5.5 Kernspintomographie und Spektroskopie

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334 5. Elektrizität schen Evolution entstammenden Störfaktoren krankmachende Bedeutung zukommt. Mögliche Schädigung durch Strahlung niederfrequenter als sichtbares Licht muß wegen des Fehlens eines eindeutigen biophysikalischen Wirkungsmodus als medizinisch extrem unwahrscheinlich bezeichnet werden, doch scheinen digitale Funktelefone (Handys) die REM- Schlafphasen stark abzukürzen, aber auch den Zeitbedarf für das Einschlafen zu verkürzen. 5.5 Kernspintomographie und Spektroskopie 5.5.1 Magnetische Dipolmomente, Larmor-Frequenzen Ein Verfahren, das schon seit 1946 zur Strukturaufklärung organischer Moleküle in physikalisch-chemischen Experimenten eingesetzt wird und magnetische Kernresonanz genannt wird, wurde durch die Entwicklung großer Hochleistungsmagnete und leistungsfähiger Computer zu einem neuen bildgebenden Verfahren in der Medizin. Es ist ein nichtinvasives, nichtstrahlenbelastendes, medizinisch-diagnostisches Verfahren. Nach dem großen Erfolg der Röntgen-Computertomographie (s. Kap. 7.5.3) findet dieses neue Verfahren, welches Tomographie 13 sogar in frei wählbarer Orientierung (z.b. in der Körperlängsachse) erlaubt, weltweit größtes Interesse, denn es zeichnet sich durch sehr hohe Kontraste bei Weichteilgeweben aus. Die Kernspintomographie wird beim klinischen Einsatz bald ebenso oft gefunden werden wie die Röntgen-Computertomographie. Es gibt noch verschiedene Kurznamen, z.b. NMR (nuclear magnetic resonance) oder MRI (magnetic resonance imaging) für das bildgebende Verfahren der Kernspintomographie. Die Kernspinspektroskopie erlaubt eine in vivo Biochemie, d.h. die chemische Analyse bestimmter Atome und Moleküle und eröffnet so ganz neue Möglichkeiten, nichtinvasiv wichtige chemische Veränderungen im Körper wie Kenngrößen des Stoffwechsels gesunder und kranker Zellen nachzuweisen (z.b. ph, energiereiche Phosphate etc.). Sowohl MR-Tomographie als auch Spektroskopie beruhen auf demselben Prinzip, nämlich dem Verhalten von Atomkernen im hochfrequneten magnetischen Feld unter Anregung mit niederfrequenten elektromagnetischen Wellen. Elektromagnetische Wellen im Bereich von Radiofrequenzen zeigen ein gutes Durchdringungsvermögen des menschlichen Körpers und Wechselwirkungen mit Atomkernen. Sie sind darin Röntgenstrahlen 13 tìmh:(tome) die Schicht, der Schnitt Tomographie:Abbildungen von dünnen Körperschichten

5.5 Kernspintomographie und Spektroskopie 335 ähnlich, die aber mit den Elektronen in der Atomhülle in Wechselwirkung treten. Im mittleren Frequenzbereich über 150 MHz (und unterhalb 20 kev), also für Mikrowellen, Infrarot, sichtbares Licht und UV, ist der menschliche Körper so wenig durchlässig bzw. opaque, daß kaum Bildgebung möglich ist. Die kernmagnetische Resonanz beruht auf den speziellen gyromagnetischen 14 Eigenschaften von Atomkernen mit einer ungeraden Nukleonenzahl. Diese Kerne, wie z.b. die biologisch wichtigen von Wasserstoff ( 1 H), Phosphor ( 31 P), Kohlenstoff ( 13 C) und Natrium ( 23 Na), besitzen einen Kernspin (Drall) und verbunden damit ein magnetisches Moment. Durch ihr magnetisches Moment versuchen diese Kerne, sich im Magnetfeld auszurichten. Da sie aber auch einen Drehimpuls besitzen, der seine Lage im Raum nicht verändern will, resultiert dabei eine Präzessionsbewegung analog zu einem sich drehenden Kreisel, der durch die 14 gũros:(gyros) Kreis, Windung Abb. 5.49 Die Larmor-Präzessions-Kreiselbewegung eines Protons in einem magnetischen Feld

