Recherchieren unter juris Das Rechtsportal Langtext Gericht: Sächsisches Finanzgericht 2. Senat Entscheidungsdatum: 16.10.2013 Aktenzeichen: 2 K 1183/13 Dokumenttyp: Urteil Quelle: Orientierungssatz Nichtzulassungsbeschwerde anhängig unter XI B 126/13 Diese Entscheidung zitiert Rechtsprechung Vergleiche BFH 5. Senat, 10. November 2011, Az: V R 41/10 Vergleiche BFH 5. Senat, 3. März 2011, Az: V R 23/10 Vergleiche BFH 5. Senat, 11. Februar 2010, Az: V R 30/08 Vergleiche BFH 5. Senat, 19. November 2009, Az: V R 29/08 Vergleiche BFH 5. Senat, 20. August 2009, Az: V R 70/05 Vergleiche BFH 5. Senat, 18. Juni 2009, Az: V R 4/08 Vergleiche EuGH 3. Kammer, 4. Juni 2009, Az: C-102/08 Vergleiche BGH 5. Zivilsenat, 20. Mai 1994, Az: V ZR 292/92 Tenor Tatbestand 1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2007, für 2008 und für 2009 werden dahingehend abgeändert, dass die Umsatzsteuer für 2007 auf... und für 2008 und 2009 jeweils auf... festzusetzen ist. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. 3. Das Urteil ist für die Klägerin hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet. 4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. 1 Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Leistungen aufgrund eines Vertrages über den Betrieb eines Freibades umsatzsteuerpflichtig sind. 2 Die Klägerin ist Eigentümerin eines Freibades, das sie zunächst selbst als Betrieb gewerblicher Art (künftig: BgA) führte. Seit dem 1. Januar 2007 verpachtete sie das Freibad. Dazu schloss sie mit Herrn X einen Pacht- und Betriebsführungsvertrag. In der Präambel hielten die Vertragsparteien fest, dass die Kosten für den Betrieb nicht durch die Einnahmen gedeckt würden und der Vertrag das Ziel habe, den sicheren Betrieb des Bades weiterhin zu gewähren sowie die Effektivität und Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. 3 Der Vertrag enthält u.a. folgende Regelungen: - Seite 1 von 5 -
4 Präambel: 5 Dazu (= Sicherstellung des Badbetriebes) pachtet der Pächter das gesamte Grundstück des Bades, dessen Umfang aus der Anlage ersichtlich ist, einschließlich der kompletten Badanlage, betreibt das Bad im Auftrag der Stadt und stellt es in gleicher Weise der Öffentlichkeit zur Verfügung, wie dies bisher die Stadt selbst getan hat. Die Stadt wird dem Pächter die aus Eintrittsgeldern und sonstigen Einnahmen nicht zu erwirtschaftenden Betriebsaufwendungen erstatten, sofern diese allein aus einem ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Badebetrieb entstehen. 6 Alle im Zusammenhang mit dem Betrieb des Bades einschlägigen Vorschriften sind einzuhalten. Die Verfügbarkeit des Bades hat dem bisherigen Stand zu entsprechen, es sei denn, dass vom Pächter nicht zu beeinflussende objektive Gründe das nicht oder nicht mehr zulassen. 7 6, Kostenbeteiligung der Stadt (1) Die Stadt zahlt zum Ausgleich der durch den Betrieb des Bades nicht deckungsfähige Kosten (ungedeckter Aufwand) an den Pächter einen jährlichen Zuschuss in Höhe von 96.000 Euro zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Dieser Betrag wird durch die Stadt in gleichen monatlichen Raten jeweils bis zum 10. des laufenden Monats auf das Konto des Pächters bei der Sparkasse... überwiesen. (2) Dieser Zuschuss vermindert sich, wenn Beschäftigte der Stadt der Übernahme gemäß 5 Abs. 4 widersprechen und vom Pächter nicht in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden. Wird nur ein Beschäftigter der Stadt vom Pächter in ein Arbeitsverhältnis übernommen, vermindert sich der Zuschuss auf 78.000 Euro zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Wird kein Beschäftigter der Stadt vom Pächter in ein Arbeitsverhältnis übernommen, vermindert sich der Zuschuss auf 71.000 Euro zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. 