Gebetspausen eines muslimischen Arbeitnehmers während der Arbeitszeit



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Transkript:

Gebetspausen eines muslimischen Arbeitnehmers während der Arbeitszeit Urteil des LAG Hamm vom 18. 1. 2002-5 Sa 1782/01 Leitsatz: 1. Ein Arbeitnehmer verzichtet nicht auf seine Grundrechte aus Art. 4 I, II GG, weil er bei Abschluss des Arbeitsvertrags damit rechnen musste, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten mit seinen Verpflichtungen gegenüber seinem Glauben kollidieren könnten. 2. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, durch Art. 4 I, II GG geschützte Gebetspausen des muslimischen Arbeitnehmers während der Arbeitszeit hinzunehmen, wenn hierdurch betriebliche Störungen verursacht werden. Sachverhalt: Der Kl. begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung eine bis zu dreiminütige Freistellung von der Arbeit zwischen 6 und 8 Uhr morgens, um sein Morgengebet verrichten zu können. Der Kl. ist türkischer Staatsangehöriger und Muslime. Er ist seit dem 04.10.1994, mit einer Unterbrechung vom 03.04. bis 04.07.1996 als gewerblicher Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatslohn in Höhe von 1622,53 Euro beschäftigt. Die Bekl. ist auf dem Gebiet der Oberflächenveredelung tätig. Es werden Stückbeschichtungen von Bauteilen vollzogen. Bis zum 31.12.2001 waren dort 163 Arbeitnehmer beschäftigt, ab dem 01.01.2002 144 Arbeitnehmer. Davon sind seit Januar 2002 48 Arbeitnehmer Moslems. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist nicht ungestört. Die Bekl. erteilte dem Kl. bereits eine Ermahnung vom 30.05.1995 wegen Schlechtleistung, eine Abmahnung vom 15. 1. 2001 wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Arbeitsplatz, eine Abmahnung vom 15.01.2001 wegen der Weigerung, die leeren Haken abzunehmen und in die Behälter zu legen, eine Abmahnung vom 15.01.2001 wegen Abhaltung von ungenehmigten Pausen zum Zwecke des Betens, eine Abmahnung vom 25.06.2001 wegen Arbeitsverweigerung und Handgreiflichkeit, eine Abmahnung vom 27.06.2001 wegen Arbeitsverweigerung, eine Abmahnung vom 05.10.2001 wegen Entfernung vom Arbeitsplatz zum Beten und eine Abmahnung vom 13.11.2001 wegen Nichttragens des Schutzhelms. Über die Ansprüche des Kl. auf Entfernung der Abmahnungen; insbesondere wegen der von ihm vorgenommenen Arbeitspausen zum Zwecke des Betens sind zwei Rechtsstreitigkeiten anhängig. Eine Vereinbarung über das Abhalten von Gebetspausen besteht zwischen den Parteien nicht. Der Kl. ist seit einigen Monaten an der Vertikalanlage/Beschichtungsanlage (V-Anlage) tätig. Seit dem 01.01.2002 beginnt dort die Arbeitszeit um 6 Uhr und endet um 14.30 Uhr. Montags läuft die Anlage erst nach eventuell durchzuführenden Reinigungsarbeiten. Hierdurch kommt es zu einer entsprechenden Verschiebung der Arbeitszeit. Die Pausenzeit beginnt nicht vor 9.30 Uhr. Der Kl. hat die Arbeitsaufgabe, die beschichteten Teile, die in einer Kette mit gleichmäßigem Vortrieb hängen, abzunehmen. Dabei hat er gleichzeitig auch den Haken, an dem das Werkstück

hängt, aus der Aushängung auszuklinken. In der Regel haben die einzelnen Profile eine Länge bis zu 6,50 Meter. In der V-Anlage sind zwei Arbeitnehmer eingesetzt. Mit dem am 06.11.2001 beim ArbG eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung macht der Kl. eine tägliche dreiminütige Arbeitsbefreiung zwischen 6 und 8 Uhr morgens zur Wahrnehmung seiner religiösen Pflichten geltend. Das ArbG hat die Verfügungsklage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte keinen Erfolg. Aus den Gründen: Il. Der Kl. hat keinen Anspruch auf Gebetspausen während der Arbeitszeit in der Winterzeit bis zum 21.02.2002. 