NEUE MEDIEN UND ARBEITSVERHÄLTNISSE. Dr. Urs Egli, Rechtsanwalt, Zürich



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Transkript:

NEUE MEDIEN UND ARBEITSVERHÄLTNISSE Dr. Urs Egli, Rechtsanwalt, Zürich Die neuen Medien (auch Social Media oder soziale Medien genannt) verändern das Kommunikationsverhalten grundlegend. Das Internet wird interaktiv. Grenzen verschwimmen, auch diejenigen zwischen Privatleben, Öἀentlichkeit und Arbeit. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellen sich heikle Fragen: Darf den Mitarbeitenden die Nutzung neuer Medien wie Facebook während der Arbeitszeit untersagt werden? Darf man Stellenbewerber einem Social Media Screening unterziehen? Darf die Internetnutzung der Mitarbeitenden überwacht werden? Wie ist bei missbräuchlicher Nutzung neuer Medien durch die Mitarbeitenden vorzugehen? ZV INFO JUBILÄUM 105

*100 Jahre Engagement Die Rechtsgrundlagen Anders als im privaten Arbeitsrecht gibt es im öfentlichen Personalrecht kein allgemein gültiges Gesetz. In der föderalistisch strukturierten Schweiz gelten für Bund, Kantone und Gemeinden je unterschiedliche gesetzliche Regeln. Allerdings kann auch das OR zur Lückenfüllung herangezogen werden. Zahlreiche Behörden haben Verordnungen, Weisungen oder Reglemente erlassen, welche sich mit dem hema befassen (z.b. die Verordnung des Kantons Zürich über die Nutzung von Internet und E-Mail vom 17. September 2003, die Weisung des Kantons hurgau über die Überwachung von Internet und E-Mail am Arbeitsplatz vom 13. Dezember 2011 oder die Weisung zur Nutzung von IT-Mitteln durch Studierende der Pädagogischen Hochschule Zürich vom 15. Februar 2010). Solche Erlasse beschätigen sich etwa mit folgenden hemen: Zulässigkeit oder Verbot der Benutzung des Internets für private Zwecke, zulässiger zeitlicher Umfang der privaten Nutzung, Verwendung privater Mobiltelefone während der Arbeitszeit, Umgang mit privaten E-Mails, Aufzählung der absolut verbotenen Aktivitäten wie z.b. Zugrif auf pornograische Inhalte, Regeln zur arbeitsbezogenen Kommunikation in sozialen Medien, Vorschriten zur Datenspeicherung auf privaten Datenspeichern, Hinweis auf Überwachungsmöglichkeiten des Arbeitgebers sowie Androhung von Konsequenzen beim Verstoss. Recht auf Nutzung neuer Medien am Arbeitsplatz Wenn Mitarbeiter vom Arbeitsplatzcomputer auf neue Medien zugreifen wollen, so kann der Arbeitgeber das in einer Weisung vollständig verbieten. Er darf darüber bestimmen, wie die Arbeitsgeräte zu verwenden sind. Erlässt ein Arbeitgeber jedoch keine Weisung, so darf ein Mitarbeitender seinen Arbeitsplatzcomputer in beschränktem Umfang für den Konsum neuer Medien nutzen (analog der Nutzung des Geschätstelefons für private Gespräche). Was aber ist mit den privaten Mobiltelefonen, die heute fast jeder besitzt? Als Grundsatz gilt, dass Mitarbeitende solche auch während der Arbeitszeit sporadisch für private Zwecke nutzen dürfen, sofern dadurch die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt sicher für die Nutzung während der Arbeitspausen. Inwieweit private Mobiltelefone auch ausserhalb von Arbeitspausen genutzt werden dürfen, ist von der konkreten Tätigkeit und der betrieblichen Praxis abhängig. Die Verwendung privater Mobiltelefone darf nur in besonderen Fällen etwa aus Sicherheitsgründen ganz untersagt werden. Übermässige Nutzung während der Arbeitszeit Die Nutzung neuer Medien während der Arbeitszeit kann die Arbeitsleistung beeinträchtigen. Wie aber stellt man fest, ob das der Fall ist? Die Arbeitsleistung lässt sich in der Regel ja nicht messen. Hier gibt es einen Unschärfebereich. Massgebend sind die Art des Berufs, die Usanz im Betrieb und der Umstand, ob es feste Pausenzeiten gibt. In diesem Fall ist es den Mitarbeitenden zuzumuten, private Erledigungen in der Pause zu tätigen. Stellt ein Arbeitgeber fest, dass ein Mitarbeitender neue Medien übermässig zu privaten Zwecken nutzt, so ist er schritlich abzumahnen. Als weitere Sanktion kann dem Mitarbeitenden der Internetzugang gesperrt werden. Ändert der Mitarbeitende sein Verhalten dann immer noch nicht, kann eine Entlassung in Betracht gezogen werden. Hingegen ist eine fristlose Entlassung wegen übermässigem Surfens in einem Gerichtsentscheid nicht geschützt worden. In ganz krassen Fällen schliesslich verliert der Mitarbeitende seinen Lohnanspruch für die Zeit, während der er neue Medien nutzt. Allerdings muss der Arbeitgeber nachweisen können, wann und wie lange diese Nutzung stattgefunden hat. Rufschädigung und Geheimnisverrat Der Verlust der Arbeitsleistung ist geradezu harmlos im Vergleich zum Schädigungspotenzial neuer Medien. Beispielhat ist der folgende Fall aus den USA: Zwei Küchenmitarbeiter der Restaurant- Kette Domino s Pizzaland drehten ein Youtube-Filmchen von sich, das sie in Arbeitskleidern und in der Restaurant-Küche bei der Zubereitung von Sandwiches zeigte. Das taten sie auf sehr un- 106

