WER WÄHLT RECHTSPOPULISTEN? Pressekonferenz 9. August 2017

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Transkript:

WER WÄHLT RECHTSPOPULISTEN? Pressekonferenz 9. August 2017

Die Studie Motivation: Was bewegt Bürgerinnen und Bürger? Was sind Motive für rechtspopulistische Orientierung? Rolle von Lebens- und Arbeitswelt, objektive und subjektive Faktoren Auftrag an policy matters, eine repräsentative Umfrage unter wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern durchzuführen: Studiendesign: Online Panel Samplegröße: 4892 Befragte Befragungszeitraum: 16.01.2017-01.02.2017 Team: Richard Hilmer (Leitung), Rita Müller-Hilmer (Leitung) und Jérémie Gagné (policy matters): Umfrage, Auswertungen Kooperation mit Prof. Bettina Kohlrausch (Universität Paderborn): multivariate Analysen 2

Gesamtgesellschaftliche Grundlagen Wertewandel: ( Abb.1) Bürger sehen sich heute mehr auf sich alleine gestellt Reziproke Werte (Leistung / Solidarität) verlieren an Bedeutung Verstärkter Ruf nach Recht & Ordnung und fürsorglichem Staat Ambivalente Grundstimmung: Mehrheit zufrieden mit wirtschaftlicher Lage und persönlicher Situation Aber: Jeder Zweite sorgt sich um eigene Zukunft und die der Kinder Wachsende Distanz zu Politik und Demokratie: Sinkendes Institutionenvertrauen Wahrgenommener Mangel an Responsivität in Politik Forderung nach mehr direkter Demokratie zur Durchsetzung des Volkswillens, gleichzeitig Hang zu autoritären Strukturen Auslöserthema: Migration 3

Abb. 1: Gesamtgesellschaftliche Grundlagen Wertewandel (Vergleich mit FES 2006) Angaben in Prozent Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), FES: Gesellschaft im Reformprozess (2006), eigene Darstellung 4

Objektive und subjektive Faktoren für AfD-Wahl Objektive Faktoren für AfD-Wahl: (Abb. 2) Niedrigere Bildung, häufiger Arbeiter, eher männlich Ambivalent: Niedrige und hohe Einkommen Aber: Kein linearer Zusammenhang zwischen objektiver Lebenslage und AfD-Wahl Entscheidender ist die subjektive Verarbeitung der eigenen Situation: (Abb. 3) Abstiegsempfinden/Abstiegsangst Gefühl der persönlichen Zurücksetzung Ausgeprägte Verunsicherung / großer Sorgenhaushalt 5

Abb. 2: Persönliches Netto-Einkommen Ø 1.682 Ø 1.664 47 50 29 33 13 9 4 5 unter 1.500 Euro 1.500-2.499 Euro 2.500-3.999 Euro 4.000 Euro u. mehr Angaben in Prozent Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung 6

Abb. 3: Worüber machen Sie sich Sorgen? Große / Sehr große Sorgen Ihre finanzielle Absicherung im Alter 49 63 Die Zukunft Ihrer Kinder (nur Befragte m. Kindern) 45 60 Ihre finanzielle Situation 40 53 Kriminalität und Gewalt in Ihrem Wohnumfeld 38 62 Ihre Arbeitsplatzsituation (nur Erwerbstätige) Ihre Wohnsituation 26 34 19 25 Angaben in Prozent Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung 7

Wahrnehmung eines dreifachen Kontrollverlustes Auf nationaler Ebene: (Abb. 4+5) Ängste aufgrund offener Grenzen und hoher Zuwanderung Furcht vor Globalisierung und innereuropäischer Freizügigkeit Kompensation durch ausgeprägten Ethnozentrismus, Chauvinismus und Patriotismus Auf politischer Ebene: (Abb. 6+7) Zweifel am Funktionieren der Demokratie, der Meinungsfreiheit und der Glaubwürdigkeit von Institutionen Eindruck fehlender Responsivität von Politik und Parteien Kompensation durch Recht & Ordnung und mehr direkte Demokratie zur Durchsetzung des Volkswillens 8

