Novelle der Konzessionsvergabe von Strom- und Gasortsnetzen - alles gut? Stefan Graf Bayerischer Gemeindetag Energieforum der Gemeindezeitung Germering, 22. Juni 2017
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Alles gut? Eine Komödie oder Tragödie in 3 Akten 1. Akt: Der Gesetzgeber hat eine Idee: Wettbewerb Stefan Graf 5
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13 des Energiewirtschaftsgesetzes vom 24. April 1998 (BGBl. I S. 686) Stefan Graf 7
Gesetzesbegründung Stefan Graf 8
Gerichte: Gemeinden bei Kriterienwahl frei! OLG Düsseldorf, Urteil vom 12. März 2008 keiner reglementierte Ausschreibung mit konkreten und nachvollziehbaren Wertungskriterien erforderlich jedoch Gemeinde muss sich mit mehreren vorliegenden Angeboten im Rahmen des Art. 3 Abs. 1 GG befassen VG Oldenburg, Urteil vom 17. Juli 2012 Gesetzgeber hat auf inhaltliche Vorgaben für die Auswahlentscheidung verzichtet Stefan Graf 9
Inhalt 1. Akt: Der Gesetzgeber hat eine Idee: Wettbewerb 2. Akt: Der Gesetzgeber mischt sich in die Spielregeln ein Stefan Graf 10
2010: Trend zur Rekommunalisierung Stefan Graf 11
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EnWG-Änderung vom 4. August 2011 Stefan Graf 13
Inhalt 1. Akt: Der Gesetzgeber hat eine Idee: Wettbewerb 2. Akt: Der Gesetzgeber mischt sich in die Spielregeln ein 3. Akt: Der Gesetzgeber erkennt was er angerichtet hat und will helfen Stefan Graf 14
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vom 27. November 2013 Stefan Graf 16
Novelle vom 27. Januar 2017 Gesetzesnovelle: Die wichtigsten Änderungen (1) Regelungsgegenstand Gesetz alt Gesetz neu Datenherausgabe vor Bekanntmachung Pflicht des Altkonzessionärs, der Gemeinde ein Jahr vor Bekanntmachung Informationen für die technische und wirtschaftliche Situation des Netzes zur Verfügung zu stellen Pflicht des Altkonzessionärs, der Gemeinde ein Jahr vor Bekanntmachung insbesondere folgende Informationen zur Verfügung zu stellen: o o o o Aktivierte Anschaffungs- und Herstellkosten gem. 255 HGB; Jahr der Aktivierung der Verteilungsanlagen; Betriebsgewöhnliche Nutzungsdauern; Kalkulatorische Restwerte und Nutzungsdauern ( 46a Nr. 1 bis 4 EnWG) Stefan Graf 17
Novelle vom 27. Januar 2017 Gesetzesnovelle: Die wichtigsten Änderungen (2) Regelungsgegenstand Gesetz alt Gesetz neu Auswahlkriterien, Gewichtung Gemeinde ist Zielen des 1 EnWG verpflichtet Gemeinde ist Zielen des 1 EnWG verpflichtet; Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere Versorgungssicherheit und Kosteneffizienz; Berücksichtigung auch der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ( 46 Abs. 4 Satz 2 EnWG) Stefan Graf 18
Novelle vom 27. Januar 2017 Gesetzesnovelle: Die wichtigsten Änderungen (3) Regelungsgegenstand Gesetz alt Gesetz neu Rügeobliegenheiten Bieter sind mit Einwänden gegen das Konzessionsverfahren präkludiert, wenn sie (drei Fallgruppen von) Verfahrensverstößen nicht rechtzeitig geltend machen. Dies betrifft Verstöße gegen: o o Bekanntmachung: drei Kalendermonate nach Bekanntmachung; Auswahlkriterien und Gewichtung: 15 Tage ab deren Zugang; o Auswahlentscheidung: 30 Kalendertage ab Zugang des Informationsschreibens ( 47 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 EnWG) Stefan Graf 19
Novelle vom 27. Januar 2017 Gesetzesnovelle: Die wichtigsten Änderungen (4) Regelungsgegenstand Gesetz alt Gesetz neu Akteneinsicht Höchststreitwert im einstweiligen Rechtsschutzverfahren Gemeinde hat Akteneinsicht auf Antrag zu gewähren, wenn dieser binnen einer Woche nach der Information über die Auswahlentscheidung gem. 46 Abs. 5 Satz 1 EnWG gestellt wird ( 47 Abs. 3 EnWG) 30.000.000 100.000, damit sehr viel niedrigere gesetzliche Gerichts- und Anwaltskosten ( 53 Abs. 1 Nr. 4 GKG) Stefan Graf 20
Novelle vom 27. Januar 2017 Gesetzesnovelle: Die wichtigsten Änderungen (5) Regelungsgegenstand Gesetz alt Gesetz neu Übergangsregelung für bereits begonnene Verfahren Konzessionsabgabe nach Vertragsablauf Kaufpreis Pflicht zur Zahlung der Konzessionsabgabe besteht auch nach Ablauf des KV für ein Jahr fort, falls keine anderweitige Regelung getroffen wird Wirtschaftlich angemessene Vergütung Fristen des 47 EnWG finden auf bereits begonnene Konzessionsverfahren Anwendung, wenn Gemeinden die Bieter zur Rüge auffordern ( 118 Abs. 20 EnWG) Pflicht zur Zahlung der Konzessionsabgabe besteht auch nach Ablauf des KV unbefristet fort. Gilt nicht, wenn Gemeinden es unterlassen hat, Verfahren nach 46 Abs. 3 bis 5 EnWG durchzuführen ( 48 Abs. 4 EnWG) Objektivierter Ertragswert ( 46 Abs. 2 Sätze 2 und 4 EnWG) Stefan Graf 21
