Was ist Immaterielles Kulturerbe?

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Transkript:

BASISINFORMATIONEN ZUM IMMATERIELLEN KULTURERBE ALLGEMEIN Was ist Immaterielles Kulturerbe? Immaterielles Kulturerbe sind lebendige kulturelle Ausdrucksformen, die unmittelbar von menschlichem Wissen und Können getragen werden. Hierzu zählen: mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen (z.b. traditionelle Gesänge, Sagen, Märchenerzählungen, Redensarten); darstellende Künste (z.b. Musik, Tanz, Theaterformen); gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste (z.b. Umzüge, Prozessionen, Karneval, Spiele); Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum (z.b. traditionelle Heilverfahren, landwirtschaftliches Wissen); traditionelle Handwerkstechniken. Menschen spielen die Schlüsselrolle beim immateriellen Kulturerbe. Wissen. Können. Weitergeben. ist die entscheidende Formel. Es ist eine lebendige Form unseres Erbes, das ständig neu geschaffen wird und neu entsteht, wenn Praktiken und Traditionen veränderten Umständen und Zeiten angepasst werden. Die Ausdrucksformen des immateriellen Kulturerbes werden als lebendige Alltagskultur von Generation zu Generation weitergegeben. Mehr noch als historische Bauwerke oder Landschaften sind diese oft nur mündlich tradierten Praktiken identitätsstiftend und für Gemeinschaften von hoher Bedeutung. Gerade im Zeitalter der Globalisierung gewinnen regionale Traditionen und lokales Wissen wieder an Bedeutung. Immaterielles Kulturerbe stärkt den sozialen Zusammenhalt in der Gemeinschaft. Es geht beim immateriellen Kulturerbe um die praktizierte Ausdrucksform und ihre Bedeutung für die jeweiligen Gemeinschaften und Gruppen. Warum ist das immaterielle Kulturerbe nicht Welt(kultur)erbe? Als Immaterielles Kulturerbe werden von der UNESCO lebendige Traditionen, Ausdrucksformen, menschliches Wissen und Können sowie darstellende Künste in aller Welt dokumentiert und geschützt. Als Welt(kultur)erbe gelten im Gegensatz dazu ausschließlich Baudenkmäler, Stadtensembles sowie Kultur- und Naturlandschaften.

Die UNESCO setzt sich in vielfältiger Weise für den Schutz und die Erhaltung des kulturellen Erbes ein. Die internationale Staatengemeinschaft hat dafür zahlreiche Übereinkommen geschaffen. Häufig begrifflich verwechselt werden die seit Konvention zum Schutz des Kultur- und Naturerbes (besser bekannt als Weltkulturerbe bzw. UNESCO-Welterbestätten) von 1972 und das UNESCO- Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes von 2003. Mit dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes wird den vielfältigen gelebten Traditionen international Aufmerksamkeit geschenkt. Zunächst werden kulturelle Ausdrucksformen in nationale Verzeichnisse aufgenommen. Dies ist eine wichtige Bestandsaufnahme der lebendigen kulturellen Traditionen eines Landes und hat bereits einen hohen Wert. Einzelne dieser Traditionen können dann für internationale Listen nominiert werden. Deutschland ist dem Übereinkommen 2013 beigetreten. Bisher gibt es noch kein nationales Verzeichnis und auch keine internationalen UNESCO-Einträge aus Deutschland. Nach dem UNESCO-Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt gelten Baudenkmäler, Stadtensembles und Kulturlandschaften, aber auch Industriedenkmäler und Kunstwerke wie Felszeichnungen von besonderem Wert für die Menschheit als Weltkulturerbe. Das Weltnaturerbe umfasst u. a. Naturlandschaften und Schutzreservate für Tiere und Pflanzen, die vom Aussterben bedroht sind, geologische Formationen und physikalische und biologische Erscheinungsformen, die von besonderem Wert für die Menschheit sind. In Deutschland gibt es 38 Welterbestätten. Insgesamt verzeichnet die UNESCO weltweit 981 schützenswerte Welterbestätten aus 160 Ländern. Zwischen Kultur- und Naturerbe, Kulturlandschaften, Dokumentenerbe ( Memory of the World ) und kulturellen Ausdrucksformen bestehen vielfache Wechselwirkungen. Durch Erhaltung soll dieses Erbe in die Gegenwart transportiert werden, d.h. für uns - heute - relevant und nutzbar gemacht werden. Das Wissen der Menschheit aus verschiedenen Kulturen wird gesammelt und an zukünftige Generationen weitergegeben. Schulprogramme (z.b. denkmal aktiv), der Tourismus sowie die tragenden Akteure eines Kulturerbes und NGOs unterstützen die Einbeziehung der Erbeformen in den Alltag der Menschen. Einer Musealisierung wird so entgegen gewirkt. Warum müssen bestimmte Bräuche geschützt werden? Die Konvention aus dem Jahr 2003 betont den besonderen Charakter des immateriellen Kulturerbes, das im Gegensatz zum materiellen Erbe an den Menschen und die aktive Überlieferung gebunden ist. Dadurch unterliegt das immaterielle Kulturerbe sehr stark gesellschaftlichen Transformationsprozessen und ist weniger dauerhaft. Die natürlichen Veränderungsprozesse der Traditionen sollen durch die Konvention und ihre Mechanismen (Verzeichnisse, Listen, Erhaltungsprojekte usw.) in keiner Weise behindert werden.

