Texte: Markus 5,24-34 Autor: Hartmut Burghoff Predigt Jesus fuhr mit dem Boot (von der östlichen Seeseite) wieder an das andere Seeufer, wo sich bald eine große Menschenmenge um ihn versammelte. Er war noch am See, als einer der Synagogenvorsteher kam, ein Mann namens Jairus. Er warf sich Jesus zu Füßen 23 und flehte ihn an:»meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie wieder gesund wird und am Leben bleibt! «24 Jesus ging mit ihm. Eine große Menschenmenge schloss sich ihm an und drängte sich um ihn. 25 Unter den Leuten war auch eine Frau, die seit zwölf Jahren an schweren Blutungen litt. 26 Sie war bei vielen Ärzten in Behandlung gewesen und hatte dabei viel gelitten und ihr gesamtes Vermögen ausgegeben, aber es hatte nichts genützt; im Gegenteil, ihr Leiden war nur noch schlimmer geworden. Wörtlich sie hatte sehr unter vielen Ärzten gelitten (nicht nur unter ihrer Krankheit). Gesundheit war schon damals mit das höchste Gut : Alle Ersparnisse hatte sie dafür aufgebraucht. Trotzdem ging es ihr immer schlechter. Sie galt als unrein ; sie durfte niemand berühren (niemand durfte sie anfassen). Sie galt fast wie eine Aussätzige; von der Gesellschaft an den Rand gedrängt; ausgegrenzt. Das ganze ging jetzt schon 12 Jahre so! Sie wird ein sehr zurückgezogenes Leben geführt haben. Ob sie Familie hatte, oder irgendwo allein lebte? Ich stelle mir vor, dass ihre sozialen Kontakte wegen ihrer Krankheit immer weniger wurden. Einsamkeit ist oft der stille Begleiter einer langanhaltenden chronischen Erkrankung.
27 Diese Frau hatte von Jesus gehört. Was hatte sie gehört? Von wem hat sie gehört? Wir wissen es nicht. Wir können aus ihrem Verhalten Rückschlüsse ziehen auf das, was sie gehört haben muss: Bestimmt hat sie von den Heilungswundern Jesu gehört und dass er ein ganz besonderer Mann war! Was macht das mit ihr? Sie sagt zu sich: Ich muss in die Nähe von Jesus kommen. Es würde schon reichen, wenn ich ihn nur von hinten irgendwie berühre, wenn er vorbeigeht. So kann ich unerkannt bleiben und werde trotzdem gesund. Nun drängte sie sich in der Menge von hinten an ihn heran und berührte sein Gewand, 28 denn sie sagte sich:»wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich gesund. «Die Frau setzt sich mit Nachdruck dafür ein, zu Jesus zu kommen; sie drängelt sich von hinten durch die Menschenmenge bis zu Jesus vor. Da, da ist er! Aber Jesus wird schon wieder verdeckt durch Menschen. Wenn ich ihn doch nur irgendwie berühren könnte; oder wenigstens seine Kleidung erwischen könnte! Sie macht ihre Arme lang und streckt sich! Tatsächlich; sie erwischt einen Zipfel seines Umhangs. Wörtlich: die Quaste am Saum seines Tallit (=Gebetsmantel) mit den Zizit (= Schaufäden bzw. Quasten). Der Tallit spielt im jüdischen Leben eine sehr wichtige Rolle. Er wird als Gebetsmantel oder Gebetsschal bezeichnet; er ist kein Kleidungsstück, sondern ein Gegenstand des Rituals. Dieser ist mit Schaufäden (Zipfelquasten) versehen. Sie geben ihm seine religiöse Bedeutung. Der Tallit wird getragen, damit der Jude daran denkt, die Gesetze Gottes einzuhalten. 1 Genau diesen Teil des Kleidungsstückes von Jesus bekam sie zu fassen. Wenn man so will: Sie berührte den heiligsten Teil von Jesus; und das als Unberührbare. Sie verstösst damit gegen alle religiösen Regeln. Aber das ist ihr egal; nur Jesus berühren. Der hilft mir! 29 Und wirklich, im selben Augenblick hörte ihre Blutung auf, und sie spürte, dass sie von ihrem Leiden geheilt war. Sie sagte zu sich:»wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich gesund.«und genauso ist es geschehen. Sie sagte zu sich ; d.h. sie führte ein Selbstgespräch. Ein Selbstgespräch des Glaubens. 1 Vgl. 3. Mose 15,37-41 und 4. Mose 15,38-40 2
Durch 12 Jahre Erfahrung mit dieser Krankheit hatte sie gelernt, dass ihre Situation hoffnungslos war. So vieles hatte sie schon versucht. Sie hätte ja auch (zu sich) sagen können: Ich bin ein hoffnungsloser Fall; mir kann keiner helfen. Gott straft mich mit dieser Krankheit; ich muss mich in mein Schicksal ergeben und diese Krankheit bis zu meinem Lebensende tragen. Sie hätte ihre eigene Theorie zum Besten geben können, warum es ihr so schlecht geht. Aber alles das sagt sie nicht in ihrem Selbstgespräch! Sie sagt vielmehr:»wenn ich nur sein Gewand berühre, werde ich gesund.