Komödie oder Tragödie? 1. Akt: Der Gesetzgeber hat eine Idee: Wettbewerb 2. Akt: Der Gesetzgeber mischt sich in Spielregeln ein 3. Akt: Der Gesetzgeber erkennt was er angerichtet hat und will helfen. Alles gut? Auftrag: - das Bewertungsverfahren bei Neuvergabe (z.b. bei der Rekommunalisierung) der Verteilnetze eindeutig und rechtssicher zu regeln sowie - die Rechtssicherheit im Netzübergang zu verbessern Stefan Graf 22
Rechtssicherheit im Netzübergang verbessert? Verfahrensregelungen Rügepflichten und Rügefristen für die Bieter; ansonsten kann Fehler nicht geltend gemacht werden Vorweginformationspflicht der Gemeinde gegenüber abgelehnten Bietern Wartefrist für Abschluss des Konzessionsvertrages Antragsfrist für gerügte Rechtsverletzungen im einstweiligen Rechtsschutz Akteneinsichtsrecht der Bieter (außer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) Netzübertragung für die wirtschaftlich angemessene Vergütung ist der sich nach den zu erzielenden Erlösen bemessende objektivierte Ertragswert des Energieversorgungsnetzes maßgeblich Stefan Graf 23
Bewertungsverfahren bei Neuvergabe eindeutig und rechtssicher geregelt? Vorher ( 46 Abs. 3 Satz 3) Bei der Auswahl des Unternehmens ist die Gemeinde den Zielen des 1 verpflichtet. Nachher ( 46 Abs. 4 Sätze 1 3) Die Gemeinde ist bei der Auswahl des Unternehmens den Zielen des 1 Absatz 1 verpflichtet. Unter Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen, insbesondere der Versorgungssicherheit und der Kosteneffizienz, können auch Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft berücksichtigt werden. Bei der Gewichtung der einzelnen Auswahlkriterien ist die Gemeinde berechtigt, den Anforderungen des jeweiligen Netzgebietes Rechnung zu tragen. Stefan Graf 24
Gesetzesbegründung Satz 1: soll in Hinblick auf die Berücksichtigung energiewirtschaftlicher Kriterien die bisherige Rechtsprechung bestätigen Satz 2: wird die jüngst ergangene BGH-Rechtsprechung abgebildet, dass die Vergabe von Wegenutzungsrechten sich an den Zielen des 1 Abs. 1 EnWG orientieren muß, Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft aber auch Berücksichtigung finden dürfen Satz 3: Gewährung eines kommunalen Entscheidungsspielraums im Rahmen der Gewichtung der Auswahlkriterien [vgl. BGH KZR 66/12: die Gemeinde kann durch die konkreten Kriterien ( ) und deren Gewichtung ihren Auftrag zur Daseinsvorsorge erfüllen] Stefan Graf 25
Die Kriteriensystematik des BGH (KZR 65/12 und 66/12) Es gibt nur zwei Kategorien von Wertungskriterien: Kriterien, die die Ausrichtung des Netzbetriebs auf die Ziele des 1 EnWG betreffen: soll in dem betroffenen örtlichen Bereich dazu beitragen, eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltfreundliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas zu gewährleisten Kriterien, die Nebenleistungen im Zusammenhang mit der Wegenutzung abbilden: z.b. Konzessionsabgabe, Folgekostenübernahme, Leerrohreinlegung; jedoch Grenze 2, 3 KAV die Gemeinde hat aufgrund des kommunalen Selbstverwaltungsrechts Spielräume bei der Auswahl der konkreten Kriterien und deren Gewichtung; die Gemeinde kann dies in der ihr sachgerecht erscheinenden Weise tun jedoch kein Raum für Kriterien, die Netzbetrieb in Hinblick auf andere Interessen der Gemeinde (z.b. Gewerbesteuereinnahmen, Strukturpolitik) steuern Stefan Graf 26
Offene Fragen der Rechtsprechung Wo endet der Spielraum der Gemeinden (und beginnt die Willkür) bei Konkretisierung der EnWG-Ziele? Der BGH hat diese Spielräume tendenziell beschränkt, indem der Netzbetreiber zu ermitteln ist, der nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung, seiner fachlichen Kompetenz und seinem Betriebskonzept am besten geeignet ist, die Ziele des 1 EnWG zu gewährleisten indem er Mindestvorgaben an die Gewichtung einzelner Ziele gemacht hat Wie konkret muss das Wertungsschema sein? Wieviel Sachkompetenz ist bei Bewertung erforderlich? Stefan Graf 27
Alles gut? Gesetzgeber hat es versäumt zu den offenen Fragen der Praxis Antworten zu geben über die BGH-Rechtsprechung hinausgehend wurde durch Satz 3 mit der Wahrung netzwirtschaftlicher Anforderungen und der Hervorhebung von Netzsicherheit und Kosteneffizienz ggf. der Spielraum der Gemeinden weiter eingeschränkt derzeit eher Drama, aber Gerichte geben Hoffnung auf Happy End Stefan Graf 28