Die Erhaltung von kulturellen Ausdrucksformen ist aus mindestens drei Gründen notwendig: Das über Generationen überlieferte Wissen und die damit verbundenen vielfältigen Fertigkeiten, zum Beispiel Kunst- und Handwerkstechniken oder eine bestimmte Aufführungspraxis, sind wichtige kulturelle Ressourcen. Sie sind Ausdruck von Kreativität, Inspiration und Erfindergeist einer Gesellschaft. Als gewachsene und tradierte Formen der Kreativität bilden sie die Basis für neue Ideen und Entwicklungen. Immaterielles Kulturerbe ist wichtig für sozialen Zusammenhalt, Kontinuität und Identität von Gemeinschaften und Gruppen. Insbesondere vor dem Hintergrund des demografischen Wandels ist die Bewahrung traditioneller und zugleich zeitgenössischer kultureller Ausdrucksformen eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Im Zeitalter der Globalisierung und in Anbetracht des schnellen gesellschaftlichen Wandels ist die positive Wertschätzung des "Alten" und der "Älteren" eine eigene Herausforderung. Immaterielles Kulturerbe ist zugleich immer auch durch Improvisation und Veränderung gekennzeichnet, insbesondere auch immer wieder durch kreative Anwendungen und Veränderungen durch junge Generationen. Die Aufnahme in die drei Listen des immateriellen Kulturerbe (die Repräsentative Liste, die Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes und ein Register guter Praxisbeispiele) soll zu Respekt, interkulturellem Dialog und kultureller Vielfalt weltweit beigetragen. Sie drücken keine Hierarchie gegenüber nicht gelisteten Elementen aus. Wie lassen sich Tänze, Gesänge oder Handwerk erhalten, ohne sie gleichzeitig museal zu konservieren? Erhaltung im Sinne der Konvention meint die Lebendigkeit/Vitalität und Lebensfähigkeit lebendiger Traditionen sicherzustellen, d.h. die Voraussetzungen für ihre fortwährende Neuerschaffung und Weitergabe zu gewährleisten. Immaterielles Kulturerbe ist dynamisch, wird ständig an veränderte Umstände angepasst es geht nicht um Konservierung oder Schutz eines bestimmten Zustands sondern um Entwicklungsfähigkeit. Jegliche Erhaltungsmaßnahmen müssen mit dem Einverständnis und unter Beteiligung der betreffenden Gemeinschaften selbst entwickelt und durchgeführt werden. Zu den Maßnahmen gehören etwa Bildungs- und Informationsprogramme für die breite Öffentlichkeit sowie Ausbildungsprogramme für die jeweiligen Gemeinschaften und Gruppen.