«ein heilsames Selbstgespräch! Wie sind unsere Selbstgespräche? Was sagen wir zu uns selber in schwierigen Situationen; besonders, wenn sie über Jahre andauern? Oft klingen Worte in unseren Ohren nach, die wir früher einmal gehört haben: Du bist nichts, Aus dir wird nie etwas, Du bist ein hoffnungsloser Fall. Bei dir funktioniert das nicht. Dir kann niemand helfen. Du musst selber schauen. Und wir beginnen diesen Worten (Lügen) zu glauben. So wie die Frau aus ihrem `heilsamen Selbstgespräch` heilsame Entscheidungen traf; verleiten uns die Lügen, die wir glauben, zu falschen Reaktionen und Entscheidungen. Diese Lügen will uns der Heilige Geist aufdecken, dass sie unser Leben nicht mehr bestimmen. 29 und sie spürte, dass sie von ihrem Leiden geheilt war. Bei so vielen Ärzten hat sie probiert, sich selber und ihren Körper zu `spüren`. Ist es jetzt besser mit mir? Bin ich geheilt? Nein, das hat nie wirklich funktioniert. Auch ihre Selbstwahrnehmung hat sie im Stich gelassen! Bei Jesus war das anders; sie spürte sich wieder. Ja, sie spürte an ihrem kranken Körper, dass etwas geschehen war: Sie war geheilt! 30 Im selben Augenblick spürte auch Jesus, dass eine Kraft von ihm ausgegangen war. Das alles geschah, ohne ein Wort von Jesus. Ohne ihr eine Frage gestellt zu haben. Ohne Aufforderung zu glauben. Selbst die Frau hat kein einziges Wort gesagt. Lautlos und still hat sie getan, was sie geglaubt hat. Und sie wurde sofort gesund. Jesus merkte das trotz des Gedränges um ihn herum. Jesus drehte sich um und fragte die Leute:»Wer hat mein Gewand berührt? «31 Seine Jünger erwiderten:»du siehst doch, wie sich die Menschen um dich drängen, und da fragst du: Wer hat mich berührt? «32 Aber Jesus blickte in der Menge umher, um zu sehen, wer es gewesen war. 3
Jesus merkte, dass Kraft ( Dynamis ) von ihm ausgegangen war. Diese wird durch Glauben freigesetzt. Mitten in den zahllosen Händen der Menschenmenge war nur eine `Hand des Glaubens`. Die anderen waren einfach nur da und drängelten. Die Frau vertraute auf Jesus. Das merkt Gott. Egal, was um uns herum passiert: Gott registriert deinen und meinen Glauben! So geschieht es bis heute; selbst in einem Gottesdienst wie jetzt. Viele wollen Gott erleben; aber nur der, der Jesus `im Glauben` erfasst, wird verändert. In Heilungsgottesdiensten habe ich das schon erlebt. Da, wo unser Glaube auf Jesus trifft, handelt Gott. Aber nicht immer so, wie wir es uns vorstellen. Und auch nicht bei allen gleich. Die Frau war die einzige in einer grossen Menge religiöser Leute, bei der Jesus wirkte. Wie viele haben hier und heute diesen Glauben, dass Gott eingreift? Der Glaube, d.h. Vertrauen auf Gott macht den Unterschied. Früher oder später. Jesus hätte sie auch 12 Jahre früher heilen können. Da war Jesus ca. 20 Jahre alt. Aber es war nicht der Zeitpunkt; es war damals nicht dran. Heute ist der Tag des Heils. 33 Zitternd vor Angst trat die Frau vor; sie wusste ja, was mit ihr geschehen war. Sie warf sich vor Jesus nieder und erzählte ihm alles, ohne etwas zu verschweigen13. Keine Anonymität mehr; ich bin erkannt; ich bin entdeckt! Jetzt sehen alle, dass ich als `Unreine` und dann noch als Frau (!) die Gebote Gottes übertreten habe! In Erwartung einer Zurechtweisung deckt sie doch ihre Karten vor Jesus offen. 34»Meine Tochter«, sagte Jesus zu ihr,»dein Glaube hat dich gerettet. Jesus schimpft nicht mit ihr und sagt (wie es die Pharisäer gemacht hätten): Du abergläubische Person; was hast du da hinter meinem Rücken gemacht?! Er sprach sie liebevoll an mit `meine Tochter`. Er stellt eine vertrauensvolle Beziehung her zwischen ihr und ihm: Du bist nicht gesund, weil du meinen Gebetsschal angefasst hast. Du bist gesund, weil du geglaubt hast und ihm Glauben gehandelt hast. So wirkt beides zusammen: Das Leibliche und das Geistliche, das Anrühren und das Glauben. 4
Nicht nur wurde sie körperlich geheilt; wörtlich: sie wurde `ganz gemacht` heil gemacht, wiederhergestellt, `gerettet`. Versöhnt mit Gott nach Leib, Seele und Geist. Gott meint immer den `ganzen Menschen`. Selbst körperliche Gebrechen, unter denen wir leiden und die zu den sichtbaren Folgen des Sündenfalls gehören, müssen der Macht Jesu weichen. 34b Geh in Frieden! Du bist von deinem Leiden geheilt. «Jesus bestätigt und bekräftigt die Heilung. Sie ist nun endgültig; mit letzter seelsorgerlicher Vollmacht bestätigt durch das Wort Jesu. Schluss: Die Begegnung mit Jesus verändert Menschen und Situationen. Wer ihm vertraut wird seine Hilfe erfahren; er wird nicht zugrunde gehen (Römer 10, 11b). Lasst uns ihm begegnen. 5