Abb. 4: Nationale Ebene: Kritik an Zuwanderung 83 88 44 54 Durch Zuwanderung fühlt man sich fremd im eigenen Land. Der Staat soll den Zuzug von Ausländern unterbinden. Angaben in Prozent Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung 9

Abb. 5: Nationale Ebene: EU- & Globalisierungskepsis 52 64 28 36 Die Globalisierung vernichtet Arbeitsplätze in unserem Land. Deutschland sollte seine Interessen verfolgen, selbst wenn dies anderen EU-Ländern schadet. Angaben in Prozent Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung 10

Abb. 6: Politische Ebene: Geringes Institutionenvertrauen Angaben in Prozent Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung 11

Abb. 7: Politische Ebene: Gefühl der Vernachlässigung durch geringe Responsivität 72 49 Für Leute wie mich tut die Politik weniger als für andere Gruppen in der Bevölkerung. Angaben in Prozent Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung 12

Dreifacher Kontrollverlust: Arbeitskontext Sorgen u.a. über die materielle Situation spielen bei der Entscheidung, AfD zu wählen eine wichtige Rolle: Der Arbeitskontext hat in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung. Unsicherheit und das Gefühl mangelnder Gestaltungsmacht in Bezug auf die Arbeitswelt und die eigene Erwerbsbiographie sind wichtige Treiber der Entscheidung, AfD zu wählen: Konkrete Arbeitslosigkeitserfahrung hat keinen signifikanten Einfluss, aber Einschätzung der Chancen auf Wiederbeschäftigung im Falle von Arbeitslosigkeit schon Die Zustimmung zu folgenden Aussagen erhöht die Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahl signifikant: (Abb. 8) 13

Abb. 8: Effekte Arbeitskontext Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung Lesehilfe: Der Balken zeigt die Wahrscheinlichkeit an, AfD zu wählen oder zum AfD-Potenzial zu gehören, wenn die Person der jeweiligen Aussage zustimmt. Referenzkategorie sind Personen, die der Aussage nicht zustimmen. Ausgewiesen werden Average Marginal Effects (AMEs). Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass die Effektgrößen als Prozentpunkte der Verringerung/Vergrößerung der Wahrscheinlichkeit, AfD zu wählen oder zum (erweiterten) AfD-Potenzial zu gehören, interpretiert werden können. Personen, die der Aussage zustimmen Über mein leben. haben unter umfassender Kontrolle von objektiven und subjektiven Lebenslagen - somit eine 12 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit zum AfD Potenzial zu gehören, als Personen, die dem nicht zustimmen. 14

Arbeitskontext: Ausgewählte Gruppen Gewerkschaftsmitglieder es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft und der Wahrscheinlichkeit, AfD zu wählen: bei gleicher Ausgangslage verschiedener Personen macht es in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, AfD zu wählen, keinen Unterschied, ob jemand Gewerkschaftsmitglied ist oder nicht. zeigen sich besonders sensibel für Gerechtigkeitsfragen am Arbeitsplatz: Quelle: Online-Erhebung von pmg - policy matters (2017), eigene Darstellung 15

Arbeitskontext: Ausgewählte Gruppen Personen, die aufgrund ihrer sozialen Lage ein größeres Risiko haben, AfD zu wählen: wählen signifikant seltener AfD, wenn ihr Arbeitsverhältnis den Bestimmungen eines Tarifvertrages unterliegt. Zusammenfassung: Haltepunkte Die Befunde zeigen, dass politische Angebote zur Gestaltung der Arbeitswelt und zur Sicherung von Beschäftigteninteressen der Anziehungskraft von Rechtspopulismus entgegenwirken. 16