Welche wirtschaftlichen Folgen hat der Eintrag in eine der Listen? Der weltweit beachtete Titel Immaterielles Kulturerbe bedeutet kein Geld seitens der UNESCO. Die Anerkennung kann jedoch ein zusätzliches Argument sein, bei der Suche nach finanzieller Unterstützung, wobei dies nicht die einzig mögliche und auch nicht immer effektivste Form der Unterstützung ist. Kulturpolitische Maßnahmen sind zum Beispiel in der Lage kulturelle Ausdrucksformen zu schützen und die Aufmerksamkeit in der Bevölkerung dafür zu stärken. Darüber hinaus fördert der Titel auch den Kulturtourismus und kann so die lokale, regionale und nationale Wirtschaft unterstützen. Vertragsstaaten können für bestimmte Erhaltungsmaßnahmen Mittel aus dem internationalen Fonds für das immaterielle Kulturerbe beantragen. Vorrang haben dabei Anträge aus Entwicklungsländern. In den Fond zahlen die Mitgliedstaaten feste Beiträge ein, hinzu kommen freiwillige Spenden. Wie lässt sich verhindern, dass Bräuche als Folklore kommerzialisiert werden? Die Nominierungskriterien der UNESCO erlauben keine Folklore zu kommerziellen Zwecken. Die Konvention setzt voraus, dass die kulturellen Ausdrucksformen Teil der kulturellen Identität der Gemeinschaft oder Gruppe sind, die ihr Können, ihre Traditionen, Sprachen, Feste, Rituale eigenständig pflegt. Immaterielles Kulturerbe ist immer auch durch Improvisation, Weiterentwicklung und Veränderung gekennzeichnet.

BASISINFORMATIONEN ZUM IMMATERIELLEN KULTURERBE INTERNATIONAL Wie erfolgen Aufnahmen auf die internationalen Listen? Jedes Land, das der Konvention beigetreten ist, kann Ausdrucksformen für die UNESCO-Listen des immateriellen Kulturerbes nominieren. Voraussetzung ist allerdings eine bestehende Eintragung der kulturellen Tradition in einem nationalen Verzeichnis. Insgesamt gibt es drei Listen sie beziehen verschiedene Praktiken, Fähigkeiten, Ausdrucksformen, Wissen und andere Fähigkeiten aus der ganzen Welt mit ein. Sie werden jedes Jahr um neue Beiträge erweitert. Über die Aufnahme einer kulturellen Ausdrucksform in die Listen des immateriellen Kulturerbes entscheidet der Zwischenstaatliche Ausschuss des Übereinkommens nach eingehender Evaluierung durch einen Beratungsausschuss. Der Zwischenstaatliche Ausschuss setzt sich aus 24 gewählten Ländern (es gilt das Prinzip der regionalen Ausgewogenheit und Rotation) zusammen. Auf der Liste des dringend erhaltungsbedürftigen immateriellen Kulturerbes finden sich Ausdrucksformen, die in ihrem Überleben gefährdet sind. Die Liste sorgt für eine bessere Sichtbarkeit der einzelnen Kulturform, für die auch Erhaltungspläne ausgearbeitet werden müssen. Kulturelle Ausdrucksformen auf der Repräsentativen Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit stehen für die weltweite kulturelle Vielfalt und stellen ein wichtiges Zeugnis menschlicher Kreativität dar. Die Listung von Elementen soll zur größeren Sichtbarkeit und wachsendem Bewusstsein für die Bedeutung von immateriellem Kulturerbe im Allgemeinen beitragen. Die eingetragenen Elemente der Repräsentativen Liste werden als Immaterielles Kulturerbe der Menschheit und nicht als Weltkulturerbe bezeichnet. Im Register Guter Praxisbeispiele sind Projekte verzeichnet, die modellhaft die Grundsätze und Ziele des Übereinkommens widerspiegeln sowie eine grenzüberschreitende und nachhaltige Zusammenarbeit anschaulich machen. Unter Beispielen guter Praxis sind entsprechend keine kulturellen Ausdrucksformen, sondern spezifische Erhaltungsprogramme zu verstehen, die zum Nachahmen anregen sollen.