appetitliche Weise. Das Ganze war als Scherz gedacht. Das Filmchen wurde innerhalb kurzer Zeit von einer riesigen Anzahl von Konsumenten angeschaut. Für die Restaurant-Kette war das eine PR-Katastrophe. Aus der Schweiz gelangte der Fall eines Wartungstechnikers von SR Technics in die Presse. Dieser Mitarbeitende hat sich über ein ofenes Triebwerk gelegt und so fotograieren lassen (Planking). Das Foto stellte er ins Netz. Das Planking war eine sehr gravierende Sorgfaltsplichtverletzung, denn es hätte sein können, dass damit das Triebwerk beschädigt worden wäre. Beim Geheimnisverrat über soziale Medien geht es um das Ausplaudern von Interna. Gravierend war der folgende, unbeabsichtigte Geheimnisverrat: Ein israelischer Soldat gab in einer Statusmeldung in einem sozialen Medium seinen Standort durch und sagte, dass er dort auf die Auslösung eines Angrifs warte. Mitarbeiter schaden sich auch selber Informationen aus neuen Medien können aber auch für die Mitarbeitenden negative Konsequenzen haben. Dies musste eine Lernende einer Schwyzer Gemeindeverwaltung erfahren, welche ihre KV-Lehrstelle noch vor dem Stellenantritt verlor, weil sie eine Lehrerin auch eine Gemeindeangestellte im Internet gemobbt hatte. Häuig kommt es vor, dass sich Mitarbeitende in einem neuen Medium bei ihren Freunden über ihre Arbeit beschweren. Allzu ot gelangen diese Informationen dann zu den Vorgesetzten. Cyber-Mobbing Immer wieder liest man von Schülern, die sich ein Leid antun, weil sie im Cyberspace gemobbt wurden. Bereits gibt es auch im Bereich des Arbeitsrechts erste Fälle. So wurde eine im Unfrieden ausgeschiedene Mitarbeitende wegen Verleumdung verurteilt, weil sie im Internet über ihren ehemaligen Chef hergezogen ist. In diesem Zusammenhang ist zu klären, wie weit Arbeitgeber ihre Mitarbeitenden vor Mobbing durch Arbeitskollegen schützen müssen. Überwachung am Arbeitsplatz Dürfen Arbeitgeber das Verhalten von Mitarbeitenden beim Surfen und bei der Nutzung neuer Medien überwachen? Ohne eine Überwachung ist der Arbeitgeber gar nicht in der Lage, Missbräuche festzustellen. Illustrativ ist folgender Fall aus dem Kanton Tessin (BGer 8C_448/2012 vom 17. Januar 2013). Ein Kadermitglied des Zivilschutzes Bellinzona wurde verdächtigt, seinen Computer während der Arbeitszeit für arbeits- ZV INFO JUBILÄUM 107

fremde Zwecke zu nutzen. Der Arbeitgeber installierte darauhin eine Spionagesotware. Eine Prüfung zeigte, dass der Mitarbeitende 70% der am Computer verbrachten Arbeitszeit zu privaten Zwecken genutzt hatte. Das entsprach 23% der gesamten Arbeitszeit. Er wurde darauf fristlos entlassen. Das Bundesgericht erachtete diese fristlose Entlassung als unzulässig. Die mittels der Spionagesotware beschaten Beweismittel durten nicht verwertet werden, weil die Überwachung unverhältnismässig war und die Beweismittel somit einem Verwertungsverbot unterlagen. Bei der Überwachung gilt es, die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden gegen die legitimen Interessen des Arbeitgebers abzuwägen. Klar unzulässig ist eine Überwachung, welche bezweckt, die Arbeitsleistung der Mitarbeitenden präventiv zu überwachen. Hingegen ist es zulässig, den Internetverkehr zur Messung der Netzwerkauslastung zu überwachen, sofern der einzelne Nutzer nicht persönlich identiiziert wird. Die personenbezogene Überwachung ist im Normalfall nur zulässig, wenn den Mitarbeitenden die Möglichkeit der Überwachung vorgängig mitgeteilt wurde. Weiter darf eine personenbezogene Überwachung nur stichprobenweise oder nur in Verdachtsfällen durchgeführt werden. Social Media Screening Die Interessen der Arbeitgeberseite liegen auf der Hand. Wer kaut schon gerne die «Katze im Sack». Die Mitarbeitenden auf der anderen Seite haben einen Anspruch auf Privatsphäre. Nicht alles, was sie im Privatleben machen, ist für die Augen und Ohren der zuküntigen Chefs bestimmt. Darf nun ein zuküntiger Arbeitgeber all diese Informationen, die elektronisch so einfach verfügbar sind, benutzen, um sich ein Bild über einen Stellenbewerber zu machen? Was sagt das Recht dazu? Art. 328b OR regelt, was in einem Bewerbungsgespräch gefragt werden darf und was nicht. Unproblematisch sind einzig Fragen zur Ausbildung, zum berulichen Werdegang und zu den beruflichen Perspektiven. Heikel wird es bei Fragen zu einer allfälligen Verschuldung, zu Krankheiten und zu einer Schwangerschat. Solche Fragen sind nur in besonderen Fällen zulässig, nämlich wenn ein Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis besteht. Besonders kritisch sind Fragen zur Herkunt, zu Vereinszugehörigkeiten, zu Religion und zu Weltanschauungen. Solche Fragen sind nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber in einem dieser Bereiche tätig ist. Wenn es bereits unzulässig ist, im Bewerbungsgespräch bestimmte Dinge zu fragen, so ist es ganz sicher untersagt, sich diese Informationen über ein Ausspionieren in einem sozialen Medium zu beschafen. Deshalb ist die Sache nach geltendem Schweizer Recht klar: Die Überprüfung von Stellenbewerbern im Internet ist ohne deren Zustimmung nicht erlaubt. 108

