit der Studien (Temperatur, Habitat, Form, Messparameter) Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 12
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Mögliche Anwendungen Bei schwer-vermeidbaren Verlusten z.b. Fischernetze Bioabbaubare Fluchtklappen bei Reusen zur Verhinderung von Ghostfishing Bei gezieltem Einsatz der Abbaubarkeit Deichstabilisierung, Muschelbankrestauration Unterstützung bei der Wiederansiedlung von Seegras (SeaArt-Projekt) Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 14
SeaArt-Projekt www.sea-art.org Maike Paul, TU Braunschweig, www.sea-art.org Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 15
Zwischenfazit Einheitliche und realistische Teststandards notwendig Zertifizierung nur möglich bei Test unter realen Umgebungsbedingungen Korrelation mit Temperaturen noch nicht bekannt Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen bisher nur sinnvoll in Nischenanwendungen Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 16
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Praktischer Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen für marine Anwendungen Zielgerichteter Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen auf marine Abbaubarkeit gestaltet sich schwierig! Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 18
Praktischer Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen für marine Anwendungen Marines Habitat Abbau- Eigenschaften Produktform Kunststoff- Eigenschaften Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 19
Praktischer Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen für marine Anwendungen Preis / Verfügbarkeit Marines Habitat Bereitstellung und Lagerung Produkt- Eigenschaften Abbau- Eigenschaften Produktform Kunststoff- Eigenschaften Kunststoff- Eigenschaften Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 20
Praktischer Einsatz von bioabbaubaren Kunststoffen für marine Anwendungen Produkt- Eigenschaften Abbau- Eigenschaften Biokunststoffe müssen von den Produkteigenschaften und Abbaueigenschaften geeignet sein Modifikation von Biokunststoffen! Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 21
Praktischer Einsatz von PLA für Marine Anwendungen Kommerziell verfügbar / Preis Technisch relativ ausgereift Additive kommerziell verfügbar Produkt- Eigenschaften X Geringer Abbau unter marinen Bedingungen Abbau- Eigenschaften Modifikation von PLA zur Verbesserung der marinen Abbaubarkeit Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 22
Modifikation von PLA durch Reisstärke Oberflächenstruktur für Besiedlung durch Mikroorganismen begünstigen Mikrobielle Aktivitäten am PLA-Produkt im marinen Habitat steigern Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 23
Modifikation von PLA durch Reisstärke Nachwachsender Rohstoff Biologisch abbaubar Toxisch unbedenklich Geringer Preis Gute Verarbeitbarkeit Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 24
Modifikation von PLA durch Reisstärke PLA Ingeo 3251D + 0,0% Stärke 5,0% Stärke 10,0% Stärke 15,0% Stärke Sep. Nov. 23 C Lagerung Teich: Lagerung DD-H2O: 6 Wochen 6 Wochen 12 Wochen 12 Wochen 18 Wochen Untersuchungsmethoden: Mechanische Kennwerte Molmassenbestimmung Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 25 Abb. Teich Von Bernhard Fried - Bernhard Fried, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=53823101
Modifikation von PLA durch Reisstärke Untersuchung der mechanischen Kennwerte Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 26
Modifikation von PLA durch Reisstärke Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 27
Modifikation von PLA durch Reisstärke Untersuchung der molaren Massen Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 28
Modifikation von PLA durch Reisstärke Bestimmung der Molmassen modifizierter PLA Proben (in Anlehnung an DIN 55672) Mp Mn Mw Polydispersität [g/mol] [g/mol] [g/mol] PD PLA 3251 + 15% Stärke / keine Wasserlagerung 64.502 32.905 78.667 2,5 PLA 3251 + 15% Stärke / 18 Wochen DD-H20 49.610 36.947 72.237 1,96 PLA 3251 + 15% Stärke / 6 Wochen Teich 46.662 28.001 61.804 2,29 Mw - Abweichung zu Referenz [%] 0 / Referenz 8,17 21,44 6 Wochen Teich PLA 3251 + 15% Stärke PLA 3251 + 15% Stärke Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 29
Modifikation von PLA durch Reisstärke 6 Wochen Teich PLA 3251 + 15% Stärke PLA 3251 + 15% Stärke 6 Wochen Teich Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und
Modifikation von PLA durch Reisstärke PLA 3251D + 15% Stärke (unbewittert) PLA 3251D + 15% Stärke (6 Wochen Teich) Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 31
Modifikation von PLA durch Reisstärke Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 32
Modifikation von PLA durch Reisstärke Diskussion der Ergebnisse Starke mikrobielle Aktivität im Teich Primärabbau konnte nachgewiesen werden Beeinflussung des (Primär)Abbaus möglich Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 33
Zusammenfassung Der Einsatz von bioabbaubaren Kunstoffen zur Reduzierung der Marine Litter Problematik ist nur dann sinnvoll, wenn ein Verlust des Produktes wahrscheinlich ist oder die Abbaubarkeit mit einer Funktion verknüpft ist Die praktische Umsetzung des Einsatzes gestaltet sich schwierig aufgrund fehlender Daten und unspezifischen Messmethoden. Des Weiteren sind auch immer die Anforderungen an das Produkt und die Bereitstellung zu berücksichtigen Modifikation von bioabbaubaren Kunststoffen für neue Anwendungen ist möglich und wahrscheinlich nötig Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 34
Vielen Dank! Bei weiteren Fragen: Dr. Carmen Arndt carmen.arndt@hs-hannover.de Simon McGowan simon.mcgowan@hs-hannover.de Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 35
Quellen Deroiné, Morgan; César, Guy; Le Duigou, Antoine; Davies, Peter; Bruzaud, Stéphane (2015): Natural Degradation and Biodegradation of Poly(3-Hydroxybutyrate-co-3-Hydroxyvalerate) in Liquid and Solid Marine Environments. In: J Polym Environ 23 (4), S. 493 505. Greene, Joseph (2012): CalRecycle: PLA and PHA Biodegradation in the Marine Environment. Hg. v. of Resources Recycling and Recovery. California State University Department, zuletzt geprüft am 18.07.2016. Imam, S. H.; Gordon, S. H.; Shogren, R. L.; Tosteson, T. R.; Govind, N. S.; Greene, R. V. (1999): Degradation of Starch Poly(β-Hydroxybutyrate-Co-β-Hydroxyvalerate) Bioplastic in Tropical Coastal Waters. In: Applied and Environmental Microbiology 65 (2), S. 431 437. Tsuji, Hideto; Suzuyoshi, Kaori (2002): Environmental degradation of biodegradable polyesters 1. Poly(ε-caprolactone), poly[(r)-3-hydroxybutyrate], and poly(l-lactide) films in controlled static seawater. In: Polymer Degradation and Stability 75 (2), S. 347 355. Hochschule Hannover IfBB Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe www.ifbb-hannover.de Seite 36