Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung

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Transkript:

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz HHVG) vom 23.06.2016 Stellungnahme / Änderungsvorschlag / Begründung 4. 64 d Modellvorhaben zur Heilmittelversorgung Aus Sicht der stimm-, sprech- und sprachtherapeutischen Verbände ist eine inhaltliche Erweiterung der Modellvorhaben hinsichtlich der Erprobung des Direktzugangs zwingend notwendig, wie er in anderen Ländern seit vielen Jahren gängige Gesetzeslage ist: Die Gesundheitsministerkonferenz hat aktuell in der 89. Sitzung unter TOP 6.3. den einstimmigen Beschluss gefasst, dass das BMG prüfen möge, ob durch Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und der entsprechenden Gesetze über die jeweiligen Gesundheitsfachberufe die Voraussetzungen für Modellvorhaben geschaffen werden können, die es Physiotherapeuten, Ergotherapeuten sowie Logopäden im Rahmen eines Direktzugangs erlauben, Leistungen zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bei bestimmten vom Gemeinsamen Bundesausschuss festzulegenden Indikationen zu erbringen, soweit sie hierzu aufgrund ihrer Ausbildung qualifiziert sind. Damit sprechen sich die Gesundheitsminister der Länder einstimmig für die Erprobung eines (indikationsbezogenen) Direktzugangs aus. Die Voraussetzungen für die Umsetzungen des Beschlusses der GMK können unmittelbar mit der zu beratenden Änderung des 64 d SGB V geschaffen werden. Aus Sicht der unterzeichnenden Verbände ist die Eröffnung des Direktzugangs zur Sicherung der Versorgung unter Berücksichtigung der alternden Gesellschaft mit sich ändernden Bedarfen zwingend notwendig. Der Beschluss der GMK greift auf eine lange und intensiv geführte Diskussion zurück. Bereits in seinem Gutachten aus dem Jahre 2007 1 von 8

Kooperation und Verantwortung hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen festgestellt, dass die Verteilung der Tätigkeiten zwischen den Berufsgruppen nicht den demographischen, strukturellen und innovationsbedingten Anforderungen entspricht. Schon allein durch den demografischen Wandel verändern sich die Bedürfnisse und Bedarfe der Patientinnen und Patienten. Um diese zu erfüllen, bedarf es nach Auffassung des Sachverständigenrates einer Neuordnung der Zuständigkeiten wie auch der Anpassung der Aufgabenverteilungen der an der Gesundheitsversorgung beteiligten Berufe. Mit seinem Gutachten aus dem Jahre 2014 Bedarfsgerechte Versorgung Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche bestätigte der Sachverständigenrat, dass die Gefährdung der Versorgungssituation in strukturschwachen ländlichen Regionen teilweise bereits eingetreten war. Um die Versorgung sicherzustellen, müssen gemäß dem Gutachten strukturübergreifend auch die Heilmittel berücksichtigt werden. Multiprofessionelle Versorgungsmodelle seien notwendig, um die Versorgung sicherzustellen, was wiederholt neue Muster in der Arbeits- und Verantwortungsteilung verlange. Nach der Überzeugung der Berufsverbände der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie kann diese neue notwendige Form der Arbeits- und Verantwortungsteilung nur in Gestalt des Direktzugangs Umsetzung finden. Die Kompetenzen für die Übernahme entsprechender Tätigkeiten sind gegeben: Das professionelle stimm-, sprech- und sprachtherapeutische Handeln erfolgt auf Grundlage wissenschaftlich begründeter, evidenzbasierter Verfahren. Die Leistungserbringer entscheiden eigenständig und eigenverantwortlich über Form und Inhalt der präventiven, diagnostischen, therapeutischen und beratenden Intervention. Sie verfügen über evidenzbasierte Entscheidungs- und Begründungssicherheit im Sinne eines clinical reasoning und über Methoden zur empirisch kontrollierten Diagnostik und Therapie. Disziplinübergreifendes Fachwissen, um gegebenenfalls eine fachärztliche Diagnostik und Mitbehandlung einleiten zu 2 von 8