Xing, LinkedIn und Google Es fragt sich, ob ein Unterschied gemacht werden muss zwischen Business-Netzwerken wie Xing oder LinkedIn und Netzwerken mit vorwiegend privater Ausrichtung wie Facebook. Business- Netzwerke dienen ausschliesslich der Selbstdarstellung von Personen im geschätlichen Bereich. Entsprechend wird das eigene Proil sorgfältig redigiert. Vor allem aber sind die «Privateinstellungen» viel restriktiver, d.h. Informationen werden konsequent nur bekannten Personen zur Verfügung gestellt. Damit sind solche Netzwerke für das Spionieren ungeeignet. Bei der Suche mit Internetsuchdiensten (Google) ist die Güterabwägung nochmals eine andere. Google-Recherchen sind von den Betrofenen nämlich überhaupt nicht kontrollierbar. Es werden auch Informationen angezeigt, die ohne das Wissen und manchmal auch gegen den Willen der Betrofenen ins Netz gestellt wurden oder die sich immer noch in Archiven inden, obwohl die Originalseite bereits gelöscht wurde. Häuig ergibt die Google- Suche auch zweideutige oder sogar klar unrichtige Resultate (z.b. bei Personenverwechslungen). Ist Social Media Screening unter Umständen sogar Pflicht? Vor allem im Bereich der öfentlich-rechtlichen Anstellungen gibt es Berufe, bei denen an die Loyalität und Integrität der Mitarbeitenden besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Zu denken ist etwa an besondere Aufgaben im Bereich der Polizei- und Geheimdienste, aber auch an Personen in Plege- oder Lehrberufen. Man stelle sich folgenden Fall vor: Bei einem pädophilen Übergrif durch eine Lehrperson inden die Medien aufgrund von Recherchen in sozialen Medien heraus, dass der Täter eine einschlägige Vorgeschichte hat. Wäre hier die anstellende Schule nicht verplichtet gewesen, zum Schutz der Opfer alle zumutbaren Abklärungen zu trefen? Konlikte mit dem Persönlichkeitsschutz sind vorprogrammiert. Eine Lösung könnte sein, einen externen Dienstleister mit der Recherche zu beautragen und ihn anzuweisen, dem Arbeitgeber nur solche Informationen bekanntzugeben, die für das Anstellungsverhältnis relevant sind. Die normative Kraft des Faktischen Soweit das Recht. Aber ist das überhaupt durchsetzbar? Ein abgewiesener Stellenbewerber kann kaum merken, dass er die Stelle wegen einer «wilden» Foto aus den Jugendjahren nicht erhalten hat. Wo kein Kläger, da kein Richter. Und die Chance, dass man erwischt wird, ist verschwindend klein. Es wäre deshalb naiv zu glauben, dass das digitale Bewerber-Screening nicht praktiziert wird. Im Gegenteil: Die Überprüfung von Stellenbewerbern in neuen Medien ist gängige Praxis. Und mit Konsequenzen. In einer Umfrage aus dem Jahr 2009 haben 35% der befragten Unternehmen angegeben, sie hätten Bewerber abgewiesen, weil sie über diese nachteilige Informationen gefunden hätten. Das darf aber kein Freipass sein, insbesondere nicht für die öfentliche Hand als Arbeitgeberin. Im öfentlichen Personalrecht gelten das Legalitätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismässigkeit. Beides steht einem präventiven Social Media Screening entgegen. ue Dr. iur. Urs Egli Rechtsanwalt und Gründungspartner der Egli Isler Partner Rechtsanwälte AG in Zürich. ZV INFO JUBILÄUM 109