7, Eintrittspreise und Nutzungsrechte (1) Die Eintrittspreise richten sich nach der von der Stadt erlassenen Entgeltordnung. Sie ist als Anlage Teil dieses Vertrages. Änderungen der Entgeltordnung erfolgen im Einvernehmen mit dem Pächter. (2) Der Pächter gestattet der Stadt die Durchführung von jährlich bis zu drei Veranstaltungen im Bad. Die Kosten trägt die Stadt. Der normale Badbetrieb darf dadurch nicht behindert werden. Einzelheiten regeln Stadt und Pächter im Einzelfall einvernehmlich. 8 Der Pächter hatte die Betriebskosten zu tragen und eine jährliche Pacht von 1.100 zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Zu einer Übernahme eines Beschäftigten der Klägerin durch den Pächter kam es nicht. - Seite 2 von 5 -
9 Auf die eingereichten Umsatzsteuererklärungen führte der Beklagte eine Umsatzsteuersonderprüfung im Juni 2008 für das Steuerjahr 2007 durch. Die Prüferin vertrat die Auffassung, dass hinsichtlich der Vorsteuer für die Monate Juni bis Dezember 2007 der Abzug zu versagen sei, da keine Rechnungen vorlägen. Für die Monate Januar bis Mai 2007 sei nur eine Vorsteuer von 7% zu berücksichtigen, da die Leistungen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Schwimmbades stünden und daher 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG unterfielen. Der Beklagte folgte den Feststellungen der Prüferin. 10 Der Beklagte setzte die Umsatzsteuer für 2008 und für 2009 fest, wobei er jeweils eine Vorsteuer von 7% hinsichtlich des Zuschusses berücksichtigte. 11 Gegen diese unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheide legte die Klägerin Einspruch ein, da sie der Auffassung war, dass es sich um Leistungen handele, die dem Regelsteuersatz unterfielen, zumal der Verpächter selbst die Umsätze mit dem Regelsteuersatz versteuern müsse. Nach einer Prüfung durch das Landesamt für Steuern und Finanzen vertrat der Beklagte die Auffassung, dass es sich nicht um einen BgA handele und es somit an der Unternehmereigenschaft der Klägerin fehle. Er hob daher die Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2009 auf und wies die Einsprüche als unbegründet zurück. 12 Die Klägerin trägt vor, dass sie zum einen Einnahmen durch die jährliche Pacht von 1.100 netto erziele und dass zum anderen ein Leistungsaustausch darin bestehe, dass sie dem Pächter 71.000 dafür zahle, dass er die Betriebsführung übernehme. Der Wille, mit dem Vertrag die Betriebsfortführung sicherzustellen, ergebe sich aus der Überschrift des Vertrages und den jeweiligen Regelungen. Das Vertragswerk sei dementsprechend auszulegen. 13 Die Klägerin beantragt, die Umsatzsteuerbescheide für 2007 vom..., für 2008 vom... und für 2009 vom..., alle zuletzt geändert am..., sowie die Einspruchsentscheidung vom... aufzuheben und die Umsatzsteuer für 2007 auf... und für 2008 und 2009 jeweils... festzusetzen. 14 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 15 Der Beklagte trägt unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vor, dass es sich nicht um einen BgA handele, da keine nachhaltige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen im Sinn des 4 Abs. 4 KStG gegeben sei. Bei einheitlicher Betrachtung der vereinnahmten Pachtentgelte und der gewährten Zuschüsse ergebe sich eine Belastung der Klägerin. Die Übernahme der laufenden Betriebs- und Unterhaltungskosten u.a. stelle kein Entgelt dar. Eine aus der Gesamtbetätigung der Klägerin sich heraushebende wirtschaftliche Tätigkeit läge mangels Entgeltlichkeit nicht vor. 16 Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze, die dem Gericht übersandten Steuerakten sowie das Protokoll vom 16. Oktober 2013 Bezug genommen. Entscheidungsgründe 17 Die zulässige Klage ist begründet. I. - Seite 3 von 5 -