können, sind gegeben. Die in der Ausbildung erworbenen medizinischen Kenntnisse befähigen dazu, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob zur Abklärung organischer Befunde und gravierender Grunderkrankungen und zur Vermeidung von Patientenwohlgefährdung weiterführende ärztliche Diagnostik erforderlich ist. Auch Normalbefunde oder subklinische Normabweichungen können diagnostisch erfasst werden, so dass eine zuverlässige Aussage zum Therapiebedarf und zur Prognose getroffen werden kann. Die Befunderhebung erfolgt entsprechend der neuesten wissenschaftlichen Leitlinien und beinhaltet die störungsbezogene Anamnese, die Untersuchung der relevanten Funktionen mit standardisierten und informellen Verfahren, gegebenenfalls symptombezogene körperliche Untersuchungen oder z.b. bei Dysphagien oder Stimmstörungen auch apparative Untersuchungen. Die umfassende Diagnose ermöglicht die stimm-, sprech- und / oder sprachtherapeutisch korrekte Definition des Störungsbildes, Aussagen zur Pathogenese und Prognose sowie zum eventuell vorhandenen ärztlichen Abklärungsbedarf. Aus der Abfolge der diagnostischen Maßnahmen werden die erforderlichen Interventionen abgeleitet. Selbstverständlich werden in der Ausbildung die Kenntnisse über physiologische und pathologische Prozesse vermittelt, um störungs- und patientenspezifische Diagnose- und Therapieschritte für alle Altersstufen auswählen zu können. Als Beispiele für organische Störungen seien hier genannt: Dysarthrien, LKGS-Fehlbildungen, Aphasien, organische Dysphonien, Dysphagien, Cochlea-Implantat Versorgung oder auch Schwerhörigkeit. Die Leistungserbringer können daher verantwortlich entscheiden, ob eine weiterführende medizinische Befunderhebung erforderlich ist. Auch die Deutsche Vereinigung für Rehabilitation hat sich als Vereinigung, in der Vertreter aller Akteure im Bereich Rehabilitation und Teilhabe wie Selbsthilfe- und Sozialverbände, Sozialleistungsträger, Rehabilitationseinrichtungen und -dienste, Reha-Experten sowie Berufs- und Fachverbände zusammenwirken, in ihrem aktuellen Positionspapier Zur Bedeutung der Heilmittel für die Förderung der Teilhabe unter Berücksichtigung des Auftrags therapeutischer Fachberufe ein Beitrag 3 von 8

zur aktuellen Diskussion für die Erprobung und Weiterentwicklung multiprofessioneller und interdisziplinärer Heilmittelerbringung im ambulanten Bereich ausgesprochen. Dies bestätigt, dass im Gesundheitssystem insgesamt die Notwendigkeit der stärkeren Einbeziehung und Verantwortungsübertragung auf die nichtärztlichen Leistungserbringer gesehen wird. Durch die Übertragung von Kompetenzen im Wege des Direktzugangs wird die fachliche Kompetenz der Leistungserbringer erkannt, was zu einer erhöhten Attraktivität des Berufes führen kann. Der Direktzugang kann daher dazu beitragen, dem wachsenden Mangel an Therapeuten auch insbesondere in ländlichen Regionen entgegenzuwirken und mehr Schulabsolventen für diesen Bereich zu gewinnen. Schließlich entspricht der Direktzugang auch den gelebten Arbeits- und Aufgabenteilungen im Ausland und ist damit erforderlich, um den Anschluss im internationalen Vergleich an Länder wie England und Australien zu finden. Bliebe es bei dem im vorgelegten Entwurf vorgeschlagenem Modellvorhaben zur Blankoverordnung, dann würde das für den Bereich des Heilmittels der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie keine Weiterentwicklung der Versorgung bedeuten. Denn auf Grundlage der sektoralen Rahmenempfehlung Stimm-, Sprech-, Sprachtherapie nach 125 Abs. 1 SGB V sind bereits heute Auswahl und Dauer der Therapie, sowie selbstständige Frequenzbestimmung der Behandlungseinheiten weitgehend möglich. Die stärkere Einbindung der Stimm-, Sprech-, Sprachtherapeuten in die Versorgungsverantwortung trägt zur Sicherstellung der medizinisch notwendigen Versorgung auch einer alternden Gesellschaft bei. Zu den formalen Voraussetzungen ist aus hiesiger Sicht anzumerken, dass ausweislich der Gesetzesbegründung über diese Regelung die bislang über 63 Abs. 3b SGB V möglichen Modellvorhaben kassenartübergreifend durchgeführt werden sollen, um eine verlässliche und breitere Informationsgrundlage zu schaffen. Hierzu bedarf es zunächst der Übernahme des Wortes gemeinsam in den Regelungswortlaut: 4 von 8

Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen [neu:] gemeinsam sollen mit den für die Wahrnehmung der Interessen der Heilmittelerbringer maßgeblichen Verbänden auf Landesebene zur Stärkung der Verantwortung der Heilmittelerbringer die Durchführung von Modellvorhaben nach Satz 3 vereinbaren. Im Vertragsbereich zeichnet sich bereits seit einigen Jahren eine zunehmende Tendenz der gesetzlichen Krankenkassen ab, einzeln bzw. in kleineren Verbünden zu agieren. Es erscheint daher fraglich, ob es in der Praxis gelingt, Modellvorhaben bundeslandübergreifend mit den Landesverbänden der Primärkassen und den Ersatzkassen gemeinsam zu vereinbaren und umzusetzen. Deshalb sprechen sich die Verbände der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie ausdrücklich dafür aus, von einer flächendeckenden Einführung von Modellvorhaben abzusehen. Das würde auch dem Wesen eines Modells widersprechen. Die formalen und organisatorischen Voraussetzungen müssen so ausgestaltet sein, dass Modellvorhaben tatsächlich realisiert werden können. Nach erfolgter Evaluation sollte der Direktzugang dann zwingend zeitnah in die ambulante Regelversorgung übertragen werden. Die durch Modellvorhaben den Vertragspartnern entstehenden Mehraufwendungen sind analog 64 a SGB V auszugleichen. 8. 125 wird wie folgt geändert: a) Absatz 2 wird wie folgt geändert: aa) Nach Satz 1 wird folgender Satz eingefügt: Für die Verträge nach Satz 1 gilt 71 nicht. Die Berufsverbände befürworten die Entkopplung der Vergütungsvereinbarungen von der Grundlohnsummenentwicklung ausdrücklich. Durch die Entkopplung werden die Vertragspartner in die Lage versetzt, eine der Leistung angemessene Vergütung zu vereinbaren. Wir teilen ausdrücklich die Einschätzung in der Begründung zum Referentenentwurf, dass es den Vertragspartnern ermöglicht werden muss, die stetig gestiegenen Anforderungen im Heilmittelbereich durch eine flexible Preisanpassung zu begleiten. Der wissenschaftliche Fortschritt und die dadurch gestiegenen Anforderungen an die Ausstattung der Praxis sowie die Kom- 5 von 8

