Beim Rückbau besteht auch in der Schweiz immer noch ein grosses Wiederverwertungspotenzial (Bild: Marcel Müller) Kreisläufe schliessen

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Transkript:

11.11.2016 Bauschutt, Aushub und Co. werden heute immer mehr zu wertvollen Ressourcen. Um den wiederverwertbaren Materialien ein zweites Leben zu sichern, braucht es auf der Baustelle aber Konsequenz. Diese lohnt sich nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch. Der Unterhalt des «Bauwerks Schweiz» ist eine Herkulesaufgabe. Sie endet nie. Gebäude und Infrastrukturen sind laufend zu erneuern und an sich ändernde Anforderungen anzupassen. Wenn sich aber bei einem Bauwerk eine umfassende Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr lohnt, bleibt nur der Rückbau. Manche Arbeitersiedlung aus den 60er-Jahren musste beispielsweise wegen unzeitgemässer Wohnungsgrundrisse einem Ersatzneubau Platz machen. Beim Bau und Rückbau von Bauwerken entstehen grosse Mengen verschiedener Materialien, sei dies im Hoch- oder Tiefbau. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) schätzt, dass in der Schweiz pro Jahr rund 40 Millionen Tonnen Aushub-, Abraum- und Ausbruchmaterial anfallen. Etwa ein Viertel des Volumens ist Bauschutt. Dabei handelt es sich um wiederverwertbare mineralische Rückbaustoffe wie Betonabbruch, Ziegel, Mauerabbruch und Strassenaufbruch, also insbesondere Ausbauasphalt. Beim Rückbau besteht auch in der Schweiz immer noch ein grosses Wiederverwertungspotenzial (Bild: Marcel Müller) Kreisläufe schliessen Mit rund 10 Millionen Tonnen pro Jahr ist Bauschutt gemäss dem Bafu die mit Abstand grösste Abfallkategorie der Schweiz, von der jedoch bereits ein schöner Teil der Verwertung zugeführt wird. Wiederverwertbare Rückbaustoffe decken heute fast ein Fünftel der jährlich in der Schweiz benötigten 50 Millionen Tonnen Baustoffe ab,wie der Internetseite des Zürcher Amtes für Abfall, Wasser, Energie

