Die Wechselrechte der Privatversicherten 1. Tarifwechselrecht in der PKV: Alternativen in jeder Lebenslage Jeder Privatversicherte kann jederzeit und in jedem Alter den Tarif wechseln. Ganz nach den individuellen Bedürfnissen lassen sich somit innerhalb des Versicherungsunternehmens der Leistungsumfang und auch der Preis anpassen. Um dieses Tarifwechselrecht zu stärken, hat der PKV-Verband Leitlinien der Privaten Krankenversicherung für einen transparenten und kundenorientieren Tarifwechsel erarbeitet, die nochmals deutlich über die gesetzlichen Ansprüche hinausgehen. Privatversicherte, die ihren Beitrag einer veränderten Einkommenssituation anpassen möchten, sollten ihren Versicherer auf tarifliche Alternativen ansprechen. In besonderen Problemfällen können langjährig Privatversicherte zum Beispiel in den Standardtarif wechseln, der Leistungen entsprechend der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bietet und im Schnitt nur etwa 280 Euro Beitrag im Monat kostet. Und wer hilfebedürftig ist, erhält im Basistarif einen Versicherungsschutz ganz ohne eigenen Zahlbeitrag. Mit ihren Wechselmöglichkeiten muss sich die PKV wahrlich nicht hinter der GKV verstecken. Im Gegenteil: Während es für Privatversicherte jederzeit echte Wahlfreiheit bei Preis und Leistung gibt, kann man in der GKV lediglich von einer Kasse zur nächsten springen landet dabei aber stets im gesetzlich vorgegebenen Einheitsschutz mit weitgehend identischen Leistungen zum nahezu identischen Preis. 1
Eine aktuelle Umfrage des Allensbach-Instituts zeigt, dass 93 Prozent der Privatversicherten mit ihrem Krankenversicherer zufrieden sind. Ein Wechsel des Unternehmens dürfte für sie also gar kein Thema sein. Und wer sich doch verändern möchte, wechselt in der Regel ohne Probleme: Auf Schwierigkeiten beim Tarifwechsel haben bei der unabhängigen Schlichtungsstelle des PKV- Ombudsmanns im vergangenen Jahr gerade einmal 131 Privatversicherte hingewiesen das entspricht rund 0,002 Prozent der 8,77 Millionen Privatversicherten. Extrem wenige Probleme beim Tarifwechsel in der Privaten Krankenversicherung 8.770.000 Verträge in der Privaten Krankenvollversicherung Beschwerden beim PKV-Ombudsmann in der Vollversicherung pro Jahr: 3.708 davon 131 Probleme mit dem Tarifwechselrecht Quelle: PKV-Ombudsmann 2016 2. Die Portabilität ein ökonomisches Theoriegebäude mit beträchtlichen Problemen Trotz der außerordentlichen Wahlfreiheiten der Privatversicherten kommt immer wieder die Forderung auf, die rechtlichen Möglichkeiten des Unternehmenswechsels dadurch zu stärken, dass den Versicherten bei einem Wechsel von Unternehmen A nach Unternehmen B ein Teil der kollektiv angesparten Alterungsrückstellungen mitgegeben wird. Entsprechende Überlegungen stoßen jedoch auf massive sozialpolitische, rechtliche und technische Hindernisse: 2
Die PKV ist eine Risikoversicherung, kein individueller Sparvertrag. Die Alterungsrückstellung wird für das Krankheitsrisiko des gesamten Kollektivs kalkuliert, nicht für das individuelle Krankheitsrisiko jedes Einzelnen. Die für jede Krankenversicherung grundlegende Solidarität von Gesunden mit Kranken gilt in der PKV auch für das angesparte Kapital, das nur für den Krankheitsfall reserviert ist. Eine Portabilität der Alterungsrückstellungen für Altversicherte birgt deshalb erhebliche sozialpolitische Gefahren: Weil überwiegend Gesunde die Option zum Wechsel nutzen werden, schwächt jeder Wechsel das Versichertenkollektiv der Zurückbleibenden. So stellte z.b. der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem Sondergutachten 2012 fest: Beim Krankenkassenwechsel zeigen sich junge, gutverdienende und besser gebildete Versicherte flexibler als ältere und gesundheitlich eingeschränkte Versicherte. Die empirisch in allen Krankenversicherungssystemen feststellbare besondere Wechselneigung der Gesünderen führt zu einer Verschlechterung der Risikomischung im Kollektiv der Versicherten. Ihrem gemeinsamen Deckungskapital würde bei einer Portabilität der Alterungsrückstellungen eine