18 Die Umsatzsteuerbescheide für 2007 bis 2009 verletzen die Klägerin in ihren Rechten, soweit der Beklagte die Klägerin hinsichtlich des Freibades nicht als Unternehmerin behandelt hat. 19 1. Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind nach 2 Abs. 3 Satz 1 UStG nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art ( 4 KStG) gewerblich oder beruflich tätig, soweit 2 Abs. 3 Satz 2 UStG nicht eingreift. Die bloße Vermögensverwaltung durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist aus körperschaftsteuerrechtlicher Sicht grundsätzlich kein BgA. Der EuGH hat nach Maßgabe der einschlägigen unionsrechtlichen Regelung in Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. nunmehr Art. 13 der MWStSystRL hingegen entschieden, dass die Vermietung von Verwaltungsvermögen nach den Regeln des Privatrechts durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts keine Tätigkeit ist, die ihr im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt (Urteil des EuGH vom 4. Juni 2009, DStR 2009, 1196). Mit Urteil vom 20. August 2009 (BFH/NV 2009, 2077) hat der Bundesfinanzhof daraufhin entschieden, dass auch eine vermögensverwaltende Tätigkeit zum unternehmerischen Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gehören oder die Unternehmereigenschaft einer juristischen Person des öffentlichen Rechts begründen kann. Eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist bei richtlinienkonformer Auslegung von 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.v.m. 4 KStG entsprechend Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG Unternehmer, wenn sie eine wirtschaftliche und damit eine nachhaltige Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeit) ausübt, die sich innerhalb ihrer Gesamtbetätigung heraushebt. Handelt sie dabei auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, kommt es auf weitere Voraussetzungen nicht an (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 3. März 2011, BStBl II 2012, 74 und vom 10. November 2011, BFH/NV 2012, 670 m.w.n.). 20 Die Klägerin unterhält mit der Verpachtung des Freibades einen BgA. Bei dem Betrieb des Freibades handelt sich um einen Betrieb, der geeignet ist, Einnahmen zu erzielen. Die bis zum 31. Dezember 2006 vorgenommenen Tätigkeiten der Klägerin zum Betrieb waren darauf ausgerichtet, hierbei den Bedarf der Bevölkerung nach Sportstätten zu erfüllen. Eine Einnahmequelle sollten die von den Nutzern zu zahlenden Beträge sein. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, und die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sind nicht erforderlich. Gemäß 4 Abs. 4 KStG ist das Verpachten eines BgA dem Betrieb eines solchen gleichgestellt. Für die Frage, ob es sich bei dem Vertrag vom 15. November 2006/8. Januar 2007 um einen Vertrag im Sinn des 4 Abs. 4 KStG handelt oder um Vermögensverwaltung der Klägerin, sind die in dem Vertrag vereinbarten Leistungen und Gegenleistungen gegenüber zu stellen (Baldauf, Verpachtungsbetriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, DStZ 2010, 125 ff m.w.n.). Ein Leistungsaustausch kann sich auch daraus ergeben, dass der Pächter Pflichten übernimmt, die ansonsten der Verpächter zu erfüllen hätte (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20. Mai 1994, NJW-RR 1994, 971). 