Online-Überwachung von Rohrvortrieben

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Transkript:

4 Rohr vortrieb Erfahrungen in der Praxis Online-Überwachung von Rohrvortrieben Mit einer neu entwickelten Überwachungstechnik kann sichergestellt und dokumentiert werden, dass die Rohre beim Vortrieb nicht überlastet und somit Schäden mit hohen Folgekosten vermieden werden. Von J. Beyert, U. Bohle, R. Osebold und H. Sommerhage* Beim Rohrvortrieb werden Kanalisationen und Leitungen umweltfreundlich, ohne großflächige Störung von Verkehrsflächen und wirtschaftlich verlegt. In der Vergangenheit wurde die Geräteund Verfahrenstechnik ständig verbessert, um auch komplexe Aufgabenstellungen lösen zu können. Heute können Rohrvortriebe selbst in schwierigen Geologien, mit komplizierten Trassenführungen und im Umfeld empfindlicher Bebauung ausgeführt werden. Damit diese erhöhten Anforderungen und damit verbundenen Risiken sicher bewältigt werden, müssen Probleme und Gefahren frühzeitig erkannt werden können. Ein besonderes Augenmerk kommt hierbei dem schadlosen Einbau der Vortriebsrohre zu. Beim Vorpressen werden große Kräfte in die Rohre eingeleitet und von Rohr zu Rohr übertragen. Mit einer neu entwickelten Überwachungstechnik kann nun sichergestellt und dokumentiert werden, dass die Rohre nicht überlastet und somit Schäden mit hohen Folgekosten vermieden werden. Kräfte beim Rohrvortrieb Die beim Vortreiben der Rohre zu überwindenden Vorpresskräfte werden von Hydraulikzylindern im Startschacht auf das jeweils zuletzt eingebaute Rohr aufgebracht und von Rohr zu Rohr bis zur Vortriebsmaschine übertragen (Bild 1).

Rohr vortrieb 5 Bild 1: Rohrvortrieb; Spitzenwiderstand, Mantelreibung und Vorpresskraft Insgesamt ergibt sich die aufzubringende Vorpresskraft aus dem Spitzenwiderstand (Bohrkopfandruck) und der Mantelreibung zwischen Rohren und Boden. Mit zunehmender Vortriebsstreckenlänge nimmt daher auch die aufzubringende Vorpresskraft zu (Bild 1). Zur Verbesserung der Übertragung der Presskräfte von Rohr zu Rohr werden Fugenzwischenlagen eingesetzt. Die Fugenzwischenlage muss hierbei so ausgelegt werden, dass bei spröden Rohrwerkstoffen (Beton, Steinzeug) die Presskräfte schadlos aufgenommen und übertragen werden. Zudem werden bei längeren Vortriebsstrecken zur Verringerung der Vorpresskraft, die alleine von der Presseinrichtung im Startschacht aufgebracht werden müsste, Zwischenpressstationen (Dehner) im Rohrstrang eingesetzt. Aber auch bei sorgfältiger und normenkonformer Dimensionierung der Rohre kommt es beim Rohrvortrieb dennoch vereinzelt zu Schäden, die in Form von Abplatzungen am Rohrspiegel, Rissbildungen in Rohrlängsrichtung bis hin zu großflächigen Scherbenbrüchen an den Rohrspiegeln und Rohraußenflächen auftreten (Bild 2). Die Ursache hierfür ist eine Überlastung der Rohre. Sie ist seltener Folge einer unzulässigen Erhöhung der Presskräfte, sondern meistens auf eine zu große Verwinkelung der Vortriebsrohre zurückzuführen. Derartige Verwinkelungen haben nämlich zur Folge, dass sich die Druckübertragung nicht mehr auf die gesamte Rohrspiegelfläche verteilt, sondern auf eine kleine Teilfläche konzentriert. Dies wird bei der derzeitigen Bemessung der Vortriebsrohre nur unzureichend berücksichtigt. Die Gründe für größere Rohrverwinkelungen können unterschiedlicher Natur sein und z.b. aus dem Boden (Schichtungen, Hindernisse) oder zu starken Richtungssteuerungen herrühren. Um auch in diesen Fällen Schäden vermeiden zu können, wurde am ibb - Institut für Baumaschinen und Baubetrieb der RWTH Aachen ein Überwachungssystem entwickelt, mit dem die Spannungsverteilung in den Rohrfugen visualisiert und überwacht werden kann. Entwicklung des Online-Überwachungssystems Zuerst wurde im Institut mit einer speziellen Folien-Druckmesstechnik die tatsächli- Bild 2: Schäden an Vortriebsrohren che Spannungsverteilung in