und Luft (Awel) zu entnehmen ist. Das Awel ortet aber nach wie vor «ein riesiges Ressourcenpotenzial im Bausektor». Doch wo liegt hierzulande bei der Wiederverwertung von Rückbaustoffen noch mehr drin, und in welchen Recyclingbereichen kann die Schweizer Bauwirtschaft mit dem Erreichten zufrieden sein? Dieser Fragestellung widmete «ARV Baustoffrecycling Schweiz», der Branchenverband des Schweizer Aushub-, Rückbau- und Recyclingwesens, seinen erstmals durchgeführten, gut besuchten Netzwerkanlass. In Baden diskutierten Experten die Chancen und Grenzen der Wiederverwertung auf Schweizer Baustellen. Wieviel Recycling ist optimal? «Umweltmassnahmen wie das Baustoffrecycling finden im Spannungsfeld von Kosten und ökologischem Nutzen statt», betont Rainer Bunge, Professor am Institut für Umwelttechnik der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR). Dieses Grenzgebiet zwischen Ökonomie und Ökologie sei ein eigentliches Minenfeld. Es stelle sich die Frage, wie viel Recycling wir uns leisten wollen. «Ein hundertprozentiges Baustoffrecycling ist unbezahlbar und ökologisch unsinnig», so Bunge pointiert. Mit zunehmendem Rückgewinnungsgrad würden nämlich die Kosten für die «Rettung» jedes weiteren Kilos Baustoff exponentiell ansteigen, bis das Recycling irgendwann nicht mehr zu bezahlen sei, erläutert der HSR-Professor. Wenn bei einer aufwendigen Materialaufbereitung beispielsweise energieintensive mechanische Reinigungsverfahren und Chemikalien zum Einsatz kämen, sei die Baustoffgewinnung aus Primärrohstoffen ab einem bestimmten Punkt ökologischer. Bunge unterscheidet beim Recycling zwischen markt- und gesetzesgetriebenen Systemen. Rein marktgetrieben ist beispielsweise die Gewinnung von Betongranulat aus Betonabbruch. Diese Wiederverwertungsmassnahme ist nicht nur ökologischer als eine Deponierungslösung, sie rechnet sich auch für die beteiligten Unternehmen. Der Gesetzgeber hat deshalb keinen Anlass, in den freien Markt einzugreifen. Die von der Gesellschaft gewünschte, hohe Rückgewinnungsrate kommt auch ohne gesetzliche Vorgaben zustande. Die Entsorgung kontaminierter Materialien in Magerbeton wäre für die Beteiligten ebenfalls ein gutes Geschäft. Da sich dadurch die Umweltbelastung für die Gesellschaft im Vergleich zur sicheren Deponierung erhöhen würde, greift der Schweizer Gesetzgeber jedoch ein und untersagt diese als «Recycling» kaschierte, billige Entsorgung zulasten der Ökologie. Ein Beispiel für ein gesetzesgetriebenes System ist gemäss Bunge die Verwertungsregel des Awel. Das Abfallamt des Kantons Zürich will mit dieser erreichen, dass aus Bauabfällen möglichst viel Recyclingbaustoff gewonnen wird. «Solche Eingriffe in die marktwirtschaftlichen Mechanismen sollten immer mit Augenmass geschehen», fordert Bunge unter Verweis auf die stark steigenden Grenzkosten bei hohen Rückgewinnungsgraden. Beim Entscheid über die Ausgestaltung und Umsetzung einer neuen Umweltmassnahme gelte es immer auch die Kosten-Nutzen-Effizienzrechnung zu machen, rät der HSR-Professor. Die Frage sei, ob das politische Forcieren einer Recyclingart unter Berücksichtigung des ökologischen Nutzens für die Gesellschaft «wirtschaftlich tragbar» ist. Die hohen Kosten der Bodenwäsche von Kugelfangmaterial seien in der Schweiz zum Beispiel durch den hohen ökologischen Gewinn gerechtfertigt. Diese Abwägung von Ökologie versus Ökonomie gebe erfahrungsgemäss «immer wieder Anlass zu Diskussionen», so Bunge.

Bei einer konsequenten Aufbereitung des Aushub-, Abraum- und Ausbruchmaterials müsste heute für die Schweizer Betonproduktion kein Kies mehr abgebaut werden. (Bild: Betonsuisse) Gesetzliche Vorgaben notwendig «Abfall und Altlasten sind gefährlich, das ist die traditionelle Sicht», erläutert Sebastian Heselhaus, Professor an der Universität Luzern und Direktor des dortigen «Center for Law and Sustainability». Der Staat muss sich deshalb um Abfälle kümmern und diese vom Markt nehmen und entsorgen. Aufgrund fehlender Kapazitäten kann er dies aber nicht alleine, weshalb er auch der Privatwirtschaft den Zugang zu diesem sehr speziellen, streng regulierten Markt gibt. Obwohl das Recht die Wiederverwertung von Rückbaustoffen sehr stark reglementiert, eröffnet es damit gleichzeitig auch Geschäftsfelder für die private Recyclingbranche. «Heute sehen wir den Abfall denn auch zunehmend als Quelle für gereinigte, unbedenkliche Sekundärrohstoffe», sagt der Uni-Professor, «und für neue Produkte, die wir wieder in den Wirtschaftskreislauf integrieren können.» Dieser sogenannte Re-Entry sei für Recyclingunternehmen deshalb interessant, da er nicht im streng regulierten Abfallmarkt, sondern im gewöhnlichen Produktemarkt erfolge. Heselhaus ist deshalb überzeugt: «Erst eine zeitgemässe Regulierung ermöglicht den Re-Entry mit Recyclingbaustoffen und damit neue Geschäftsfelder für die Wiederverwertungsbranche.» Die Recyclingunternehmen müssten jedoch Haftungsfragen beachten und bei der Verwertung der Sekundärrohstoffe die geltenden Gütevorgaben einhalten. Es könne sich zudem lohnen, ökologische Qualitätskriterien zu entwickeln, wenn der Markt deshalb die Produkte besser akzeptiere. Gemäss Heselhaus wird dies in der Schweiz erst vereinzelt gemacht. Verordnung lässt Fragen offen Seit dem 1. Januar ist die neue Verordnung über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (VVEA) in Kraft. Wie bereits ihr Name verdeutlicht, räumt die VVEA der Vermeidung, Verminderung und gezielten Verwertung von Abfällen einen höheren Stellenwert ein als die bisherige Technische Verordnung über Abfälle (TVA). Die VVEA bringt gemäss Heselhaus eine wichtige schrittweise