336 5. Elektrizität Schwerkraft gekippt wird (Abb. 5.49). Diese Frequenz (Larmor-Frequenz ω) ist proportional zum angelegten Magnetfeld (B 0 ) und die Proportionalitätskonstante (γ) ist die gyromagnetische Kenngröße der Materie (s.u.). Im Gegensatz zu einem makroskopischen Kreisel, der im Schwerefeld jede beliebige Orientierung einnehmen kann, dürfen die Atomkerne nur Lagen einnehmen, die den quantenmechanischen Gesetzen entsprechen. Für einen Atomkern mit einem Spin von 1/2 (z.b. 1 H) ergeben sich so nur zwei mögliche Orientierungen. Diese Kerne können in einem bestimmten Winkel entweder parallel oder antiparallel zum äußeren Feld präzessieren (Larmor-Präzession). In quantenmechanischer Betrachtungsweise entsprechen die beiden Orientierungen unterschiedlichen Energieniveaus. Damit resultiert zwischen den Einstellmöglichkeiten eine Energiedifferenz E (Abb. 5.50). Um nun in einem NMR- Abb. 5.50 Magnetische Dipolmomente von Atomkernen orientieren sich im magnetischen Feld entweder in Feldrichtung oder gegen die Feldrichtung (vgl. das Dipolmoment eines Protons im magnetischen Feld als analoges Beispiel in Abb. 5.49). Steht ein Kerndipolmoment parallel zum Feld (B 0 ), dann ist das ein Zustand niedrigerer Energie (E 1 ) als der antiparallele Zustand (höhere Energie E 2 ). Die Energiedifferenz ( E) hängt von der Stärke des Magnetfeldes (B 0 ) ab.

5.5 Kernspintomographie und Spektroskopie 337 Experiment Übergänge zwischen diesen beiden Orientierungen zu ermöglichen, muß ein Energiequant mit E entweder aufgenommen oder abgegeben werden. Der Energieaustausch erfolgt im Resonanzfall durch ein hochfrequentes Magnetfeld mit der Frequenz f 0. Diese Resonanzfrequenz f 0 ist gleichzeitig auch die Präzessionsfrequenz der jeweiligen Kernspins (Larmor-Frequenz) und durch die kernspezifische gyromagnetische Konstante γ und dem angelegten Magnetfeld B 0 bestimmt. Es gilt die folgende, wichtige Beziehung: ν = γ 2π B 0 Für Protonen ist y/2π gleich 42.54 MHz/T. Die Verteilung der Kernspins auf die beiden Energieniveaus wird durch eine Boltzmann-Verteilung 15 bestimmt. Aus dieser folgt für Protonen, daß bei einer Temperatur von 37 C und einem Feld von 1 T nur ein geringfügiger Überschuß von 6.6 ppm (parts per million = 1 : 1 000 000) in die energetisch günstigere Feldrichtung orientiert ist. Da dieser minimale Überschuß von Kernspins die makroskopisch meßbare Kernmagnetisierung M 0 darstellt, ist dies auch gleichzeitig der Grund für die geringen Signalstärken in der kernmagnetischen Resonanz. Allgemein ist die Magnetisierung M 0 einer Probe direkt proportional der Kernspindichte ρ des untersuchten Isotops, dem Quadrat der gyromagnetischen Konstante γ 2 und dem angelegten Feld B 0. Dies erklärt die überragende Bedeutung des Wasserstoffkerns 1 H in der medizinisch genutzten Kernspinresonanz, da dieser von den biologisch relevanten Kernen das höchste γ besitzt (42.58 MHz/T) und als Isotop zu 99.00% vorkommt (Tab. 5.7). Der klassische Kreisel kann durch Energieaufnahme alle Winkeländerungen des Umklappens stetig durchlaufen (Abb. 5.51), das quantenhafte Verhalten der Kernspins des Einzelteilchens geht in der Masse (10 20 und mehr Kerne) unter und ist nicht zu messen. Die Übergänge des Kernspins zwischen den beiden Energieniveaus (E 1 und E 2 in Abb. 5.50) können zur Gleichbesetzung führen, dann gibt es gleich viele magnetische Spins, d.h. die makroskopische Magnetisierung wird zu Null in Richtung der magnetischen Feldstärke. Diese Gleichbesetzung der Energieniveaus kann man durch einen kurzen, intensiven Hochfrequenzimpuls mit der Larmor-Frequenz erhalten.wenn die Magnetisiserung durch einen Hochfrequenz-Impuls z.b. um 90 Grad gekippt wird, induziert die in der transversalen Ebene rotierende Magnetisierung ein Signal in einer ent- 15 Boltzmann, Ludwig:österr. Physiker und Mathematiker (1844 1906). Er beschrieb die zeitliche Änderung einer Wahrscheinlichkeitsdichte im Phasenraum, z.b. die Zahl der Moleküle mit einer Energie zwischen E und E + E.