BASISINFORMATIONEN ZUM IMMATERIELLEN KULTURERBE IN DEUTSCHLAND Der Beitritt Deutschlands zum Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes (2003) ist am 10. Juli 2013 erfolgt. Deutschland ist damit 153. von mittlerweile158 Vertragsstaaten (Stand Mai 2014). Erster wichtiger Umsetzungsschritt ist die Erstellung eines Bundesweiten Verzeichnisses des immateriellen Kulturerbes. Dies ist ein mehrstufiges Verfahren, an dem die Bundesländer, die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, das Auswärtige Amt und die Deutsche UNESCO-Kommission beteiligt sind. Vom 3. Mai bis 30. November 2013 lief die erste Ausschreibungsrunde. Weitere Runden werden folgen. Das Verzeichnis ist quantitativ nicht begrenzt. Warum wird ein Bundesweites Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes erstellt? Durch die Erstellung eines Bundesweiten Verzeichnisses rückt die Bedeutung des lebendigen Kulturerbes und der einzelnen kulturellen Ausdrucksformen stärker in den Fokus der Öffentlichkeit. Dies ist eine Bestandsaufnahme im Sinne von Wissensorganisation, welche immateriellen Schätze unser Land zu bieten hat. Welche Tradierungs- und Organisationsformen in Deutschland vorhanden sind und wie weit das Spektrum der Vielfalt reicht, ist bislang weitgehend undokumentiert. Die Sichtbar- und Bewusstmachung und damit die öffentliche Wahrnehmung der verschiedenen Traditionen ist für die Gruppen, Gemeinschaften und Einzelpersonen von großer Bedeutung und großem Nutzen. Sie wird einen interessanten Diskussionsprozess in Gang setzen, zu dem die erste Bewerbungsphase nur der Einstieg war. Die Erstellung eines Verzeichnisses des immateriellen Kulturerbes in Deutschland sowie seine stete Aktualisierung sind zudem Verpflichtungen, die Deutschland mit dem Beitritt zum UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes eingeht und damit ein Beitrag zu seiner Umsetzung. Wer kann wie kulturelle Ausdrucksformen zur Aufnahme ins bundesweite Verzeichnis anmelden? Eine Bewerbung zur Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis können Gruppen, Gemeinschaften und Einzelpersonen einreichen, die Ausdrucksformen immateriellen Kulturerbes aktiv pflegen und dadurch die Ausübung und Weitergabe des einzuschreibenden immateriellen Kulturerbes in Gegenwart und Zukunft