1. Der erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Bei der Klage auf Arbeitsfreistellung handelt es sich um eine Leistungs- oder Befriedigungsverfügung, die ausdrücklich im Gesetz nicht geregelt ist. Wegen der Befriedigungswirkung dieser Art der einstweiligen Verfügung sind an den Verfügungsgrund allerdings besonders strenge Anforderungen zu stellen. Nach 62 II ArbGG, 936 ZPO i. V. mit 917, 918 ZPO ist ein Verfügungsgrund nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer auf die sofortige Erfüllung des Anspruchs im Sinne einer Notlage dringend angewiesen ist (LAG Hamm, NZA-RR 1998, 422 = LAGE 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 41 [unter 1]). Vorliegend ergibt sich bereits aus dem drohenden Zeitablauf, dass die erforderliche Dringlichkeit zum Erlass der einstweiligen Verfügung gegeben ist. Der Kl. hätte sonst keine Möglichkeit, seine Gebetspausen noch innerhalb des beantragten Zeitraums gerichtlich durchsetzen zu können. 2. Ein Verfügungsanspruch ist nach zutreffender Auffassung des ArbG nicht gegeben. a) Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich weder aus 616 BGB, noch aus 242 BGB in Verbindung mit dem bestehenden Arbeitsverhältnis. Grundsätzlich unterliegt auch die Festlegung der Zeit der Arbeitsleistung dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Dieses ermöglicht ihm, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Beschränkungen können sich nur aus Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag ergeben (vgl. BAG, NZA 2001, 780 = AP Nr. 61 zu 611 BGB Direktionsrecht). Der zwischen den Parteien unter dem 7. 10. 1994 geschlossene Arbeitsvertrag regelt keine Beschränkung des Direktionsrechts der Bekl. Danach ist der Arbeitnehmer vielmehr nach näherer Anweisung der Betriebsleitung und der einzelnen Vorgesetzten beschäftigt und verpflichtet, auch andere zumutbare Arbeiten zu verrichten. Lediglich die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ist vereinbart. Tarifvertragliche Regelungen oder eine Betriebsvereinbarung über Arbeitspausen bestehen nicht. Der Anspruch kann sich aber aus 616 BGB ergeben. Zu den subjektiven Leistungshindernissen i.s.v. 616 BGB gehören auch die Erfüllung einer vorrangig religiösen Verpflichtung und die ungestörte Religionsausübung, da sie gern. Art. 4 I und II GG unter Verfassungsschutz stehen (BAG, NJW 1983, 2600 = AP Nr. 61 zu 616 BGB). Eine tägliche nur dreiminütige Arbeitspause führt auch i. S. von 616 I 1 BGB zu einer Arbeitsverhinderung nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit. Darüber hinaus kann sich der Anspruch auch aus dem Arbeitsverhältnis i.v.m. 242 BGB ergeben. Die Arbeitsvertragsparteien begründen mit Abschluss des Arbeitsvertrags auch die Pflicht zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Durch verfassungskonforme Auslegung der Generalklausel des 242 BGB können auch Grundrechte des

Arbeitnehmers eine Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme begründen (ErfK/Dieterich, Art. 10 GG Rdnr. 21). Dabei ist anerkannt, dass sich die Grundrechte auch über den Anwendungsbereich des Art. 1 III GG ganz oder teilweise an Privatpersonen wenden können. Sie wirken vor allem auf dem Wege über die Auslegung wertausfüllungsfähiger und wertausfüllungsbedürftiger Generalklauseln auch im Privatrecht (vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 I, 2 Rdnr. 30). aa) Die vom Kl. begehrten Gebetspausen unterliegen dem Schutzbereich des Art. 4 II GG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob daneben auch der Schutzbereich des Art. 4 I GG betroffen ist. Das Grundrecht der ungestörten Religionsausübung ist nämlich bereits im Begriff der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Art. 4 I GG enthalten (BVerfG, NJW 1991, 2623 [2624]). Jedenfalls gehört zum Recht auf ungestörte Religionsausübung nach Art. 4 II GG auch das Durchführen von Gebeten (v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 4 Rdnr. 53 m. w. Nachw.). Entgegen der Auffassung der Bekl. kommt es dabei nicht darauf an, ob die Religion das Beten während der vom Kl. begehrten Zeit zwingend vorschreibt. Ausreichend ist, dass der Gläubige die religiöse Handlung als verbindlich ansieht (Böckenförde, NJW 2001, 723 [724]). Selbst wenn ein zwingender Charakter des religiösen Gebots erforderlich wäre, steht dem nicht entgegen, dass die Religion in Ausnahmefällen auf die Gewissensnot von Gläubigen Rücksicht nimmt (BVerfG, NJW 2002, 663 = NVwZ 2002, 335 [unter B II 16 3 b]). Nach der Auskunft des Islamrates handelt es sich auch bei dem Frühgebet