21 Vorliegend oblagen dem Pächter die üblichen Verpflichtungen wie die Tragung der Betriebskosten und den Unterhalt der Anlagen. Soweit an den Anlagen jedoch Investitionen erforderlich sind, hat diese die Klägerin als Verpächterin zu übernehmen. Aus Sicht der Klägerin erhält sie 1.100 zuzüglich Mehrwertsteuer als Pacht und den Betrieb des Freibades, so dass sie Einnahmen erzielt. Durch die Überlassung des Freibades auf Basis eines privatrechtlichen Vertrages übt die Klägerin eine wirtschaftliche Tätigkeit aus, die umsatzsteuerpflichtig ist. 22 Soweit die Beteiligten um die umsatzsteuerliche Behandlung der von der Klägerin gezahlten Zuschüsse streiten, stellen diese einen Leistungsaustausch dar, wenn die öffentliche Hand Schwimmbäder an einen Privaten überträgt und diesem auf Grund eines gegenseitigen Vertrages Betriebskostenzuschüsse für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Badebetriebes zahlt (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. November 2009, BFH/NV 2010, 701). Bei der Regelung in 6 des Vertrages handelt es sich nicht um das Entgelt eines Dritten nach 10 Abs. 1 Satz 3 UStG für Leistungen, die die Klägerin gegenüber den Benutzern der Einrichtungen erbrachte. Den Zahlungen der Klägerin kommt kein preisauffüllender Charakter zu, weil sie zwar die Höhe der für die Nutzung der Einrichtungen zu entrichtenden Entgelte vorgab, sich aber nicht zur Verlustdeckung verpflichtete, sondern der Betrag von 71.000 ein - Seite 4 von 5 -
zusätzliches, pauschales Entgelt für die durch den Pächter an die Benutzer der Einrichtungen erbrachten Leistungen darstellt (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Juni 2009, BStBl II 2010, 310). 23 2. Die Klägerin hat hinsichtlich der Verpachtung des Grundstückes auf die Steuerbefreiung des 4 Nr. 12 a UStG verzichtet, weil sie mit dem Pächter in dem Vertrag vereinbarte, dass Leistungen mit Umsatzsteuer zu erbringen sind. 24 Hinsichtlich der Umsätze und der Vorsteuern ist der ermäßigte Steuersatz nach 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG anzuwenden. 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG ist eng auszulegen. Soweit die Vorschrift die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze anordnet, beruht sie auf Art. 12 Abs. 3 a der Richtlinie 77/388/EWG i.v.m. Anhang H Nr. 13 dieser Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten das Überlassen von Sportanlagen einem ermäßigten Steuersatz unterwerfen können. Die Umsatzsteuer ermäßigt sich für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze auf 7 %. Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang des Umsatzes mit dem laufenden Betrieb eines Schwimmbades. Hierzu gehört zwar zunächst die entgeltliche Verschaffung einer Schwimmgelegenheit an Dritte. Unmittelbar mit dem laufenden Betrieb des Schwimmbades zusammen hängen aber auch die im Streitfall erbrachten und der Aufrechterhaltung des Betriebes des Freibades für die Öffentlichkeit und der Durchführung des laufenden Betriebes des Freibades dienenden Betriebsführungsleistungen der Klägerin (Urteile des Bundesfinanzhofs vom 19. November 2009, BFH/NV 2010, 701 und vom 10. Februar 2010, BFH/NV 2010, 2125). 25 Die Umsatzsteuer war entsprechend der Erläuterung der Klägerin im Schriftsatz vom 8. Oktober 2013 festzusetzen. Im Streitjahr 2007 waren weitere Vorsteuern aus Anschaffungen der Klägerin zur Energieversorgung des Freibades anzusetzen. Diese bereits in der Umsatzsteuererklärung für 2007 enthaltenen Positionen hat die Betriebsprüferin bzw. der Beklagte ohne nähere Begründung nicht berücksichtigt. In den Streitjahren 2008 und 2009 begehrt die Klägerin eine geringere Umsatzsteuerfestsetzung wie sie in den Bescheiden vom... bzw.... erfolgte, denen bereits eine Vorsteuer von 7% zugrunde lag. II. 26 Die Kostenentscheidung beruht auf 135 Abs. 1 FGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf 151, 155 FGO i.v.m. 708 Nr. 10, 711 ZPO und hinsichtlich der Hinzuziehung im Vorverfahren auf 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. juris GmbH - Seite 5 von 5 -