gewährleisten. Die Bewerbung erfolgt im jeweiligen Bundesland, in dem die Gruppen, Gemeinschaften oder Einzelpersonen verortet sind. Dafür gibt es ein einheitliches Bewerbungsformular und eine Liste der Ansprechpartner in den Ländern, an die die Unterlagen (elektronisch) jeweils geschickt werden müssen. Wer entscheidet über die Aufnahme? Jedes Bundesland trifft nach einer Ausschreibungsrunde eine Vorauswahl und übermittelt (in der ersten Runde bis zum 15. April 2014) bis zu zwei länderspezifische Vorschläge sowie alle formal vollständigen länderübergreifenden an die Kultusministerkonferenz. Dort wird eine Vorschlagsliste erstellt und an das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission weitergeleitet. Das unabhängige Expertenkomitee prüft und bewertet die Dossiers (in der ersten Runde im Sommer/Herbst 2014) nach fachlichen Kriterien und macht Vorschläge sowohl zur Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis als auch später zur Weiterleitung an die UNESCO. Die Kultusministerkonferenz und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bestätigen abschließend die Auswahlempfehlungen des Expertenkomitees. Alle Einträge werden schließlich, erstmals Ende 2014, auf der Webseite der Deutschen UNESCO-Kommission veröffentlicht. Was bedeutet eine Aufnahme ins bundesweite Verzeichnis? Das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes hat eine hohe eigenständige Bedeutung. Die Inventarisierung in Deutschland ist zunächst unabhängig von den UNESCO-Listen. Die Aufnahme in ist eine öffentlich sichtbare Anerkennung der kulturellen Ausdrucksform und ihrer Träger. Damit ist zwar keinerlei finanzielle Unterstützung verbunden, die Träger der kulturellen Ausdrucksformen werden jedoch ein eigens geschaffenes Logo nutzen können. Gleichzeitig ist die Aufnahme einer kulturellen Ausdrucksform in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes die Voraussetzung dafür, nach einem erneuten Votum des Expertenkomitees Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission an die UNESCO weitergemeldet zu werden, um auf eine internationale Liste zu kommen. Das mehrstufige, mit langen Evaluationsprozeduren verbundene, internationale Aufnahmeverfahren der UNESCO ist quantitativ stark beschränkt. Die erste Eintragung aus Deutschland auf die UNESCO-Listen wird frühestens im Jahr 2016 möglich sein.

Kriterien zur Aufnahme kultureller Ausdrucksformen in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes (vgl. Art. 2 Abs. 1-2 und Art. 15 des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes vom 17. Oktober 2003) 1. Unter immateriellem Kulturerbe sind Bräuche, Darstellungen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten, die Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen, zu verstehen. 2. Es wird in einem oder mehreren der folgenden Bereiche zum Ausdruck gebracht: a) mündlich überlieferte Traditionen und Ausdrucksformen, einschließlich der Sprache als Trägerin des immateriellen Kulturerbes (z.b. traditionelle Gesänge, Sagen, Märchenerzählungen, Redensarten); b) darstellende Künste (z.b. Musik, Tanz, Theaterformen); c) gesellschaftliche Bräuche, Rituale und Feste (z.b. Umzüge, Prozessionen, Karneval, Spiele); d) Wissen und Bräuche in Bezug auf die Natur und das Universum (z.b. traditionelle Heilverfahren, landwirtschaftliches Wissen); e) traditionelle Handwerkstechniken. 3. Immaterielles Kulturerbe zeichnet sich durch seine Praxis und Anwendung in der Vergangenheit, Gegenwart und der (nahen) Zukunft aus, es wird von einer Generation an die nächste weitergegeben. 4. Es wird von Gemeinschaften und Gruppen in Auseinandersetzung mit ihrer Umgebung, in ihrer Interaktion mit der Natur und mit ihrer Geschichte fortwährend neu gestaltet. 5. Immaterielles Kulturerbe vermittelt ein Gefühl von Identität und Kontinuität, wodurch die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und der menschlichen Kreativität gefördert wird. 6. Es steht mit den bestehenden internationalen Menschenrechtsübereinkünften sowie mit dem Anspruch gegenseitiger Achtung von Gemeinschaften, Gruppen und Einzelpersonen sowie der nachhaltigen Entwicklung im Einklang. 7. Eine möglichst weitreichende Beteiligung von Gemeinschaften, Gruppen und gegebenenfalls Einzelpersonen, die dieses Erbe schaffen, pflegen und weitergeben, muss gewährleistet werden und nachweisbar sein. Der Kriterienkatalog kann durch das Expertenkomitee der DUK Änderungen oder Ergänzungen erfahren.