der Rohrfuge untersucht. Hierbei wurden Rohrpaare in Längsrichtung belastet und dann planmäßig verwinkelt. Die in der Rohrfuge auftretenden unterschiedlichen Spannungsverteilungen konnten somit den jeweils eingestellten Längskräften und Verwinkelungen zugeordnet und analysiert werden (Bild 3). Bild 3: Messsensor (links) und Ergebnis einer Spannungsmessung in der Rohrfuge (rechts) Hierbei wurde erkannt, dass schon kleine Verwinkelungen zu erheblichen Spannungskonzentrationen in den Rohrspiegeln führen. Eine Darstellung der tatsächlichen Spannungen in der Rohrfuge wäre zur Überwachung von Rohrvortrieben ideal, allerdings ist die Druckfolienmesstechnik nur für den Laborbetrieb geeignet und nicht für den rauen Betrieb auf Baustellen. Daher musste ein anderer Weg gefunden werden. Es wurde die Idee entwickelt, die Fugenzwischenlage als Sensor heranzuziehen

6 Rohr vortrieb Bild 4: Zyklische Belastung von 10,3 mm-holzwerkstoff-prüfkörpern und die Verformung der Fugenzwischenlage als Messgröße zur Ermittlung der Spannung im Rohrspiegel zu nutzen. Voraussetzung für diesen Weg ist allerdings die genaue Kenntnis über das Verhalten des Fugenzwischenlagenmaterials unter allen beim Rohrvortrieb auftretenden Belastungen. Als Material von Fugenzwischenlagen werden in erster Linie Spanplatten V100, OSB-Platten oder Vollhölzer verwendet. Die Verformungseigenschaften von Holzwerkstoff- oder Vollholz- Fugenzwischenlagen zeichnen sich durch ein überwiegend elastisches Materialverhalten im niedrigen Lastbereich und durch ein nicht linear elastisch-plastisches Materialverhalten im höheren Lastbereich aus. Die bislang übliche Ermittlung des Spannungsverformungsverhaltens mit einem konstanten E-Modul führt deshalb zu falschen Ergebnissen, die zumeist auf der unsicheren Seite liegen. Bild 4 zeigt das nicht lineare Spannungs-Stauchungsverhalten bei mehrmaliger gesteigerter Belastung sowie den E-Modul-Verlauf für eine max. Stauchung von etwa 45 %. Zerlegt man nun eine Fugenzwischenlage in entsprechend kleine Elemente und ordnet diesen Elementen eine Verformung zu, kann mit dem entwickelten Materialmodell jedem Element eine Druckspannung zugewiesen werden. Geschieht dies über eine Parallelberechnung für alle Fugenzwischenlagenelemente, ergibt sich hieraus die Spannungsverteilung in der Rohrfuge. Die fehlende Eingangsgröße hierfür ist die jeweilige Stauchung der einzelnen Fugenzwischenlagenelemente. Die Werte für die Stauchung der Fugenzwischenlage erhält man Bild 5: Trassenführung des 3. Vortriebsabschnitts; Lage der Dehner und Messfugen MF

Rohr vortrieb 7 Bild 6 (oben und rechts): Messtechnik im Vortriebsrohrstrang durch Vermessung des Fugenspalts zwischen zwei Vortriebsrohren. An ausgewählten Fugen werden mit vier Wegsensoren deshalb die Fugenspaltmaße gemessen. Die Sensoren sind in um 45 versetzten Viertelspunkten angeordnet. Die Messwerte werden während des Rohrvortriebs kontinuierlich an einen Rechner weitergeleitet und mit einer eigens entwickelten Software, dem Kernstück des Systems, weiterverarbeitet. Hiermit können die aktuellen Rohrverwinklungen ermittelt und in einem weiteren Rechengang aus diesen Werten die Spannungen in den Fugen errechnet werden. Hierbei wird die Verformungsgeschichte der Fugenzwischenlage berücksichtigt, d.h. aus den Vorbelastungen wird die maximale plastische Verformung und der aktuelle E-Modul jedem Fugenzwischenlagen-Element zugewiesen. Dieser Berechnungsvorgang wird für jede Rohrfuge der bislang eingebauten Rohrstrecke durchgeführt, so dass die Spannungsverteilung in allen Fugen auf Grundlage der aktuellen Belastung und der Belastungshistorie ermittelt wird. Die Spannungsverteilung und insbesondere die maximale Druckspannung wird mit der Druckfestigkeit des Rohrwerkstoffs verglichen. Durch Aufsummierung der Spannungen über die druckkraftübertragende Fläche in der Rohrfuge kann nun die dort