Weiterentwicklung des geltenden Rechts, jedoch ohne dass der Rahmen des Umweltschutzgesetzes (USG) angepasst wurde, den sie als Verordnung achten muss. Mit dieser Situation ist der Rechtsprofessor nur bedingt zufrieden: «Die VVEA gibt einige Antworten, wirft aber auch neue Fragen auf und lässt manche Fragen unbeantwortet.» Bei der weitgehenden Verwertungspflicht würden etwa Diskrepanzen zum einschlägigen USG-Artikel bestehen. Die VVEA lasse zudem auch das Ende der Abfalleigenschaft offen. Damit bleibt leider weiterhin ungeklärt, wann ein wiederaufbereiteter Baustoff kein Abfall mehr ist und wann für diesen die besonderen abfallrechtlichen Pflichten entfallen. Die EU hat dies in einer Abfallrahmenrichtlinie geregelt. Eine Abstimmung mit Europa wäre gemäss Heselhaus wünschenswert, damit die Schweizer Wiederverwertungsbranche im internationalen Wettbewerb gleich lange Spiesse habe. Positiv wertet Heselhaus, dass die VVEA ausdrücklich den Zweck deklariere, «eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Rohstoffe durch die umweltverträgliche Verwertung von Abfällen zu fördern». Ein wichtiger Punkt sei zudem die Regelung zum Stand der Technik. Betreiber von Abfallanlagen und dazu zählen auch die Recyclingunternehmen müssen regelmässig prüfen, ob sie bei ihrer Tätigkeit erprobte Verfahren und Regeln anwenden. Das gelte aber nur, wenn dies «für einen mittleren und wirtschaftlich gesunden Betrieb wirtschaftlich tragbar» sei. Bisherige Umsetzungsvorgaben müssen deshalb auch unter einer betriebswirtschaftlichen Optik überprüft werden. Alle sind in der Pflicht Seit 1993 betreiben die Eberhard-Unternehmungen Recyclinganlagen in der Schweiz. Sie bereiten zwischen 600 000 bis 700 000 Tonnen Baumaterialien pro Jahr auf, womit ihr Marktanteil bei den wiederverwerteten Sekundärbaustoffen hierzulande zwischen 33 und 50 Prozent schwankt. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Reduktion der Umweltbelastung in der Schweiz, wie Patric Van der Haegen, Bereichsleiter Entwicklung bei den Eberhard-Unternehmungen ausführt: «Schliesslich hat der Bausektor mit Abstand die grösste Umweltauswirkung.» Gemäss der Analyse des gelernten Maschinenbauers Van der Haegen ist die Schweizer Bauwirtschaft für rund die Hälfte der absoluten Umweltauswirkung, also der mengengewichteten relativen Umweltbelastung, verantwortlich. «Recycling ist technisch möglich, ökologisch sinnvoll, ökonomisch lohnenswert und volkswirtschaftlich positiv», fasst Van der Haegen seine Praxiserfahrungen zusammen. Ein paar Voraussetzungen für den Erfolg gebe es jedoch. Ohne das Bekenntnis der Schweizer Unternehmen, unter Einsatz der bestmöglichen Technologie recyceln zu wollen, gehe gar nichts. «Beim Bau einer neuen Anlage setzen wir jeweils auf den Stand der Technik von übermorgen», erläutert der Eberhard-Bereichsleiter. Nur so könne man die Investitionszyklen verlängern. Die Branche müsse aber auch interdisziplinäre Fachkräfte rekrutieren. Zudem sei ein durchdachter gesetzlicher Rahmen notwendig, so Van der Haegen: «Noch wichtiger ist jedoch, die gesetzlichen Vorgaben konsequent durchzusetzen.»