petenzen und Fortbildung der Leistungserbringer kann nur so angemessen vergütet werden. Die bisherige Obergrenze für Vergütungsanpassungen durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität im Heilmittelbereich hat zu einer unzureichenden Versorgungssituation geführt. Aufgrund der Vergütungssituation in den letzten Jahren ist es zu einem gravierenden Mangel an Nachwuchskräften im therapeutischen Bereich gekommen. Die Entwicklung wird sehr gut deutlich an dem Vergleich zwischen den Gehältern in einer sprachtherapeutischen Praxis und im öffentlichen Dienst: Laut Erhebungen der Berufsverbände lag das durchschnittliche Monatsgehalt einer in einer Praxis angestellten Therapeutin mit Berufserfahrung in den westlichen Bundesländern im Jahre 2005 bei ca. EURO 2.000,00 brutto. Zehn Jahre später, im Jahre 2015, bei ca. EURO 2.250,00 brutto. Im öffentlichen Dienst war das durchschnittliche Monatsgehalt einer vergleichbar qualifizierten Therapeutin im Jahre 2005 mit ca. EURO 2.100,00 brutto nur EURO 100,00 höher. Hingegen im Jahre 2016 erhält eine vergleichbar erfahrene Therapeutin im öffentlichen Dienst laut TVöD 2016b bereits EURO 2.944,00 brutto. Die Differenz liegt heute bereits bei EURO 694,00 bei absolut vergleichbarer Ausbildung, Alter, Leistung etc. Die deutlich bessere Altersvorsorge im öffentlichen Dienst ist dabei noch unberücksichtigt. Angestellte Therapeutinnen sind auch von der allgemeinen Einkommensentwicklung in Deutschland in den letzten 10 Jahren abgekoppelt worden. Die Steigerung lag laut Statistischem Bundesamt in diesem Zeitraum bei ca. 20 % und damit eklatant über der Steigerung in den kassenzugelassenen Praxen, die nur bei ca. 12 % liegt. Die Gehaltsentwicklung spiegelt die finanzielle Situation der niedergelassenen Praxen wider, die - obwohl ihnen angestellte Therapeuten fehlen auf Grund der überproportional steigende Kosten für den Praxisbetrieb, keine höheren Gehälter zahlen können. Infolge ist die zeitnahe Versorgung der Patientinnen und Patienten im ambulanten Bereich nicht mehr gewährleistet. Und der Fachkräftemangel ist in den Praxen schon heute schleichend angekommen. Exemplarisch sei hier auf die Kosten für Miete und Energie 6 von 8

hingewiesen, die laut Angaben des Statistischen Bundesamtes in den letzten 10 Jahren deutlich oberhalb der Grundlohnsummenentwicklung lagen (zum Vergleich: Grundlohnsummenanstieg 2001 bis 2016 ca. 24% - Energiekosten 2000 bis 2016 ca. 100%). Ein weiterer Aspekt für die notwendige Entkopplung von der Grundlohnsummenentwicklung ist die Verhinderung von neuen Leistungen, die auf Grund der Veränderung von Versorgungsstrukturen z.b. im Rahmen von Inklusion und Ganztagsbetreuung oder mit neuen Versorgungsmöglichkeiten wie der Unterstützten Kommunikation notwendig werden. Vergütungen von Leistungen zu verändern oder neu einzuführen, konnte in den Verhandlungen mit den Krankenkassen nicht umgesetzt werden, da dies mit dem Verweis auf das durch die jeweilige Grundlohnsummensteigerung vorbestimmte finanzielle Volumen adäquate Vergütungsanpassungen bei den bestehenden Leistungen verhindert hätte. Der Vergleich zeigt, dass durch die Begrenzungen bei den Vergütungsanpassungen eine enorme Differenz in den Systemen entstanden ist, die nicht durch Leistung und Anforderung an die Leistungserbringer zu erklären ist, sondern durch die unangemessene Deckelung der Preisanhebungen bis zur Obergrenze der Grundlohnsummensteigerungsrate. 8. 125 wird wie folgt geändert: a) Absatz 2 wird wie folgt geändert: Insbesondere vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus diversen Schiedsverfahren begrüßen die drei Berufsverbände der Stimm-, Sprech- und Sprachtherapie ausdrücklich die geplante Beschleunigung der Schiedsverfahren. bb) In dem neuen Satz 5 werden nach dem Wort Schiedspersonen die Wörter innerhalb von drei Monaten eingefügt. cc) In dem neuen Satz 6 werden nach dem Wort Aufsichtsbehörde die Wör- 7 von 8

ter innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen eingefügt. dba Marion Malzahn 1. Vorsitzende dbl Dagmar Karrsch Vizepräsidentin dbs Katrin Schubert 1. Vorsitzende 8 von 8