wirkende und die für die jeweilige Fuge aufnehmbare Vorpresskraft berechnet werden. Durch einen Vergleich aller Rohrfugen wird die Fuge mit der höchsten Belastung bestimmt und hieraus für jede Presseinrichtung (Hauptpresse und evtl. eingebaute Dehner) die jeweils zulässige Vorpresskraft berechnet, bei der in der maßgebenden Fuge gerade keine Überlastung eintritt. Diese neue Technik konnte im Rahmen eines vom Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen geförderten Forschungsprojekt [3] mit dem Projektpartner, der Emschergenossenschaft, erprobt und weiterentwickelt werden. Praxiserprobung des Überwachungssystems Bei einer Baumaßnahme der Emschergenossenschaft Vorthbach wurden Stahlbetonvortriebsrohre DN 2500 in drei Abschnitten vorgetrieben. Die Vortriebslängen der drei Abschnitte lagen zwischen 170 m bis 370 m, die Kurvenradien der geplanten Vortriebstrassen variierten zwischen 800 m und 235 m. Alle drei Vortriebsabschnitte wurden mit dem Überwachungssystem begleitet. Vorgestellt werden soll nachfolgend der dritte Vortriebsabschnitt. Bild 5 zeigt für diesen dritten Vortriebsabschnitt die Trassenführung, die Dehneranordnung im Rohrstrang sowie die Lage der vier eingebauten Messfugen, in denen die Fugenwege kontinuierlich erfasst wurden. Die Trasse weist zuerst eine gerade Strecke von 122 m, dann einen Kreisbogen mit einem Radius von R = 800 m und einer Länge von 43 m sowie eine Gerade von 157 m auf. Die Messfugen sind als Doppelmessfugen (MF 1; MF 2) kurz hinter der Vortriebsmaschine sowie als Einzel-Messfugen (MF 3; MF 4) kurz vor einem Dehner sowie zwischen zwei Dehnern angeordnet. In Bild 6 ist die im Rohrstrang eingebaute Messtechnik dargestellt. Mit vier Wegsensoren werden an den ausgewählten Rohrfugen die Spaltmaße erfasst und über Messverstärker an den in der Nähe der Pressgrube aufgestellten Rechner weitergeleitet. Dort wird die Berechnung der Rohrverwinkelung und Spannungsverteilung vorgenommen sowie online die aktuelle zulässige Vortriebskraft ermittelt. In der Nähe des Rohrvortriebs-Steuerstandes ist ein Bildschirm aufgestellt, auf dem die zulässige sowie die tatsächliche Vortriebskraft angezeigt werden (Bild 9). Die Grundlage hierfür sind die aus den ermittelten Fugenwegmessungen errechneten Rohrverwinkelungen. In Bild 7 sind die Rohrverwinkelungen der vier Messfugen abgebildet und zum Vergleich den planmäßigen Rohrverwinkelungen gegenübergestellt. Gut zu erkennen ist, dass die gemessenen Rohrverwinkelungen im Bereich der Geraden gering sind und nur wenig vom planmäßigen Wert (0 Rohrverwinkelung) abweichen. Die planmäßige Verwinkelung in der Kurve von 0,215 wird allerdings erheblich überschritten, wie der gemessene Wert von über 0,5 ausweist. Die Ursache für die Überschreitung des planmäßigen Wertes ist nicht in erster Linie in einer Unzulänglichkeit bei der Steuerung der Vortriebsmaschine zu suchen, sondern resultiert im wesentlichen aus Ungenauigkeiten des bauseitigen Vermessungssystems (z.b. über Kreiselkompass) und hiernach eingeleiteten Steuerungsvorgängen der Maschine. Aus den gemessenen Rohrverwinkelungen können nun online die zu jedem Zeitpunkt zulässigen Vorpresskräfte ermittelt werden. In Bild 8 ist über die gesamte Pressstrecke der Verlauf der ermittelten zulässigen Vorpresskraft für die Hauptpresse abgebildet. Gut zu erkennen ist die starke Reduzierung der zulässigen Vorpresskraft von ca. 18.000 kn auf ca. 12.000 kn bei Station 135 m. Sie ist auf die große gemessene Verwinkelung an dieser Station zurückzuführen. Weiterhin ist zu erkennen, dass die zulässigen Vortriebskräfte von den tatsächlichen, an der Hauptpresse ermittelten Presskräften teilweise überschritten wurden. Im Berechnungsvorgang der zulässigen Vorpresskraft ist jedoch ein Sicherheitsfaktor eingebaut. Die Ausnutzung dieser Sicherheitsres-