Eine Zürcher Baustelle: Handelt es sich bei den Trümmern um wertlosen Abfall oder kostbare Sekundärrohstoffe für den Bau? (Bild: Gabriel Diezi) Konsequenz würde sich lohnen Ohne Marktakzeptanz für die Sekundärbaustoffe stockt deren Absatz, weshalb Van der Haegen einerseits Anreize für Recyclinganwendungen im Baubereich fordert. Andererseits will er, dass der Staat, der rund die Hälfte des Schweizer Bauvolumens verantwortet, mit gutem Beispiel vorangeht: «Eine Vorbildrolle der öffentlichen Hand ist wichtig.» Der Bund, die Kantone und Gemeinden sollten wann immer möglich auf Recyclingmaterialien bestehen, vorerst im Hochbau, später auch im Tiefbau. «Diese Massnahme könnte bereits morgen ohne Änderung der Rechtslage umgesetzt werden», meint Van der Haegen. Grosses Wiederverwertungspotenzial ortet der Recyclingfachmann bei den baulichen Inertstoffen, also bei Bauabfällen, die zu mindestens 95 Gewichtsprozenten aus Steinen oder gesteinsähnlichen Bestandteilen bestehen: «Wir schmeissen immer noch zu viele Steine weg und lagern sie auf Deponien ein.» Beim Ausbauasphalt sei einer bessere Verwertung notwendig und die Behandlung von Aushubmaterial bezeichnet Van der Haegen als «Ressourcenverschwendung». Er begrüsst deshalb, dass entsprechende Verwertungsziele in die VVEA eingeflossen sind. Wie eine konsequente Schliessung der Stoffkreisläufe den Schweizer Kiesverbrauch reduzieren könnte, zeigt Van der Haegen anhand einer einfachen Rechnung auf. Für die jährliche Betonproduktion benötigt die Schweizer Bauwirtschaft rund 24 Millionen Tonnen Kies. Lediglich 2 Millionen Tonnen des Gesamtbedarfs werden bereits heute durch Recyclingkies abgedeckt. Dabei könnte man bei einer konsequenten Aufbereitung der deponierten, sauberen Aushubmenge sowie der Ab- und Ausbruchmenge geschätzte 25 Millionen Tonnen Kiesersatz generieren. Bei guter Organisation müssten wir heute in der Schweiz also kein Kies für die Betonproduktion mehr abbauen, lautet das Fazit der Rechnung.

«Ziel muss es sein, die derzeit rund 40 Millionen Tonnen Aushub- und Abbruchmaterial pro Jahr in den Baukreislauf zurückzuführen», ist deshalb Van der Haegen überzeugt. Dies werde nicht nur die Umweltbelastung stark verringern, sondern gleichzeitig auch die Abhängigkeit von Importen. Die Aufbereitung grösserer Abfallströme schaffe inländische Arbeitsplätze und reduziere Konflikte um Abbau und Transport von Primärrohstoffen, so Van der Haegen. Recycling biete nach wie vor viele Chancen, die Grenzen der Wiederverwertung seien noch nicht erreicht. (Gabriel Diezi)