338 5. Elektrizität sprechend orientierten Spule(Abb. 5.51) Ein solcher Impuls dreht die Magnetisierung um frei wählbare Winkel bis hin zum völligen Umklappen. Man spricht dann von 180 -Impulsen bzw. von 90 -Impulsen zur rechtwinkeligen Kippung. Amplitude und Dauer des Impulses bestimmen den Winkel der Drehung der Magnetisierung M t aus der Feldstärkerichtung (Abb. 5.51) Abb. 5.51 Die Bewegung des magnetischen Dipolmoments in einem äußeren Magnetfeld (B 0) unter dem Einfluß der Resonanz durch ein hochfrequentes Drehfeld

5.5 Kernspintomographie und Spektroskopie 339 Tab. 5.7 Wichtige Daten von Atomkernen, die für NMR-Tomographie und in-vivo Spektroskopie interessant sind Kern Relative natürliche Relative Empfindlichkeit (Nuklid) Häufigkeit in % gegen 1 H, bei gleichem molaren Konzentrationen Feld B 0 und gleicher Zahl von Kernen 1 H 99.0 1.0 14 N 1.6-31 P 0.35 0.066 13 C 0.1 0.016 23 Na 0.078 0.093 39 K 0.045 0.0005 17 O 0.031 0.029 2 H 0.015 0.096 19 F 0.0066 0.830 5.5.2 Relaxation Wenn man ein biologisches Gewebe in ein Magnetfeld gibt, bildet sich unmittelbar nach dem Einbringen der Probe die Kernmagnetisierung aus, die nach einer gewissen Zeit einen stationären Gleichgewichtszustand parallel zum äußeren Feld erreicht. Diese Magnetisierung ist nicht direkt meßbar, doch bei Drehung aus der Feldstärkerichtung, z.b. um 90 (Abb. 5.53) Abb. 5.52 Nach einer 90 -Kippung der Magnetisierung ist die Magnetisierung in Feldrichtung zum Zeitpunkt Null ebenfalls Null (Abb. 5.54 a). Die transversale Magnetisierung M t aller Spins sind nur anfangs in Phase, Unterschiede in den Oszillationsfrequenzen führen rasch zur Desynchronisierung und zum Abbau der Magnetisierung transversal zur Feldrichtung. Rechts ist trotz 90 -Kippung durch Desynchronisierung die Netto-Magnetisierung transversal zur Magnetfeldrichtung Null geworden (Spin-Spin-Relaxationszeit T 2).

340 5. Elektrizität würde ein Spule durch die nun senkrecht zur magnetischen Feldstärke mit der Larmor-Frequenz rotierende Magnetisierung (M t ) eine Wechselspannung induziert bekommen (Abb. 5.53). Dies ist das MR-Meßsignal, welches von der gleichen Spule aufgenommen werden kann, die auch zur Abstrahlung des Hochfrequenzimpulses dient. Natürlich ist die durch Resonanz und Energieaufnahme erzielte Drehung der Magnetisierung als energiereicherer Zustand nicht von Dauer, nach einiger Zeit stellt sich wieder die ursprüngliche Verteilung ein (die parallele oder antiparallele Einstellung eines Protons kann z.b. sehr leicht durch thermische Stöße erfolgen). Je mehr Spins sich in einer Probe befinden, je höher also die Atomkerndichte einer Sorte ist, desto größer ist die Magnetisierung und damit auch die Anfangsamplitude des Kernresonanzsignals nach einem Impuls zur Drehung der Magnetisierung. Neben der Amplitude des MR-Signals spielt auch deren zeitliches Abklingen eine wichtige Rolle, die sogenannte Quer-Relaxation (free induction decay, FID). Abbildung 5.54 zeigt das zeitliche Abklingen des MR-Signals durch Wiederherstellung der normalen Magnetisierung in Feldrichtung (auch als longitudinale Magnetisierung bezeichnet) einmal nach einem 90 -HF- Impuls (Saturation-Recovery, SR, Abb. 5.54 a) sowie nach einem 180 - HF-Impuls (Inversion-Recovery, IR, Abb. 5.54 b) Abb. 5.53 Wenn die Magnetisierung (M t ) aus der Feldrichtung um 90 gekippt wurde, erhält eine Hochfrequenzspule, induziert durch das sich mit der Larmor-Präzessionsfrequenz ändernde Magnetfeld, ein Signal. Ist die Magnetisierung dagegen in Feldrichtung orientiert, erhält die Spule kein Signal.