um ein Pflichtgebet. Das Nachholen sei nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Einhaltung der religiösen Regeln sei in die Gewissensentscheidung des einzelnen Gläubigen gestellt. Damit hat der Kl. ausreichend glaubhaft gemacht, dass auch das Frühgebet durch Art. 4 II GG geschützt ist. Selbst wenn der Islam auf besondere Lebensumstände des Gläubigen Rücksicht nimmt und Abweichungen bei den Pflichtgebeten erlaubt, findet die Entscheidung des Kl. zur Abhaltung des Frühgebets während der Arbeitszeit dennoch seine ausreichende Grundlage in den Regeln des Islam. Das Gericht hat sich einer Bewertung dieser religiösen Gewissensentscheidung des Gläubigen zu enthalten. bb) Der Kl. hat mit Arbeitsvertragsschluss nicht auf seine Grundrechte aus Art. 4 I, II GG verzichtet. Ein solcher Verzicht wird unter anderem angenommen, wenn der Arbeitnehmer bei Abschluss des Arbeitsvertrags damit rechnen musste, dass die ordnungsgemäße Erfüllung des Arbeitsvertrags mit seinen Verpflichtungen gegenüber seinem Glauben und Gewissen kollidieren könnte (LAG Düsseldorf, BB 1964, 597). Ein solcher Grundrechtsverzicht wird für zulässig erachtet, da die Verfügung über Grundrechtspositionen eine wesentliche Form des Grundrechtsgebrauchs darstelle (ErfK/Dieterich, Einl. Art. 10 GG Rdnr. 63). Freiwillig eingegangene privatrechtliche Verpflichtungen soll man nicht unter Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit abstreifen können (v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 4 1, 2 Rdnr. 116; Zippelius, in: Dolzer/Vogel, BK, Art. 4 Rdnr. 53). Es ist schon fraglich, ob der Kl. zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses davon ausgehen musste, dass er sein Frühgebet nur während der Arbeitszeit und außerhalb der Pausen hätte durchführen können. Hierfür spricht allerdings, dass vor Abschluss des letzten Arbeitsvertrags ab dem 04.07.1996 bereits ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Vertrag vom 04.10.1994 bestanden hatte. Der Kl. musste daher die betrieblichen Gegebenheiten kennen. Ihm kann jedoch nicht entgegengehalten werden, er hätte bei Vertragsschluss die Gewährung der Gebetspausen vereinbaren können. Sein Schweigen führt nicht zum konkludenten Verzicht auf die begehrte Religionsausübung. Eine solche Betrachtungsweise verkennt die Umstände, in denen vertragliche Klauseln zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern verhandelt

werden. Des Weiteren berücksichtigt sie nicht ausreichend den Schutzbereich des Art. 4 GG. Bei Arbeitsvertragsschluss stehen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht als gleichwertige Vertragspartner gegenüber. Die Vertrags- und Verhandlungsschwäche des Arbeitnehmers ergibt sich schon daraus, dass er auf den Arbeitsplatz angewiesen ist und der Arbeitsmarkt in der Regel wenig nutzbare Ausweichmöglichkeiten bietet. Diese geringe Verhandlungsstärke macht es ihm praktisch unmöglich, für den Arbeitgeber ungünstige Nebenbedingungen zu vereinbaren (vgl. auch Dieterich, RdA 1995, 129 [135]). Der Arbeitnehmer müsste damit sein religiöses Bekenntnis bei den Arbeitsvertragsverhandlungen offenbaren und eine Benachteiligung wegen dieses Bekenntnisses möglicherweise in Kauf nehmen. Zur Sicherung der Glaubens- und Gewissensfreiheit nach Art. 4 I GG sind aber Fragen nach der Religionszugehörigkeit bei Bewerbung um einen Arbeitsplatz und bei den Vertragsverhandlungen nur zulässig, wenn es sich um einen religiös bestimmten Tendenzbetrieb oder eine kirchliche Einrichtung handelt (Richardi, in: Münchener Hdb. z. ArbeitsR, 10 Rdnr. 47). Es stellt daher wiederum einen unzulässigen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 4 I GG dar, vom Arbeitnehmer zu verlangen, seine Religion und die Regeln seiner Religion bereits vor Arbeitsvertragsschluss dem Arbeitgeber zu offenbaren. Wenn schon ein Fragerecht nicht besteht, ist der Arbeitnehmer erst recht nicht zur Offenbarung verpflichtet. Etwas anderes wird nur zu gelten haben, wenn der Arbeitnehmer auf Grund seines religiösen Bekenntnisses nur erheblich eingeschränkt oder überhaupt nicht in der Lage ist, die vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen. Dies kann bei einer dreiminütigen täglichen Gebetspause jedoch nicht angenommen werden. Nimmt man die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit des Grundrechtsverzichts an (so ErfK/Dieterich, Einl. Art. 10 GG Rdnr. 65), kommt es auf diese Abwägung ohnehin nicht an. Zumindest mit Klageeinreichung hat der KI. dann den Grundrechtsverzicht konkludent widerrufen. cc) Der Kl. hat jedoch nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass sein Anspruch auf Religionsausübung gegenüber den ebenfalls grundgesetzlich gewährleisteten Schutzrechten der Bekl. aus Art. 2 I, 12 I und 14 1 GG überwiegt. Die Bekl. ist als juristische Person im Rahmen der auch in Art. 2 I GG enthaltenen wirtschaftlichen Betätigungsrechte Grundrechtsträgerin (Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 5 I 2 Rdnr. 30). Das mit Art. 12 I GG gewährleistete Grundrecht der Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie des Art. 14 I GG schützt ebenfalls juristische Personen (BVerfG, NJW 1998, 1627). Die Grundrechte aus Art. 4 I und 2 GG können ihre Grenze an anderen grundrechtlich geschützten Interessen finden (Zippelius, in: Dolzer/Vogel, Art. 4 Rdnrn. 46 und 86). Bei einer solchen Grundrechtskollision von gleichermaßen verfassungsrechtlich geschützten Interessen muss ein Ausgleich der gegenläufigen Interessen mit dem Ziel ihrer Optimierung gefunden werden. Ist dies nicht möglich, ist danach zu entscheiden, wessen geschützte Interessen überwiegen. Aus den streitigen und gegenläufig glaubhaft gemachten Tatsachen lässt sich nicht entnehmen, dass der Kl. sein Frühgebet ohne betriebliche Störungen ausüben kann. So ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Herrn C vom 08.01.2002, dass der Kl. bei seinem Kollegen nicht in der Lage sei, soweit vorzuarbeiten, dass die Gebetspause eingehalten werden könne. Auch technisch bedingte Störungen der Anlagen könnten dies nicht gewährleisten. Soweit der Kl. vorträgt, es könnten Springer für ihn eingesetzt werden, hat er nicht substanziiert dargelegt, dass solche arbeitsfreien Springer überhaupt vorhanden sind. Der Bekl. trägt hierzu nämlich vor, die Springer müssten aus anderen Arbeitsabläufen abgezogen werden, so dass dort wieder Arbeitsunterbrechungen eintreten würden. Die Bekl. ist nach Auffassung der Kammer auch im Hinblick auf den Schutz des Art. 4 II GG nicht verpflichtet,

Betriebsablaufstörungen hinzunehmen, damit der Kl. seine Gebetspausen einhalten kann. Insoweit hat die Vertragstreue Vorrang (vgl. hierzu v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 4 I, 2 GG Rdnr. 116). Der Arbeitnehmer hat sich grundsätzlich mit Vertragsschluss dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterworfen. Soweit der Arbeitgeber dieses Direktionsrecht ausübt, um einen ungestörten Betriebsablauf zu gewährleisten, muss der Arbeitnehmer auch trotz Schutz durch sein Grundrecht aus Art. 4 I und 2 GG den daraus folgenden Weisungen des Arbeitgebers Folge leisten. Allerdings ist der Arbeitgeber verpflichtet, im zumutbaren Umfang durch betriebliche Organisationsmaßnahmen die Religionsausübung durch den Kl. zu gewährleisten. Solche Organisationsmaßnahmen sind im vorliegenden Verfahren jedoch nicht vorgetragen. b) Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus konkludenter Vertragsänderung oder Vertrauensschutzgesichtspunkten. Soweit der Kl. hierzu vorträgt, er habe sechs Jahre lang in Kenntnis von Betriebs- und Schichtleitern gebetet, ist der Vortrag unsubstanziiert. Hieraus ergibt sich nicht, dass er genau außerhalb der ordnungsgemäßen Pausenzeiten und innerhalb der durch den Islam vorgegebenen Zeiten des Frühgebets arbeitsfreie Pausen in Anspruch genommen hat. Zudem trägt der Kl. selbst vor, dass er erst seit kurzer Zeit an der Vertikal-Anlage beschäftigt sei. Damit ist es durchaus denkbar, dass zuvor die Gebetspausen ohne betriebliche Störungen eingehalten werden konnten. Zudem ist nicht vorgetragen, dass die Duldung der Pausen durch Führungskräfte erfolgte, die bevollmächtigt gewesen sind, mit Wirkung für die Bekl. entsprechende Entscheidungen zu treffen.