8 Rohr vortrieb Bild 7: Planmäßige und gemessene Rohrverwinkelung der vier Messfugen erve kann allerdings nicht vom Maschinenfahrer entschieden werden, sondern muss in Abstimmung des Überwachers mit der Bauleitung des Bauherrn geschehen. Die gemessenen Rohrverwinkelungen und die zulässigen sowie tatsächlichen Vorpresskräfte werden dem Auftraggeber und dem Maschinenfahrer online in einer übersichtlichen Bildschirmdarstellung angezeigt (Bild 9). Bei Annäherung oder wie hier bei Überschreitung der zulässigen Werte sind dann Maßnahmen zur weiteren Reduzierung der Presskräfte vorzunehmen. Zu diesen Maßnahmen zählen in erster Linie die Aktivierung der Dehner oder die Verbesserung der Schmierung des Rohrstrangs. Damit schon frühzeitig erkannt werden kann, ob und wann die Grenze der zulässigen Vorpresskraft erreicht werden wird, wird zudem der aktuelle Ausnutzungsgrad durch einen Zeigerstand in einem grün-gelb-roten Farbfeld auf dem Bildschirm angezeigt (Bild 9, oben rechts). Der Maschinenfahrer kann somit auf einen Blick erkennen, wie hoch die Rohrbelastung ist und welche Reserven bis zu kritischen Bereichen Belastungen noch vorhanden sind. Eine drohende Überlastung der Vortriebsrohre kann somit schon im Vorfeld erkannt und vermieden werden. Die Rohrverwinkelungen, die errechneten zul. Vortriebskräfte und die tatsächlichen Presskräfte werden über den gesamten Vortriebsverlauf gespeichert. Damit hat der Auftraggeber eine vollständige Dokumentation über die Qualität der Vortriebsarbeiten und kann im Zweifelsfall erkennen, ob und in welchem Maße Vortriebsrohre eventuell zu hoch belastet wurden. Bild 8: Dokumentation der tatsächlichen und zulässigen Vorpresskräfte Bild 9: Screenshot der Bildschirmanzeige des Online-Überwachungssystems * Professor Dr.-Ing. Rainard Osebold; ibb Institut für Baumaschinen und Baubetrieb; RWTH-Aachen Dr.-Ing. Joachim Beyert; ibb Institut für Baumaschinen und Baubetrieb; RWTH-Aachen Dipl.-Ing. Ulrich Bohle, ibb Institut für Baumaschinen und Baubetrieb; RWTH-Aachen Dipl.-Ing. Heinrich Sommerhage, Emschergenossenschaft Essen Fazit Durch die Online-Überwachung der Vorpresskraft können Schäden an Vortriebsrohren während des Einbauvorgangs sicher vermieden werden. Hierzu werden dem Maschinenfahrer, der Bauleitung des Auftraggebers sowie dem Überwacher die aktuell aus den Rohrverwinkelungen des Rohrstrangs errechneten zulässigen und die tatsächlichen Vortriebskräfte angezeigt. Ist absehbar, dass die zulässige Vortriebskraft erreicht wird, können zur Vermeidung von Schäden entsprechende Maßnahmen getroffen werden. Der Auftraggeber und das ausführende Unternehmen erhalten eine vollständige Dokumentation der Rohrverwinkelungen, der zulässigen und der tatsächlich aufgebrachten Vortriebskräfte. Die dargestellten Forschungsarbeiten und hiermit gewonnenen Erkenntnisse werden zukünftig auch in die überarbeiteten Regelwerke der DWA Eingang finden. So wird im Arbeitsblatt A161 [1] das Bemessungsverfahren von Vortriebsrohren modifiziert sowie im A125 [4] zukünftig die Messung und Überwachung der Rohrverwinkelung empfohlen. Literatur [1]ATV Arbeitsblatt 161: Statische Berechnung von Vortriebsrohren, Abwassertechnische Vereinigung e.v. GFA, St. Augustin, Januar 1990 [2]Institut für Baumaschinen und Baubetrieb: Sicherung und Verbesserung der Rohrvortriebstechnik als umweltschonendes Verlegeverfahren bei Sanierung und Neubau von Kanälen. Bundesminister für Bildung und Forschung; Fachverband Steinzeugindustrie e.v.; Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre e.v.; Abwassertechnische Vereinigung e.v., Güteschutz Kanalbau e.v., Förderkennzeichen 02WK 9996/0, Laufzeit 2000-2003 [3]Institut für Baumaschinen und Baubetrieb: Entwicklung und Praxiserprobung eines Überwachungssystems zur Vermeidung von Schäden an Vortriebsrohren gefördert durch das MUNLV-NRW 2004-2005 [4]ATV Arbeitsblatt 125: Rohrvortrieb, Abwassertechnische Vereinigung e.v. GFA, St. Augustin, September 1996