5.5 Kernspintomographie und Spektroskopie 341 jeweils für kurze oder lange Abklingzeiten. Das Abklingen erfolgt mit einer exponentiellen Zeitabhängigkeit, die Zeit bis zum Abfall der Amplitude auf 37% (1/e) wird als T 1 oder als Spin-Gitter-Relaxationszeit bezeichnet. Dieser Abklingvorgang beruht auf der Energieübertragung der angeregten Kerne auf das umgebende Materialgitter. Energieübertragung kann durch Vibration, Rotation und Translation erfolgen und ist am wirksamsten dann, wenn das Gitter im Bereich der Larmor-Frequenz anregbar ist. Festkörper schwingen viel hochfrequenter (10 12 10 13 Hz) als Larmor-Frequenzen, deswegen sind die T 1 -Zeiten in Festkörpern lang (in Eis niedriger Temperatur z.b. Stunden), in Flüssigkeiten dagegen kurz. Die Stoffzusammensetzung und die Magnetfeldstärke (Larmor- Frequenz) beeinflussen T 1, vor allem aber hängt die Geschwindigkeit der Wiederherstellung der normalen Magnetisierung davon ab, ob oszillierende Magnetfelder oder Schwingungen von Nachbar-Atomen im Larmor-Frequenzbereich (10 7 10 8 Hz) vorliegen. Molekülrotationen in Abb. 5.54 Die zeitliche Abnahme (Relaxation) des Magnet-Resonanz-Signals durch Wiederherstellung der normalen Magnetisierung in Feldrichtung. Nach einem Hochfrequenz-Impuls, der eine Kippung um 90 (a) oder um 180 (b) bewirkt, ist die Magnetisierung zum Zeitpunkt 0 entweder 0 (a) oder -M (b). Die Zeitkonstante des exponentiellen Abfall auf 1/e (ca. 37%) wird als T 1 -Relaxationszeit bezeichnet, und sie ist je nach Gewebeart verschieden (Tab. 5.8).

342 5. Elektrizität Tab. 5.8 T 1-Relaxationszeiten (in Sekunden) in verschiedenen normalen oder in durch Krebs entarteten (tumorösen) Geweben des Menschen. Die T 1-Relaxationszeiten in Krebsgewebe sind deutlich länger als in gesundem Gewebe. Gewebe Normal Tumorös Haut 0.62 1.05 Skelettmuskeln 1.02 1.41 Milz 0.70 1.13 Lunge 0.79 1.11 Knochengewebe 0.55 1.03 Speiseröhre 0.80 1.10 Magen 0.76 1.23 Darm 0.64 1.22 Leber 0.57 0.83 Flüssigkeiten liegen im Bereich der Larmor-Frequenzen und verursachen T 1 -Zeiten von einigen Sekunden in Wasser (die Gitterschwingungen in Eis sind dagegen mit 10 13 Hz viel zu hochfrequent und T 1 ist lang). Der T 1 -Wert erlaubt daher Rückschlüsse auf die Wechselwirkung zwischen Atom bzw. Molekül und seiner Umgebung. In reinen Flüssigkeiten bewegen sich die Moleküle zu rasch für eine gute Energieübertragung und deshalb hat an Zellproteine gebundenes Wasser im Gewebe kürzere T 1 -Zeiten (0.2 0.8 s) als freies Wasser (ca. 3 s). Bei pathologischen Veränderungen im menschlichen Körper dienen Unterschiede in den T 2 +-Zeiten der Gewebsdifferenzierung bei der bildgebenden MR- Tomographie (Tab. 5.8). Die verschiedenen biologischen Gewebe unterscheiden sich in ihren Relaxationszeiten (T 1 = 150 ms bis 3 000 ms, T 2 = 40 ms bis 2 000 ms) wesentlich mehr als durch die Spindichte ρ. Daraus resultiert die überragende Bedeutung der Relaxationsvorgänge für den Kontrast im Kernspintomogramm. 5.5.3 T 2 -Relaxation Nach einem 90 -Impuls ist die Magnetisierung in Feldrichtung Null und nur transversal eine Magnetisierung vorhanden (Abb. 5.53). Auch diese Magnetisierung kann mit der Larmor-Frequenz um die Feldstärkerichtung nur dann rotieren und ein Signal liefern, wenn alle Spins in Phase sind und bleiben, also gleiche Larmor-Frequenzen besitzen und beim Umkippen in Phase gebracht werden. Nur das in Phase bringen beim Umkippen funktioniert, dagegen gibt es immer Feldinhomogenitäten und Störeinflüsse z.b. von Nachbarprotonen im selben Wassermolekül. Die resultierenden Unterschiede in der Oszillationsfrequenz führen rasch zur Desynchronisierung und zum Abbau der Magnetisierung in Richtung