Summe entzogen, die die verbleibenden Versicherten nachfinanzieren müssten. Die Folge wären Beitragssteigerungen bei den Älteren, also ausgerechnet bei denjenigen, die keine Wechselneigung haben. Portabilität würde also nur für Gesunde, die sich finanziell optimieren wollen, den Verbraucherschutz steigern, dies jedoch zu Lasten der gemeinsamen Vorsorge der Älteren und Kranken. So warnt auch ein von den Verbraucherzentralen 2015 beauftragtes Gutachten des Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Jürgen Wasem: Dies würde zu einer Umverteilung zugunsten derjenigen Versicherten führen, die die Wechseloption wahrnehmen, und zulasten derjenigen Versicherten, die keinen Wechsel vornehmen. Alterungsrückstellungen in der Privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Milliarden Euro 85,1 93,8 103,4 113,4 123,6 134,4 145,3 158,0 169,4 181,6 194,0 206,0 220,1 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Quelle: PKV 3
Eine Portabilität der Alterungsrückstellungen würde Versicherten in fortgeschrittenem Alter zudem nur dann einen Unternehmenswechsel eröffnen, wenn jeder Wechselnde unabhängig von seinem Gesundheitszustand einen Anspruch auf Annahme im Unternehmen seiner Wahl hätte. Als Folge eines solchen Kontrahierungszwangs müsste ein Risiko-Ausgleich zwischen den Unternehmen geschaffen werden, der aber nur in einem Einheitstarif überhaupt denkbar ist. Wer also zur vermeintlichen Förderung der Wechselmöglichkeiten und des Wettbewerbs in der PKV Portabilität und Annahmezwang einführen würde, erreichte damit den Zustand, der für die GKV heute schon gilt: jederzeitiges Wechselrecht unter der Inkaufnahme, dass die Alternativen alle weitgehend identisch sind. Zu bedenken sind auch die Folgen für die Kapitalerträge. Die PKV-Unternehmen legen die Alterungsrückstellungen sehr langfristig am Kapitalmarkt an. Nur die langfristige Anlage ermöglicht es, bei der gebotenen Sicherheit eine angemessene Verzinsung für die Versicherten zu erzielen. Gäbe es portable Alterungsrückstellungen, müssten die Unternehmen Langfrist-Anlagen gegen mittel- und kurzfristige Anlagen austauschen. Das würde die Kapitalerträge schmälern und somit zu Beitragserhöhungen führen. Mehrere Expertenkommissionen sind bereits zu dem Schluss gekommen, dass es kein gangbares Portabilitätsmodell gibt, etwa der Sachverständigenrat Gesundheit 2001, die VVG-Kommission 2004 sowie die Gesundheitsökonomen Prof. Dr. Jürgen Wasem, Prof. Dr. Florian Buchner und Dr. Anke Walendzik in einer Studie für den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) e.v. im Jahr 2015. Eine nachträgliche und rückwirkende Veränderung der Kalkulationsgrundlagen für die Bestandskunden mit vielfach schon seit Jahrzehnten laufenden Versicherungen wäre ein verfassungswidriger Eingriff in bestehende Verträge. Der vom Gesetzgeber für Neuzugänge ab 1.1.2009 geschaffene Übertragungswert beim Unternehmenswechsel ist hingegen eine neue, zusätzliche Leistung, für die von vornherein ein entsprechender Beitrag kalkuliert wird. Aus Gründen der Vertragstreue durfte der Gesetzgeber diese Leistung nur für die Zukunft verfügen. Immerhin haben schon heute nahezu 20 % der erwachsenen Versicherten dieses Recht infolge eines Vertragsabschlusses seit dem 1.1.2009 erworben. Für diese Gruppe ist die Forderung nach Portabilität der Alterungsrückstellungen bereits erfüllt. Dabei zeigt die Erfahrung, dass die Gruppe der 4
Versicherten mit einem Recht auf einen Übertragungswert (Portabilität) von Jahr zu Jahr um 3-5 %-Punkte ansteigt. Mit der Schaffung einer Portabilität der Alterungsrückstellungen wären somit erhebliche verfassungsrechtliche und sozialpolitische Risiken verbunden. Je nach Umsetzungsvariante liefe die Portabilität Gefahr, zu massiven Beitragserhöhungen bei älteren und bereits erkrankten Versicherten zu führen oder die gesamte PKV in einen Einheitstarif zu verwandeln. Herausgeber: Verband der Privaten Krankenversicherung e.v. Gustav-Heinemann-Ufer 74 c, 50968 Köln Glinkastraße 40, 10117 Berlin www.pkv.de März 2017 5